Das Braess'sche Paradoxon - "mechanisch" gesehen

Ein empfindliches Gerät, das sogar auf Erschütterungen des Gebäudes durch den Schwerlastverkehr reagiert, soll mit einer Spiralfeder an der Decke des Laborraums befestigt werden. Es gibt zwei Spiralfedern, die zusammen die nötige Länge haben. Mit einem starken Faden werden die Federn verbunden. Ein Ende der Federn wird an der Labordecke befestigt. An das andere Ende kommt das Messgerät. Da es bezüglich der Festigkeit des Fadens Bedenken gibt, wird zur Sicherung mit zwei weiteren Fadenstückchen das obere Ende der unteren Spiralfeder mit der Decke, und das untere Ende der oberen Spiralfeder mit dem Laborgerät verbunden.

Die Fäden sind nur als Sicherung angebracht. Das Laborgerät tragen sie nicht. Aber sie lassen der Schwingung auch nicht mehr Spielraum als nötig. Wenn nun der Verbindungsfaden reißt, hängt das Laborgerät immer noch über die Fäden und die Federn an der Decke. So sieht die Sache vom Prinzip her schließlich aus:

Frage: Was passiert, wenn der Faden zwischen den Spiralfedern reißt? Welche Bewegung macht das Laborgerät? Bewegt es sich nach oben, nach unten, oder bleibt es im Großen und Ganzen wo es ist?

Antwort: Das Laborgerät wird etwas nach oben gezogen. Das liegt daran, dass die obere der Federn freigegeben wird und die Hälfte des Gewichts des Laborgeräts übernimmt. Schließlich wird jede der Federn mit dem halben Gewicht belastet und sie können sich dementsprechend zusammenziehen. Aus der Serienschaltung der Federn ist eine Parallelschaltung geworden!

Quelle: Spektrum der Wissenschaft (1992) 11, 23-26

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© Timm Grams, 7. Oktober 2000