Umweltsimulation mit Tabellenkalkulation
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Die Anfangswertaufgabe für ein System erster
Ordnung: Gesucht ist die Zeitfunktion z(t)
derart, dass sie die Übergangsbeziehung
dz(t)/dt
= f(z(t))
erfüllt und einen vorgegebenen Anfangswert z(0) hat. (Die Übergangsbeziehung ist eine gewöhnliche Differentialgleichung erster Ordnung. Wir nennen sie manchmal auch Systemgleichung.)
Zur näherungsweisen Lösung der Systemgleichung
ersetzen wir den Differentialquotienten dz(t)/dt
durch den Differenzenquotienten (z(t+h)-
z(t))/h. Wenigstens näherungsweise gilt also folgende
Systemgleichung:
z(t+h) = z(t) + h f(z(t)).
Wir wollen die Näherungslösung des
Anfangswertproblems für die äquidistanten Zeitpunkte t0, t1,
t2, ... bestimmen. Die Schrittweite sei h.
Angefangen wird mit t0 = 0. Es ist also ti
= h·i, wobei der Index i die Werte 0, 1, 2, ... durchläuft. Wir
setzen zi = z(ti). Ersetzt man
in der Systemgleichung t durch ti,
erhält man die Übergangsbeziehung in der Form
zi+1 = zi + h f(zi).
Der Anfangswerte z0 =
z(0) ist bekannt. Von da aus können wir - Schritt für Schritt
weitergehend - die Folge von Zustandswerten z0, z1,
z2, ... errechnen. Das
treiben wir so lange, bis der uns interessierende Zeitbereich durchschritten
ist. Wir haben damit eine Näherungslösung für das System gefunden.
Die Lösung wird umso genauer, je kleiner die
Schrittweite h gewählt wird. Dementsprechend steigt die Anzahl der
Rechenschritte, die man braucht, um einen gegebenen Zeitbereich zu
durchschreiten.
Der Aufwand für die Näherungslösung kann
beträchtlich werden. Effizientere Verfahren als das hier verwendete, nach den
Mathematikern Euler und Cauchy benannte, findet man in der
Literatur zur numerischen Mathematik. Besonders interessant für Berechnungen mittels
Tabellenkalkulation sind die Einschrittverfahren. Außer dem Verfahren von
Euler-Cauchy gehören dazu noch die Verfahren von Heun und Runge-Kutta.
Der Sprung vom 10-m-Turm eines Schwimmbads wird
durch den Weg w (gemessen in Metern) beschrieben, den der idealisierte
(zu einem Massepunkt geschrumpfte) Springer zurücklegt: Oben ist der Nullpunkt
und die Wasseroberfläche entspricht der 10-Meter-Marke. Der freie Fall wird
durch die Erdbeschleunigung regiert. Die zweite Ableitung des Weges ist gleich
der (konstanten) Erdbeschleunigung: d2w/dt2 = g. Für die Erdbeschleunigung sei hier
vereinfachend der Wert g = 10 m/s2
angenommen. Für den 45ten Breitengrad ist g = 9,81 m/s2
ein genauerer Wert.
Gesucht ist die Abhängigkeit des Weges von der
Zeit. Obwohl uns die exakte Lösung, nämlich w(t) = g·t2/2, bekannt ist, wollen wir die Sache einmal mit
numerischen Methoden angehen.
Für die Zustandsraumdarstellung wird als weitere
Variable die Geschwindigkeit v (Gemessen in Metern je Sekunde)
eingeführt. Dieser "Trick" reduziert die Ordnung der in den
Gleichungen vorkommenden Ableitungen, führt aber zu einer erhöhten Anzahl von
Gleichungen. Schließlich hat man Differentialgleichungen erster Ordnung, dafür
aber für jede Zustandsvariable eine extra Gleichung.
dw/dt
= v
dv/dt
= g
Dieses System kann man genauso schreiben wie oben,
wenn man den Zustandsvektor z folgendermaßen einführt: z(t) = (w(t), v(t)).
Die obige diskretisierte Übergangsbeziehung kann nun auf das vorliegende
Beispiel höherer Ordnung übertragen und führt auf ein System von
Rekursionsgleichungen für die Zustände zi = (wi, vi):
wi+1 = wi + h vi
vi+1 = vi + h g
Das Arbeitsblatt Sprung10m.xls zeigt die Lösung.
Isaacson, E.; Keller, H. B.: Analyse numerischer Verfahren. Harri Deutsch Frankfurt/M., Zürich 1973
Schwetlick, H.; Kretzschmar, H.: Numerische Verfahren für Naturwissenschaftler und Ingenieure. Eine computerorientierte Einführung. Fachbuchverlag Leipzig 1991. Im Abschnitt über Runge-Kutta Verfahren (S. 229 ff.) sind sämtliche angesprochenen Verfahren mit Erläuterungen zu finden. Die Darstellung ist übersichtlich und anwendungsorientiert.
Stoer, J.: Numerische Mathematik 1. Springer, Berlin, Heidelberg 1994.
Stoer, J.; Bulirsch, R.: Numerische Mathematik 2. Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg 1990. Tiefer gehendes und klassisch theoretisch angelegtes Werk über die angesprochenen Methoden.
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© Timm Grams, 18.10.1999