Diese Statur wurde von Johannes Neudecker dem Jüngeren zu Zeiten des
Barock geschaffen und stellt eine Frau dar, die in ihren Händen eine
Sichel, das Symbol der Gartenbaukunst, hält. Bei genauerem Betrachten
stellt man fest, das diese Skulptur eigentlich das Gegenteil dessen
symbolisiert was sie darstellt. Vordergründig ist die Architektur zu
sehen, durch die Darstellung als Frau wird die Schönheit dieser Kunst
unterstrichen. Man könnte sogar soweit gehen zu sagen, daß die Schönheit
und Anmut der Frau mit der Kunst der Gartengestaltung verglichen wird.
Beleuchtet man aber den symbolischen Gehalt etwas näher, so muß man
erkennen, daß die alleinige Deutung als Symbol für die Architektur nicht
ausreicht. Die Allegorie stellt eigentlich einen Begriff dar, der für
Frauen nicht zugänglich war. Zur damaligen Zeit war es Frauen nicht
gestattet Gartenbaukunst zu studieren und daher gab es auch keine Frau,
die Gärten gestaltet hat. Frauen mußten nur für den Haushalt sorgen und in
der feinen Gesellschaft repräsentative Aufgaben erfüllen.
Maria Warner erläutert zu diesem Thema in ihrem Buch "In weiblicher
Gestalt - Die Verkörperung des Wahren, Guten und Schönen-": "nach wie vor
ist die Allegorie selbstverständliches und fruchtbares Element
menschlicher Kommunikation. Von Männern formuliert, verleiht sie der Frau
symbolische Gegenwart, Wert und Bedeutung, sie verweigert ihr aber in
gleichem Maße tatsächlichen Einfluß".(1) Dies zeigt den eigentlichen
Gegensatz der Allegorie. Zum einen symbolisiert sie einen in der
männlichen Welt wichtigen Begriff, zum anderen aber wird dieser Begriff
von einer Frau, die in der damaligen Gesellschaft keine Rechte hatte,
dargestellt. Betrachtet man die Figuren näher, so kann man feststellen,
daß die dargestellte Frau dem damaligen Idealbild einer Frau entspricht.
Die allegorische Figur ist also nicht für Frauen geschaffen worden,
sondern zeigt, neben der eigentlichen Darstellung des Begriffs, das
Idealbild der Frau dieser Zeitepoche, daß einzig und allein für den Mann
geschaffen wurde. Man könnte sogar soweit gehen zu behaupten, daß die
Frauen durch diese Bildnisse verhöhnt wurden. Als Figur durften sie
Begriffe und Rechte darstellen, die ihnen im richtigen Leben von den
Männern nicht erlaubt und zugestanden wurden. Das gleiche gilt auch für
die danebenstehende allegorische Skulptur der Architektur.
- Marina Warner, In weiblicher Gestalt - Die Verkörperung des Wahren, Guten und Schönen - , (Reinbeck bei Hamburg: Rowohlt, 1989), Umschlagseite
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