The Pursuit of Happiness

Tragende Säulen des amerikanischen Way of Life sind die vermeintlich gottgegebenen unveräußerlichen Rechte Life, Liberty and the Pursuit of Happiness, Leben, Freiheit und das Streben nach Glückseligkeit.

Ideologieverdacht

Es war 1982, da habe ich mir Gedanken über die Ziele der Politik gemacht und notiert:
– Möglichst viele zufriedene Menschen
– Mehr zufriedene als unzufriedene Menschen
– Möglichst wenige unzufriedene Menschen.

Zwanzig Jahre später habe ich Mary Douglas gelesen und Jeremy Benthams Prinzip des »größten Glücks der größten Zahl« kennengelernt. Manch einer hält den damit verbundenen Utilitarismus für einen Fortschritt gegenüber Immanuel Kants kategorischen Imperativ.

Sowohl Kants Gesinnungsethik als auch Benthams Utilitarismus kennzeichnet das Bestreben, die Glückseligkeit auf viele, möglichst auf alle auszudehnen.
Aber, o Schreck, schnell wird Philosophie zur Ideologie. Ich erinnere an die Pädagogik Kants und den Utilitarismus Peter Singers. Ich will zeigen, dass derartige Idealisierungen und Überdehnungen unnötig sind.

Die in der Unabhängigkeitserklärung genannten unveräußerlichen Rechte sind nämlich nur dem Individuum zugerechnet. Sie sind Rechte des Einzelnen gegenüber der Gesellschaft und nicht etwa umgekehrt. Sehen wir uns zunächst genauer an, welcher Ärger droht, wenn wir das Recht auf Glückseligkeit überdehnen.

Ideologische Sackgassen

Esther Menhard schreibt am 30.04.2023 über Longtermismus: Eine merkwürdige und sonderbare Ideologie.

Elon Musk förderte das Future of Humanity Institute (FHI). Das war ein interdisziplinäres Forschungszentrum der Universität Oxford.

Direktor war der einflussreiche schwedische Philosoph Nick Bostrom, ein führender Vertreter des Longtermismus, der fordert, die Forschung dort zu konzentrieren, wo sie langfristig den größten positiven Einfluss auf die Menschheit haben kann. Ray Kurzweils Konzept der Singularität ist mit dem Longtermismus verwandt.

Die bioethische Forschung des FHI konzentriert sich auf die möglichen Folgen von Gentherapie, Lebensverlängerung, Gehirnimplantaten und Gehirn-Computer-Schnittstellen sowie das Hochladen von Gedanken.

Esther Menhard schreibt, dass laut Bostrom die Menschheit die Zerstörung unseres Planeten durch die Sonne in einer Milliarde Jahren überleben könne, wenn wir den Weltraum besiedeln.

Das klingt schon sehr nach Elon Musk. Aber es geht noch weiter, viel weiter, im Anschluss an die Gedanken von Ray Kurzweil.

Carl Sagan schätzte 1983, dass es in Zukunft 500 Billionen Menschen geben würde. Menhard kommt auf Bostrom zurück und schreibt:

Wenn wir den Virgo-Supercluster besiedeln, könnte die Bevölkerung 10 hoch 23 biologische Menschen umfassen. Es könnten sogar noch mehr Menschen sein, wenn wir diese riesigen Computersimulationen erschaffen, in denen virtuelle Realitätswelten laufen, in denen Billionen von digitalen Menschen ein glückliches Leben führen würden.

In diesem Gedankenmorast landet, wer über das Wohl der Menschheit im Großen und Ganzen nachdenkt und das Glück, über alle genommen, maximieren will.

Das FHI wurde am 16. April 2024 geschlossen. Aber die Ideen leben weiter, unter anderem im Centre for the Governance of AI.

Der wahre Egoist kooperiert

Ich gehe die Frage nach dem Glück viel bescheidener an. Ich beginne mit dieser Prämisse: Das Einzige, worauf man sich wirklich verlassen kann, ist der Egoismus. Dieser Egoismus bezieht sich auf das Wohlergeben des Individuums und das von dessen Lieben.

Zwei Voraussetzungen hat das Entstehen einer gedeihlichen Gesellschaft:

Erstens: Jedes Individuum hat einen Charakter, der dessen Verhaltensweise regiert.

Zweitens: Jeder kann sich merken, wie ihn andere in der Vergangenheit behandelt haben.

In einer solchen Gesellschaft reüssiert nur der freundliche und faire Charakter, der sich nichts auf Dauer gefallen lässt. Es entsteht Kooperation und übernimmt die Herrschaft. Ein kategorischer Imperativ im Sinne Immanuel Kants ist für ein gedeihliches Miteinander nicht nötig.

Eine Computersimulation mit diesem Resultat habe ich in einem Kapitel meines Buches Klüger irren unter dem Titel Die schöpferische Kraft des Fehlers beschrieben.

Es spricht nichts dagegen, dass sich auch das Belohnungssystem, das für das Glücksempfinden verantwortlich ist, auf evolutionärem Wege, also ungeplant, entwickelt hat. Das Belohnungssystem erfüllt einen Zweck und es ergibt keinen Sinn, das Glück der Welt zu maximieren, ohne zu sagen, wozu das gut sein soll. Wer überzeugend erleben will, wie das Belohnungssystem funktioniert, der sollte Denksportaufgaben lösen. Glück ist die Belohnung erfolgreicher, also lebensdienlicher Anstrengung.

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3 Antworten zu The Pursuit of Happiness

  1. Timm Grams sagt:

    Die taz beleuchtete am 8.9.2023 die Zusammenhänge zwischen Longtermismus, Utilitarismus, Eugenik, Effektivem Altruismus, Klimawandelleugnung und nannte einige Exponenten des Longtermismus: Nick Bostrom, Elon Musk, Jeff Bezos. Aktueller Beitrag dazu von Esther Menhard: Die KI-Religion der Tech-Barone.

  2. Realo sagt:

    @ Timm Grams

    Zitat: „Es spricht nichts dagegen, dass sich auch das Belohnungssystem, das für das Glücksempfinden verantwortlich ist, auf evolutionärem Wege, also ungeplant, entwickelt hat. Das Belohnungssystem erfüllt einen Zweck und es ergibt keinen Sinn, das Glück der Welt zu maximieren, ohne zu sagen, wozu das gut sein soll.“

    Dass sich vorerst vieles nur auf evolutionärem Wege, also auch ungeplant und nicht systematisch entwickelt hat, scheint klar.

    Nur dürften irgendwann systematische Mechanismen, die man z.B. „DNA Zufallsgeneratoren“ bezeichnen könnte, entstanden sein (Kambrische Explosion) die der Entwicklung einen ordentlichen Schub verpasst haben.

    Danach dürften sich, noch lange vor den Menschen, zur biologischen Informationsverarbeitung befähigte, neuronale, sensorische und motorische Strukturen entwickelt haben, die Muster verarbeiten können, letztlich Planungsfunktionen und Intelligenzfunktionen realisieren können (Nestbau, Nahrungsvorsorge für den Winter,….). Menschen entwickeln jetzt sogar KI Systeme…

    Wenn Kriege „abgeschafft“ werden könnten, fänden das viele Menschen gut.

    Es scheint, dass Politiker das Konzept der wirtschaftlichen Interdependenz oder wirtschaftlichen Kooperation anstreben. Es basiert auf der Idee, dass Länder durch Handel und Zusammenarbeit wirtschaftlich voneinander abhängig werden und dadurch Konflikte minimiert werden können.

    Das ist, bzw. war, Politikern/Unternehmern wie Angela Merkel, Xi Jinping, Emmanuel Macron, Bill Gates, …. wichtig.

    Könnte mir vorstellen, dass D. Trump und E. Musk auch derartiges anstreben.

    Musks wirtschaftliche Interessen scheinen einen sofortigen Friedensschluss mit Russland eher förderlich zu sein. Das finde ich positiv. Normalerweise sind Unternehmer eher auf Waffengeschäfte aus….

    Ein Problem ist die traditionelle Sichtweise: Krieg gab es immer und wird es aus Auslesegründen immer geben…. Wir haben keine Chance, diesem Schicksal zu entkommen???

    Entgegen steht die jüngere Sichtweise: Wegen der höchst effizienten Waffentechnik (A, B, C-Waffen) droht „Ausrottung“. Wie sollten ernsthaft gegen Krieg sein….

  3. Timm Grams sagt:

    @Realo

    Auf den höheren Stufen der biologischen Entwicklung stehen die Fähigkeit zu planen und das Belohnungssystem. Das ist die Grundlage unserer technischen Entwicklung. Aber bereits in der Wissenschaft und der Moral spielt der Zufall wieder die Hauptrolle. Im ersten Fall spricht man – wie beim Erfinden – von Serendipity im zweiten von Kontingenz.

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