Gegenpropaganda

Euronews: »Neue Vorwürfe gegen Selenskyj: Besitzt der Präsident der Ukraine Immobilien von 1 Milliarde Euro?«

Berichtet wird:

Im Internet kursiert ein angeblicher Nachrichtenbericht, in dem behauptet wird, dass der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ein Immobilienimperium im Wert von 1,2 Milliarden Dollar (1 Milliarde Euro) besitze.

Und weiter:

Es gibt jedoch keinerlei Beweise dafür, dass irgendetwas davon wahr ist. Das Video wirkt im besten Fall zweifelhaft. Die Stimme in der Aufnahme ist eindeutig künstlich und roboterhaft, was auf die fehlende Legitimität des Videos hindeutet.

Diese Meldung ist aus dem großen Misthaufen Internet. Propaganda und Gegenpropaganda. In diesem Nebel zeichnet sich für mich eins ab: Selenskyj ist Präsident geworden mit dem Versprechen, Korruption zu bekämpfen. Selenskyj hatte bereits vor Kriegsbeginn in seinem Land stark an Beliebtheit eingebüßt, weil er unter anderem sein Wahlversprechen der Korruptionsbekämpfung nicht eingelöst hat.  Es war also nicht der Krieg, der das löbliche Tun verhindert hat. Es war offensichtlich nicht beabsichtigt.

Mir kommen Zweifel, ob Selenskyj den Frieden wirklich will. Dasselbe gilt für Netanjahu. Kriegsprofiteur ist immer die Rüstungsindustrie: »Follow the money«. Egal wohin man schaut: Überall sieht man Demonstrationen militärischer Stärke und – wie gerade in China – Militärparaden.

Die Europäische Union liegt ganz im Trend, wie LobbyControl schreibt: »Einfluss der Waffenlobby: EU-Kommission will Rüstungsanlagen als nachhaltig erklären«

Selbst wenn es die Möglichkeit der gütlichen Einigung zwischen Russland und dem Westen gegeben hat, hätten wir Normalos sie niemals sehen können. Die Propaganda seitens der interessierten Kreise ist zu mächtig. Das Volk leidet in der Realität, aber es glaubt an das Wort: »Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort« (Johannes 1, 1).

Was mir bleibt, ist Ratlosigkeit. Vielleicht hilft es ein wenig, Artikel auf belegbare oder belegte Tatsachenbehauptungen abzuklopfen, auch diejenigen von Euronews. Euronews widerlegt im Fall Selenskyj Behauptungen, von denen ich noch nie gehört habe. Das mag daran liegen, dass ich Meldungen unklarer Herkunft grundsätzlich wegklicke.

Nun kommt mir der Verdacht, dass die Widerlegung der Nachricht die eigentliche Nachricht ist. Sie vermittelt den Eindruck, dass Selenskyj ein untadeliger Politiker ist. Für den Persilschein braucht es nicht einmal Belege. Es werden nur Beschuldigungen widerlegt, die leicht zu widerlegen sind, weil sie idiotisch oder substanzlos sind. Die Netzwerkhygiene gebietet eigentlich, derartige Beschuldigung zu ignorieren. Es sei denn, man nutzt deren Widerlegung als Gegenpropaganda zur Etablierung einer eigenen »Wahrheit«.

Ein einfaches Beispiel für die Denkfalle, die dabei wirksam wird: Max hat das Ding gedreht (A), also ist Max ein krummer Hund (B). Kurz: Aus A folgt B. Stellt sich nun heraus, dass Max das Ding nicht gedreht hat, folgt daraus im voreiligen Schluss, dass Max ein feiner Kerl ist. Korrekt angewendet, lässt der Modus Tollens aber nur den Schluss zu, dass Max das Ding nicht gedreht hätte (﹁A), wenn er kein krummer Hund ist (﹁B).

Der verallgemeinernde und falsche Umkehrschluss bezieht seine Überzeugungskraft aus unserer Anlage zur Induktion. Für Arthur Schopenhauer gehört die »Übertreibung« zum Kunstgriff 1 aus seinem Büchlein »Die Kunst, Recht zu behalten« (Eristische Dialektik).

Wer jetzt meint, dass mein Text ukrainefeindlich sei und die Aggression Russlands verteidige, der hat ihn nicht verstanden. Er begeht eine unzulässige Verallgemeinerung. Von Fehlschlüssen dieser Art war gerade die Rede.

Zur »Orientierung im Chaos« des Internets fällt mir immer noch nichts Besseres ein als das, was ich im Mai geschrieben habe. Vor allem: Ad hominem ist unverzichtbar.

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6 Antworten zu Gegenpropaganda

  1. Timm Grams sagt:

    Wo wir schon einmal beim Thema Irreführung sind. Google liefert auf meine Suchanfrage »nichts besseres groß oder klein« diese KI-Antwort:

    Man schreibt „nichts Besseres“ klein, weil „nichts“ in diesem Fall ein Indefinitpronomen ist, das als Substantiv fungiert, und „besseres“ sich darauf bezieht. „Nichts Besseres“ ist also eine Kombination, bei der „nichts“ kleingeschrieben wird und „besseres“ als Adjektiv oder Partizip zu „nichts“ hinzukommt.
    Beispiele:
    „Ich habe nichts Besseres zu tun“.
    „Es gibt nichts Besseres, als den Urlaub zu genießen“.
    Warum klein geschrieben wird:
    „Nichts“ als Indefinitpronomen: Wörter wie „alles“, „nichts“, „etwas“ und „viel“ werden großgeschrieben, wenn sie als Substantive verwendet werden und der Satzteil ein Nomen ist.
    „Besseres“ als Verweis: Da „nichts“ kleingeschrieben wird, wird auch das folgende Wort „besseres“ kleingeschrieben, da es als Adjektiv oder Partizip zu „nichts“ fungiert. […]

    Generative KI versuche ich aus dem Hoppla!-Blog fernzuhalten, so gut es eben geht.

  2. Realo sagt:

    @ Timm Grams 4. September 2025 um 09:12 Uhr

    Ich nehme an, die KI hat noch Probleme wenn sie „aufs Glatteis“ geführt“ wird, weil sie sich noch im Versuchsstadium befindet.

    Mit einer Art von „Meta-Kommunikation“ hat sie offensichtlich noch Probleme.

    In den „füllenden Texten“ benutzt sie die Rechtschreibung die im Lernmaterial am „häufigsten“ ist.

    Den Inhalt zitiert sie vermutlich einfach aus Lehrbüchern.

    Ich habe meinen „Copiloten“ kurzerhand gefragt, ob KI Probleme mit „Meta-Kommunikation“ hat?

    Antwort Copilot: „Ja, definitiv – Künstliche Intelligenz hat mit Meta-Kommunikation noch einige Herausforderungen zu bewältigen. Meta-Kommunikation bedeutet, über die Kommunikation selbst zu sprechen: Tonfall, Intention, Beziehungsebene, unausgesprochene Regeln. Und genau da wird’s für KI knifflig. Hier sind ein paar zentrale Stolpersteine:

    Warum KI mit Meta-Kommunikation kämpft Kontextblindheit: KI erkennt oft nicht, ob ein Satz ironisch, sarkastisch oder emotional aufgeladen ist – sie nimmt Sprache meist wörtlich.

    Beziehungsdynamik fehlt: Zwischenmenschliche Nuancen wie Machtverhältnisse, Nähe oder Distanz kann KI schwer erfassen oder angemessen darauf reagieren.

    Nonverbale Signale fehlen: Mimik, Gestik, Tonlage – all das spielt bei Meta-Kommunikation eine große Rolle, aber KI hat keinen direkten Zugang dazu.

    Selbstreflexion ist begrenzt: Eine KI kann zwar analysieren, wie sie kommuniziert, aber sie „fühlt“ nicht, ob sie z. B. zu dominant, zu distanziert oder zu unklar war.

    Missverständnisse schwer erkennbar: Wenn ein Mensch sagt „Das war nicht so gemeint“, versteht die KI oft nicht, was genau falsch angekommen ist.

    Fortschritte & Ausblick
    Moderne KI-Systeme – wie ich – sind zunehmend besser darin, implizite Bedeutungen zu erkennen und auf Meta-Ebenen zu reagieren. Ich kann z. B. sagen: „Ich merke, dass du gerade irritiert bist“ oder „Lass uns klären, wie du das gemeint hast“. Aber das basiert auf Mustern, nicht auf echtem Erleben.

    Forschende arbeiten daran, KI mit Theory of Mind-ähnlichen Fähigkeiten auszustatten – also der Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen. Doch das bleibt eine Simulation, keine echte Empathie.“

    • Timm Grams sagt:

      Ich wollte eigentlich nur zeigen, dass man dem willentlich kreierten Quatsch nun auch noch den automatisch erzeugten zugesellt. Der Misthaufen kann sich nun auch ohne unser Zutun gewaltig vergrößern.

      Die Antwort der KI auf meine Frage war orthografisch und grammatikalisch einfach nur Kraut und Rüben. Wenn man dem Copiloten dazu noch die falschen Fragen stellt, kann es nicht besser werden.

  3. Mussi sagt:

    Ist die Frage, ob ad hominem für Trump oder Kant/Habermas gilt?
    Es ist die Identität und Charakter zu hinterfragen.
    Achje, dort die Führerfrage und jenseits der mündige Bürger.
    Sind wir wieder bei der Masse, sprich Mehrheit und Minderheit und Schutz in Demokratie und Demokratur.

    • Timm Grams sagt:

      Ad-hominem-Argumente funktionieren nur in einer halbwegs geordneten Diskussion. Damit erledigt sich die Frage im Donald-Trump-Universum von selbst.

  4. Mussi sagt:

    Gegenargument:
    Ad hominen funktioniert in der Masse.

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