Mag sein, dass wir, Donald Trump folgend, lernen müssen, mit subjektiven Wahrheiten und Wahrscheinlichkeiten umzugehen. Es gibt Wahrscheinlichkeitstheoretiker, die meinen, auf die subjektiven Wahrscheinlichkeiten nicht verzichten zu können. Das Dornröschen-Rätsel dient ihnen als Demonstrationsobjekt. Aber das Rätsel lässt sich allein mit Häufigkeitsüberlegungen bewältigen. Diese Lösung ist intersubjektiv vermittelbar, also objektiv. Die Anwendung der subjektiven Wahrscheinlichkeiten führt hingegen zu unnötigen Diskussionen, wie der Artikel von Pöppe (2019) sehr schön klar macht.
Das Problem
Dornröschen ist höchst vergesslich. Heute schon weiß die Schönheit nicht mehr, was gestern war. Der Prinz hat sie gerade wachgeküsst und sagt: „Am vergangenen Sonntag wurde eine Münze geworfen. Sage mir: Wie wahrscheinlich ist es, dass diese Münze Kopf zeigt? Ich sage Dir jetzt nicht, welchen Tag wir haben, aber Du sollst wissen, dass ich Dir diese Frage am Montag stelle und, falls am Sonntag Zahl oben war, auch am Dienstag.“
Welche Antwort sollte Dornröschen geben?
Lösungsvorschlag mit subjektiven Wahrscheinlichkeiten
Der Subjektivist betrachtet die drei möglichen Ereignisse MK, MZ und DZ. M steht dabei für Montag, D für Dienstag, K für Kopf, Z für Zahl und MK für das Produkt (den Durchschnitt) von M und K, und so weiter. Diesen Ereignissen weist er subjektive Wahrscheinlichkeiten zu. Dabei nutzt er das Indifferenzprinzip: „Wenn keine Gründe dafür bekannt sind, um eines von verschiedenen möglichen Ereignissen zu begünstigen, dann sind die Ereignisse als gleich wahrscheinlich anzusehen.“ (Carnap/Stegmüller, 1959)
Dem Indifferenzprinzip folgend ist leicht einzusehen, dass Kopf und Zahl am Montag gleich wahrscheinlich sind: p(MK)=p(MZ). Der Subjektivist nimmt auch für die Ereignisse MZ und DZ die Gültigkeit des Indifferenzprinzips an und setzt p(MZ)=p(DZ). So schließt er darauf, dass die drei Ereignisse alle dieselbe Wahrscheinlichkeit haben und dass, wegen p(MK)=1/3, Dornröschen diese Antwort geben sollte: „Die Wahrscheinlichkeit für Kopf ist gleich 1/3.“
Zweifel an der Lösung
Die Gleichwertigkeit von MK und MZ ist leicht einzusehen; sie basiert auf der Annahme einer fairen Münze und diese berechtigt zur Anwendung des Indifferenzprinzips.
Aber hoppla! Wie steht es mit den Ereignissen MZ und DZ? Hier ist mir die Anwendung des Indifferenzprinzips nicht geheuer. Diese Ereignisse finden beide statt, oder keines von beiden. Hier taucht ein neuer Gedanke auf, nämlich dass Dornröschen beim Aufwachen mit einem der beiden Ereignisse zu tun hat und nicht weiß, mit welchem von beiden. Sie kann auf Gleichwahrscheinlichkeit tippen und kommt so zur obigen Lösung.
Aber mir will – anders als beim Münzwurf – dieser Gedankengang nicht ohne Weiteres in den Kopf. Andere Subjektivisten treffen tatsächlich auch andere Annahmen, wie Christoph Pöppe berichtet. Aus deren Sicht könnte sich Dornröschen sagen, dass sich die Chancen, die am Montag fifty-fifty stehen, in der Nacht zu Dienstag nicht ändern können. Daraus schließt sie, dass sie den Wert ½ nennen sollte – sei nun Montag oder Dienstag.
Objektiv gesehen
Mein Gedankengang folgt der klassischen Wahrscheinlichkeitslehre; er beruht auf dem Häufigkeitsargument und hat den Vorteil, dass sich sein Resultat mittels Experiment nachprüfen lässt.
Um zu einer Statistik zu kommen, denken wir uns den Versuch n mal. An etwa n/2 Montagen trifft die Antwort „Kopf“ zu. Falls diese Antwort nicht stimmt, folgt ein Dienstag, also ein weiterer Tag, für den die Antwort nicht stimmt. Die Zahl der Befragungstage ist gleich n+n/2. An n/2 Tagen liegt Dornröschen mit „Kopf“ richtig, an allen anderen nicht. Das ergibt eine relative Trefferhäufigkeit von 1/3 für Kopf, und genau diese Zahl sollte Dornröschen nennen.
Das Gedankenexperiment zeigt, dass die einander ausschließenden Ereignisse MK, MZ und DZ bei mehrmaliger Wiederholung des Versuchs im Grenzfall alle mit derselben relativen Häufigkeit auftreten. Daraus folgt, dass sie für das vergessliche Dornröschen gleich wahrscheinlich sind: p(MK)=p(MZ)=p(DZ). Die Gleichwertigkeit von MZ und DZ ist ein Nebenprodukt der frequentistischen Überlegung. Das Indifferenzprinzip wird dafür nicht gebraucht.
Fazit
Wer bei stochastischen Problemen nicht in Schwierigkeiten kommen will, der sucht am besten nach einer Häufigkeitsinterpretation und nach der Möglichkeit experimenteller Belege für seine Lösungsvorschläge. Ein Beispiel ist das Drei-Tassen-Experiment, mit dem ich meine Söhne von der korrekten Lösung des Ziegenproblems überzeugen konnte.
Subjektive Wahrscheinlichkeiten beruhen auf einer ausgiebigen Nutzung des Indifferenzprinzips. Dabei ist zuweilen nicht klar, inwieweit dessen Anwendung berechtigt ist.
Quellen
Carnap, Rudolf; Stegmüller, Wolfgang: Induktive Logik und Wahrscheinlichkeit. 1959
Pöppe, Christoph: Mathematische Unterhaltungen. Dornröschen und die Wahrscheinlichkeitsrechnung. Spektum der Wissenschaft 11/2019, S. 80-84
Die subjektivistische Sichtweise erscheint mir auch zweifelhaft. Man muss aber kein Subjektivist sein, um auf das Ergebnis „1/2“ zu kommen, sondern kann dies ebenfalls
durch eine Häufigkeitsüberlegung erhalten. Wir betrachten also n Experimente und fragen nach der relativen Häufigkeit für das Ergebnis „Kopf“. Aber relativ wozu und was genau meinen wir denn mit „Ergebnis Kopf“? Ich denke, die beiden Lager („1/2“ und „1/3“) machen hier unterschiedliche, mehr oder weniger implizite Annahmen. Diejenigen, die „1/2“ antworten, meinen damit die Anzahl der Ereignisse, bei denen die Münze „Kopf“ zeigt relativ zur Anzahl aller Münzwürfe. Dagegen meinen diejenigen, die „1/3“ antworten, die Anzahl der Mitteilungen an Dornröschen, dass die Münze „Kopf“ zeigte, relativ zur Anzahl aller Mitteilungen an Dornröschen zum Ausgang des jeweiligen Münzwurfs.
Nach meiner Einschätzung sind beide Annahmen mit der Aufgabenstellung kompatibel, was daran liegt, dass diese eben nicht präzise genug formuliert ist.
Somit könnte man also sagen, beide Gruppen haben entsprechend ihrer individuellen Zusatzannahmen recht, oder aber – wenn man solche Zusatzannahmen nicht zulassen möchte – beide haben unrecht. Eine angemessene Antwort von Dornröschen an den Versuchsleiter wäre dann vielleicht: „Was ist das für eine seltsame Frage, die du mir stellst? Was hat es denn für einen Sinn, bei einem bereits eingetretenen Ereignis nach dessen Wahrscheinlichkeit zu fragen? Sage mir doch bitte, für welches zukünftige Ereignis ich eine Wahrscheinlichkeit angeben soll.“ Der Versuchsleiter könnte dann entweder fragen „Wie wahrscheinlich ist es, dass ich dir das Ergebnis „Kopf“ nenne?“ (Antwort: „1/3“) oder „Wie wahrscheinlich ist es, dass die Münze „Kopf“ zeigen wird, wenn ich sie nochmals werfe?“ (Antwort: „1/2“).
Die Frage, ob die Antwort „1/2“ oder „1/3“ lauten sollte, ist meiner Meinung nach also tatsächlich nur ein Scheinproblem, hervorgerufen durch eine ungenaue Sprache. Stutzig macht mich aber, dass dies in den mehr als zwanzig Jahren, in denen dieses Problem schon diskutiert wird, noch niemandem aufgefallen sein soll. Vielleicht habe ich es ja doch noch nicht richtig verstanden.
Zitat: Stutzig macht mich aber, dass dies in den mehr als zwanzig Jahren, in denen dieses Problem schon diskutiert wird, noch niemandem aufgefallen sein soll.
Keine Sorge ;-) , auch diese Möglichkeiten wurden behandelt.
„Those who believe that the answer is 1/2 have been dubbed “halfers,” while those
who go with 1/3 are called “thirders.” If you believe either answer could be correct—
depending, perhaps, on interpretation or phrasing—you are a “dualist”; if you think
there is no correct answer because the problem cannot be well posed, you’ll be called
an “objector.” “
Hier finden Sie einen guten Überblick über die Positionen, die vertreten werden:
Peter Winkler (2017) The Sleeping Beauty Controversy, The American Mathematical Monthly, 124:7, 579-587
https://doi.org/10.4169/amer.math.monthly.124.7.579
Ich halte die beiden Zugänge im Grunde für äquivalent. Das Argument des Objektivisten „Falls [Kopf am Montag] nicht stimmt, folgt ein Dienstag, also ein weiterer Tag, für den [Kopf] nicht stimmt“ ist genau jenes, das für den Subjektivisten die Gleichwahrscheinlichkeit von MZ und DZ garantiert. Oder, anders ausgedrückt, Ihre Beobachtung, „Diese Ereignisse finden beide statt, oder keines von beiden“, führt (zumindest für mich) zwingend zum Indifferenzprinzip für diese beiden Ereignisse. Dass Ihnen dieses „nicht geheuer“ ist, kann ich hier nicht nachvollziehen.
Dass Sie nicht nachvollziehen können, dass mir die Anwendung des Indifferenzprinzips im gegebenen Fall nicht geheuer ist, kann ich nachvollziehen. Meine Zweifel spiegeln die Uneinigkeit der Subjektivisten.
@ Ralf Jakobi
Den Schuh „ungenaue Sprache“ ziehe ich mir an. Danke für den Hinweis. Dennoch: Die (wie immer etwas heikle) Formulierung des Problems legt hier meiner Meinung nach nahe, als Bezugsgröße die Anzahl der Befragungen zu nehmen.
Den Schuh der ungenauen Formulierung müssen Sie sich nicht anziehen. Schliesslich haben Sie das Dornröschen-Problem nicht erfunden. Im Spektrum-Artikel ist das Problem auch nicht klarer geschildert. In dem Eintrag „Sleeping Beauty problem“ der englischen Wikipedia findet man die Formulierung „What is your credence now for the proposition that the coin landed heads?“ Auch diese Fragestellung macht das Problem nicht eindeutig. Sicher könnte man jetzt noch lange darüber streiten, welche Interpretation der Frage (im Hinblick auf die Häufigkeitsüberlegungen) richtig ist. Aus so einer Diskussion liesse sich aber wohl kaum eine nützliche Erkenntnis gewinnen. Vielleicht sollte man die Frage an Dornröschen richten: „Mit welcher Wahrscheinlichkeit, glaubst du, ist die richtige Antwort auf das ursprüngliche Problem 1/3 bzw. 1/2?“
Zunächst muss ich meinen Fehler korrigieren, Dornröschen die Frage des Prinzen („Versuchsleiter“) zurückzuweisen zu lassen. Dornröschens (bzw. meine) Begründung dafür war ja, dass Wahrscheinlichkeiten nur für zukünftige Ereignisse definiert seien. Dies gilt aber nur für die klassische Wahrscheinlichkeitslehre. Subjektive Wahrscheinlichkeiten kann man dagegen auch für Ereignisse angeben, die bereits in der Vergangenheit erfolgt sind. Wenn man annimmt, dass sich der Ausdruck „wahrscheinlich“ in der Frage an Dornröschen auch auf subjektive Wahrscheinlichkeiten erstreckt (der Ausdruck „credence“ in der englischen Version der Frage, spricht sogar dafür, dass es explizit um eine subjektive Wahrscheinlichkeit geht), gibt es für Dornröschen keinen Grund mehr, die Frage abzulehnen.
In der „Spektrum der Wissenschaft“ und in der englischen Wikipedia bezieht sich die Frage nun aber ganz klar auf ein Ereignis in der Vergangenheit („… zeigte die Münze Kopf?“ bzw. „… landed heads?“), womit also nur der Münzwurf gemeint sein kann, was nach der Beschreibung in meinem ersten Beitrag zu der Wahrscheinlichkeit „1/2“ führt, und das sollte Dornröschen auch antworten.
Erst heute ist mir aufgefallen, dass die Darstellung des Problems hier in „Hoppla!“ gerade in der Formulierung der Frage von den anderen Darstellungen abweicht, und zwar genau darin, dass sich die Frage an Dornröschen eben nicht eindeutig auf ein bereits stattgefundenes Ereignis bezieht. Daher gilt meine Argumentation hier nicht und „1/3“ ist eine mögliche Antwort. Tatsächlich ging es hier ja wohl auch gar nicht um die Antwort auf das Originalproblem, sondern darum, wie man eine subjektive Betrachtung besser durch eine objektive Betrachtung ersetzt.
Die Unsicherheit, „dass sich die Frage an Dornröschen eben nicht eindeutig auf ein bereits stattgefundenes Ereignis bezieht“, habe ich zu verantworten. Die Frage an Dornröschen hätte korrekt lauten sollen: „Wie wahrscheinlich ist es, dass dieser Münzwurf Kopf zeigte?“ Damit wäre klar gestellt, dass auch meine Version des Dornröschen-Problems so zu verstehen ist, dass der Münzwurf stattgefunden hat, bevor der Prinz fragt, und dass es um die aktuelle Wahrscheinlichkeit geht.
Nicht zustimmen kann ich, wenn Sie schreiben, dass Wahrscheinlichkeiten nur für zukünftige Ereignisse definiert seien. Sie fahren fort: „Dies gilt aber nur für die klassische Wahrscheinlichkeitslehre. Subjektive Wahrscheinlichkeiten kann man dagegen auch für Ereignisse angeben, die bereits in der Vergangenheit erfolgt sind.“
Dem halte ich entgegen, dass man beide Wahrscheinlichkeitsauffassungen sowohl auf zukünftige Ereignisse anwenden kann als auch auf noch im Dunkel liegende vergangene. Ein Beispiel für die Anwendung frequentistischer Wahrscheinlichkeiten auf vergangene Ereignisse liefert der Operateur eines Kraftwerks, der sich einem Störfall gegenüber sieht: Die Leitwarte zeigt ihm an, dass ein Störfall aufgetreten sein muss. Er kennt zwar die (frequentistischen) Wahrscheinlichkeiten für mögliche Ursachen, weiß aber nicht, welche vorliegen. Auf dieser Grundlage muss er entscheiden.
Richard Feynman vertritt in einer Vorlesung (zu finden in dem Buch „Was soll das alles?“) die Ansicht, dass Wahrscheinlichkeiten nur für zukünftige Ereignisse sinnvoll zu berechnen sind. Er nennt dies sogar ein Grundprinzip. Es geht ihm dabei wohl vor allem darum, dass man eine Hypothese nicht auf Basis bereits bekannter Daten erstellt und sie mit denselben Daten verifiziert (ein Beispiel dazu findet man in der Wikipedia unter „HARKing“). Ich halte es aber nicht für verkehrt, wenn man versucht Feynmans Prinzip generell auf Wahrscheinlichkeitsüberlegungen anzuwenden. Man kann (so vermute ich) eine Wahrscheinlichkeitsangabe fast immer so interpretieren, dass sie sich auf ein zukünftiges Ereignis bezieht. In dem Beispiel mit dem Kraftwerk, könnte man die Wahrscheinlichkeit für einen spezifischen Störfall auch so auffassen, dass sie die Wahrscheinlichkeit für das zukünftige Auftreten dieses Störfalls repräsentiert. Um im Einklang mit Feynmans Prinzip zu bleiben, könnte man von „relativer Häufigkeit“ anstatt von „frequentistischer Wahrscheinlichkeit“ reden, wenn es um vergangene Ereignisse geht.
Beim Dornröschen-Problem kommt man nun in Konflikt mit Feynmans Prinzip. Zu dem Zeitpunkt, wo der Versuchsleiter (d.h. der Prinz) seine Frage an Dornröschen richtet, liegt nur das Ereignis der Mitteilung des Münzwurfs an Dornröschen in der Zukunft, während der Münzwurf selbst ein vergangenes (und einmaliges) Ereignis darstellt, das in diesem Experiment – nach Feynman – entweder mit der relativen Häufigkeit 1 eingetreten ist oder mit der relativen Häufigkeit 0 (wenn die Münze Zahl zeigte). Erst durch diese Überlegung ist mir aufgefallen, dass man es beim Dornröschen-Problem mit zwei verschiedenen Arten von Ereignissen zu tun hat, was der Ansatzpunkt für meine Lösung war. Nun mag das einem ja auch ohne Feynmans Prinzip auffallen, aber ich wollte dieses Prinzip trotzdem nicht ignorieren, und daher musste Dornröschen die Frage des Versuchsleiters zunächst zurückweisen.
Später ist mir eingefallen, dass die Frage doch zulässig sein könnte, wenn man auch subjektive Wahrscheinlichkeiten einschliesst (in der Wikipedia findet man unter dem Eintrag „Wahrscheinlichkeit“ im Kapitel „Philosophie …“ sinngemäss die Aussage, dass sich objektive Wahrscheinlichkeiten immer auf zukünftige Ereignisse beziehen, während sich subjektive Wahrscheinlichkeiten auf vergangene und zukünftige Ereignisse anwenden lassen). D.h. mein einziger Grund, hier von subjektiven Wahrscheinlichkeiten zu reden, war die Legitimierung der Frage des Versuchsleiters im Sinne von Feynmans Prinzip. Der Begriff der „frequentistischen Wahrscheinlichkeit“ hätte diesen Zweck sicherlich ebenfalls erfüllt, wenn man ihn als anwendbar für vergangene Ereignisse sieht.
Vielleicht könnte Dornröschen die Frage des Versuchsleiters auch so interpretieren: „Mit welcher Wahrscheinlichkeit lässt sich herausfinden (also zukünftig und ohne Bezug auf die Mitteilung über den Münzwurf), dass die Münze Kopf zeigte?“, um damit einen Widerspruch zu Feynmans Prinzip zu vermeiden, ohne Zuflucht zu subjektiven Wahrscheinlichkeiten zu nehmen.
Ich bin von diesem Problem schon ziemlich irritiert, ich vermute, dass der Fehler nicht einfach in der uneindeutigen Formulierung liegt, sondern der Vermischung von Objekt- und Metasprache, wie es in anderen irritierenden Logik-Rätseln der Fall ist, die Aussagen mit Selbstbezug beinhalten.
Die Vermischung von Objekt- und Metasprache sorgt darfür, dass man Aussagen aus zwei verschiedenen Blickwinkel betrachten kann und es zu Irritationen kommen kann, wie z. B. in der Pseudo-Aussage „Dieser Satz ist falsch.“.
Ähnlich ist es hier, in dem man den Blickwinkel von Dornröschen einnehmen kann, als auch den Blickwinkel aller möglichen Ereignisse.
Für mich gibt es keinen Widerspruch zwischen den beiden Blickwinkeln. Dornröschen sind doch alle möglichen Ereignisse bekannt.
In den bisherigen Diskussionsbeiträgen erkenne ich einen gemeinsamen Kern. Dieser steckt auch im ursprünglichen Disput zwischen Adam Elga („Self-locating belief and the Sleeping Beauty problem“, 2000) und David Lewis („Sleeping Beauty: reply to Elga“, 2001). Bevor wir uns dem Kernpunkt nähern, muss ich etwas zum Drumherum des Rätsels sagen.
Dornröschen wird bereits am Sonntag über die Prozedur der Folgetagen informiert und soll vorab ihre Schätzung abgeben. Dornröschen – zwar vergesslich, aber blitzgescheit – fragt nicht einmal, ob die Münze bereits geworfen worden ist oder ob das noch geschehen wird. Sie sagt: „Kopf und Zahl haben dieselbe Wahrscheinlichkeit von jeweils 1/2.“
Elga behauptet in seinem Aufsatz, dass sich in der Nacht zu Montag Dornröschens Schätzung geändert haben muss; nun sei für sie die Wahrscheinlichkeit für Kopf gleich 1/3. Warum er es so sieht, habe ich im Artikel beschrieben: Für ihn sind die Wahrscheinlichkeiten der Ereignisse MK, MZ und DZ aufgrund des zweimal angewendeten Indifferenzprinzips gleich.
Man fragt sich, wohin 1/6 der Wahrscheinlichkeit für Kopf entschwunden sein könnte. Lewis jedenfalls sieht keinen Grund für die Änderung der Schätzung; Dornröschen habe nämlich bis Montag nichts Neues erfahren.
Für Elgas Auffassung spricht, dass sich Dornröschen tatsächlich in zwei grundverschiedenen Situationen wiederfindet: am Sonntag betrachtet sie das Experiment, das der Prinz mit ihr vorhat, von außen, sozusagen auf der Metaebene. Dieser Gesichtspunkt klingt im Kommentar von Karl Kloos an. Auch Ralf Jakobi meint offenbar diese Situation, wenn er schreibt: „Diejenigen, die ‚1/2‘ antworten, meinen damit die Anzahl der Ereignisse, bei denen die Münze ‚Kopf‘ zeigt relativ zur Anzahl aller Münzwürfe.“
Ab Montag hat Dornröschen die Metaebene verlassen und ist mitten drin im Experiment. Das Rätsel bezieht sich ausschließlich auf diese zweite Situation. Ich vertrete die Auffassung, dass des Rätsels Lösung eindeutig ist und dass Dornröschen die Zahl 1/3 nennen sollte. Ich folge Elga, auch wenn ich eine grundsätzlich andere Begründung wähle.
Nachdem Dornröschen vollständige Kenntnis des Versuchsablaufs erhalten hatte, überlegte sie: »Wenn ich an dem Versuch teilnehme, werde ich zu keinem Zeitpunkt – solange der Versuch noch nicht abgeschlossen ist – andere Informationen haben als ich sie bereits jetzt habe. Also kann ich jede Frage, die mir während des Versuchs gestellt werden kann, auch jetzt schon beantworten. Meine rationale Einschätzung der Wahrscheinlichkeit, dass die Münze „Kopf“ zeigt, kann sich also nicht ändern. Zu den Voraussetzungen des Versuchs gehört, dass die Münze fair ist – also die Wahrscheinlichkeit für „Kopf“ und „Zahl“ jeweils ein Halb ist. Fällt „Kopf“, werde ich nur einmal, nämlich am Montag, befragt. Fällt aber „Zahl“ werde ich zweimal, nämlich am Montag und Dienstag (das Gleiche) gefragt. Wegen meines (drogeninduzierten) Verlustes der Erinnerung (in der Nacht von Montag auf Dienstag) an die Geschehnisse des Montags und meiner Unkenntnis des Wochentages sind diese beiden Situationen (Montag und Dienstag) für mich jedoch ununterscheidbar – also identisch. Für mich persönlich gibt es denn auch im Falle, dass „Zahl“ fällt, nur ein Befragungsereignis – meine subjektive Wahrscheinlichkeit für „Kopf“ ist und bleibt deshalb ein Halb.
Der Versuchsleiter wird aber ein Protokoll anfertigen, in dem Fragen, Antworten, Datum und Ergebnis des Münzwurfs verzeichnet sind. Die Wahrscheinlichkeit für „Zahl“ unter der Bedingung, dass die Befragung stattfindet und ein Protokoll geführt wird, ist aber doppelt so groß wie für „Kopf“, denn bei „Zahl“ gibt es für den Versuchsleiter zwei Befragungen und bei „Kopf“ nur eine. Würde der Versuch sehr oft wiederholt, so ist rational zu erwarten, dass eine statistische Auswertung aller Protokolle in ca. zwei Drittel der Fälle der Eintrag „Zahl“ vermerkt ist (und nur in einem Drittel „Kopf“). Die relative Häufigkeit von „Kopf“ wird mit steigender Zahl der Versuche gegen ein Drittel streben.
Nehmen wir einmal an, dass die Münze von einem Meta-Versuchsleiter im Verborgenen geworfen wird. Wenn ich den Versuchsleiter in der Versuchssituation, nachdem er mich befragt hat, nach seiner Einschätzung der Wahrscheinlichkeit eines Kopfwurfes fragen würde, so müsste seine rationale Antwort am Montag ein Halb, und am Dienstag Null lauten – ihm ist ja der Wochentag bekannt. Der gewichtete Durchschnitt der Wahrscheinlichkeiten beträgt zwar ein Drittel, aber es gibt keine Situation in der, für den Versuchsleiter oder mich, dieser Wert zutreffend wäre. Die rationale Antwort eines Unbeteiligten, der das Schema des Versuchs kennt und dem nur mitgeteilt wird, dass der Versuch stattgefunden hat oder stattfinden wird, muss offensichtlich ein Halb lauten. Es existiert also erstaunlicherweise kein Agent, für den ein Drittel eine rationale Antwort wäre, obwohl die objektive relative Häufigkeit, die sich protokollarisch manifestiert, gerade ein Drittel ist!«
Dornröschen wird gefragt, wie wahrscheinlich es ist, das Kopf oben liegt – und zwar jetzt, im Moment der Fragestellung. Sie sollte „1/3“ antworten, wie auch der buchführende Versuchsleiter. An einen Unbeteiligten geht die Frage nicht.
Es gibt nur eine Situation in der eine Agentin für „Kopf“ eine Wahrscheinlichkeit von 1/3 erhält: Nachdem der Versuch (abzählbar) unendlich oft durchgeführt wurde, zählt sie die Einträge „Kopf“ in den Aufzeichnungen und teilt durch die Gesamtzahl der Versuche. Dann erhält sie mit der Wahrscheinlichkeit eins eine relative Häufigkeit von 1/3, die sie dann als Wahrscheinlichkeit interpretiert. Eine solche Agentin ist natürlich nicht realisierbar, aber mathematisch einwandfrei darstellbar (Stichwort: stochastische Konvergenz). Diese virtuell existierende (zeitlose) Agentin ist aber offensichtlich nicht identisch mit Dornröschen im Jetzt der Versuchssituation.
Außerdem entspricht die so bestimmte relative Häufigkeit nicht der Wahrscheinlichkeit, „dass Kopf oben liegt“. Es ist die Wahrscheinlichkeit aus den Aufzeichnungen des Versuchsleiters einen Eintrag „Kopf liegt oben“ zu erwischen, wenn man zufällig einen Eintrag auswählt. Offenbar ist es Dornröschen auch gar nicht möglich, dies in der Versuchssituation durchzuführen.
Ich nehme mir durchaus die Freiheit Fallunterscheidungen durchzuführen. Um alle möglichen Agenten zu berücksichtigen, betrachte ich auch den Fall der Unbeteiligten. In dem ich alle möglichen Situationen von Agenten untersuche, komme ich zu der Schlussfolgerung, dass niemand existieren kann, dessen aktuelle Situation die rationale Schlussfolgerung erlaubt, dass die Wahrscheinlichkeit, dass Kopf oben liegt, 1/3 beträgt.
Gedankenspiel: Dornröschen ist ein Homo oeconomicus. Es darf jedesmal, wenn es aufwacht, einen Tipp abgeben: Kopf oder Zahl. Für den richtigen Tipp bekommt es einen gewissen Gewinn in Aussicht gestellt. Das 1/3-Dornröschen tippt Zahl, weil sich dadurch die Wahrscheinlichkeit für den Gewinn verdoppelt. Das 1/2-Dornröschen tippt ebenfalls auf Zahl, weil sich dadurch die Auszahlung verdoppelt. (Dass sich die Gewinnerwartung der beiden um den Faktor 3/2 unterscheidet, liegt daran, dass das 1/3-Dornröschen seine Wahl an jedem Montag und an 50% der Dienstage trifft, während die Entscheidung des 1/2-Dornröschens für beide Tage gilt.)
Holm Simon: „Eine solche Agentin ist natürlich nicht realisierbar, aber mathematisch einwandfrei darstellbar (Stichwort: stochastische Konvergenz). Diese virtuell existierende (zeitlose) Agentin ist aber offensichtlich nicht identisch mit Dornröschen im Jetzt der Versuchssituation.“
Dornröschen braucht sich die „zeitlose Agentin“ nur zu denken. Das „Virtuelle“ ist für den Mathematiker Alltag. David Lewis, von dem hier schon die Rede war, geht sogar noch einen Schritt weiter. Er hat uns beispielsweise gelehrt, in der Unfallanalyse kontrafaktisch zu schlussfolgern. Nur auf die Schlussfolgerungen kommt es an, nicht auf die reale Durchführung.
Natürlich ist Dornröschen nicht identisch mit der Agentin in ihrem Kopf. Den Mathematiker stört das nicht, oder?
Ein abstraktes (mathematisches) Modell ist natürlich nicht identisch mit dem Modellierten. Die wesentlichen Eigenschaften des Modellierten müssen aber mit den Eigenschaften des Modells übereinstimmen. Eine Landkarte ist nicht identisch mit der Landschaft, die (abstrakt) abgebildet wird. Aber man stelle sich vor, man sähe eine Karte in der Fulda an der Elbe liegt und zu Sachsen gehört. Diese Karte ist wohl unbrauchbar. So ist es auch mit dem „Drittler“-Modell – es bildet wesentliche Punkte der Dornröschengeschichte nicht hinreichend übereinstimmend ab.
Nun zu der Wette. Nehmen wir einmal an, der in Aussicht gestellte Gewinn wäre der 10-Euroschein mit der Kennzeichnung: EA3234950335. Wenn der Tipp und der Wurf „Zahl“ lautet, dann wird der Schein am Montag an Dornröschen ausgehändigt, am Montag Abend wieder weggenommen und am Dienstag wieder ausgehändigt. Wegen des Gedächtnisverlustes in der Nacht zu Dienstag weiß sie eben nur, dass sie den Schein bekommen hat und alles ist gut. Falls sie später Einblick in die Aufzeichnungen des Versuchsleiters bekommt, ärgert sie sich. Da sie aber keinen Wetteinsatz geleistet hat, ist der Rechtsweg ausgeschlossen. Weil sie sich nicht ärgern will, setzt sie also auf „Kopf“ und hat die gleiche Gewinnerwartung.
Aber eine Wette bei der der Wetteinsatz gratis ist, ist bei weitem schlechter als eine Wette mit Wetteinsatz! Der Buchhalter ist als Homo oeconomicus natürlich „Drittler“. Er bietet eine Wette auf „Kopf“ mit einer Auszahlungs-Quote von 2 (also 1 zu 1) an. Seine Gewinnerwartung ist 1/3 vom Einsatz Dornröschens, gemäß seines „Drittler“-Modells. Abrechnungen erfolgen sofort in Bargeld. Vor Beginn des Versuchs steckt Dornröschen sich drei Euromünzen in die Hosentasche. Wenn sie erweckt wird, zählt sie die Euros in ihrer Tasche. Sind es drei, setzt sie einen Euro auf „Kopf“; sind es zwei, setzt sie zwei Euro auf „Zahl“. Egal wie die Münze fällt, sie wird immer einen Euro gewinnen. (Fällt Kopf zahlt sie einen Euro am Montag ein und bekommt zwei Euro ausbezahlt; fällt Zahl hat sie montags einen Euro und dienstags zwei Euro einbezahlt, bekommt aber dienstags vier Euro ausbezahlt). Bei ständiger Wiederholung droht dem Bookie die Pleite – wie lange wird er brauchen, um zu merken, dass sein „Drittler“-Modell in den Bankrott führt? Für Dornröschen ist „Kopf“ der Favorit, nicht „Zahl“! Im Durchschnitt wird sie doppelt so oft auf „Kopf“ setzen wie auf „Zahl“.
Wir sollten das Problem im Auge behalten und es nicht umdeuten, bis unsere jeweilige Vorzugslösung passt. Dornröschen vergisst, was gestern war. Jedem Leser dürfte klar sein, was das heißt. Merkhilfen wie die drei Euromünzen sind sinngemäß ausgeschlossen.
Genau das sollte das Beispiel klar machen: Wenn Dornröschen Gewinne und Verluste bilanzieren kann, dann kann sie sich auch zeitlich orientieren und der Gedächtnisverlust ist kompensiert. Die Geschichte verliert damit ihren Sinn. Deswegen sind Argumentationen mit Wettgewinnen, die bilanziert werden können, sinnwidrig. Wenn Gewinne vom Montag auch am Dienstag verbucht werden, besteht eben kein sinngemäßer Gedächtnisverlust. Falls sie am Montag einen Code gewinnen kann, der Mittwochs das Einlösen eines Gewinnes ermöglicht, dann geht der „Halbierer“ davon aus, dass das Vergessen auch diesen Code betrifft (oder der Dienstags-Code ist der gleiche und der Gewinn kann nur einmal mit dem gleichen Code eingelöst werden). Der „Drittler“ konstruiert eine Art partielles Vergessen, das natürlich genau zu seiner Auffassung passt.
Ich hatte persönlich mit einigen Personen Kontakt, die unter einer vorübergehenden Gedächtnisstörung (amnestische Episode oder auch transiente globale Amnesie, TGA, genannt) litten. Leider habe ich es versäumt, während der Phase der Merkfähigkeitsstörung folgende Frage an den Betroffenen zu richten:
„Sie leiden zur Zeit an einer Merkfähigkeitsstörung. Nach fünf Minuten vergessen Sie alles, was davor geschah. Diese Störung der Merkfähigkeit wird insgesamt etwa einen Tag andauern und betrifft nicht das Gedächtnis an Gegebenheiten außerhalb dieses Zeitraumes. Wie schätzen Sie jetzt die Wahrscheinlichkeit, dass bei einem fairen Münzwurf vor zwei Tagen „Kopf“ oben gelegen hat? Ich habe die Münze selbst geworfen. Das Ergebnis habe ich auf einem Zettel notiert, der zusammen mit der Münze in meiner Hosentasche steckt. Sie haben das Ergebnis des Wurfes nie erfahren. Lag „Kopf“ oben, stelle ich ihnen diese Frage einmal, bei „Zahl“ zweimal (mit exakt den gleichen Worten) während des Zeitraumes ihrer Gedächtnisstörung, wobei die Zeit zwischen den Fragestellungen mindestens fünf Minuten beträgt.“
Kontrafaktische Annahme: Der betroffene ist Mathematiker. Seine mögliche Antwort:
» Für die Berechnung einer Wahrscheinlichkeit muss ich einen Wahrscheinlichkeitsraum festlegen, d. h. Festlegung einer Ergebnismenge Ω (Grundraum) und einer Verteilungsfunktion P, die auf sämtlichen Teilmengen von Ω definiert ist. (Da Ω offensichtlich endlich ist, kann ich auf die Festlegung einer speziellen Sigma-Algebra verzichten.) Berücksichtigen muss ich sowohl die Axiome der Mengenlehre (ZFC) als auch die der Wahrscheinlichkeitstheorie (Kolmogorow).
Kopfzerbrechen bereitet mir die Festlegung von Ω. Auf genau welches Zufallsexperiment bezieht sich eigentlich die Fragestellung? Nur auf den Münzwurf? Dann enthält Ω genau zwei Elemente: Kopfwurf (K) und Zahlwurf (Z). P muss die Fairness des Wurfes wiedergeben, also P(K) = P(Z) = 1/2. Allerdings ist das Befragungsereignis selbst vielleicht ein Zufallsexperiment mit der Grundmenge, die die beiden Ergebnisse „es ist jetzt die erste Befragung“ (1) und „es ist jetzt die zweite Befragung“ (2) enthält. Der Wahrscheinlichkeitsraum müsste sich dann aus einer Kombination der beiden Zufallsexperimente ergeben.
Leider bin ich ein zwanghafter Wissenschaftler, der alles, soweit wie möglich, nachprüfen muss. Die Elemente einer endlichen (Grund-) Menge müssen zählbar sein. Damit der Zählvorgang sich auch auf die reale Jetzt-Situation beziehen lässt, muss er, zumindest prinzipiell, auf eine Operationalisierung bezogen werden können. (Hier zeigt sich meine Zuneigung zur Physik! Erst die, durch Einstein vorgenommene Operationalisierung des, bis dahin als selbstverständlich geltenden Begriffs der Gleichzeitigkeit, ermöglichte die Relativitätstheorie )
Ich könnte mir die Münze zeigen lassen und mit eigenen Augen prüfen, ob sie tatsächlich auf der einen Seit „Kopf“ und auf der anderen „Zahl“ eingeprägt hat – also ob es also tatsächlich genau zwei mögliche Ergebnisse des Zufallsexperimentes gibt.
Gibt es aber eine Operationalisierbarkeit für die Feststellung der Anzahl der Elemente in der Menge {1,2}? Trivial für alle, deren Arbeitsspeicher während des Zählvorganges einwandfrei funktioniert. Jedoch unmöglich für einen Agenten, dessen Gedächtnis während des Zählens gelöscht wird! In meiner jetzigen Situation kann ich Ereignisse, die für einen normalen Beobachter einen zeitlichen Abstand von mindestens fünf Minuten haben, nicht zählen, bzw. ich kann in diesem Fall nicht weiter als bis eins zählen. Da 1 und 2 auch intrinsisch nicht unterscheidbar sind, kann eine (Grund-) Menge {1,2} für mich nicht existieren, da 1 und 2 nicht für mich unterscheidbar sind. In meiner jetzigen misslichen Lage kann es kein zulässiges Modell für ein Zufallsexperiment mit der Grundmenge {1,2} geben. Ein Wahrscheinlichkeitsraum aus einer Kombination aus einer Menge und einer nicht existierenden Menge existiert ebenfalls nicht. Für mich bleibt in dieser Situation nur der Münzwurf selbst das Zufallsexperiment, das (unter Erhaltung seiner wesentlichen Eigenschaften) in Einklang mit des Axiomen der Mathematik als Wahrscheinlichkeitsraum abbildbar ist.
Hmm … David Lewis … wie komme ich denn auf den? Der war doch Halbierer, oder?
Ähh … welche Frage wurde mir gestellt? … Wurde ich … äh … etwas gefragt? «
Lässt man die Mathematik außen vor, könnte man behaupten, dass das sog. Experiment des Dornröschen-Problems fehlerhaft ist: Wieso sollte Dornröschen durch ihre subjektive Position einen Einfluss auf die Objektivität der Wahrscheinlichkeit ausüben können? Nach meiner Ansicht ist dies nicht möglich.
Nehmen wir an, in einem Experiment gäbe es eine rote und eine grüne Lampe. Die Birnen leuchten in beliebiger Folge jeweils kurz auf. Ein/e Probandin wird gebeten, zu zählen, wie oft innerhalb einer Minute Grün aufgeleuchtet hat.
Üblicherweise wird die Mehrzahl der Probanden die richtige Zahl nennen, weil die zu lösende Aufgabe einfach und überschaubar ist.
Ganz anders wird das Ergebnis ausfallen, wenn der/die Probandin eine Rot/Grün-blinde Person wäre. Eine solche Person sieht jeweils nur eine graue Lampe, egal welche Farbe gerade leuchtet. Dieser Proband/diese Probandin kann, sofern er/sie bei beiden Lampen mitgezählt hat, die gestellte Frage also bestenfalls nur für eine der beiden Lampen korrekt beantworten. Die Wahrscheinlichkeit, dass dabei die richtige Antwort gegeben wird, liegt bei etwa 50%.
In Wahrheit bleibt die Wahrscheinlichkeit beim Münzwurf stets gleich bei 1/2. Ganz unabhängig davon wer wann wenn dazu befragt.
So werden Sie keinen aus der 1/3-Fraktion überzeugen.