Keine Angst. Jetzt kommt nicht schon wieder die Geschichte von den Störchen und den Geburten. Die ernst gemeinten Zeitungsmeldungen sind viel interessanter. In der TIME vom 21. Februar 2011 habe ich diese entdeckt: Eine britische Studie (ALSPAC) habe zum Thema Kinder und Ernährung ergeben, dass gesund ernährte Dreijährige (viel Früchte, Gemüse, Reis und Teigwaren) im Alter von achteinhalb Jahren einen höheren Intelligenzquotienten hätten als Kinder, deren Ernährung aus viel Fett, Zucker und verarbeiteten Lebensmitteln bestand. Verblüffend sei, dass eine Verbesserung der Ernährung in höherem Alter zwar die Gesundheit insgesamt verbessere, aber dass sie keinen Einfluss auf den IQ habe.
Dem Leser wird hier eingeredet, dass eine gesunde Ernährung einen direkten Einfluss auf den IQ hat. Aber eins ist gewiss: Mit Statistiken dieser Art lassen sich niemals Ursache-Wirkungsbeziehung nachweisen. Wenn die Statistik einen Zusammenhang zwischen zwei Größen A (Ernährung) und B (Intelligenz) ergibt, dann ist möglicherweise eine Veränderung von A tatsächlich die Ursache einer Veränderung von B. Aber es kann auch umgekehrt sein. Oder aber beide Größen hängen von einer dritten Größe C ab. Ein guter Rat ist, sich bei solchen Meldungen immer diese drei grundsätzlichen Möglichkeiten vor Augen zu führen:
- A → B
- B → A
- C → A und C → B.
Die Zusammenfassung der oben angesprochenen Studie ist etwas zurückhaltender als der Zeitungsbericht. Hier ist nur von Zusammenhängen (Korrelationen) die Rede. Aber da wir Menschen von Natur aus überall Ursache-Wirkungsbeziehungen (Kausalitäten) vermuten und suchen, kann der unvorsichtige Leser genauso auf diese Kausalitätsfalle hereinfallen wie die Redakteure der TIME.
Bei dieser Studie könnte man beispielsweise die durch das Elternhaus gegebenen Voraussetzungen (C) als ursächlich sowohl für die Ernährung als auch für den IQ ins Feld führen.
Die kritische Untersuchungsmethode der drei Möglichkeiten hilft, die Kausalitätsucht besser zu beherrschen, auch wenn die Welt tatsächlich viel komplexere Abhängigkeiten zu bieten hat. Hier noch ein Beispiel, an dem Sie diese simple Methode ausprobieren können.
Die Fuldaer Zeitung meldete am 10. Januar 1998: „Männer, die häufiger Sex haben, leben länger als Sexmuffel… Drei Forscher aus Bristol und Belfast untersuchten dazu 918 Männer zwischen 45 und 59 Jahren auf ihren Gesundheitszustand und ihre sexuellen Aktivitäten über zehn Jahre hinweg. Das Ergebnis: Bei den Männern, die die meisten Orgasmen hatten (mindestens zwei pro Woche), war die Sterblichkeitsrate nur halb so hoch wie bei denjenigen der enthaltsamsten Gruppe, die seltener als einmal pro Monat aktiv waren.“ Die Autoren der Studie schreiben in ihrem Bericht, erschienen im traditionsreichen British Medical Journal (BMJ), dass ihre Ergebnisse im Gegensatz zu der in vielen Kulturen vertretenen Ansicht stehe, dass das Vergnügen des Geschlechtsverkehrs nur auf Kosten der Vitalität und des Wohlbefindens zu haben sei.
Auf ähnliche sonderbare Meldungen in Zeitung, Radio und Fernsehen werden Sie nicht lange warten müssen. Dann sollten Sie an die oben beschriebenen drei Möglichkeiten denken.
Übrigens kann man den Autoren der BMJ-Studie kaum einen Vorwurf machen. Hier haben die Journalisten etwas für bare Münze genommen, was wohl nicht ganz so ernst gemeint war. Die Autoren schreiben nämlich – wohl mit der Zunge in der Backe: „Der in dieser Studie beschriebene Zusammenhang zwischen Orgasmushäufigkeit und Sterblichkeit ist aus epidemiologischer und biologischer Sicht wenigstens genauso überzeugend wie viele der in anderen Studien berichteten Zusammenhänge… Auch könnten Gesundheitsprogramme in Erwägung gezogen werden, vielleicht so wie die anregende Wenigstens-fünfmal-täglich-Kampagne zur Förderung des Obst- und Gemüsekonsums – obwohl man die Zahlenvorgabe etwas anpassen sollte… Die enttäuschenden Ergebnisse von Gesundheitsförderungsprogrammen könnten hier ausbleiben, da es sich um potentiell freudvolle Aktivitäten handelt.“