Die Unterwanderungsstrategie des Neuen Atheismus

Dies ist ein Fallbericht. Er zeigt, wie der Neue Atheismus (GBS, Brights) weltanschaulich pluralistische oder neutrale Vereine und Verbände mit säkular-laizistischer Grundhaltung (GWUP, HVD) unterwandert und dabei totalitäre Strukturen aufbaut. Das habe ich erst in den letzten Wochen klar erkannt, obwohl ich durch den Spiegel-Artikel Der Kreuzzug der Gottlosen von 2007 hätte vorgewarnt sein müssen. Aber ich habe den Ausriss erst jetzt, anlässlich der Recherchen, in meinem Exemplar des Richard-Dawkins-Werkes „The God Delusion“ wiederentdeckt.

Die GWUP öffnet sich der atheistischen Mission

Eine offizielle Informationsschrift der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP) hat den Titel „Parawissenschaft – Pseudowissenschaft“ (Martin Mahner, 5.1.2010). Sie steht im Widerspruch zur gültigen GWUP-Satzung.

Es geht um eine Ausweitung des Arbeitsfeldes der GWUP. Die entscheidende Grenze für die GWUP soll danach nicht länger zwischen Wissenschaft und Nichtwissenschaft verlaufen, sondern zwischen Erkenntnis und Illusion (Martin Mahner in „Was sind Parawissenschaften?“, skeptiker 4/2009, S. 186-190). Auch Metaphysik und Religionen sollen demnach in das Zielgebiet der GWUP fallen.

Auf der Mitgliederversammlung 2014 in München (traditionell am Freitag nach Himmelfahrt) stellte ich einen Antrag, in dem der Vorstand aufgefordert wird, die Widersprüche zwischen offiziellen Verlautbarungen und Satzung zu beseitigen und insbesondere die Neudefinition „Parawissenschaft – Pseudowissenschaft“ zurückzuziehen.

In der Versammlung wurde der Wunsch nach einer gründlichen Diskussion laut. Die Entscheidung wurde auf das Folgejahr vertagt, also auf Himmelfahrt 2015.

In diesem Jahr, am Freitag nach Himmelfahrt, lag der Mitgliederversammlung ein Beschlussvorschlag des Vorstands zu einer Satzungsänderung vor. Dieser bezweckt eine Ausweitung und Aufweichung des Vereinszwecks derart, dass die GWUP-Informationsschrift und die Ausweitung des GWUP-Arbeitsfeldes nun satzungskonform sind. In der Begründung dieses Antrags spielte die von mir kritisierte Informationsschrift keine Rolle, stattdessen wurden ein paar, im Grunde haltlose, Argumente vorgeschoben. Es ging also nicht mehr darum, sich nach der Satzung zu richten, sondern darum, die Satzung so zu ändern, dass die Informationsschrift dann satzungskonform ist.

Die Möglichkeit, neben der Esoterik auch die Religionen aufs Korn zu nehmen, wird damit ausdrücklich eröffnet. Offenbar besteht die Absicht, die GWUP zu einer Einrichtung der atheistischen Missionierung umzubauen.

Giordano-Bruno-Stiftung und Brights

Zweifel an dieser Zielsetzung verfliegen, wenn man sich das Personal, die in prominenter Stellung Handelnden, ansieht. Es folgt ein Auszug aus der Besetzungsliste.

Martin Mahner, Verfasser der GWUP-Informationsschriften, ist Hausphilosoph der GWUP und zugleich Beirat der Giordano-Bruno-Stiftung (GBS). Amardeo Sarma, Vorsitzender der GWUP, gibt sich als Mitglied der GBS zu erkennen. Viele Anhänger der GBS sind gleichzeitig Anhänger oder Mitglieder der Brights.

Eine Schlüsselfigur des noch zu schildernden einjährigen „Diskussionsprozesses“ von Himmelfahrt 2014 bis Himmelfahrt 2015 ist Rainer Wolf. Er ist sowohl Mitglied im Vorstand und dort zugleich Repräsentant des Wissenschaftsrats der GWUP als auch Mitglied der Brights. Rainer Rosenzweig, ehemals Doktorand von Rainer Wolf, ist Mitglied im Wissenschaftsrat der GWUP und im Beirat der GBS.

Die GBS als auch die Brights missionieren aggressiv für den Neuen Atheismus in der Gefolgschaft von Richard Dawkins („The God Delusion“, 2006). Die Ziele und Methoden dieser Vereinigungen sind mit den Grundsätzen eines weltanschaulichen Pluralismus unverträglich. Im Hoppla!-Artikel „Die Giordano-Bruno-Stiftung (GBS): nur wirr oder gar gefährlich?“ habe ich ein paar Bemerkungen dazu gemacht.

Das Büchlein „Manifest des evolutionären Humanismus“ von Michael Schmidt-Salomon aus dem Jahre 2005 bildet die „philosophische“ Grundlage der GBS. Die Absicht dahinter wird schnell klar: Jeder liberale Geist soll sich darin irgendwo wiederfinden können. Nur nachdenken darf er dabei nicht. Der Text ist, wie der ihm zugrundeliegende ontologische Naturalismus mahnerscher Prägung, von haarsträubender Oberflächlichkeit. Dazu strotzt er vor inneren Widersprüchen. Hier nur zwei weitere Beispiele.

Erstens: Der auf Seite 37 angesprochene Falsifikationismus des Karl Raimund Popper ist eng verbunden mit dessen „Sozialtechnik der Einzelprobleme“ (aus: „Die offene Gesellschaft und ihre Feinde“). Das großsprecherische 10. (An‑)Gebot des Evolutionären Humanismus auf  S. 158 steht im unversöhnbaren Gegensatz dazu: „Stelle Dein Leben in den Dienst einer ‚größeren Sache‘“. Aus diesem Satz spricht Totalitarismus, also das Ziel, „ein umfassendes neues Wertsystem durchzusetzen“ (Brockhaus). Nichts lag Popper ferner.

Zweitens: Auf S. 94 wird der naturalistische Fehlschluss angesprochen, nach dem man das Sollen, das sind die moralischen Gesetze, aus dem Sein, den Naturgesetzen also, herleiten könne. Obwohl das Scheitern dieses Programms zugestanden wird, versucht Schmidt-Salomon einige Seiten später (S. 120 ff.) genau das: Die Etablierung einer humanistischen Ethik auf der Basis von Vernunft und Naturverständnis. Der Präferenzutilitarismus des Peter Singer wird geradezu als Denknotwendigkeit angeboten.

Kürzlich wurde selbst Schmidt-Salomon ob der Wahl des Peter Singer zur Leitfigur  unheimlich zumute.

Für Joachim Kahl vom HVD sind die zehn Angebote des evolutionären Humanismus ein Türöffner der Beliebigkeit (Fürther Streitgespräch vom 27.06.2006). Allmählich spricht sich herum, wie dürftig das Angebot des evolutionären Humanismus der GBS ist.

Missionsgebiete: GWUP und HVD

Weltanschaulich pluralistische und eher dem Diesseits zugewandte Vereinigungen wie der Humanistische Verband Deutschlands (HVD) und die Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP), die gut ohne derartige Metaphysik auskommen, gehören zum Missionsgebiet der Neuen Atheisten. Auch wenn der HVD eine säkular-laizistische Gesellschaft zum Ziel hat und den politische Einfluss der Kirchen zurückdrängen will, heißt das noch lange nicht, dass in die dann vermeintlich entstehende Lücke eine andere Religion, eine in der Gestalt des Neuen Atheismus, hineingestopft werden muss.

Der zunehmende Einfluss der Neuen Atheisten auf den HVD wird ersichtlich, wenn man das 2011  verfasste „Humanistische Selbstverständnis“ des HVD mit den im Jahr darauf publizierten „Humanistischen Grundsätzen“ des HVD Bayern vergleicht: Das erstgenannte Papier ist weitgehend frei vom ideologischen Gedankengut der Neuen Atheisten. In dem zweiten verrät sich deren Einfluss durch typischen Naturalisten-Sprech: „Es geht überall mit rechten Dingen zu“, „Humanisten sind Naturalisten“ und dergleichen mehr.

Einen Großteil des Einflusses erreichen die neuen Atheisten durch Personalunion. Im Falle der GWUP leisten das die Herren Sarma, Mahner, Rosenzweig und Wolf. Dazu kommen die Philosophen Gerhard Vollmer und Bernulf Kanitscheider, die sowohl Mitglieder des GWUP-Wissenschaftsrats als auch des GBS-Beirats sind. Das sind nur die Personen, deren Zugehörigkeiten ich zweifelsfrei kenne.

Die GWUP-interne „Diskussion“ zur Satzungsänderung zeigt, wie die Neuen Atheisten ihren Einflussbereich ausweiten. Mit offenen, wissenschaftsorientierten Diskussionen hat das nichts zu tun. Es läuft nach dem Motto: Wir sind die Aufgeklärten, die Brights, wir haben Recht, und deshalb heiligt der Zweck die Mittel.

Um bereits jetzt unangebrachten Vorwürfen zu begegnen: Auf den monatlichen Treffen der Würzburger GWUPler habe ich immer wieder betont: Mein Untersuchungsgegenstand ist nicht die Homöopathie, auch nicht Astrologie oder Wünschelrutengängerei; mein Interesse gilt seit einiger Zeit der GWUP, ihren inneren Strukturen und ihrer Diskussionskultur.

Eine „Diskussion“ mit Glaubenskämpfern

Ein Jahr lang, von Himmelfahrt 2014 bis Himmelfahrt 2015, fand eine bemerkenswerte „Diskussion“ zum Thema Satzungsänderung statt. Sie ist wesentlich durch die  totalitäre Grundhaltung der GBS-Leute innerhalb der GWUP geprägt.

In diesem Diskussionsprozess nahm ich einige Demütigungen in Kauf, denn ich hatte ein Ziel vor Augen, nämlich den Strukturen der GWUP näher zu kommen. Ich stelle ein paar Wesenszüge des Prozesses heraus. Eine Schlüsselfigur ist Rainer Wolf.

1. Kompromisslosigkeit. Sie ist eine Eigenschaft aller Glaubenskämpfer und kommt hier nicht überraschend. Der harte und nicht anzweifelbare Glaubenskern wird durch ein gefälliges Drumherum versüßt. Man darf sich durch die verbalen Schleifchen nicht täuschen lassen: „Deine kritischen Überlegungen kann ich sehr gut nachvollziehen, und ich glaube, sie treffen ganz Wesentliches. Drei Punkte sehe ich, wo ich wohl etwas anders denke …“ Oder so: „Auch wenn ich nicht allen Formulierungen von Michael Schmidt-Salomon  zustimme, ist er doch einer der wenigen Philosophen …“ Oder so: „Wir schließen die Festlegung auf eine Weltanschauung aus“ und gleichzeitig wird alles getan, um genau eine solche Festlegung zu ermöglichen. Ein Diskurs kommt aufgrund der Ablenkung durch Strohmann- und Stellvertreter-Argumente erst gar nicht zustande.

2. Intransparenz. Mir war zu keinem Zeitpunkt klar, mit welchen Personen (Wissenschaftsrat? Vorstand?) ich es zu tun hatte und wie der Konsens unter ihnen zustande gekommen sein könnte.

3. Totalkontrolle. Einem Hinweis vom 01.08.2014 entnehme ich, dass die Lenkung der Meinungsbildung einer „kleinen Kommission“, bestehend aus Rainer Rosenzweig, Martin Mahner und Rainer Wolf übergeben worden war. So funktioniert das totalitäre Regime: Es gibt eine Kommission der Eingeweihten, in diesem Falle alles Neuatheisten; ihnen gegenüber sitzt der Delinquent, in dem Fall ich. Warum ich auf so etwas allergisch reagiere, kann man in meiner Abschiedsvorlesung im Zusammenhang mit der „Entnazifizierung eines Achtjährigen“ nachlesen.

4. Bevormundung. Manche meiner E-Mails wurden von Rainer Wolf einfach zurückgehalten. Auf Nachfrage gab er mir den Bescheid, dass damit Porzellan zerschlagen würde. Andere E-Mails wurden von Rainer Wolf mit Kommentaren versehen und erst dann an den internen Zirkel weitergeleitet. Ein Leserbrief zu einem Mahneraufsatz im skeptiker hat die Redaktion wohl erst gar nicht erreicht. Anstelle einer Eingangsbestätigung erhalte ich nur Wolfs Kommentar: „Dem Inhalt Deines Leserbriefs kann ich beim besten Willen nicht zustimmen“ (Wolf, 21.12.2014). Und das war’s dann.

5. Gutsherrenart. Mein mehrfach geäußerter Wunsch, meinen Gegenantrag genauso wie den Vorstandsantrag vorab an alle Mitglieder zu verteilen, aus Kostengründen nur per E-Mail, wurde abgelehnt mit den Worten: „Der Vorstand hat bereits nach eingehender Diskussion vor mehr als eine Woche beschlossen, Ihr Schreiben nicht per reguläre Post an alle Mitglieder zu verschicken“ (Sarma, 14.04.2015). Meine Versuche, die Mitgliedschaft doch noch direkt zu erreichen, wurden dadurch vereitelt, dass mir tote Geleise gewiesen wurden, wie beispielsweise eine vermeintliche Mailingliste der Mitglieder (Sarma, 09.04.2015). Ich musste erst mühsam lernen, dass es sich dabei um ein fluktuierendes Forum handelt, an dem immer nur wenige Mitglieder teilnehmen.

6. Autoritätsargumente. Fremde Ideen muss man schnell wieder loswerden. Wie das funktioniert? Man setzt auf das Autoritätsargument und auf Einschüchterung: „Mir liegt mittlerweile die Rückmeldung vor, dass alle Wissenschaftsräte sich einstimmig für die neue Satzung ausgesprochen haben“ (Rainer Wolf am 12.05.2015).

Ein Teilnehmer der Mitgliederversammlung 2015 kritisierte das starre Verhalten des Vorstands und empfahl, sich doch besser an dem bekannten Ausspruch zu orientieren: „Ich bin zwar anderer Meinung als Sie, aber ich würde mein Leben dafür geben, dass Sie Ihre Meinung frei aussprechen dürfen.“

Abschluss des Verfahrens

Angesichts des massiven Auftretens des Vorstands für die Satzungsänderung war mir die Chancenlosigkeit meines Widerstands seit Monaten klar. Aber ich wollte ja sehen, wie die Sache abläuft. Bis zum bitteren Ende. Immerhin gab es ein paar Mitglieder, die dem Vorstand, trotz dessen massiven Auftretens, nicht  gefolgt sind. Mutig.

Nachdem der Vorstandsvorschlag von der Versammlung mehrheitlich angenommen war, gab ich eine Erklärung zu Protokoll. Darin wiederholte ich meine bereits vor einem Jahr geäußerte Auffassung, dass einem solchen Beschluss, der eine wesentliche Zweckänderung des Vereins nach sich ziehe,  alle Vereinsmitglieder, ob anwesend oder nicht, zustimmen müssten. Unter diesen Bedingungen müsse der Vorstandsantrag als gescheitert gelten. Diese Stellungnahme sollte dem Amtsrichter in Darmstadt, der über die Satzungsänderung zu befinden hat, vorgelegt werden.

Daraufhin gab das Vorstandsmitglied Ralf Neugebauer, Richter am OLG Düsseldorf, zu verstehen: Das sei alles mit dem Amtsrichter vorab geklärt worden.

Auch dahinter könnte man Ungeheuerliches vermuten. Vorsichtshalber habe ich im Anschluss an die Mitgliederversammlung meine Erklärung dem Amtsgericht direkt zugeschickt. Mal sehen, was daraus wird.

Meine Erfahrung zusammengefasst: Wer sich mit den Brights oder den Vertretern der  Giordano-Bruno-Stiftung anlegt, der bekommt es mit Feinden der offenen Gesellschaft zu tun.

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6 Antworten zu Die Unterwanderungsstrategie des Neuen Atheismus

  1. Ralf Neugebauer sagt:

    Die von Ihnen postulierte atheistische Verschwörung gibt es nicht. Was ich auf der Mitgliederversammlung der GWUP gesagt habe, ist: „Wir haben – wie bei allen Satzungsänderungen zuvor – das AG Darmstadt und das zuständige Finanzamt gefragt, ob Bedenken bestehen“ Das war nicht der Fall, aber wenn Ihre Annahme richtig wäre, dann hätten Bedenken bestanden (bei beiden Befragten).

    Amardeo Sarma ist Gründungmitglied der GWUP. Komisch, dass die GWUP in fast 30 Jahren nicht zur atheistischen Kampfbewegung geworden ist, nicht? Man kann eben Atheist sein und Mitglied der GWUP, ebenso wie man Katholik, Protestant oder was weiss ich sein kann. Der GWUP wird es immer und auch nach der Satzungsänderung um *überprüfbare Behauptungen* gehen – und da sind wir wohl einer Meinung. Ich verstehe – wie auch die überwältigende Mehrheit der Mitglieder – Ihr Problem nicht. Das ist bedauerlich, weil ich meine, dass wir im Kern der gleichen Ansicht sind; wir hätten gerne Belege für aufgestellten Behauptungen.

    Im Übrigen kann ich Ihnen versichern, dass Ihre Erklärung Teil des MV-Protokolls ist, das wir beim Amtsgericht einreichen werden. Ich würde mich freuen, wenn Sie trotz Ihrer Enttäuschung weiter in der Sache die GWUP unterstützen würden.

  2. Timm Grams sagt:

    @Neugebauer

    Angekommen. In der Hauptsache halten Sie mir ja nichts entgegen.

    Natürlich gibt es in der GWUP weltanschaulich tolerante Mitglieder und auch Agnostiker. Sonst wäre ich schon längst gegangen. Auch Sie habe ich nicht als kämpferischen Atheisten erlebt. In dem von mir angesprochenen „Diskussionsprozess“ waren Sie nicht direkt aktiv.

    Einer Verschwörungstheorie folge ich nicht. Die Faktenlage lässt gar keinen Raum für eine solche. Ich spreche von Unterwanderung, einfach weil ich eins und eins zusammenzähle. Mancher GWUPler sieht das nicht so – teils aus Naivität, teils aus Desinteresse, vielleicht auch aus guten Gründen; diese wüsste ich gern.

    Ich kann meinen geschätzten GWUP-Kollegen, das sind die Leute, mit denen ich immer gern diskutiert habe, nur raten, sich die Fakten anzusehen und die eigenen Schlüsse zu ziehen. Dann erledigt sich auch der Vorwurf, ich könne mich nicht verständlich machen.

    Zu den „überprüfbaren Behauptungen“: Es kommt darauf an, was die Satzung ermöglicht und auf das, was die Atheistenfraktion anstrebt. Von Überprüfbarkeit ist dann nicht mehr die Rede. Der entscheidende Text liest sich so: „Schließlich können sogar Religionen darunter fallen, insofern sie Erkenntnisansprüche erheben. In der Tat kommt letztlich keine Religion – wenn sie einen Wahrheitsanspruch geltende machen will – ohne Tatsachenbehauptungen über den Menschen und sein Verhältnis zu den jeweiligen angenommenen Kräften und Wesenheiten aus.“ (Martin Mahner im sekptiker 4/2009, S. 188f.)

    Wohlgemerkt: Ziel der GWUP-Angriffe sollen demnach nicht nur die – möglicherweise prüfbaren – Tatsachenbehauptungen der Religion sein; die Religion selbst steht im Fadenkreuz. Und das ist für die Neuen Atheisten gemäß ihrem Bekenntnis unabdingbar. Es sei denn, sie haben ihre Katechismen nicht richtig gelesen oder nicht verstanden.

  3. Auf der „Skala des Agnostizismus“ komme ich auf Grund meiner Sozialisation, Lebenserfahrung und Studien zu dem Schluss, dass wir Menschen auch ohne Gott, Religion und Amtskirche gut sind, und dass man sein Leben in Verantwortung für sich und andere, den Menschenrechten gemäß, so gestalten kann, dass man sich seiner selbst ohne Gott nicht zu schämen braucht. Deshalb habe ich mich mit dem weltlichen Humanismus 1988 angefreundet, 1993 den HVD-Bundesverband und 1996 den HVD Bayern als nichtreligiöse Vereinigung für den tätigen Humanismus mitgegründet.

    Mit der festen Überzeugung, dass der HVD die Heimat sein kann für Freigeister, Freireligiöse, Agnostiker, Atheisten, Konfessionsfreie und Nichtreligiöse, bin ich ebenso wie du dennoch sehr empfindlich, wenn jemand mit geschlossenen Systemen zur Welterklärung, auch wenn es nur der „Naturalismus“ sei, als Maxime für unseren Verband daherkäme. Als überzeugter Humanist, in der Folge Demokrat und Verfassungspatriot, fühle ich mich „ohne Wenn und Aber“ an das Prinzip der unteilbaren Säkularität, im zur weltanschaulichen Neutralität verpflichteten Staat, gebunden. Das hat zur Folge, dass ich selbstverständlich jedem Dissidenten in den religiösen Weltanschauungen die Fähigkeit zu Aufklärung und Humanismus zugestehe und mich daher von jeglicher Tendenz zu Dogmatismus, Fundamentalismus und Totalitarismus, gäbe es sie im eigenen Verband, distanziere.

    Kurzum: Ein Humanist darf sich selbstverständlich als Naturalist verstehen, wenn er das will, obwohl ich persönlich nicht weiß, warum ich mich als Humanist mit einem weiteren „Ismus“, der sich eventuell an so etwas schwammigem wie „Die Natur als Übernatur“ orientiert, definieren soll. Was nach meiner Auffassung aber gar nicht passieren darf, transformierte der HVD sich selbst oder durch Unterwanderung konkurrierender Verbände zu einem „Missionsverband für Naturalismus und Atheismus“ nach dem Motto „An irgend etwas muss man doch glauben, z.B. an eine größere Sache ((An)gebot Nr.10), und sei es nur die Natur“, obwohl er vollkommen zu Recht die negative Religionsfreiheit gleichberechtigt mit der positiven Religionsfreiheit reklamiert.

    Grund zur Sorge um den im HVD verfassten Humanismus gibt es nach deiner Recherche auch für mich. Insofern bin ich dir dankbar, dass du mit deinem kritischen und argumentativen Blick auch auf uns organisierte Humanisten einen, wenn auch „scharfen“, Dialog in Gang gesetzt hast, auch wenn das Erkennen tatsächlicher Infiltration weh täte. Ich werde Präsidium und Vorstand des HVD Bayern daher auf diesen, aus meiner Sicht berechtigten, Streit aufmerksam machen.

    Außerdem werde ich den HVD Bayern darum bitten, sich den „Fundstücken“ im verbandsinternen Diskurs zu stellen, indem ich den Link zu deinem Blog mit dem Beitrag „Die Unterwanderungsstrategie des neuen Atheismus“ weiterleite. Wie dumm für uns so etwas laufen könnte, würden Humanisten behaupten, Theisten seien dumm, sieht man in den umgekehrten Fällen: 1. Realschulrektor Armin Eder: „Atheisten sind dumm“, 2. Wolfgang Thierse: „Religionslosigkeit ist gefährlich“, 3. Marie-Luise Marjahn, alias Mutter Beimer, „Und ein Mensch, der keinen Glauben hat, hat kein Rückgrat“, um nur einige Beispiele zu nennen.

    Nur weil andere so verbohrt sind, darf man doch gläubige Menschen, auch nicht mit dialektischen Tricks, im Umkehrschluss als dumm bezeichnen, nur weil sie an Gott glauben, dessen Existenz oder Nichtexistenz nach heutigem Wissensstand dennoch niemand überprüfbar beweisen kann. So offen tun das die von dir als „neue Atheisten“ erwähnten Personen tatsächlich nicht. Liest man aber die sogenannten „10 (An)gebote des evolutionären Humanismus“ der Giodano-Bruno-Stiftung, findet man bald in jedem als (An)gebot verschleierten Gebot Unsäglichkeiten, die eher einer Satire als einer humanistisch-ethischen Richtschnur ähneln. Ganz von der dort gepflegten zynischen Sprache abgesehen, die einem das Lachen im Halse stecken lässt. Gerade diese zweifelhaften Stellen wird jeder in den 10 (An)geboten finden können, der aus eigener Erfahrung weiß, wie nahe einem die eigene Anschauung der Welt oder der eigene Glaube sind, seien sie nichtreligiös oder religiös geprägt. Beide, die Bejahung wie die Verneinung von Gott als Person oder Übernatur aus Überzeugung, sind dem Menschen oft näher als sein Hemd. Sie gehen ganz tief unter die Haut. Das merkt man auch emotional besonders stark, wenn jemand sie von außen herabwürdigend in Frage stellt, obwohl niemand genau weiß, warum und wie uns dieses „Vermögen zu glauben oder nicht zu glauben“ von der Evolution uns wahrscheinlich auch morgen noch so weitergegeben wird. In diesem Sinne: Halt die Ohren steif. Ich bin an deiner Seite.

  4. Claudia sagt:

    „Die GWUP öffnet sich der atheistischen Mission“

    Echt? Find ich gut, hömma!
    Ich kenne den die GWUP unterwandernden Satanist. Äh. Ketzer. Äh. Sie wissen schon.

    Das wäre ja ein Grund für mich, der GWUP beizutreten. \o/

  5. Ein besorgter Leser sagt:

    Hallo Herr Neugebauer!

    Oben führen Sie aus, die Satzungsänderung sei dem AG Darmstadt im Vorfeld vorgelegt worden und das Gericht hätte keine Bedenken geäußert. Zwar bin ich kein Experte für Vereinsrecht, das Verfahren kommt mir trotzdem spanisch vor. In der Sache scheint es sich um Rechtsberatung zu handeln, die im Wesentlichen der Rechtsanwaltschaft vorbehalten ist. Das Gericht sollte eigentlich erst im Streitfall, also nach der Mitgliederversammlung, angerufen werden können. Welche Antragsbefugnis und welches Rechtsschutzinteresse könnte auch im Vorfeld zur Beschlussfassung bestehen. Es ist ja alles offen. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie einige konkreten Einzelheiten des vom Vorstand beschrittenen förmlichen (?) Verfahrens erläutern würden!

    Grüße!

    Der besorgte Leser

  6. Timm Grams sagt:

    Aus dem inneren Kreis der GWUP habe ich inzwischen (26.11.2015) die „einschlägigen Kommentare von Martin Mahner“ zu meinem Antrag an die Mitgliederversammlung 2015 erhalten, die seinerzeit wohl die Grundlage für die Ablehnung meines Antrags durch Vorstand und Wissenschaftsrat waren.

    Dass man mir diese Kommentierung seinerzeit vorenthalten hat, mag daran liegen, dass man sie im Führungskreis wohl als nicht stichhaltig erkannte: Die Wortverdreherei war ihm wohl zu offensichtlich. Dass sämtliche Mitglieder des Wissenschaftsrats darauf hereingefallen sein sollen – die Ablehnung meines Antrags soll einstimmig gewesen sein -, spricht nicht für allzu große Sorgfalt bei der Lektüre dieser Kommentare.

    Allerdings halte ich es auch für möglich, da der Wissenschaftsrat nach meiner Kenntnis nicht aus lauter Deppen besteht, dass das Abstimmungsverfahren innerhalb des Wissenschaftsrats nicht ordentlich abgelaufen ist. Das würde mich angesichts der GWUP-Kommunikationskultur nicht wundern.

    Nach all dem stelle ich fest, dass meine Tatsachenbehauptungen Bestand haben.

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