Gegenaufklärung

Halte den Kopf offen,
aber nicht so weit,
dass der Verstand herausfällt.
(Physiker-Schnack)

Auf dem nächsten Fuldaer ZukunftsSalon tritt Harald Walach auf. Das Publikum sollte auf erhebliche intellektuelle Zumutungen gefasst sein.

Zur Person: Walach ist Leiter des Instituts für transkulturelle Gesundheitswissenschaften (IntraG) der Europauniversität Viadrina in Frankfurt an der Oder. Er hat eine Stiftungsprofessur inne, die von der Firma Heel, spezialisiert auf  homöopathische Kombinationsheilmittel, finanziert wird.

An Walachs Institut gehören Homöopathie, anthroposophische Medizin und das, was heute als Traditionelle Chinesische Medizin durchgeht, zum Lehrplan. Das ist esoterischer Humbug und wird vor allem von seriösen Berichterstattern so gesehen. Hier zwei Berichte der Zeitschrift Die Zeit:  „Wehe! Wehe! – Homöopathie, Akupunktur, Ayurveda – der Aberglaube frisst die moderne Medizin. Zunehmend lehren deutsche Hochschulen alternative Verfahren.“ und „Esoteriker unterwandern die deutschen Hochschulen. Der Unterschied zwischen Wissenschaft und Unsinn verwischt.“

Die Hochschulstrukturkommission des Landes Brandenburg hat im letzten Jahr ausführlich zu verstehen gegeben, was sie von dem Institut hält. Die Kurzfassung liest sich so: „Die Hochschulstrukturkommission empfiehlt der EUV [Europa-Universität Viadrina] aus strukturellen und qualitativen Gründen nachdrücklich den künftigen Verzicht auf das Angebot des MA-Studienganges „Kulturwissenschaften – Komplementäre Medizin“. Eine Fortführung des Instituts für transkulturelle Gesundheitswissenschaften [IntraG] ist weder wie bisher als In-Institut noch als An-Institut zu befürworten. Vertretbar erscheint allenfalls, das Institut privatwirtschaftlich außerhalb der Hochschule weiter zu betreiben.“

Das zum Tätigkeitsfeld des Harald Walach. Aber um diese Dinge geht es im angekündigten Vortrag wohl gar nicht oder nur am Rande. Thema ist die Bewusstseinsforschung. Die Ankündigung lässt Schlimmes ahnen. Einen Vorgeschmack bieten Walachs philosophische Auslassungen, die er bei solchen Gelegenheiten von sich gibt – beispielsweise am 14. Januar dieses Jahres im Bildungszentrum Hospitalhof Stuttgart.

Walach behauptet allen Ernstes, dass – kurz gefasst – die Aufklärung nur auf der Basis scholastischer Erkenntnis, nämlich dass Gott die Letztbegründung und folglich die Wirklichkeit sei, zu haben ist. Er zitiert den Scholastiker Duns Scotus (1266 bis 1308): „Wer eine Erfahrung gemacht hat, hat täuschungsfreie Kenntnis.“ Wobei unter Erfahrung die innere Erfahrung, also die Spiritualität, zu verstehen ist.

Genauso gut kann er behaupten, dass Frauen eigentlich Männer sind. Die Aufklärung ist ja geradezu dadurch definiert, dass sie letzte Gewissheiten ausschließt. Karl Raimund Popper charakterisiert die Haltung der Aufklärung am Beispiel der Wissenschaft ganz im Sinne Kants: „Forschung ist eine schöpferische Kunst.“ Und er zitiert dazu Immanuel Kant selbst: „Der Verstand schöpft seine Gesetze … nicht aus der Natur, sondern schreibt sie dieser vor.“ (Aus der Gedächtnisrede zu Kants hundertfünfzigsten Todestag, abgedruckt in „Die offene Gesellschaft und ihre Feinde“.)

Harald Walach geht es also nicht um die „Weiterführung der Aufklärung“, wie er in einem seiner Buchtitel vorgibt, sondern um die Revitalisierung scholastischen Gedankenguts. Das neue Denken entpuppt sich als ein ziemlich altes. Es ist gegen die Aufklärung und gegen die offene Gesellschaft gerichtet.

Da ist die katholische Kirche schon wesentlich weiter. In seiner Botschaft „Christliches Menschenbild und moderne Evolutionstheorien“ erkennt Papst Johannes Paul II. die Rolle der modernen Wissenschaft als eigenständig an. Daneben bleibt er bei der Vorstellung einer Leib-Seele-Trennung und bei der Auffassung, dass die Seele Angelegenheit der Kirche sei. Das ist, ebenso wie die Trennung von Staat und Kirche, ein Programm, mit dem sowohl weltlich orientierte als auch gläubige Menschen klar kommen können.

Gemessen an diesem modernen Programm der Amtskirche ist die Denkwelt des Harald Walach im tiefen Mittelalter verortet.

Nachtrag (24.10.2013)

Der Stuttgarter Vortrag zeichnet sich durch einen ziemlich wirren ideologischen Überbau aus. Aber Harald Walach kommt auch ohne so etwas aus. Nur bleibt dann nicht mehr viel übrig. Ein solches Beispiel von Leere hat Walach in seinem Vortrag vom 2.11.2011 anlässlich der Einrichtung der Stiftungsprofessur für Angewandte Bewusstseinsforschung am Universitätsklinikum Regensburg abgeliefert.

Harald Walach meint, dass jedermann über den Zugang zur Innenwelt Erkenntnis über Sinn und Werte gewinnen könne. Ehrlicherweise stellt er fest, dass dies nur durch individuelle Erfahrung möglich sei. Über die Methodologie, nämlich wie der Übergang von der individuellen Erkenntnis zum objektiven (überindividuellen) Wissen vonstatten gehen soll, sagt Harald Walach nichts. Er weiß es auch nicht. Die Schließung dieser Riesenlücke überlässt er der zukünftigen Forschung. Aber genau in dieser Riesenlücke steckt das, worüber eine Rede sich lohnen würde.

Selbst wenn diese Lücke geschlossen werden könnte, was ich nicht glaube, bliebe die Frage, warum die innere Erkenntnis, also die reine Kopfgeburt, verlässlicher sein soll als die empirische Wissenschaft.

Der Vortrag des Harald Walach (Nachtrag vom 9.11.2013)

Der Vortrag des Harald Walach vom 4. November im Fuldaer ZukunftsSalon zeichnete sich − wie erwartet −  durch absolute Bedeutungsleere aus. Dabei ist der Referent, Inhaber einer durch die homöopathische Pharmaindustrie gesponserten Stiftungsprofessur, durchaus wortmächtig und ideenreich, wenn es gilt, sein Publikum an der Nase herumzuführen.

Harald Walach nimmt sich der schwierigsten philosophischen Probleme an. Er verspricht eine „Epistemologie der Innerlichkeit“ und gibt vor, sich der Komplementarität von Leib und Seele, Körper und Geist, Teil und Ganzem zu widmen. Harald Walach macht nun Folgendes: Anstatt diese Komplementarität zu klären, lässt er – wie ein guter Zauberkünstler – seine Probleme mittels ablenkender Beispiele einfach wieder verschwinden. Toller Trick. Chapeau!

Kippbilder beispielsweise sind optische Täuschungen, bei denen das Gehirn abwechselnd zwei Interpretationen fabriziert. Sie zieht Walach heran, um die komplementäre Darstellung eines „Ganzen“ zu verdeutlichen. Dem arglosen Zuhörer fällt dabei gar nicht auf, dass es ein sinnvolles Ganzes bei diesen Kippbildern (Neckerwürfel, Rubinscher Becher, Alt-oder-jung)  gar nicht gibt. Anstelle von Bedeutung macht sich Leere breit.

So folgt auf jedes Versprechen des Harald Walach die Auflösung in nichts. Immer wenn es interessant zu werden verspricht, wechselt Walach in den Konjunktiv. Sogar vor offensichtlichen groben Manipulationen von Statistiken scheut er nicht zurück. Übrigens behauptet Walach keinesfalls, hier Wissenschaft zu betreiben. Er nutzt eingestandenermaßen nur die „wissenschaftliche Terminologie“.

Bedauerlich ist, dass solcher Schwindel bei den Organisatoren des ZukunftsSalons als seriöse Wissenschaft durchgeht.

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