Krieg der Vielen für die Herrschaft der Wenigen

Auch wenn ich mich an derartigen Spekulationen über die Motive des Wladimir Putin nicht beteiligen mag, finde ich doch interessant, was die Time vom 25. April/2. Mai 2022 auf Seiten 32 über Putins mögliche Beweggründe schreibt:

Some say he’s reacting to NATO expansion; others contend that Putin can’t abide a Western-leaning Ukraine. Still others offer that Putin so laments the breakup of the Soviet Union that he wants to reassemble it. For my perspective, it’s not due to any of these reasons. It’s simply about money. Unlike most other governments, Russia’s is not there to serve the people, but to enrich senior officials through endemic corruption. The more senior you are, the richer you get. And the most senior person, Vladimir Putin, has become the richest. I estimate his wealth to be well north of $200 billion.

(Einige sagen, er reagiere auf die NATO-Erweiterung; andere behaupten, Putin könne eine westlich orientierte Ukraine nicht dulden. Wieder andere meinen, dass Putin den Zerfall der Sowjetunion so sehr bedauert, dass er sie wieder aufbauen will. Meiner Ansicht nach ist keiner dieser Gründe ausschlaggebend. Es geht einfach um Geld. Im Gegensatz zu den meisten anderen Regierungen ist die russische nicht dazu da, dem Volk zu dienen, sondern um hohe Beamte durch endemische Korruption zu bereichern. Je ranghöher man ist, desto reicher wird man. Und der ranghöchste Beamte, Wladimir Putin, ist der reichste geworden. Ich schätze sein Vermögen auf deutlich mehr als 200 Milliarden Dollar.)

Die Quelle mag dubios sein, die Aussagen halte ich jedoch, auch angesichts des Verhaltens von Gerhard Schröder, für durchaus plausibel. Der Autor des Artikels, der frühere Großinvestor Bill Browder, scheint eine schillernde Figur zu sein. Wen Details zur Person interessieren, der kann sich den Wikipedia-Artikel über die Person ansehen oder auch einen Spiegel-Recherche-Bericht.

Browders Verdikt gilt Russland. Bei uns ist es aber auch nicht wesentlich besser: Wir nehmen die Herrschaft der wenigen Superreichen in Kauf, weil sie uns mit Konsumversprechen das Leben versüßen. Zwei Namen mögen genügen: Jeff Bezos (Amazon/The Washington Post) und Elon Musk (Tesla/Twitter). Der US-amerikanische Präsidentschaftswahlkampf wird bekanntlich vom Geld regiert. Ein Präsidentschaftskandidat, der nicht genügend Geld auftreiben kann, hat nicht die Chance eines erfolgversprechenden Wahlkampfes. So einfach ist das: Geld ist Macht. Kürzlich, am 26.4.22 in Ramstein, waren Blinken und Austin die Hauptantreiber hin zu einer weitestgehenden Aufrüstung der Ukraine durch die NATO. Ich werde das Gefühl nicht los, dass Leute wie Besos und Musk im Geiste mit dabei waren. Das Denken der Ayn Rand ist in den USA offensichtlich stark verwurzelt.

Jetzt, wo uns der Krieg nahe kommt, wird Parteinahme von uns verlangt. Als Grund wird der Kampf für die Demokratie genannt, und dafür stehe nun einmal die Ukraine. Aber stimmt das überhaupt? Die politischen Indizes sagen jedenfalls etwas anderes. Was die Korruption angeht und die Pressefreiheit, landet die Ukraine unter allen Ländern auf den hinteren Rängen, so wie Russland, Rumänien, Bulgarien. Jedenfalls heben sich auch einige der NATO-Staaten nicht positiv von Russland ab.

Der Politologe Adam Przeworski gibt nicht viel auf solche Daten und Ranglisten (Der Spiegel vom 23.4 2022, S. 47). Er findet nur einen Index sinnvoll: zu messen welchen Einfluss Geld auf Politik hat. In dieser Hinsicht sehen sowohl der Osten wie auch der Westen nicht gut aus.

Könnte es sein, dass es im Krieg nur um die Einflussbereiche der Reichen und Mächtigen dieser Erde geht? Jedenfalls wissen diese Leute, die Empathiefähigkeit und die Emotionalisierbarkeit der Massen für ihre Zwecke auszunutzen. Wenn man das alles einmal außer Acht lässt, bleibt das übrig: Das Opfer einer Aggression, der Angegriffene, hat das Anrecht auf Beistand und nicht nur auf Mitgefühl. Für jeden Helfer gilt die Pflicht zum Eigenschutz. Nur ein unverletzter Helfer kann helfen, sonst vergrößert er das Problem. Konkret: Es gibt Kräfte, die Deutschland in Richtung Krieg treiben. Ramstein hat das deutlich gemacht. Hoffentlich passiert das nicht. Wir würden zu hilflosen Helfern.

Dieser Beitrag wurde unter Nicht kategorisiert abgelegt und mit , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

2 Antworten zu Krieg der Vielen für die Herrschaft der Wenigen

  1. Rainer Gebauer sagt:

    Natürlich kann man auch den Ukraine-Krieg so weit abstrahieren, dass Geldgier der ursprüngliche Antrieb ist. Letztlich lässt sich alles menschliche Handeln herunter brechen auf individuellen Vorteilsgewinn, und die flexibelste Währung, mit der sich individueller Vorteil erringen lässt, ist eben Geld. Damit unterscheidet sich dann allerdings Putin und sein Handeln überhaupt nicht mehr von allen anderen und allem anderen, was die Menschheit auf diesem Planeten anrichtet. Was das humanphilosophisch bedeutet, könnte zu interessanten Debatten führen.

  2. Timm Grams sagt:

    Der Skeptiker sucht nicht unbedingt nach
    Bestätigung. Aber es freut ihn schon, wenn er anderswo Begründungen für sein Denken findet. Im aktuellen Spiegel vom 30.04.2022 wurde ich fündig. Im Spiegelgespräch ab Seite 80 wird der Inder Pankaj Mishra deutlich. Er meint, dass China und Russland zunächst durchaus ein Teil der westlichen Moderne sein wollten. Sie ließen westliches Kapital herein und investierten im Westen. „Über die Jahre aber stellte sich der Verdacht ein, dass die Globalisierung letztlich ein Mittel des Westens ist, seine Hegemonie zu sichern.“ Von diesem Hegemon war bereits im letzten Artikel die Rede:

    https://www2.hs-fulda.de/~grams/hoppla/wordpress/?p=2090

    Mishra: „Tun wir in diesem späten und entscheidenden Stadium der Geschichte der modernen Welt nicht so, als wäre jemand unschuldig.“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Optionally add an image (JPEG only)