Die NATO im Ukraine-Krieg: Hannemann geh du voran

Um diese Frage ging es gestern bei Hart aber fair mit Frank Plasberg (Alles auf eine Karte: Wie hoch pokert Putin noch? 26.9.22): Wer zögert bei den Panzerlieferungen und warum tut er das?

Wir, normale Konsumenten von Nachrichten, werden auf den Arm genommen. Das ist mir gestern bei dieser Sendung wieder einmal vor Augen geführt worden. Was die Eingeladenen so gesagt haben, das kam mir teilweise spanisch vor. Aber auch Widersprüche, die wir entdecken, helfen uns weiter. Der Nebel lichtet sich, das Bild wird klarer.

Nun zur Sendung. Kevin Kühnert verteidigt die Haltung des Bundeskanzlers Olaf Scholz: Waffenlieferungen nur in Absprache mit den Verbündeten und die USA lieferten ja auch keine Panzer.

Der frühere Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz Wolfgang Ischinger widerspricht und gibt eine Begründung für die amerikanische Zurückhaltung: Der amerikanische Abrams-Panzer sei zu schwer, Brücken würden unter ihm zusammenbrechen und außerdem müssten die US-Panzer ja erst über den großen Teich gebracht werden. Gegen deutsche Panzerlieferungen spreche hingegen nichts.

Ein Blick in die Datenblätter zeigt, dass der Leopard 1 gegenüber dem Abrams-Panzer auch kein Leichtgewicht ist. Der Leopard 2 ist sogar noch etwas schwerer als der Abrams. Zum Argument der großen Entfernung fällt mir ein: Mitte der 60er Jahre diente ich in einem Panzerbataillon der Bundeswehr. Wir hatten ausschließlich amerikanische Panzer, und die kamen von sehr weit her, aus dem Korea-Krieg, wenn ich mich recht erinnere.

Gemessen an den wenig glaubwürdigen Auslassungen Ischingers sind die Erläuterungen der Expertin für Sicherheits- und Verteidigungspolitik Claudia Major wirklich erhellend. Sie geht auf die Frage ein, warum die Bundesrepublik Panzerhaubitzen liefert und sich bei den Kampfpanzern zurückhält. Beides seien ja „dicke Fahrzeuge mit Ketten und ein dickes Rohr vorne dran“, wie Plasberg sich ausdrückt (ab Minute 28). Claudia Major erklärt den Unterschied so: Mit der Artillerie, hier Panzerhaubitze 2000, soll die gegnerische Stellung sturmreif geschossen werden. Für die Rückeroberung der russisch besetzten Gebiete würden Kampfpanzer und Schützenpanzer gebraucht, Bodentruppen also.

Da ist mir ein Licht aufgegangen: Wer die Rückeroberung will, der muss Kampfpanzer liefern. Wer das Risiko des Versuchs einer Rückeroberung als zu hoch einschätzt, wird das bleiben lassen. Daraus schließe ich: Den USA ist momentan der Schritt zu einer Rückeroberung offenbar zu riskant und sie liefern wohl deshalb keine Kampfpanzer. Den Ukrainern will man das so nicht sagen. Das erklärt die scheinbare Bereitschaft zu liefern und die uneingestandene Zurückhaltung. Scholz soll’s machen.

Übrigens: Nach einem freundlichen Hinweis von Frank Plasberg spricht Claudia Major nicht mehr von Rückeroberung sondern fortan von Befreiung. Eine Sprachregelung, die mich an die Propaganda erinnert, die ich anfangs der 50er Jahre in der DDR erlebt habe.

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38 Antworten zu Die NATO im Ukraine-Krieg: Hannemann geh du voran

  1. Frank Wohlgemuth sagt:

    „Übrigens: Nach einem freundlichen Hinweis von Frank Plasberg spricht Claudia Major nicht mehr von Rückeroberung sondern fortan von Befreiung. Eine Sprachregelung, die mich an die Propaganda erinnert, die ich anfangs der 50er Jahre in der DDR erlebt habe.“

    Ich bin ganz froh, dass ich diese Erfahrung nicht mit Ihnen teile, denn sie macht anscheinend Angst vor einem eigenen Urteil.

    An diesem Beispiel:
    Wir haben einen Überfall auf ein Land, der dieses Land gleichzeitig ohne irgendwelche Rücksicht auf die Zivilbevölkerung wie mit der Abrissbirne planiert und dabei die Zivilbevölkerung in großen Teilen mit unbekanntem Ziel verschleppt, besonders auch Kinder. In den so besetzten Gebieten wird geplündert, gefoltert, vergewaltigt und gemordet. Das klingt vielleicht nach ukrainischer Propaganda, aber ist von mir zusammengefasst das, was auch von Beobachtern der UN beschrieben wird.

    Der Vorgang, um den es jetzt geht, kann mit zwei Begriffen beschrieben werden: Den Aggressor aus den überfallenen Gebieten wieder zu vertreiben, ist auf jeden Fall militärisch betrachtet eine Rückeroberung. Das ist die Betrachtungsebene, in der Frau Major normalerweise denkt, und ich schätze ihre klare Sprache da genauso wie Sie.

    Es gibt aber auch andere Betrachtungsebenen, z.B. die der betroffenen Bevölkerung. Mein Gefühl sagt mir, dass aus deren Sicht der wertende Begriff Befreiung passt, auch wenn auch diese Befreiung mit Leiden verbunden ist – dafür hören andere Leiden auf.

    Von Propaganda würde ich reden, wenn mir der wertende Begriff unpassend erschiene, wenn es sich um einen Begriff handelte, der das Gegenteil von dem ausdrückte, was passiert. So war in der russischen Sprachregelung der russische Überfall eine Befreiung der Ukraine von der Beherrschung der Nazis. Da ist dann Befreiung ein Euphemismus für brutalste Unterwerfung.

    Das heißt, dass der Begriff Befreiung sowohl in seiner normalen Bedeutung als auch für das exakte Gegenteil benutzt wird. Ich kann es am Wort nicht erkennen, ich muss eine eigene Wertung wagen, bevor ich sagen kann, ob es sich um Propaganda (= staatliche Sprachregelung zur Verschleierung der Wahrheit) oder um eine passende Beschreibung handelt. Btw: Unsere Medien sind nicht der Staat, sie erscheinen in ihrer Zeitgeistabhängigkeit zwar manchmal ein bisschen gleichgeschaltet, aber sie sind relativ frei und insofern nicht mit wirklich gleichgeschalteten Medien zu vergleichen.

    Mit Scholz bin ich nicht so zufrieden wie Sie: Wir verdanken es der weitgehend fehlenden Antwort des Westens auf die Besetzung der Krim, dass Putin davon ausging, er könne auch die ganze Ukraine auf diesem Weg schlucken – das sagt uns ein Blick in die experimentelle Psychologie (tit-for-tat). Putin spielt genau nach diesen Regeln und setzt zusätzlich noch ein bisschen atomare Erpressung drauf, sowohl durch die Bombardierung von Kernkraftwerken als auch durch regelmäßige Anspielungen auf seine moderne atomare Bewaffnung.

    Wenn wir uns auf diese Erpressung einlassen, wird in Europa nichts mehr sicher sein. Und ob und wann für Putin irgendeine imaginäre rote Linie überschritten sein wird, das definiert nur er. Aber gleichzeitig hat er bisher kühl kalkuliert. Er hat sich dabei zwar verkalkuliert, weil es in seinem System keine ernsthafte Berichterstattung nach oben mehr gibt, aber er blieb kühl dabei. Ich sehe keinen Grund, warum sich das ändern sollte. Es gibt auch keinen Grund, warum es weniger gefährlich sein sollte, ihn langsam in die Enge zu treiben als das schneller zu tun. Aber die Ukraine muss es tun, wenn sie sich und ihre Bevölkerung vor ihm retten will. Dass sie damit mehr rettet als nur sich, davon gehe ich aus (s.o.), genauso wie die Finnen, die Balten und Polen. Unsere Zögerlichkeit kommt von unserem relativen Abstand zu Russland, der uns eine trügerische Sicherheit verspricht, aus der wir nicht hinaus wollen.

    Putin sieht – wie auch Xi – in der Demokratie ein Schwäche, und diese Zögerlichkeiten geben den beiden scheinbar recht. Je länger sie das glauben, desto mehr werden sie diesen Glauben mit „militärischen Spezialoperationen“ auf die Probe stellen, die sehr viel Leid erzeugen werden: Sie agieren beide erheblich imperialistischer als die USA es im Moment tun, ihr Handeln ist mit dem, was wir als unser Sicherheitsbedürfnis verstehen, nicht zu begründen.

    • Timm Grams sagt:

      Wenn ich nicht auf die Betroffenheit eingehe, dann nicht, weil ich sie nicht sehe oder weil mir selbst das Gefühl der Betroffenheit fehlt. Doch versuche ich, Fakten auszumachen, soweit sie in der verwirrenden und durch Propaganda verfälschten Berichterstattung durchscheinen. Auch ein durchschnittlicher Medienkonsument könnte auf die Idee kommen, dass der zukünftige Grenzverlauf in der Ukraine zwischen den Amerikanern und den Russen bereits ausgemacht ist.

  2. Solar Econonomy sagt:

    Die Spreu vom Weizen zu trennen das ist doch ne ganz scheußliche Nummer in der heutigen Welt, ich stoße eigentlich immer öfter über Fehler in allen möglichen Artikeln Zahlen passen nicht oder sind diametral, es ist wie in der Populistischen Politik mit dem gefurze von Söder und Co.
    Deshalb finde ich manche Aussagen von Habeck so erfrischend, weil er einfach mal kein Blatt vor den Mund nimmt, und zumindest augenscheinlich frei raus sagt was er denkt und was er meint.
    Z.b. in dem letzten Video zu finden in dem Kreuzverhör, er scheint mir gut informiert und auch halbwegs Herr der Lage, soweit das überhaupt möglich ist in diesen Multikrisen…
    https://herzausfels.de/2022/09/21/habeck-glanzmomente-im-bundestag/

    Post-Wahrheit: Warum Fakten nicht mehr wichtig sind:
    https://www.youtube.com/watch?v=dvk2PQNcg8w

    The Illusion of Truth:
    https://youtu.be/cebFWOlx848

    What to trust in a „post-truth“ world | Alex Edmans:
    https://www.youtube.com/watch?v=rpJx5VLQMxk

  3. solar sagt:

    war das ironisch/sarkastisch gemeint?
    Stimmt mit dem auch etwas nicht?

    Ich trau ja auch schon niemand mehr

    es gibt noch so einen kanal auf deutsch breaking lab da sind mir schon ein paar
    ungereimtheiten aufgefallen, diesen würde ich nicht so vorbehaltlos empfehlen

    bei verotasium war für mich bisher alles ok…

    Bin ich da wieder auf propaganda reingefallen!???

  4. Rainer Gebauer sagt:

    Man braucht schon sehr viel Optimismus, um es für hilfreich zu halten, dass man Putin versteht oder nicht versteht, oder ob und wie es hätte verhindert werden können, dass viele Menschen womöglich werden frieren müssen diesen Winter. Die Menschen sind schuld am Zustand dieser Welt, aber zu retten versuchen wir nicht die Welt, sondern immer nur uns selbst. Von uns gelöste Probleme verursachen zu oft doch nur größere Probleme. Das nicht akzeptieren zu können ist unsere Natur, wie es scheint.
    Die Entscheidungs- und Handlungsebenen für globales menschliches Tun sind so fern von der „Einsamen Masse“ (ein vielgelesener und vermutlich zeitlos treffender Weltbestseller der Fünfziger-und Sechzigerjahre des amerikanischen Soziologen David Riesman), dass es mich nur noch ermüdet (aber keineswegs deprimiert), mir politische Gedanken zu machen. Der oft zitierte Tanker, auf dem die Menschheit sitzt bzw. der wir im Prinzip sind, ist längst jenseits aller entscheidenden Steuerbarkeit. Allerdings hindert mich das nicht daran, mir über vieles Gedanken zu machen. Rein aus Interesse.

  5. Realo sagt:

    Ich ersuche, mir zu erklären, ob und warum ich mit meiner Sichtweise, die ich ungefähr 1960 im Geschichtsunterricht erfahren habe, völlig „daneben“ liegen soll.

    Außer darum, dass es um die eigenen Interessen (besser die des „Westkapitalismus“ und der ukrainischen Oligarchen) geht, wobei die „Wahrheit“ prinzipiell auf der Strecke bleibt.

    Uns wurde vermittelt, dass es sich kein größerer Staat „gefallen“ lässt, wenn man ihm einen Hafenzugang (Schwarzmeerflotte), mit welcher noch so ausgeklügelten „Methode“ (Staatsgründung der Ukraine) auch immer, „abnehmen“ will. Noch dazu, wenn „eigene“ Bevölkerungsgruppen betroffen sind, die drangsaliert wurden und „um Hilfe“ rufen. Rund 8000 tote Russen waren in der Ostukraine zu beklagen.

    Russland hat im Westen sehr wenige für den Welthandel geeignet Häfen, verglichen mit Amerika. Russland würde mit „Wegelagerei“ (Transitgebühren) extrem abgezockt werden, letztlich seine Eigenständigkeit und seine „Bodenschätze“ verlieren.

    „Wegelagerei“, sich parasitär in Geschäftsprozesse (z.B. Energiehandel) „einzuschleusen“, ist eine „Spezialität“ des „Ami Kapitalismus“.

    Dabei geht es ums „Eingemachte“, für beide Seiten.

    Nach der „Rechtsansicht“ des Westens, stand der Westkapitalismus mit seiner „Nato Osterweiterung“ praktisch vor dem “Endsieg“.

    Andererseits werden die Russen alles tun, um ihre Bodenschätze mit “Zähnen“, „Klauen“ und Atombomben zu verteidigen, selbst wenn die ganze Welt in Trümmer fällt…..

  6. Realo sagt:

    Von 2014 bis 2021 kamen lt. Link ca. 13.000 Menschen in der Ostukraine bei Kämpfen um.

    Ich hatte aus einer anderen Quelle rund 15000 Opfer lt. UNO in Erinnerung. Davon grob geschätzt, die Hälfte Russen.

    https://www.tagesschau.de/ausland/europa/krieg-ukraine-101.html

    Amerika haben bei „nine eleven“ rund 3.200 tote Amerikaner letztlich für die Vergeltung gegen den Islam (Irakkrieg) gereicht.

  7. Rainer Gebauer sagt:

    Dass die USA längst nicht mehr die Guten sind, ist spätestens seit dem Irak-Einsatz völlig klar. Allerdings scheint es mir schon ein Unterschied zu sein, ob ein Land wegen noch so schnöder Prestige- und Rohstoffgelüste besetzt und dann wieder sich selbst überlassen wird, oder ob ein als Brudervolk bezeichneter Nachbar mutwillig zerstört und gedemütigt wird mit dem Ziel, ihn sich knallhart einzuverleiben.
    Aber vielleicht kommt ja der Tag noch, an dem die US-Army per militärischer Spezialoperation in Kanada einmarschiert und dort alles platt macht.

  8. Kalle sagt:

    Zitat:“Bei aller Betroffenheit wird meist vergessen, dass alles, was nicht purer Zufall ist, eine Ursache hat. Realos Anregung folgend, habe ich einmal den Blick zurück gewendet und bin auf den Konflikt um die Meerenge von Kertsch und die Insel Tusla gestoßen.“:

    Kreuz Teufel noch einmal, genau so ist es richtig, x fach seine Ansichten und Meinungen nachprüfen „soweit überhaupt real möglich“ weil man doch all zu leicht auf seinen Bias reinfällt, nicht immer alle Zusammenhänge Ereignisse in der richtigen Reihenfolge, sofort in seinem Kopf parat hat, ich wünscht manchmal ich wäre Eidetiker, an manchen Tagen bin ich aber wiederum froh es nicht zu sein…..

    Bin kürzlich auch wieder auf meinen BIAS reingefallen in Zshg mit Waldnutzung.
    Buchempfehlung: Das wahre Leben der Bäume von Torben Halbe, als Gegenschlag zu Hr. Wohllebens Esoterik Büchern.

    Zitat 2: „Danke für den Hinweis auf den Videokanal Veritasium von Derek Alexander Muller“

    War das Ernst gemeint oder sarkastisch, ich konnte an diesem Herrn nichts negatives feststellen, außer das er wohl xfacher Millionär ist mit seinen Videos…

    • Timm Grams sagt:

      Ihre Reaktion auf das Zitat 2 irritiert mich. Sie beruht wohl auf einem Missverständnis. Den Hinweis von Solar Econonomy habe ich nicht als irgendwie abschätzig oder negativ aufgefasst. Es war meiner Meinung nach eine ehrliche Empfehlung.

  9. Timm Grams sagt:

    Hannemann geht nicht voran.

    Ulrike Herrmann bei Markus Lanz 24.1.2023: „Deutschland liefert [jetzt nun doch Leopard-Kampfpanzer]. Scholz will nicht, dass Deutschland Führungsnation ist.“ Dass die USA nach langem Zögern jetzt Abrams-
    Panzer liefern wollen, sei ein großer Erfolg der Diplomatie des Bundeskanzlers.

    • Frank Wohlgemuth sagt:

      Die Diplomatie des Bundeskanzlers. So kann man das natürlich auch verkaufen.
      Für mich sieht es eher danach aus, dass Scholz Angst vor Entscheidungen hat, deren Folgen er nicht ganz sicher vorhersehen kann. Deshalb schiebt er sie so lange vor sich her, bis andere sie ihm abnehmen.
      Das amerikanische OK war ja schon lange erfolgt, aber das hatte ihm nicht gereicht, er will an der Hand genommen werden. So redet er von „Abstimmung mit den Partnern“, ohne zu sehen, dass man eine Position beziehen muss, bevor man sich in eine Abstimmung begeben kann – was will man sonst abstimmen?

      Selbst seine Grundposition zum Konflikt ist zwiespältig: Wenn er wirklich die Verteidigung der Souveränität des überfallenen Landes als Ziel hat – gar nicht mal durch eigenes Tun, sondern nur als Hilfe zur Selbsthilfe – so kann die in diesem speziellen Konflikt, in dem der Aggressor klar sagt „Wenn ich Dich heute nicht kriege, krieg ich Dich morgen – ich habe Zeit.“, nur erreicht werden, wenn der Krieg eindeutig zu Gunsten des Angegriffenen entschieden wird.
      Der sprachliche Ausdruck dafür ist: Der Angegriffene muss siegen / Der Angreifer muss verlieren.
      Bei Scholz klingt das dann so: Die Ukrainer dürfen nicht verlieren und die Russen dürfen nicht siegen.
      Mit einem Unentschieden, also einem aufgeschobenen Sieg Russlands, wäre er auch zufrieden.

      Der Mann ist absolut krisenuntauglich. Ich hoffe, dass die SPD das einsieht.

    • Timm Grams sagt:

      Scholz befürchtet offenbar, in eine Rüstungsspirale zu geraten. Und da will er wenigstens nicht der Anführer sein. Das kann ich sehr gut verstehen. Die Spiegel-Meldung des Tages zeigt, wie real diese Befürchtung ist: „Der stellvertretende ukrainische Außenminister Melnyk fordert nach der geplanten Lieferung von Leopard-Panzern nun Kampfjets und U-Boote.“

    • Frank Wohlgemuth sagt:

      Ich halte den Begriff Rüstungsspirale, der aus dem kalten Krieg stammt und von da bestimmte Konnotationen besitzt, für unpassend für die momentane Situation. Es gibt hier keinen drohenden (kalten) sondern einen aktuellen Krieg. Und in dem geht es darum, die praktisch unterlegene Seite so weit aufzurüsten, dass sie theoretisch siegen kann. Es handelt sich um eine einseitige Nachrüstung des Überfallenen auf das Niveau des Aggressors, nicht um eine Spirale.

      Die Eskalation, die hier stattfindet ist keine Folge einer Rüstungsspirale sondern aus Putins Sicht als eine „Bestrafung“ und Zermürbung des Opfers zu sehen, das sich nicht fügt.

      Aber die Rüstungsfragen sind militärische Fragen, die man auch von Militärs entscheiden lassen sollte, dafür stecken wir schließlich viel Geld in deren Ausbildung. Die einzige Frage, die sinnvoll von Scholz zu beantworten ist, ist eine politische:
      Wollen wir die Ukraine in die Lage versetzen, diesen Angriff erfolgreich abzuwehren, d.h. in diesem Krieg zu siegen?
      Und in genau dieser Frage signalisiert Scholz durch seine Wortwahl, dass er sich nicht entscheiden kann, auch wenn er selbst das vehement abstreiten würde.

      Sobald diese Entscheidung wirklich getroffen ist, wird der Rest vom Militär und seinen bzw. unseren materiellen Möglichkeiten bestimmt. Und wenn das Militär (und zwar unseres) dann sagte, dass es auch Flugzeuge und U-Boote bräuchte, um das politisch vorgegebene Ziel zu erreichen, dann wäre das eben so, und diese Position wäre dann die, die man mit den Verbündeten abstimmen sollte, anstatt mit leerem Kopf eine Abstimmung hinauszuzögern.

      Interessant übrigens Scholz‘ Äußerung zu den inzwischen gewünschten Kampfjets.
      Tagesschau: Die Lieferung von Kampfjets und Kampftruppen an die Ukraine lehnte Scholz ab. Dies habe er ebenso wie US-Präsident Joe Biden bereits vor Monaten in der Debatte über eine Flugverbotszone klargestellt.

      Dieses Statement der USA bezog sich direkt nach dem Überfall auf eine Sperrung des Luftraumes über der Ukraine durch NATO-Jets, was auch einen Eintritt in Kriegshandlungen bedeutet hätte.

      Bei einer Lieferung von Kampfjets würde es sich um eine Waffenlieferung handeln, wie bei den Panzern auch, und das würde auch genausowenig wie bei den Panzern unseren völkerrechtlichen Status ändern. Die „Lieferung“ von Bodentruppen wäre ein Eintritt der BRD und damit der Nato in den Krieg. Scholz wirft da Dinge zusammen, die nicht in einen Topf gehören. (Wobei ich keine Ahnung habe, wieviel zusätzliche Ausbildung ein Mig-Pilot bräuchte, um z.B. sinnvoll einen Tornado zu fliegen. Mig-Piloten gibt es in der Ukraine.)

    • Timm Grams sagt:

      @ Frank Wohlgemuth 26. Januar 2023 um 14:24 Uhr

      Sie schreiben:

      Es handelt sich um eine einseitige Nachrüstung des Überfallenen auf das Niveau des Aggressors, nicht um eine Spirale.

      Ich verstehe Sie, bin aber anderer Meinung. Jeder wählt die Sprache, die zu seinem Verständnis passt.

      Die einzige Frage, die sinnvoll von Scholz zu beantworten ist, ist eine politische: Wollen wir die Ukraine in die Lage versetzen, diesen Angriff erfolgreich abzuwehren, d.h. in diesem Krieg zu siegen?

      Wenn es doch nur einfach wäre. Braucht man zur Abwehr wirklich Kampfpanzer und Kampfjets? Und wo ist die Linie, wo die Abwehr beginnt? Ich traue mir Antworten nicht zu. Ich versuche nur, mir die Handlungen der Hauptakteure, in diesem Fall Biden und Scholz, zu erklären.

      Nachtrag am 27.01.2023: Gestern bei Maybrit Illner wird Helmut Kohl von Franz Alt mit diesem Satz aus dem Jahre 2014 zitiert: Die Sicherheitsinteressen Russlands sind für die Sicherheit Europas unglaublich wichtig.

    • Frank Wohlgemuth sagt:

      @ Timm Grams

      Wenn es doch nur einfach wäre.

      Ich sehe es von der anderen Seite: Wenn der Verantwortliche es sich nicht so einfach macht, ist seine Aufgabe nicht leistbar. Ich bin mir ziemlich sicher (ein amerikanischer Politiker skizzierte vor kurzem in einem Interview indirekt die Organisation, die hinter Bidens Entscheidungen steht), dass Biden sich nicht die Gedanken macht, die Sie ihm unterstellen. Der hat einen Stab, der wahrscheinlich aus Militärs, Historikern (in diesem Fall mit Schwerpunkt Russland) Juristen, Volkswirtschaftlern usw., die 1. die Machbarkeit seiner politischen Vorgaben prüfen und dann 2. Vorschläge für die Umsetzung vorlegen. Die amerikanischen Militärs wollten den Abrams nicht schicken, weil das Einsatzgebiet eigentlich zu moorig für den ist – der wiegt nochmal 10t mehr als der Leo – außerdem muss er auf Diesel umgestellt werden und wird auch abgesehen davon jede Menge zusätzliche logistische Schwierigkeiten machen. Was Biden hier gemacht hat, war nur eine kleine Umgewichtung in Richtung psychische Unterstützung für Scholz.

      Womit Biden sich auch bei der Zustimmung, den Leo zu schicken, die ja schon lange erfolgt war, mit Sicherheit nicht selbst beschäftigt hat, das war der taktische und strategische Nutzen von Kampfpanzern und die völkerrechtliche und Risiko-Bewertung dieser Lieferung.

      Allerdings kann ich mir bei Scholz tatsächlich vorstellen, dass der meint, das alles selbst bestimmen zu müssen. Das würde auch erklären, warum er das so lange vor sich hergeschoben hat. Und dass ihm nicht klar war, dass Schützenpanzer und Kampfpanzer innerhalb der NATO-Taktik eine taktische Einheit bilden, dass also die Zustimmung zum kleinen Schützenpanzer eigentlich nur sinnvoll war, wenn der Kampfpanzer dazu kommt. usw. Dann passieren auch solche Fehler wie die falsche Einschätzung von Bidens Nein zur Sperrung des Luftraumes über der Ukraine durch die NATO als ein Nein zur Lieferung von Flugzeugen, zu der Biden noch nichts gesagt hatte, war auch bisher nicht nötig. Das wurde ja gerades aus den USA korrigiert.

      Um mal zu sehen, wie überfällig man die Entscheidung für die Panzer von fachlicher Seite betrachtete, kann man z.B. in diese Anne Will-Diskussion sehen:
      https://daserste.ndr.de/annewill/videos/Bedingt-abwehrbereit-schafft-Deutschland-so-die-Zeitenwende,annewill7788.html
      Dabei kann man die Meinung des CDU-Mannes (ein Ex-Militär, der sich selbst als Außenpolitiker charakterisiert) ausblenden und sich nur auf die Personen Nicole Deitelhoff (Friedens- und Konfliktforschung) und Sönke Neitzel (Militärhistoriker) konzentrieren.

      Da über das Kriegsziel, die Wiederherstellung der Souveränität der Ukraine in den einst von Russland selbst garantierten Grenzen, im Westen Einigkeit besteht, sind solche Fragen wie ob Panzer und wenn ja welche, Detailfragen, die man den Leuten überlassen sollte, die darauf spezialisiert sind, die im Zweifelsfall auch in der Einschätzung der Reaktionen Russlands kompetenter sind als Scholz. So hoch gekocht ist diese Panzer-Frage doch nur, weil sie aus strategischer Sicht mindestens 6 Monate zu spät beantwortet wurde.

      Ein Kanzler, der diese Detailfragen nicht delegieren kann, verliert mit der Beschäftigung mit diesen Details 1. den Überblick und 2. die Zeit für all die anderen Fragen, die auch zu erledigen sind. Und ein Kanzler, der führen will, sollte den Krisenstab für diesen Fragen auf europäischer Ebene einrichten. (Da ist übrigens auch die CDU noch nicht angekommen, die profitiert im Moment nur davon, weniger Anteile der alten Friedensbewegung in ihren Reihen zu haben.)

    • Frank Wohlgemuth sagt:

      Nachtrag am 27.01.2023: Gestern bei Maybrit Illner wird Helmut Kohl von Franz Alt mit diesem Satz aus dem Jahre 2014 zitiert: Die Sicherheitsinteressen Russlands sind für die Sicherheit Europas unglaublich wichtig.

      Diesen Kohl würde ich heute nicht mehr unkommentiert zitieren. Nicht, weil ich ihn für keine Leuchte halte, sondern weil er von einem anderen Russland sprach, als wir es heute vor uns haben. Das war das Russland, das seinen Anrainerstaaten die freie Wahl des Bündnisses garantiert hatte, mit denen konnte man noch reden.
      Das war ein Russland, das für Schweden und Finnland noch kein Grund war, in die NATO zu drängen.

      Natürlich sind die Sicherheitsinteressen Russlands wichtig, aber die sind nicht mit den Ansprüchen Putins gleichzusetzen.

    • Timm Grams sagt:

      @ Frank Wohlgemuth 27. Januar 2023 um 12:00 Uhr

      Was Amerikaner und Deutsche zu ihrer Weigerung, Kampfpanzer zu liefern sagten, klang durchweg wie Ausflüchte. Am Mittwoch sind sie zerstoben. Halten wir uns an diese jedermann leicht zugänglichen Fakten.

      Da über das Kriegsziel, die Wiederherstellung der Souveränität der Ukraine in den einst von Russland selbst garantierten Grenzen, im Westen Einigkeit besteht

      Woher nehmen Sie diese Gewissheit? Das Herumgeeiere „Die Ukraine muss siegen/darf nicht verlieren“ sagt mir etwas anderes. Wie weit wir schon abgerutscht sind, zeigt die ziemlich offenherzige Baerbock-Äußerung im Europarat: „Wir kämpfen einen Krieg gegen Russland und nicht gegeneinander.“

    • Frank Wohlgemuth sagt:

      @ Timm Grams

      Woher nehmen Sie diese Gewissheit?

      Es kann niemand, der das Völkerrecht für verbindlich erklärt, ein anderes Kriegsziel formulieren. Es kann auch niemand, der Menschenrechte für verbindlich hält, dem zustimmen, was Putin in den von ihm besetzten Gebieten veranstaltet. Auch bei dem Zauderer Scholz hat es wahrscheinlich gereicht, ihm zu erklären, dass er eine längere Zurückhaltung würde begründen müssen, dass er also seine Angst nicht mehr verklausuliert sondern öffentlich formulieren müsse, also Putin signalisieren müsse, dass wir uns seinen atomaren Drohgebärden unterwerfen.

      Was Frau Baerbock da geäußert hat, ist zwar folgerichtig aber gehört nicht in den Mund einer Außenministerin, sondern ist eher das Geplapper einer Göre, die auf einen falschen Sessel hockt. Aus dem Mund eines deutschen Regierungsmitgliedes ist das nämlich Wasser auf die Propagandamühlen Putins und damit kontraproduktiv.

      Folgerichtig ist es deshalb, weil weder die Ukraine noch wir mit einem Putin, dem das Völkerrecht genauso egal ist wie geschlossene Verträge, wirklich verhandeln können: Für die zukünftige Sicherheit der Ukraine und allgemein der Grenzen Europas gibt es deshalb nur zwei Möglichkeiten: Entweder einen Regimewechsel in Russland oder ein Russland, das wirtschaftlich so am Boden ist, dass es auf lange Zeit nicht mehr zu derartigen Aktionen in der Lage ist.

      Wir sind insofern tief gesunken, als wir uns in einem aufgezwungenen Krieg mit Russland befinden, den die überfallene Ukraine mit unserer Unterstützung für uns führt.

    • j sagt:

      da muss ich jetzt aber mal sofort rein Gretchen, lieber Frank Wohlgemuth.

      [So weit j. Moderator: Rest gelöscht. Sie treten im Hoppla!-Blog unter verschiedenen Pseudonymen auf. Das macht eine Diskussion unmöglich. Daher werde ich Ihre Kommentare, die man am eigenwilligen Deutsch erkennen kann, nicht mehr freischalten.]

    • Timm Grams sagt:

      Mehr über dieses Buch „Die Wahrheit ist der Feind“ von Golineh Atai finden wir in einer Rezension der Frankfurter Allgemeinen:
      „Imperialnationalisten bestimmen den politischen Diskurs und schüren die beständige Angst vor einer Bedrohung durch den Westen. Putin gibt sich als der ’neue globale Anführer der Konservativen‘ – im Kampf gegen Feminismus, Homosexuellenrechte und ‚Chaos'[…] Schon der exakte historische Rekurs zeigt, dass der Kreml Falschinformationen verbreitet. Es schmerzt die Autorin, dass die von Russland exzessiv betriebene Taktik der Desinformation auch in westlichen Ländern fruchtet. So teilten etliche ihrer Bekannten in den sozialen Medien fragwürdige russische Quellen, und Redaktionen fehle oft die Zeit, den floskelartigen und nachweislich falschen Dementis des Kremls eigene Nachforschungen entgegenzusetzen.“

  10. Realo sagt:

    @ Frank Wohlgemuth 27. Januar 2023 um 12:18 Uhr

    Zitat: „Gestern bei Maybrit Illner wird Helmut Kohl von Franz Alt mit diesem Satz aus dem Jahre 2014 zitiert: Die Sicherheitsinteressen Russlands sind für die Sicherheit Europas unglaublich wichtig.

    Diesen Kohl würde ich heute nicht mehr unkommentiert zitieren. Nicht, weil ich ihn für keine Leuchte halte, sondern weil er von einem anderen Russland sprach, als wir es heute vor uns haben. Das war das Russland, das seinen Anrainerstaaten die freie Wahl des Bündnisses garantiert hatte, mit denen konnte man noch reden.
    Das war ein Russland, das für Schweden und Finnland noch kein Grund war, in die NATO zu drängen.“

    Nach 30 Jahren kann man immer meckern. Auch über Kohl, der Kanzler der Einheit. Seine überragende Leistung war die friedliche deutsche Einheit. Derartiges hat seit Menschengedenken kein anderer Politiker zustande gebracht….

    Kohl hat die Chance gesehen und sie sofort genutzt. Wollte vermutlich eine ehrlich Friedenspolitik mit Russland zum gegenseitigen Nutzen.

    Für Russland ist, um frei „atmen“ zu können, offensichtlich der jederzeit absolut freie Zugang zur Ostsee (über den Suwalki Korridor, der den Zugang über Belarus zur russischen Exklave Kaliningrad sichert) und selbstverständlich der Schwarzmeerzugang, wegen des Handels und der Flotte wichtig.

    Kommt jemand auf die verrückte Idee, hier eingreifen zu wollen, so gibt es Krieg, allenfalls einen Atomkrieg. An dieses typische „Kriegsmuster“ kann ich mich z.B. aus dem Geschichtsunterricht nach dem Krieg erinnern.

    Vermutlich wegen der „kommunistischen Tradition“ („Brüderländer“), ist Russland weniger geeignet, „Verbündete“ dezent, auch zum beidseitigen Nutzen, etwas „auszubeuten“. Um, wie es die Amis offensichtlich besser können, diese Länder bei der „Stange“ zu halten.

    Die Russen können höchstens vor der „Haustüre“ stehende „Energie- bzw. Rohstoffbettler“ großmütig mit „Leckerchen“ versorgen.

    Vermutlich wird sich Russland künftig eher „gleichgesinnte Partner“ suchen, die auch Rohstoffe besitzen und „Sicherheit“ brauchen (Rohstoffkartell).

    Über den Tisch ziehen, werden sich die „Schachspieler“ nicht lassen….

    • Frank Wohlgemuth sagt:

      @ Realo

      Ihren […] Geschichtslehrer, der Ihnen nicht beigebracht hat, dass nur verbindliche und bindende Verträge die Welt zu einem friedlicheren Ort macht, habe sie schon oft genug erwähnt, auch auf die einzelnen Punkte, die Sie dabei erwähnen bin ich schon oft genug eingegangen – sie erweisen sich bei näherer Betrachtung nicht als sehr stichhaltig.
      Was ich aber insgesamt einmal festhalten möchte: Was Sie im Endeffekt, auch mit Ihren eingesteuten Drohungen, propagieren, ist ein Recht des Stärkeren. Sie plädieren dafür, ihn den Stärkeren sein zu lassen. Das sehe ich genau andersherum: Jemand darf ruhig stark sein, aber wenn er daraus Rechte ableitet, ist er noch nicht reif für die Welt. Man sollte ihn dann auf Normalmaß herunterhungern.

      [Bitte keine Ad-hominem-Argumente]

    • Realo sagt:

      @ Frank Wohlgemuth 28. Januar 2023 um 12:11 Uhr

      Große Staaten mit A, B, C- Waffen in der „Hinterhand“, wollen nicht Gefahr laufen, mit billigen Advokatentricks, z.B. irgendwelche vorhandenen „Rechtslücken“ oder „Widersprüchen“ aufs „Kreuz gelegt“ zu werden.

      Das amerikanische „Rechtssystem“ droht übrigens zu entarten, ersichtlich bei den maßlosen Millionenforderungen bei „Schadenersatzprozessen“, oder bei „300 Jahren Knast“.

      Große Staaten machen sich individuelle, komplexe Problemlösungen untereinander aus. Entweder mit Verhandlungen oder eben ohne…..
      Es geht nicht um die Aufarbeitung/Ahndung von „einfachen Rechtsbrüchen“ wie z.B. Hühnerdiebstahl.

      Sie sollten es selber nicht glauben, die Russen würden es sich gefallen lassen, mit einem an sich alten „Advokatentrick“, der Gründung eines „systematischen Wegelagererstaates“, auf ewig abgezockt bzw. tributpflichtig gemacht zu werden….

      Auch die Amis haben es sich ehemals von Bin Laden nicht gefallen lassen, absurd von Terroristen „vorgeführt“ und auf ihre inneren Widersprüche hingewiesen zu werden….

      Die Geschichtslehrer haben uns nicht „Recht“ vorgetragen, sondern eben „Geschichte“ und manche von ihnen legten besonderen (bis extremen) Wert auf Objektivität.

      Interessant waren die typischen Muster die letztlich zu Kriegen geführt haben, darüber habe ich ausreichend berichtet…..

      Interessant war für mich das Thema „Wegelagerei“, weil mich ein Geschichtslehrer den wir aber nur in Deutsch hatten, mich darauf aufmerksam gemacht hat, dass mein Familienname letztlich mit „Wegelagerei“ in Verbindung stehe. Meine Ahnen haben vor hunderten Jahren tatsächlich irgendwo am Rhein, einerseits für die Einhebung der Zölle gesorgt, andererseits waren sie den Fuhrwerken bei der Überquerung des Rhein (natürlich entgeltlich) behilflich, weil es damals praktisch keine Brücken und Straßen in unserem Sinne gab. Mein letzter Verwandter der noch in diesem Bereich tätig war, erledigte die Zollformalitäten für ein großes italienisches Transportunternehmen.

      Bereits in der Grundschule hat mich im Fach „Heimatkunde“ die Wegelagerei „verfolgt“. Firmen meines damaligen Heimatstädtchens lagen mit einer größeren Bezirksstadt vor 100 Jahren ständig im Clinch, weil sie für ihre Güter wegen der erzwungenen Transitgebühren nur ungefähr den halben Erlös, wie 30 km entfernte Betriebe bekamen, dafür beim Einkauf doppelt so viel zahlen mussten ….

      Man kann sich vorstellen, was sich bei den Betroffenen „aufgestaut“ hat. In der Ukrainekrise dürfte es im Prinzip um nicht anders gehen.

      „Wegelagerei“ sollte im Prinzip die Wegekosten abdecken, das sollte heutzutage international weitgehend geklärt sein. Probleme treten aber immer wieder auf, z.B. auch Umweltaspekte.

      Das Recht des Stärkeren ist so und so praktisch noch immer Realität, selbst wenn man es nicht wahrhaben will.

      Wegen der Bedrohungslage sollte unbedingt möglichst „vernünftig“ verhandelt werden. Obwohl mir natürlich klar ist, das „Vernunft“ ein „süßer Traum“ der Philosophen ist…..

      Jedenfalls sollten Fachleute der UNO, geeignete, objektive, neutrale Politiker, Psychologen, Friedensforscher, die Probleme lösen, nicht Waffen.

    • Frank Wohlgemuth sagt:

      @ Realo

      Große Staaten mit A, B, C- Waffen in der „Hinterhand“, wollen nicht Gefahr laufen, mit billigen Advokatentricks, z.B. irgendwelche vorhandenen „Rechtslücken“ oder „Widersprüchen“ aufs „Kreuz gelegt“ zu werden.

      Sie sollten es selber nicht glauben, die Russen würden es sich gefallen lassen, mit einem an sich alten „Advokatentrick“, der Gründung eines „systematischen Wegelagererstaates“, auf ewig abgezockt bzw. tributpflichtig gemacht zu werden….

      Übersetzt in einfache Sprache möchte der große Geschichtslehrer Putin uns damit also folgendes sagen:
      „Weil wir Russen zu dumm sind, das, was wir unterschreiben, vorher richtig durchzulesen, behalten wir uns grundsätzlich das Recht vor, alte Verträge, die uns nicht mehr gefallen, militärisch zu korrigieren.“

  11. Realo sagt:

    @ Frank Wohlgemuth 27. Januar 2023 um 21:09 Uhr

    Zitat: „Für die zukünftige Sicherheit der Ukraine und allgemein der Grenzen Europas gibt es deshalb nur zwei Möglichkeiten: Entweder einen Regimewechsel in Russland oder ein Russland, das wirtschaftlich so am Boden ist, dass es auf lange Zeit nicht mehr zu derartigen Aktionen in der Lage ist.“

    Die Sache mit dem „Regimewechsel in Russland“ halte ich für keine gute Idee. Putin ist ein erstklassiger „Deutschlandversteher“ und ihm ist, zu unserm Glück klar, dass Deutschland nicht souverän ist.

    Wie wir kürzlich im TV sehen konnten, gibt es auch wütende Russen, die haben „ganz etwas anderes“ z.B. mit Berlin vor. Was einem offen gesagt nicht verwundert. Zweimal mussten sie die Deutschen unter größten Verlusten zurückschlagen, haben den Deutschen „vergeben“ und auch noch die DDR zum „Freundschaftspreis“ zurückgegeben…..

    Wir dürfen zwar russisches Gas über die Ukraine (die fest beim Transit „mitnascht“) beziehen, aber nicht über die Ostsee. Diese Gasleitungen wurden bekanntlich zerstört und der Deutsche Michel darf das artig abnicken. Dies deutet auch darauf hin dass es an der Souveränität mangelt.

    Wie auch klar ist, dass es die „Aktienliebhaber“ bei uns nicht erwarten können, endlich russische Rohstoffaktien (natürlich von den Amerikanern) erwerben zu dürfen. Die werden natürlich zum „Russland Bashing“ „eingespannt. Dafür müssen sich die ärmeren Leute bei uns vom billigen „Russengas“ und vermutlich auch von ihren Jobs, besonders in der Chemieindustrie verabschieden….

    Es darf uns auch auf keinem Fall „auffallen“, dass eigentlich die Ukrainer den Russen an die „Gurgel“ gegangen sind, weil sie extra einen Staat begründet haben um die Russen vom freien Zugang zum Schwarzen Meer und auch noch von der Flotte abzuschneiden. Derartiges lässt sich kein größerer Staat mit Atombomben gefallen…..

    Darauf, dass Russland wirtschaftlich so am Boden ist, dass es auf lange Zeit nicht mehr zu derartigen Aktionen in der Lage ist, darauf dürften wir lange warten müssen. Auf den Big Mac und auf Coca Cola werden sie verzichten können. Dafür werden sie die Preissteigerungen bei den Bodenschätzen, die wir zahlen müssen, so richtig genießen können.

    Die bedauernswerten „Kämpfer“ in der Ukraine halten ihren Kopf allenfalls für unsere „Aktionäre“ und „Kapitalisten“ hin, nicht fürs „gemeine Volk“, dass mit Inflation und Verlust des Wohlstandes bezahlen muss.

    • Frank Wohlgemuth sagt:

      @ Realo

      Die Sache mit dem „Regimewechsel in Russland“ halte ich für keine gute Idee. Putin ist ein erstklassiger „Deutschlandversteher“ und ihm ist, zu unserm Glück klar, dass Deutschland nicht souverän ist.

      Von dieser Rede Ihres alten Geschichtslehrers habe ich auch gehört und mich köstlich amüsiert. Aber Sie hatten ja schon davon geschrieben, keine Verträge lesen zu können.
      (Das erinnert mich übrigens daran, dass wir hier alle dreckig und verfroren in den Ecken kauern, weil wir kein Gas mehr für warmes Wasser haben. Auch der russische Ausflugsdampfer Woskwa kommt mir dabei in den Sinn, dem es gelang bei schönem Wetter im Sturm zu sinken.)

      Und schön, dass ich die Drohungen wieder lese. Ich brauche mir also noch keine Sorgen um Ihre Gesundheit zu machen.

  12. Realo sagt:

    @ Frank Wohlgemuth

    Ich gehe davon aus, dass der Jurist Putin die Verträge im Zusammenhang mit der Staatsgründung der Ukraine von 1991 sehr wohl verstanden hat.

    In den Verträgen war der „Keim“ der Probleme, die „Wegelagerei“, „vorprogrammiert“, aber zunächst nicht „schlagend“.

    Verkürzte Chronologie der Ereignisse: Der Nationalismus gegen die Russen wurden von Jahr zu Jahr immer drohender. Viele Russen, besonders, Mitarbeiter der Sicherheitsdienste, verloren die Jobs in der ganzen Ukraine und übersiedelten in die Ostukraine und auf die Krim. Ebenso verloren Russen in russischen Betrieben in der Ostukraine ihre Jobs. 2014 kam es zum Maidan Putsch.

    Das führte zu Unzufriedenheit, die Russen der Ostukraine wollten die Unabhängigkeit der Ostukraine von der Ukraine, so wie die Ukraine die Unabhängigkeit von Russland wollte und auch bekam. Die Unzufriedenheit eskalierte, es kam zu Unruhen mit insgesamt 15 000 Toten.

    Diese Toten waren der formale und vermutlich aus Sicht der Russen rechtlich korrekte Anlass (Völkermord) für das Eingreifen der Russen, die vermutlich zunächst mit den Panzern vor Kiew aufzeigen wollten, dass sie es „ernst meinen“ und dies die letzte Chance auf eine friedliche Lösung gewesen wäre.

    Mit dem Anschluss der Ostprovinzen und der Krim an Russland, sichern die Russen nicht nur die Unabhängigkeit der dort noch lebenden Russen von der Ukraine, sondern auch den Kriegshafen Sewastopol und den sicheren Zugang zum Schwarzen Meer.

    Notfalls verminen sie vermutlich den ganzen Osten außer den Korridor und jeder Angriff wird „beantwortet“….

    • John Solar sagt:

      Also hier wird die Wagner Truppe beschrieben, und die Sicht wiederlegt, das die Ukraine hier Wegelagerei an den Russen betreiben wollte:

      FaZ Podcast zu Wagner und Prigoshin!

      https://overcast.fm/+W3wzlT2Vs

      Plus folgende Gegendarstellung:

      Eine EU-Assoziierung hätte auch nicht bedeutet, dass Kiew seine Handelsverbindungen mit Russland hätte einstellen müssen. Vielmehr wollte und konnte die Ukraine weiterinnerhalb der GUS frei handeln und gleichzeitig ein EU-Partner sein. Moskau hingegen stellte Kiew vor ein Entweder-oder, weil es Kiew unbedingt in seine neue Eurasische Union, in Putins neues Großmachtvehikel, holen wollte. Aber dort wollte Kiew nie hin. Dass Osteuropas Gesellschaften sich mehr als zwei Jahrzehnte nach der Erlangung ihrer Unabhängigkeit entwickeln und Forderungen stellen, ist nicht Ausdruck geopolitischer Intrigen in Washington. Eine solche Entwicklung wäre sicher auch dann ein getreten, wenn keine EU existiert hätte. Aber wer sein eigenes Volk mit Wahlfälschungen, Ideologieproduktion, Diskreditierung der Opposition und Staatsmedien in eine «gesteuerte Demokratie» lenkt, der glaubt mit Sicherheit, dass alle gesellschaftlichen Entwicklungen auf der Welt von oben gelenkt werden….


    • Frank Wohlgemuth sagt:

      @ „Realo“

      Das führte zu Unzufriedenheit, die Russen der Ostukraine wollten die Unabhängigkeit der Ostukraine von der Ukraine, so wie die Ukraine die Unabhängigkeit von Russland wollte und auch bekam. Die Unzufriedenheit eskalierte, es kam zu Unruhen mit insgesamt 15 000 Toten.

      Diese Toten waren der formale und vermutlich aus Sicht der Russen rechtlich korrekte Anlass (Völkermord) für das Eingreifen der Russen, die vermutlich zunächst mit den Panzern vor Kiew aufzeigen wollten, dass sie es „ernst meinen“ und dies die letzte Chance auf eine friedliche Lösung gewesen wäre.

      Den misslungenen Panzer-Angriff trotz seiner Kombination mit einem ebenfalls misslungenen Angriff auf Kiew durch Falschschirmjäger und Wagnertruppen gleichzeitig, der offensichtlich als Hatz auf Selenskyj geplant war, als Hinweis zu interpretieren, ist immerhin eine originelle Beschreibung dieser „komplett nach Plan verlaufenden Spezial-Operation“.

      Ansonsten muss ich doch mal nachfragen, ob Sie ein so schlechtes Gedächtnis haben, oder ob sich da mehrere „Realos“ hinter den Beiträgen unter diesem Namen verstecken, denn darauf, dass diese Völkermord-Geschichte ein russisches Märchen ist, wurde hier bereits mehrmals hingewiesen.

      Was Sie da als Unruhen bezeichnen, begann nicht zufällig +- gleichzeitig mit der russischen Invasion auf die Krim, die ja auch anfänglich geleugnet und anschließend zugegeben wurde. Der „Aufstand“ durch prorussische Milizen aus der Ostukraine wäre in kürzester Zeit zusammengebrochen, weshalb parallel zur Invasion auf der Krim der Osten der Ukraine von russischen Militärs und Wagnertruppen infiltriert wurde, die da einen „Aufstand“ inszenierten, aber – auch wegen einer fehlenden Unterstützung durch die Bevölkerung – nicht gegen eine eilig formierte Ukrainische Abwehr durchsetzen konnten.

      Die Opfer Ihres „Völkermordes“ sind die Gefallenen einer verdeckten militärischen Operation. Sie allerdings unter dem Titel Völkermord als Begründung für eine offizielle Fortsetzung dieser Operation zu benutzen, entbehrt zumindest nicht einer gewissen Originalität.

      Im Gegensatz zu dem ukrainischen Völkermord an Russen gibt es für den russischen Völkermord an den Ukrainern jedoch Belege, nicht nur durch internationale Beobachter, sondern auch durch offizielle Aussagen aus Russland, die Timothy Snyder, ein Historiker mit dem Schwerpunkt Osteuropa und Holocaustforschung in diesem Beitrag für die NZZ zusammengetragen hat:
      https://www.nzz.ch/meinung/snyder-russland-und-seine-strategien-rassischer-saeuberung-ld.1720483?utm_source=pocket-newtab-global-de-DE

  13. Realo sagt:

    @ John Solar 2. Februar 2023 um 14:11 Uhr

    Zitat: „Eine EU-Assoziierung hätte auch nicht bedeutet, dass Kiew seine Handelsverbindungen mit Russland hätte einstellen müssen. Vielmehr wollte und konnte die Ukraine weiter innerhalb der GUS frei handeln und gleichzeitig ein EU-Partner sein.“

    Die Einstellung der Handelsbeziehungen Kiews mit Russland ist doch nicht das Problem, eher das Gegenteil. Russland will vor allem nicht, dass fast alle Handelsverbindung im Westen über die Ukraine erfolgen müssen, wenn die Russen die Krimhäfen verlieren würden.

    Russland will vermutlich gerne mit der EU und der Ukraine Handel treiben, möchte aber freie Handelswege zur EU und zu allen Handelspartnern, z.B. nach Afrika.

    Abgesehen von der Demütigung, wenn man den Russen den Flottenhafen abnimmt, würden sie beim Transit in beide Richtungen hemmungslos abgezockt und derartiges nennt man „Wegelagerei“, die es heute sonst kaum mehr gibt.

    Aus Sicht der Polen ist es z.B. „Wegelagerei“, wenn alte polnische LKW im Westen penibel technisch untersucht werden und nach Beanstandungen saftige Strafen kassiert werden. Umgekehrt wird z.B. ein Autobusfahrer aus dem Westen in Polen penibel auf Einhaltung der Fahrzeiten untersucht und wenn er in den letzten Wochen, gar nicht einmal in Polen, die Fahrzeiten nur gering überschritten hat, z.B. mit 2 000 Euro abgezockt. Das sind Relikte vergangener Zeiten….

    Es ist doch offensichtlich, dass die Russen auf die „Transitprovinzen“ samt der Krim mit ihren Häfen aus sind, um den Schwarzmeerzugang, den sie praktisch „seit ewig“ hatten nicht zu verlieren.

    Die „Wagner Truppe“ haben sie offensichtlich engagiert um den Korridor „frei“ zu schießen….

    Die Eurasische Union, mit z.B. Belarus (Düngemittel), Kasachstan (Öl, Gas), … sind Putins besondere „neue Freunde“, vermutlich für ein Rohstoffkartell.

    Man wird sehen, wer stärker ist, das „Rohstoffkartell“ oder die „Ölpreisdeckeler“ ….

  14. Timm Grams sagt:

    Hannemann geht nicht voran. Soweit ist die Lage also geklärt. Es gibt noch genug Platz für Meinung und Gegenmeinung. Jedoch sehe ich keine Möglichkeit, im Rahmen dieses Gesprächsfadens zu einer abschließenden Stellungnahme zu kommen. Die Diskussion droht zirkulär zu werden. Deshalb schließe ich den Kommentarteil zu diesem Artikel ab.

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