Warum funktioniert das Völkerrecht nicht?

Zeitenwende

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine vom 24.2.22 zerstörte die Hoffnungen auf ein friedliches Miteinander aller Völker. Unsere Empörung war groß, so groß, dass keine Beschreibung groß genug schien; Bundeskanzler Olaf Scholz erklärte das Ereignis zur Zeitenwende – angesichts der ihm eigenen Zurückhaltung geradezu eine Explosion der Gefühle.

Als Laie, als Nichtfachmann sowohl in Biologie als auch in Völkerrecht, kann man sich die Freiheit herausnehmen, zwischen beiden Gebieten kühne Verbindungen herzustellen. Ich mache das jetzt.

Sowohl die Universalisierung der Menschenrechte als auch die Konstitutionalisierung des Völkerrechts scheinen auf unüberwindliche Schwierigkeiten zu stoßen: Vietnam, Afghanistan, Irak, Mali, Libyen, Syrien, Ukraine, Gaza, …

In der Gesellschaft wie in der Biologie ist die Entstehung des Neuen unvermeidlich. Es ist ein Zusammenspiel von Zufall und Notwendigkeit. Schon in meiner Schulzeit war mir klar, dass die Heranzüchtung von Supermenschen keine gute Idee ist. Warnende Beispiele sind die Qualzüchtungen bei Haustieren.

Optimierung auf ein Ziel hin heißt immer: Reduktion der Vielfalt. Die Anpassungsfähigkeit eines Volkes an sich ändernde Lebensbedingungen geht verloren. Mit dem Klimawandel stehen wir gerade vor einer existenzbedrohenden Veränderung.

Kreativität

Das Ideal einer gleichgerichteten Gesellschaft ist von vornherein unerreichbar: Die Natur sorgt für Abweichler. In meinem Buch Klüger irren – Denkfallen vermeiden mit System (2016, 2020, S. 238) schreibe ich:

Neue Lösungen und Entdeckungen werden keinesfalls in Teamarbeit und zielgerichtet angegangen. Der Geistesblitz ereignet sich stets in einem einzigen Kopf! Meist entdecken die Genies rein zufällig Lösungen für Probleme, die sie eigentlich gar nicht hatten. Und das ist wunderbar.

Die Entdeckung oder Erfindung macht derjenige, der das Problem als erster sieht. Dazu braucht es dann eine gehörige Portion Fachwissen und Kombinationsgabe – das Rüstzeug der Genies.

Es scheint ein allgemeines Prinzip der Natur zu sein: Neues entsteht unplanmäßig und einiges davon hat Gelegenheit und Kraft, in Konkurrenz zum Alten zu treten. Der sich anschließende Selektionsprozess ist alles andere als friedvoll. Zum Beispiel: Mit dem Auftreten des Internets verschwand die Telegrafie weitgehend und im Büro wurde das aufkommende Teletex im Keim erstickt und durch Telefax ersetzt. Das WWW bringt auch diese Technik in Bedrängnis.

Das verteidigbare Nest

Zurück zur Biologie. Das Neue, die Abweichung, wird vom Volk abgelehnt und ausgemerzt. Es sei denn, die Neuen können für Abstand oder Isolation und eine anfangs ungestörte Entwicklung des entstehenden Volkes sorgen.

Für den Insektenforscher Edward Osborne Wilson fördert die Existenz eines verteidigbaren Nestes die Entstehung von Sozialbeziehungen eines neuen Volkes. Mit meinem Programm KoopEgo habe ich die Unverzichtbarkeit von Isolation und Lokalität für die Entwicklung neuer Arten studiert.

Der Überlebenskampf

Der natürliche Drang der Verbreiterung der Lebensbasis führt zum Zusammenstoß von Völkern mit gegenläufigen Interessen.

Es sind wohl prinzipielle Gründe, die gegen eine Erzwingung des Völkerrechts sprechen. Die dafür notwendige Konstitution ist zwar wünschenswert, sie wird aber nicht kommen, es sei denn man akzeptiert doppelte Standards. Es ist beispielsweise unvorstellbar, dass sich ein US-Amerikaner vor einem internationalen Strafgericht verantworten muss.

Dennoch: Die Regelungen des Völkerrechts brauchen wir, auch wenn ihre Durchsetzung mithilfe der internationalen Gerichtshöfe (IGH, IStGH) und des Weltrechtsprinzips offensichtlich nicht gut funktioniert. Jeder unserer Soldaten weiß von der roten Linie und dass deren Überschreitung dem Feind das Recht gibt, das ebenfalls zu tun.

Wenn es so etwas wie Humanismus im Krieg gibt, dann drückt er sich wohl darin aus, dass man im anderen einen Feind, nicht aber einen Verbrecher sieht. Im Nahen Osten und in der Ukraine sehen wir Grenzüberschreitungen; aber es gibt dank des Völkerrechts auch eine Debatte darüber.

Beängstigend finde ich, was im Internet passiert. Der jeweils andere wird oftmals nicht als Feind wahrgenommen, sondern als verkommenes Geschöpf, das keinerlei Gnade verdient. Wut und Hass übernehmen. Das zeigt sich beim Aufmarsch der Internet-Trolle hier und da.

Geotheologie

Zwischen den Staaten, also organisierten Völkern in ihren Territorien, gibt es Kriege. Für diese gilt das Völkerrecht. Was aber, wenn sich einer nicht an die Regeln hält? Herfried Münkler bezieht sich auf Michael Silnizki, wenn er schreibt (Welt in Aufruhr 2023, S. 175):

Um das Völkerrechtsprinzip der Souveränität auszuhebeln, verstecke sich der westliche Anspruch auf globale Hegemonie hinter einer Fassade der Humanität, die immer dann ins Spiel gebracht werde, wenn es darum gehe, in wertfremde Räume einzudringen.

Die folgende Aussage Silnizkis deckt sich mit den Informationen, die mich aus der Mainstream-Presse erreichen (Geopolitik, 2015, S. 23):

Hinter der Humanität verbirgt sich ein ökonomischer und monetärer Hegemonialanspruch, legitimiert durch die raumübergreifende, geologische Permeabilität. Dieser strukturelle Zusammenhang von geotheologisch legitimierter und geoökonomisch expandierender Geopolitik ist der integrale Bestandteil des raumaufhebenden und das innere Gefüge der wertfremden Machträume sprengenden, westlichen Universalismus.

(Davon hatte ich es bereits in einer Diskussion mit Eike – nur etwas einfacher ausgedrückt.) Selbst ein Ingenieur wie ich kann verstehen, dass in der derzeitigen Situation das geltende Völkerrecht nicht greift.

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19 Antworten zu Warum funktioniert das Völkerrecht nicht?

  1. Kinseher Richard sagt:

    Aus der Sicht Russlands war und ist die NATO-Osterweiterung eine konkrete militärische Bedrohung. Dass 2008 in Bukarest von der NATO festgeschrieben wurde, irgendwann die Ukraine in die NATO aufzunehmen, war eine gezielte militärische Provokation – denn dies hätte bedeutet, dass Russland damit einen seiner wichtigsten Militärstützpunkte verliert (Krim).
    Russland hat immer gegen die NATO-Osterweiterung protestiert und weil Proteste nicht halfen, hat Russland in den Nachbarstaaten militärische Konflikte provoziert und tut dies immer noch (Weil Länder nicht in die NATO aufgenommen werden dürfen, wenn es dort militärische Konflikte gibt.).
    D.h. die bereits erfolgte und potentiell geplante NATO-Osterweiterung ist eine konkrete Ursache für aktuelle militärische Konflikte in mehreren Ländern.
    Man hätte – und kann es immer noch – auf eine weitere NATO-Osterweiterung verzichten, indem man sich vertraglich darauf einigt, dass man die Länder um Russland zu blockfreien Staaten macht.
    Damit könnte man eine wichtige Kriegsursache beseitigen und auf ein friedliches Zusammenleben hinarbeiten. Aber leider scheint unseren Politikern die NATO-Osterweiterung wesentlich wichtiger zu sein, als Frieden.
    Man muss deshalb kein Prophet sein um zu erkennen, dass Russland mit dem Krieg niemals aufhören wird – weil es damit seine eigene Sicherheit gefährdet sehen würde.

    Und damit sind wir beim Vökerrecht: Russland ist das Völkerrecht egal, wenn es von westlichen Staaten dazu missbraucht wird, um militärische NATO-Strategien durchzuführen.

    Von vielen Menschen wird die NATO-Osterweiterung als wesentliche Kriegsursache betrachtet und unsere Politiker und Journalisten verlieren an Glaubwürdigkeit, weil sie kein ernsthaftes Interesse zeigen – diese Konfliktsituation zu beenden: indem man Russland´s Ängste berücksichtigt.
    Das blinde Unterstützen der NATO-Strategie durch unsere Politiker führt mittlerweile erkennbar zu einer politischen Destabilisierung in Deutschland:
    Immer wenn der Bundeskanzler betont, dass die ukrainische Regierung alles bekommt, was sie braucht – und gleichzeitig für die Menschen bei uns im Land Sparmaßnahmen beschlossen werden; dann kann man eine Woche später sehen, dass die Zustimmung zur AfD wieder um einen Prozentpunkt angestiegen ist.

    • Timm Grams sagt:

      Ob altmodische Geostrategie oder neumodische Geotheologie: Es gibt Nutznießer. Gerade heute wurde in Davos anlässlich des WEF ein Interview geführt, das so endet:

      WELT: Zum Schluss noch ein Wort zu Deutschland. Würden Sie dort Ihr Geld anlegen?

      Ferguson: Ganz klar nein, mit einer Ausnahme: deutsche Rüstungsaktien. Denn die könnten profitieren, sollte Deutschland die Zeichen der Zeit voll verstanden haben. Eine deutsche Wiederaufrüstung, das ist es, was wir wollen. Seltsame alte Welt.

      Thema war der Ukraine-Krieg und Deutschlands Rolle in der Welt. Der Historiker Niall Ferguson ist ein international gefragter Welterklärer.

    • John Solar sagt:

      [Moderator: Die Formulierungen des Kommentars lassen darauf schließen, dass er überwiegend von einer KI erstellt worden ist und er damit die Leitlinien dieses Blogs verletzt. Ich habe Kürzungen vorgenommen, die den Sinn nicht entstellen. Präsentiert wird die westliche Sicht mit oberflächlichen Relativierungen, die den Anschein der Objektivität erwecken. Quellenhinweise fehlen, die angegebenen Links erfüllen diese Funktion nicht. Der Beitrag macht deutlich, wie wichtig die europäische KI-Initiative ist.]

      NATO-Osterweiterung als Bedrohung für Russland: Diese Perspektive wird oft von russischen Medien und offiziellen Quellen betont.
      Es ist eine gängige russische Erzählung, dass die Osterweiterung der NATO eine Bedrohung für Russlands Sicherheit darstellt. […]
      Die Behauptung, dass Russland absichtlich militärische Konflikte in Nachbarstaaten provoziert […] wird allerdings kontrovers diskutiert und ist nicht allgemein anerkannt. […]
      Die Idee, durch vertragliche Vereinbarungen die NATO-Osterweiterung zu stoppen, […] wird in westlichen politischen und akademischen Kreisen nicht weitgehend unterstützt. […]
      Die Darstellung der NATO-Osterweiterung als Hauptursache für Konflikte und der damit verbundene Glaubwürdigkeitsverlust von Politikern und Journalisten in der öffentlichen Wahrnehmung ist eine Perspektive, die in einigen kritischen Diskussionen über die Rolle der NATO in Europa auftritt. Diese Sichtweise wird jedoch nicht allgemein akzeptiert und ist Gegenstand intensiver Debatten. […]
      Die Verbindung zwischen der Unterstützung der Ukraine durch die deutsche Regierung und einem Anstieg der Zustimmung zur AfD ist eine spekulative Behauptung. […]

      https://euvsdisinfo.eu/disinformation-cases/?text=nato

      https://www.bundesregierung.de/breg-de/schwerpunkte/umgang-mit-desinformation/aus-narrativen-desinformation-2080112

      https://www.bundesregierung.de/breg-de/schwerpunkte/umgang-mit-desinformation/falschmeldungen-erkennen-1750146

  2. John Solar sagt:

    Wirklich? Sie zitieren „Die Welt“ ???

    [tg: Gekürzt um die Hinweise auf die Verbindungen von KKR, Springer und WELT. Die WELT ist offen neoliberal ausgerichtet, sodass von der Seite keine Täuschung droht.]

  3. Kinseher Richard sagt:

    @Grams
    Deutschland hat bisher über 38 Mrd Euro an Geld und Waffenlieferungen für die Ukraine ausgegeben.
    Die USA unter Joe Biden haben bisher über 800 Mrd. Dollar für Geld- und Waffenlieferungen an die Ukraine ausgegeben.
    Diese enormen Mittel werden nun zum Wahlhampfthema weil die Republikaner dagegen waren und sind – und sehr werbewirksam empört darauf hinweisen, dass man dieses Geld viel besser für Amerikas Bürger verwendet haben sollte.
    Wenn im November die Präsidentenwahl stattfindet – bestehen sehr gute Chancen für einen Sieg der Republikaner.

    Die Republikaner sind bekannt dafür, dass sie der Überzeugung sind, dass es keine menschengemachte Klimaveränderung gibt. Deswegen kann man davon ausgehen, dass sie kein großes Interesse an internationalen Abkommen zur Begrenzung der Klimaveränderung haben werden – dies bedeutet weitere 4 Jahre Stillstand auf diesem Gebiet.

    Rüstungsfirmen profitieren aktuell vom Ukraine-Krieg aber die nächsten Generationen von Menschen auf der Erde werden die klimatische Rechnung dafür bekommen – dass wir uns falsch verhalten haben.

  4. Realo sagt:

    @ Timm Grams

    Ferguson wird bei seinen Interviews genau berücksichtigen für welche Zielgruppe sie bestimmt sind und wer sie „transportiert“.

    Die „Welt“ steht nicht gerade dem „Pöbel“, damit dem „potentiellen Kanonenfutter“ nahe, sondern den „Profiteuren“ der „Nato Osterweiterung“. Zuerst wollen sie bei der Rüstung profitieren, danach wollen sie sich die russischen Bodenschätzen unterm Nagel reißen. „Knusprig frische Bodenschätze Aktien“ sind ein Anreiz für „Welt“ Leser. Würde in Russland nur „Sauerkraut wachsen“, dann gäbe es den Konflikt nicht.

    Den Deutschen hat man die „Kriegslüsternheit“ tüchtig „ausgetrieben“, z.B. auch mit den „Kriegsverbrecherprozessen“. Das finde ich wegen der neuzeitlichen Waffentechnik (A, B, C- Waffen) richtig. Da geht es nur mehr darum wer die „brutaleren“ Waffen produziert und wer sie z.B. wegen der dünnen Besiedelung, besser „ertragen“ kann. Aber nicht mehr darum, dass sich Menschen besser im Sinne Darwins entwickeln können und ein „Ausleseprozess“ stattfindet.

    Wenn wir einfach „wie früher“ weiter machen, könnte sich die Menschheit selbst ausrotten…..

  5. Realo sagt:

    Realo
    @ John Solar

    Wenn ein fremdes Militärbündnis oder ein Staat einem immer näher rückt, hat das kein betroffener Staat so gerne. Übrigens auch Amerika nicht (Kuba Krise). Wenn man dann auch noch vom wichtigen Meer Zugang und auch noch von der Kriegsflotte abgeschnitten wird, schon gar nicht.

    Dass Russland sich in Niger zu Lasten Frankreichs Energieversorgung „einmischt“ scheint eine „Retourkutsche“. „Aug um Aug“ ist nun einmal im Krieg das vorherrschende „Muster“.

    Die Idee der NATO-Osterweiterung wird von denen unterstützt die daran verdienen, diejenigen die „zahlen“ müssen (auch als Kanonenfutter), sind naheliegender Weise dagegen, besonders wenn sie zu scheitern droht.

    Das realistisch denkende „Ami Kapital“ hat offensichtlich (wegen Aussichtslosigkeit) die „Unterstützung“ eingestellt.

    Bei uns laufen viele Bürger zur AfD, hoffentlich auch zur BSW über, weil sie offensichtlich erahnen, dass den jungen, später auch den alten Männern, eine Rolle als „Kanonenfutter“ droht.

    Die wenigsten Betroffenen scheinen davon begeistert.

  6. Kinseher Richard sagt:

    @John Solar
    In der Ukraine waren die Bewohner des östlichen Landesteils sehr stark mit Russland verbunden – oft über Verwandschaftsbeziehungen.
    Der westliche Teil des Landes war eher dem europäischen Kulturbereich zugetan.
    Mit dem Zerfall der Sowjetunion hätte die Ukraine daher eine wichtige Zukunft als Bindeglied und Vermittler zwischen Ost und West haben können.

    Leider hat man diese einmalige Chance nicht genutzt und somit verspielt!

    Fakt war, dass der russische Militärstützpunkt KRIM zum Staatsgebiet der Ukraine gehörte – und deswegen war es eine absichtliche militärische Provokation, als 2008 in Bukarest beschlossen wurde, dass man die Ukraine irgendwann in die NATO aufnehmen will. Mittlerweile ist die Absicht, in die NATO beizutreten, sogar in der ukrainischen Verfassung festgeschrieben.
    Das Ziel in die NATO aufgenommen zu werden ist aber aus russischer Sicht nicht akzeptabel, da es damit die KRIM und somit einen seiner wichtigsten (da ganzjährig eisfrei und im Westen gelegen) Militärstützpunkte verlieren würde. Und dies ist auch der wichtigste Grund, warum Russland den aktuellen Krieg begonnen hat: Man will die KRIM und die zu seinem Zugang gehörenden Landesteile zu Russland einverleiben – d.h. man will Fakten schaffen.

    Dass man die Belange Russlands absichtlich nicht in Betrachtungen einbezieht, wird den aktuellen Krieg nur unnötig in die Länge ziehen: Aktuell ist in der Schweiz geplant ´Friedensverhandlungen´ durchzuführen, in denen die Integrität der ukrainischen Grenzen festgeschrieben werden soll. Russland ist dazu nicht geladen!

    Noch ein Hinweis zum Blogthema ´Völkerrecht´:
    Die USA haben Guantanamo rechtswidrig beschlagnahmt und sind dort mit Menschen so brutal umgegangen, dass viele Menschenrechte massiv verletzt wurden.
    Wer daher Russland das Recht abspricht, auf der KRIM zu bleiben – sollte sich nicht auf das Völkerrecht berufen, wenn man die Situation von Guantanamo akzeptiert.
    Entweder gilt das Völkerrecht für alle, oder es ist wertlos.

    • John Solar sagt:

      Diese Dinge sind so wage und im Nebel, ich kann das nicht einordnen,

      aus Gesprächen mit einem russischen Kollegen, der mit ganz vielen Ukrainern zusammengearbeitet hat wird die Sache deutlich komplexer sein

      aus Gesprächen mit einem Ungarischen Kollegen, der ukrainische Verwandte hat, der hat mir die Sache auch etwas anders dargestellt, im Osten Industrie, Rohstoffe Cash, Oligarchen usw… in der Westukraine mehr so Bauern.

      Der Bereich der Russland interessiert ist bestückt mit Rohstoffen etc….

      Und wenn ich in dem Arte Format Fake News der russich oder ukrainischen Dame zuhöre, betrachtet Russland Deutschland oder den Westen nun als Feind….

      Die derzeitige mediale Lage ist krank.
      Und jeder meint er wüsste was, er könnte es alles bewerten –> Ich wiederum weiß, das ich es nicht weis.

      Das ist Linus Neumann (Psychologe und Hacker) auch schon aufgefallen.
      https://media.ccc.de/v/eh16-44-trolle_werden_trollen

  7. Kinseher.R-KEH@t-online.de sagt:

    @john solar

    Ich möchte mit meinen Beiträgen dazu anregen über das Blogthema ´Völkerrecht´ nachzudenken.

    Am Beispiel des aktuellen Ukrainekriegs kann man sehen, dass enormer Aufwand getrieben wird um sich gegenseitig zu zerstören.
    Der Erde bzw. dem Erdklima sind aber politische Ziele völlig egal: Dafür ob und wie sich unsere Umwelt verhält bzw. verändert sind ausschließlich physikalische und chemische Mechanismen verantwortlich.

    Und damit sind wir wieder beim Völkerecht:
    Wenn wir enormen Aufwand betreiben um Kriege zu führen – aber für Maßnahmen gegen die aktuelle Klimaveränderung viel zu wenig getan wird – dann betrifft dies die Lebensbedingungen vieler Völker: jetzt und in Zukunft.

    (Und eine zusäzliche Bemerkung kann ich mir nicht verkneifen:
    Vor wenigen Jahren haben unsere Politiker ernsthaft darauf hingewiesen – dass unsere demokratischen Werte und unsere Freiheit am Hindukusch verteidigt wird.)

  8. Bernd sagt:

    Ich meine, dass das, was sich national in großen Teilen durchgesetzt hat, nämlich die Demokratie, in der weiteren kulturellen Entwicklung oder Evolution auch auf der globalen, internationalen Ebene zu verwirklichen ist, d.h. vor allem, dass das Gewaltmonopol eine übergeordnete und überparteiliche Institution (UN) besitzen muss, so dass die unvermeidlichen Auseinandersetzungen nur noch auf der geistigen Ebene stattfinden können.
    Ist das utopisch? Ich denke, die Einführung größerer Gemeinschaften oder Staaten, bei der die einzelnen Stämme ihre Unabhängigkeit aufgeben mussten, was schließlich aufgrund leidvoller Erfahrungen in demokratischen Strukturen mündete (besonders bei uns in Deutschland), war früher ebenso utopisch. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass nach einem weiteren Weltkrieg, der dann mit den modernen Massenvernichtungswaffen geführt würde, die Einführung demokratischer Strukturen auf der internationalen Ebene nicht mehr utopisch wäre, da nur das solche Kriege unmöglich machen würde.

    Die Schäden der letzten beiden Weltkriegs-Katastrophen waren innerhalb einer Generation so gut wie beseitigt. Nach einem neuen Weltkrieg mit Massenvernichtungswaffen wird das nicht mehr so sein. Die eigentliche Frage sehe ich daher darin, nicht wie bisher neue sinnvolle Strukturen erst aufgrund leidvoller Erfahrung einzuführen, nach dem Prinzip von Versuch und Irrtum, sondern diese Entwicklungen zu antizipieren – mit Hilfe einer entsprechenden Theorie. Das kann für mich nur die Evolutionsbiologie sein.

    Auch Demokratie verstehe ich dabei von der Evolutionsbiologie her, d.h. der wesenhafte Kern der Demokratie liegt für mich weniger darin, dass alle mitbestimmen oder sich einbringen dürfen, das konnten sie bisher auch, nämlich über die Gewalt nach dem Recht des Stärkeren (wie etwa bei Hitler oder Stalin), sondern darin, dass Konflikte nur noch auf der geistigen Ebene ausgefochten werden können, wobei diese geistige Ebene dem entspricht, was den Menschen in der Evolution exklusiv auszeichnet. Demokratie ist in diesem Sinne ein Fortschritt der kulturellen Evolution des Menschen und nur darin kann die Zukunft des Menschen liegen, also in der weiteren geistig-kulturellen Evolution, nicht dagegen in einer Perfektionierung von Instinkten, egal ob als autoritäre Weltherrschaft oder der exzessiven Anhäufung von materiellen Werten, um auf diese Weise Macht und Rang zu befriedigen.
    In dieser Verbindung zur Evolutionsbiologie beziehe ich mich ebenfalls auf Edward O. Wilson, allerdings nicht auf seine Theorie des „verteidigbaren Nestes”, sondern auf seine Aussage der dichotomen Natur des Menschen:

    „Wir sind ein evolutionäres Mischwesen, eine Chimärennatur, wir leben dank unserer Intelligenz, die von den Bedürfnissen des tierischen Instinkts gesteuert wird. Deswegen zerstören wir gedankenlos die Biosphäre und damit unsere eigenen Aussichten auf dauerhafte Existenz.” (Wilson 2013, S. 23)

    Leider kränkt uns diese Ansicht unserer natürlichen Herkunft, in der wir noch von genetisch verankerten animalischen Instinkten (gemäß Wilson) „gesteuert” werden sollen, zu sehr. Die meisten Menschen verstehen sich lieber als übernatürlicher, göttlicher Herkunft und Zukunft, so wie besonders im sogenannten „Heiligen Land” der drei großen Weltreligionen.

  9. Mussi sagt:

    @ Bernd

    Im Ansatz ist Ihre Utopie die der UNO-Gründung.
    Festzustellen ist aber, dass es immer wieder geistige Gegensätze und verschiedene Meinungen gibt. Das entspricht dem wissenschaftlichen Konsens, dass es keine absolute Wahrheit gibt.
    Die wohl alles entscheidende Frage ist die des sich Durchsetzens. Und da ist Gewalt immer noch stärker als Kompromiss. Warum? Weil sich durchsetzen letztendlich immer mit der ultima ratio Tod verbunden ist. Konfliktlösung durch Auslöschung.
    Das erleben wir sowohl in der Ukraine, als auch in Israel und ist Grundlage jeglicher ernsten Auseinandersetzung.
    Überlegenheit durch vorwiegend physische Gewalt ist Durchsetzung über Schmerz und Angst.
    Und wer mag bestreiten, dass das nicht auch geistig ist?
    Das ist den autoritären und totalitären globalen Tendenzen durchaus bewusst!
    Deswegen ist Ihre Utopie gefährdet!
    Da hilft nur Gegendruck. So fatal Fatalismus ist.
    Und wenn Sie mit der Evolutionstheorie argumentieren, dann ist es die Heterogenität.
    Homogenität über den Sozialdarwinismus, der Gewalt rechtfertigt, ist erstens desaströs und zweitens widerlegt.
    Es ist die Kooperation zwischen heterogenen Kulturräumen , die zur Globalisierung geführt hat. Die Idee der gegenseitigen Versorgung.
    Zur Zeit wird diese Idee und evelutionsbiologische Grundlage zurückgeführt auf Hegemonie über Energieresourcen; auf Wärme: egal ob über Nahrung oder über Aussenzuführung.
    Putin hat, ich weiss nicht mehr ob gegenüber Macron oder Scholz, gesagt, er wird sich durchsetzen
    Es ist das sich durchsetzen!
    Deshalb ist es entscheidend, was in dem Superwahljahr an der Urne stattfindet.
    Ich befürchte entweder noch mehr Konflikte oder den Kollaps der Ökologie.

  10. Mussi sagt:

    Andreas Reckwitz hat interessante Essays dazu geschrieben, dass wir in Zeiten des Verlustes leben. Entweder mal googeln oder auf soziopolis.de nachschauen.
    Bein Durchsetzen geht es um das Gewinnen.
    Das ist z.B. so ein geistiger Widerspruch, der nicht theoretisch gelöst werden kann. Er steht einfach.
    Im Spiel ist das alltäglich.
    Nur wenn es ernst wird, also es um das Leben an sich geht, also Urängste real werden, dann entsteht enorme Schärfe.

    • Bernd sagt:

      @Mussi
      „Die wohl alles entscheidende Frage ist die des sich Durchsetzens. Und da ist Gewalt immer noch stärker als Kompromiss.“

      Die Gewalt soll in den Auseinandersetzungen ja gerade ausgeschlossen werden, so wie das in den Demokratien auf der nationalen Ebene sich bestens bewährt hat. Daher kann man nicht argumentieren, dass, wenn die Gewalt ausgeschlossen wird, sie immer noch die beste Form des Durchsetzens ist.

  11. Mussi sagt:

    @ Bernd

    Ich habe nicht gesagt und ausgedrückt, dass Gewalt die “ beste“ Form des Durchsetzen ist.
    Gewalt ist stärker, dass ist ein Unterschie und deshalb soll das Monopol beim Staat liegen. Der dann bestenfalls liberal verfasst ist.

  12. Realo sagt:

    @ Bernd 22. Januar 2024 um 09:18 Uhr

    Zitat: „Die Gewalt soll in den Auseinandersetzungen ja gerade ausgeschlossen werden, so wie das in den Demokratien auf der nationalen Ebene sich bestens bewährt hat. Daher kann man nicht argumentieren, dass, wenn die Gewalt ausgeschlossen wird, sie immer noch die beste Form des Durchsetzens ist.“

    Die „Gewalt“ hat sich nur auf eine andere, die „juristische Ebene“ und die „Staatsgewalt“, verlagert. Es zählt nicht mehr nur die „Muskelkraft“, sondern die Phantasie und das Geld für die Juristen….

    „Gewalt bleibt Gewalt“, es fließt höchstens weniger Blut, dafür mehr Geld…

    • Bernd sagt:

      @Realo
      Also ich sehe es nicht so, dass sich die Gewalt lediglich verlagert hat, dass aber im Grunde alles so geblieben ist wie vorher. Würden wir noch im animalischen Recht des Stärkeren leben, würden wir (wie in den USA) alle Waffen tragen und Probleme sofort auf diese Art lösen. Das, was sich geändert hat, nenne ich Kultur und Zivilisation, d.h. Gewalt wird geächtet, nur der Staat besitzt das Gewaltmonopol. Ein weiterer Schritt dabei ist die Einführung von Gesetzen. Wenn es trotzdem zu Streitfällen kommt, wird das nicht auf animalische Art entschieden, sondern von Juristen vor Gericht, also auf geistige Art, und dafür fallen in diesen Streitfällen natürlich Kosten an. Das jetzt so zu sehen, dass sich eigentlich nichts geändert hat, kann ich daher nicht nachvollziehen.

  13. Bernd sagt:

    Hier noch ein Zitat zur Homizidrate bei Naturvölkern im Vergleich zu den modernen Gesellschaften:

    „Die Gewaltbereitschaft des Menschen hat aus ethologischer Sicht angeborene Grundlagen, die durch Erziehung und Kultur eingeschränkt werden müssen. Bei kriegerischen Naturvölkern (z. B. Eipo/Neuguinea, Yanomami/Venezuela) starben vor dem Einfluss der Europäer etwa ein Viertel aller Männer eines gewaltsamen Todes: pro 1 000 Einwohner und Jahr sind das etwa drei bis zehn Homizide (Täter und Opfer sind zumeist Männer; Schiefenhövel 1986, 1995); die Hälfte von ihnen durch Innergruppenkonflikte, zumeist wegen Eifersucht, und die andere Hälfte durch Stammesfehden. Die Homizidrate in europäischen Millionenstädten beträgt seit 1945 hingegen infolge von Moral, Ethik, Erziehung und Gesetzgebung nur etwa ein Tausendstel davon. Wie der Kulturenvergleich zwischen Neuguinea und Europa zeigt, kann der kulturelle Einfluss (z. B. bezüglich der Ausmaße von Tötung und Mord) bemerkenswert groß sein. Dabei mögen kulturelle Einflüsse auf Schwellen bei der Aggressionsauslösung und auf anerzogene direkte Hemmungen sowie beim Durchhaltevermögen bei der Anwendung aggressionshemmender Mechanismen (z. B. von sozial freundlichen Verhaltensweisen) eine Rolle spielen.”
    (Gerhard Medicus, „Was uns Menschen verbindet”, 6. Auflage, VBW-Verlag Berlin 2022, S. 184)

  14. Realo sagt:

    @ Bernd 22. Januar 2024 um 19:39 Uhr

    Ich bin nicht gegen die Zivilisation, habe eher etwas sarkastisch übertrieben.

    Sie haben selbst das Beispiel USA angeführt. Dort wird mit dem Recht „übertrieben“, gleichzeitig mit der „Gewalt“. Dazu kommen für uns absurd scheinende Beispiele der Rechtsprechung.

    Letztlich kann alles „entarten“.

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