Die Aufregung um „Die Akte Astrologie“ von Gunter Sachs hat sich inzwischen gelegt. Ich wärme die Sache auf, weil sich daran gut demonstrieren lässt, wie unterschiedlich Skeptiker an vermeintlichen Hokuspokus herangehen, und inwieweit sie fähig sind, pfiffige Streiche als solche zu erkennen.
Zur Erinnerung: Manch ein Skeptiker beruft sich auf eine Metaphysik – den ontologischen Naturalismus beispielsweise – und neigt dazu, bei seinen Urteilen vorzugsweise Patentrezepten zu folgen nach dem Motto, dass nicht sein kann, was nicht sein darf. Skeptiker in der Tradition der pyrrhonischen Skepsis und deren moderner Varianten vermeiden derartige schnelle Urteile nach Möglichkeit; sie sind überhaupt vorsichtig mit Urteilen aller Art (Markus Gabriel, 2008). Ein beherzigenswerter Leitsatz ist der Gerichtspraxis entlehnt: „Man muss gut zuhören können.“ (Steller, 2015).
Gunter Sachs hat sein datenreiches Buch 1997 vorgelegt. Die darin enthaltenen Statistiken erfassen sehr viele Fälle, in der Regel mehrere hunderttausend. In den Tabellen des Buches findet man beispielsweise, dass Mann und Frau mit demselben Tierkreiszeichen überdurchschnittlich oft einander heiraten. Das ist ein Zeichen, dass die Astrologie zu funktionieren scheint.
Nehmen wir als Beispiel die Widder-Menschen. Die folgende Tabelle zeigt: Von den insgesamt 358709 erfassten Paaren sind 33009 Männer und 32830 Frauen im Tierkreiszeichen Widder geboren. Würde die Paarbildung rein zufällig passieren, ergäben sich im Schnitt 33009×32830/358709 = 3021 reine Widder-Paare. Diese Zahl kommt so zustande: Der Anteil der Widder-Frauen unter den Frauen, die einen Widder-Mann heiraten, ist unter der Zufallsannahme etwa so groß, wie der Anteil der Widder-Frauen unter den Frauen insgesamt. Sei also x die Zahl der reinen Widder-Ehen, m die Zahl der Widder-Männer, f die Zahl der Widder-Frauen, und n die Zahl der Ehen und damit auch der Frauen insgesamt, dann gilt x/m = f/n. Also ist x = mf/n.
Die Statistik weist aus, dass es tatsächlich 3154 Widder-Paare sind, also 133 mehr als erwartet.
Die Tafel der Eheschließungen bezieht sich auf die Schweiz und die Jahre 1987-1994. Verblüffend ist, dass über die gesamte Tabelle gesehen zwischen den Tierkreiszeichen und den Eheschließungen ein Zusammenhang im Sinne der Astrologie erkennbar ist. Die Zusammenhänge sind zum Teil sehr deutlich. Der Wert der Prüfgröße für das Widder-Vierfelderschema ist beispielsweise gleich P = 7,09, und das zeichnet den Zusammenhang als signifikant auf dem 1 %-Niveau aus (Sachs, 1992).
Müssen die Astrologie-Skeptiker auf Grund dieser Zahlen ihr Weltbild revidieren? Jedenfalls hat das Buch des Gunter Sachs diese Gemeinde in erhebliche Unruhe versetzt. Da nicht sein kann, was nicht sein darf, hat man schnell Gegenargumente parat: Die Studie habe „methodische Mängel“ und außerdem könnten „irrelevante kleinere gruppenspezifische Besonderheiten im Jahresrhythmus“ schuld sein (Ponocny/Ponocny-Seliger, 2009).
Dabei ist die Aufregung unnötig. Es kommt nicht nur auf die Signifikanz eines Zusammenhangs an, sondern auch auf dessen Größe. Und daran mangelt es in diesem Fall. Die Vorhersagen der Astrologen sind zwar deutlich belegt, aber die Effekte sind klein.
Angesichts der Kleinheit der zu erklärenden Effekte können selbst geringe Einflüsse eine große Rolle spielen. Mit der direkten Einwirkung der Sterne hat das alles nichts zu tun.
Interessant ist beispielsweise, dass 0,7 % der Verheirateten bezeugen, dass das Sternzeichen bei der Wahl des Partners eine Rolle gespielt hat, und 3,9 % geben zu, dass das „ein bisschen der Fall“ war. Und genau die Möglichkeit, dass selbsterfüllende Prophezeiungen hinter den Effekten stehen könnten, hat uns Gunter Sachs in seinem Buch auch verraten.
Manch ein Astrologiegegner war aber offenbar schon nach den ersten Seiten beim Gegenangriff. Er hat die Auflösung des Rätsels dann gar nicht mehr mitbekommen. An die Stelle des genauen Studiums traten Rätselraten und die Konstruktion eines „Erklärungsmodells“ mit passenden Daten gemäß der Vermutung, dass „bei der Paarbildung diese Kombination aus astrologischen Motiven von den Partnern als günstig angesehen wurde“ (Basler, 1998).
Mein persönliches Fazit aus der Analyse der „Akte Astrologie“:
- Size matters: Die von Sachs berichteten Effekte, nämlich die Abweichungen von dem rein zufällig zu Erwartenden, betragen nur wenige Prozent (im Widder-Fall 4 %). Das ermöglicht keine wirklich überzeugenden Prognosen.
- Die Astrologie funktioniert tatsächlich, und zwar im Sinne der selbsterfüllenden Prophezeiungen.
Zum Weiterlesen
Gunter Sachs: Die Akte Astrologie. 1997
Lothar Sachs: Angewandte Statistik. Anwendung statistischer Methoden. 1992
Ivo Ponocny, Elisabeth Ponocny-Seliger: Akte Astrologie Österreich. skeptiker 4/2009, S. 176-190
Herbert Basler: „Die Akte Astrologie“ von Gunter Sachs aus Sicht der Mathematischen Statistik. Skeptiker 3/1998, S. 104-111
Markus Gabriel: Antike und moderne Skepsis. 2008
Max Steller: Nichts als die Wahrheit? Warum jeder unschuldig verurteilt werdene kann. 2015
Ein blödsinniges Fazit! Die Abweichung ist signifikant, auch in der Münchener Ehepaarstatistik von 2018! Quelle: Statistisches Amt LH München, Adriana Kühnl, Münchener Statistik, 4. Quartalsheft, Jg 2018
Was soll das? Der zitierte Artikel hat mit meinem Fazit nichts zu tun.
selten so ein blödes fazit gelesen
Wen, glauben Sie, interessieren Ihre Befindlichkeiten?