Unter Pseudowissenschaft verstehe ich, und mit mir tun das viele andere, ein auf Erkenntnis angelegtes System, das einen Anspruch auf Wissenschaftlichkeit erhebt, diesen aber nicht einlösen kann. Ihre Vertreter geben vor, ein Spiel nach gewissen Regeln zu spielen, hier ist es das Spiel „empirische Wissenschaft“, aber sie verletzen genau diese Regeln.
Das klingt nach verwerflichem Tun. Tatsächlich haftet dem Begriff der Pseudowissenschaft der Ruf der Unvernunft an. Aber allein die Verletzung bestimmter Spielregeln ist für sich gesehen noch nichts Unanständiges. Das habe ich vor vier Jahren bereits im zweiten Intermezzo dieses Weblogbuchs deutlich gemacht: Tarnen, Täuschen und Manipulation gehören so sehr zum Leben auf dieser Erde, dass man sich generelle moralische Urteile über dieses Verhalten besser verkneifen solle, schrieb ich damals. Täuschung und Manipulation abzuschaffen, sei schon aus Gründen des Wettbewerbs aussichtslos, denn wer will schon auf große Vorteile verzichten, die zu moderaten Kosten zu haben sind.
Ich wage die Aussage, dass das Verletzen der Regeln der Wissenschaft zu den Spielregeln der Pseudowissenschaft gehört. Es ist ein anderes Spiel.
Es ist gut, „Pseudowissenschaft“ nicht von vornherein als Schimpfwort zu verstehen. Im Sinne eines gesellschaftlichen Pluralismus enthalte ich mich einer moralischen Bewertung. Ich stelle mir die Frage, ob diese Spielregeln unvernünftig sind oder nicht.
Zur Klärung dieser Frage kommt mir ein Büchlein gelegen, das erst kürzlich erschienen ist. Es ist von Natalie Grams und heißt „Homöopathie neu gedacht“ (Springer, Berlin, Heidelberg 2015).
Die Ärztin „war lange Zeit überzeugte Homöopathin“. Dann stellte sie fest, dass die Grundsätze der Homöopathie „sich zwar irgendwie gut anfühlen, deren Prinzipien jedoch wissenschaftlichem Denken teilweise komplett widersprechen“. In der Folge distanzierte sich Grams von der Homöopathie und wurde zu einer engagierten Kritikerin.
Für Natalie Grams ist Homöopathie eine Methode, „mit der man in Ruhe Gespräche führt, die es dem Patienten und seinem Körper ermöglichen, etwas für sich selbst zu tun“. Die Globuli sieht sie „als Placebos, aber auch als Träger einer individuellen Autosuggestion“. Im weiteren Verlauf ihres Textes zeigt sie auf, dass aus wissenschaftlicher Sicht die Homöopathika wirkungslos sind. So weit – so gut.
Weil der Homöopath im Zuge der Anamnese sich dem Patienten methodenbedingt stärker zuwendet als es einem Arzt im Rahmen der Gebührenordnung möglich ist, hält Natalie Grams es für „wünschenswert, die Teile der Homöopathie, die sie so menschlich machen, in unsere symptomfokussierte und zeitarme Medizin zu übernehmen“.
Aber Hoppla! Hier tut sich ein riesengroßes Loch in der Argumentation auf. Denn was soll eine gefühlvolle Anamnese, wenn dem kein Akt der Medikation, keine Heilungsanstrengung folgt, die den Patienten überzeugt? Erst die Darreichung eines Homöopathikums setzt doch die Selbstheilungskräfte in Bewegung. Die Heilwirkung mag auf einer Täuschung beruhen. Aber diese Täuschung ist letztlich unentbehrlicher Bestandteil der Methode.
Der Glaube des Patienten ist dabei ausschlaggebend. Dass er auf einer Täuschung beruht, schmälert die Wirkung nicht. Und die Täuschung gelingt am besten, wenn auch der behandelnde Homöopath an seine Sache glaubt: Wer sich selbst betrügt, kann andere besser täuschen, meint Robert Trivers.
Das ist bei der Homöopathie so, aber auch beim Schamanismus: Der Patient muss erfahren, dass zum Zwecke seiner Heilung etwas Großartiges passiert. Beim Schamanen sind es die Trommelei und der Tanz. Bei der Homöopathie ist es die Potenzierung, die schrittweise Verdünnung der Ausgangssubstanz und das rituelle Verschütteln. Es sind diese magischen Handlungen, die den Glauben an die Wirksamkeit hervorrufen.
In ihrer Rezension des Buches von Natalie Grams schreibt Irene Kapuschewski am 10. August 2015 bei Amazon: „Die Schlussfolgerung der Autorin lautet danach: Homöpathische Anamnese ja, weil gut, Globuli nein, weil wirkungslos. Aber das ist doch völlig unlogisch! Die Homöpathie funktioniert – auch nach dem, was die Autorin schreibt – doch genau auf der Kombination aus gründlicher Anamnese und genau passenden Globuli. Ohne die Globuli wäre doch auch die Anamnese wirkungslos. Insofern frage ich mich – auch wenn ich Homöpathie ablehnen würde – warum um alles in der Welt lässt man das System nicht so wie es ist, wenn man damit vielen Menschen hilft?“
Wenn Natalie Grams ihr Werk zu Ende geschrieben hätte, wäre möglicherweise ein Plädoyer für die Homöopathie dabei herausgekommen. Denn im Grunde zeigt sie, dass dieser Pseudowissenschaft eine gewisse Vernünftigkeit nicht abzusprechen ist.
Das mag so sein. Aber damit wird die Homöopathie noch lange nicht zu einer Wissenschaft. An Hochschulen, dem Ort der Wissenschaft, hat die Homöopathie nichts zu suchen.
Interessant ist, dass Frau Grams demnach der Homöopathie den Rücken kehrt, weil die Prinzipien der Homöopathie den Regeln „wissenschaftlichen Denkens“ widersprechen, und weil ihr „schlüssige Erklärungen über den Wirkmechanismus“ fehlen, und nicht weil sie festgestellt haben könnte, dass die Homöopathie bei objektiver Beobachtung nicht wirkt. Mag sein, dass sie das im Buch dann ausführlicher erörtert, ich kenne ja nur die Leseprobe. Wichtig bei wissenschaftlicher Herangehensweise ist, dass die Homöopathie prinzipiell bisherigen Regeln widersprechen darf und auch wirken könnte, wenn schlüssige Erklärungen über einen Wirkmechanismus fehlen. In der Tat ist das etwas ganz Gewöhnliches in der Arzneimittelforschung.
Die „positiven“ Ergebnisse der H. beruhen auf den zwei elementaren Effekten:
1. Der Patient wird durch das Ding, die Arzney, wie Hahnemann schreiben würde, geheilt (die Selbstheilung angestoßen). Tatsächlich wird er damit bei Laune gehalten und die Zeit bis zur Selbstheilung wird positiver erlebt. Die Alternative könnte sein: ein chemisches Arzneimittel zur Überbrückung bis zur Selbstheilung. Was ist also besser? verträglicher? wirksamer? vernünftiger? (Anmerkung: Die Option „man kläre den Patienten auf und spreche ihm Mut zu“ steht nicht zur Verfügung.)
2. Der Behandler täuscht sich selbst und empfindet bei seinem Patienten eine Heilwirkung, die bei objektiver Beurteilung jedoch nicht existiert. Dies kommt von verständlicherweise positiver, hoffnungsvoller Denkweise des Behandlers mit zu wenig kritischer Bewertung, einmal gegenüber seines eigenen Empfindens, und andermal gegenüber den Berichterstattungen seines Patienten. Weiterhin extrapolieren die Behandler allzugerne von Einzelfällen auf das Kollektiv.
Letztlich bleibt die Frage, inwiefern Frau Grams die Homöopathie nun neu gedacht hat. Soll die „Arzneygabe“ weggelassen werden? Ich finde deinen Einwand sehr wichtig: Die Homöopathie „wirkt“ nicht nur aufgrund der ausführlichen Anamnese („der ärztlichen Kunst“, übrigens ein Ansatz von Paracelsus, dass nicht die „körperliche Substanz der Arzney“ wirken würde, sondern die ärztliche Kunst), sondern v.a. aufgrund des Eingriffs mit der „Arzney“! Es könnte jedoch auch eine Gummikugel an einem Stock sein, die man sich täglich 3-mal gegen die Stirn hauen könnte. Einfach ein unserer Zivilisation angemessener Eingriff. So „tickt“ der Mensch nunmal, meiner Meinung nach. Für mich stellt sich aus der ganzen Sache heraus hauptsächlich die Frage, wann und wie weit Selbstbetrug vernünftig, förderlich oder hinderlich ist.
Nicht nur der Homöopath praktiziert eine „gefühlvolle Anamnese“, was wohl letztlich jeder Patient anders empfinden mag und etwas Einflühlsvermögen seitens des Arztes erfordert; Stichwort: soziale Kompetenz. Manchmal geht diese zu Lasten der fachlichen flöten. Von einem stoischen Homöopathen habe ich zumindest noch nicht gehört. Die Berufung zur Homöopathie aus reiner Philanthropie mag ein potenter Filter sein.
Aber gäbe es ein solches Bedürfnis nach Alternativen wie der Homöopathie überhaupt (in diesem gesellschaftlichem Ausmaß), wenn das Lohnsystem die Ärzte nicht unter diesen Abfertigungs-Zeitdruck setzen würde?
Was beiden Systeme gemein ist, ist die verordnete Maßnahme bzw. das Ritual oder meinetwegen die „Arzney“. Auf der einen Seite ist es eine Bandbreite an medizinischen Maßnahmen, auf der anderen ist es die Allzweck-Darreichungform, die angeblich genau abgestimmt ausgewählt wurde.
In dem Punkt würde ich dem Amazon-Kommentar widersprechen. (Hypothese:) Würden nicht einfache Placebo-Präparate denselben selbstheilenden Effekt nach einer „gefühlvollen Anamnese“ hervorbringen?
Ich hab Frau Grams Buch nicht gelesen, bin aber einigen Interviews begegnet und ich hatte „Homöopathie neu gedacht“ eben so aufgefasst, wie es der Amazon Kommentar zusammenfasst:
„Homöpathische Anamnese ja, weil gut, Globuli nein, weil wirkungslos.“
Armin klammert einen wichtigen Punkt von vornherein aus, wenn er schreibt, dass die Option „man kläre den Patienten auf und spreche ihm Mut zu“ nicht zur Verfügung stehe.
Die Frage, die ich mir für die Praktikabilität der ‚Grams’schen Methode‘ stelle, ist die, ob einem Patienten, der derart auf das Gesamtritual (Anamnese + „Arzney“) geprägt bzw. regelrecht konditioniert ist, eine ausführliche Anamnese (=“ärztliche Kunst“) alleine ausreichen würde, wenn denn keine Indikation für eine Medikation oder andere Maßnahmen vorliegt?
Was spricht gegen einfaches Gutzureden, eine klare Entwarnung oder Tipps für einen Lebenstil/Alltags-Änderungen, die weit mehr auf objektiven Erkenntnissen beruhen mögen als Homöopathika?
Wie oft hört man, dass sich Leute zu Hause regelrecht „krank googeln“ und dann beim Arzt nach der Medikationsempfehlung von Dr. Google betteln. Oder das Kind hat Fieber, also braucht es Antibiotikum – zwei Dinge, die bei einer jungen Mutter untrennbar miteinander einhergehen.
Ich wage die Behauptung, dass die Mehrheit der Patienten, die (auch nach einer ausführlichen Anamnese) ohne Medikamente, Globuli oder Rezept die Praxis verlassen, sich nicht vollständig behandelt fühlen. Ob die Therapietreue nach ärztlicher Anweisung eingehalten wird, ist dann wieder eine andere Frage. Aber zumindest für das momentane Wohlbefinden des Patienten im Rahmen des Praxisbesuchs wäre nur bei Einhalten des Gesamtrituals gesorgt.
Nun, die Realität ist im Moment eben so, wie sie ist. Ärzte haben kaum Zeit, Homöopathen nehmen sich Zeit oder lassen sich diese auch bezahlen. Wenn Frau Grams einen weiteren Anstoß in Richtung einer System-Änderung macht, dann heiße ich diesen willkommen. Denn was für mich persönlich zählt, sind v.a. objektive Ergebnisse, wonach die Homöopathie ihre Wissenschaftlichkeit eingebüßt hat. Sie als Mittel zum Zweck zu nutzen, ist vielleicht nicht unvernünftig, aber zumindest im Falle einer bewussten Täuschung des Patienten in meinen Augen verwerflich.
Wenn „neu gedacht“ bedeutet, die Menschen insofern aufzuklären, dass ihnen eine ausführliche Anamnese mit eventueller aber nicht zwingender medizinischer Maßnahme (von Alltags-Tipps über Reha/Physio-Stunden bis zur Arznei …) ausreicht um 1. erfolgreich genesen zu können und 2. auch subjektiv zufrieden zu sein, dann bin ich froh, dass es jemand angefangen hat „neu“ zu denken.
Christian meint, die Homöopathie als Mittel zum Zweck zu nutzen, sei vielleicht nicht unvernünftig, aber zumindest im Falle einer bewussten Täuschung des Patienten in seinen Augen verwerflich.
Einer solchen moralischen Bewertung kann ich gut beipflichten. Zur Vermeidung von Missverständnissen: Ich habe im Hauptartikel, auf den sich Christian hier bezieht, keinerlei Empfehlung für die Homöopathie ausgesprochen.
Für Handreichungen zur gelingenden Lebensführung ist vielleicht der Pfarrer zuständig, nicht jedoch der Skeptiker. Letzterer stellt infrage, zeigt neue Sichtweisen auf und sorgt so für eine Erweiterung des Entscheidungsspielraums.
Ich sehe den mündigen Leser vor mir und traue ihm zu, sich eine Meinung auf der Grundlage seiner eigenen Moralvorstellungen zu bilden. Dieser Schritt, den Christian hier ja getan hat, entzieht sich meiner Einflussnahme. Und da bin ich froh darüber. Das unterscheidet mich von manchem „Skeptiker“, der meint, andere zum Glück zwingen zu müssen.
Timm Grams:
Sie haben sehr gut erkannt, dass Globuli keine eigene und unmittelbare Wirkung haben, dass jedoch die Gabe von Globuli ein Ritual ist mit einer mittelbaren Wirkung. Diese Ritualwirkung erfordert Vertrauen des – ich nenne es mal so – „Beschenkten“ in den „Schenkenden“. Und es ist auch richtig, dass die Wirkung der Globuligabe nachlässt, wenn das Vertrauen in das Ritual dahin ist.
Sie haben auch erkannt, dass eine „lange“ Anamnese ebenfalls ein Ritual ist mit einer eigenen mittelbaren Wirkung. Das ist selbst dann so, wenn die Anamnese Daten erhebt, die für eine korrekte medizinische Diagnosestellung unerheblich und nur aus Sicht der Homöopathie plausibel sind.
Aber dann schreiben Sie: „Die Homöopathie funktioniert – auch nach dem, was die Autorin schreibt – doch genau auf der Kombination aus gründlicher Anamnese und genau passenden Globuli. Ohne die Globuli wäre doch auch die Anamnese wirkungslos.“
Mit Verlaub: Ihre Schlussfolgerung, dass die Anamnese wirkungslos bleibe, wenn eine Globuligabe nicht erfolge, ist nicht korrekt und nicht belegt.
Anamnese und Globuligabe sind zwei Rituale, die prinzipiell unabhängig voneinander sind. Und Ihre Schlussfolgerung, dass eine homöopathische Anamnese zwingend eine homöopathische Mittelanwendung nach sich ziehen müsse, ist damit auch fehlerhaft.
Es gibt mehrere Punkte, die es zu beachten gilt. Die Wirkung des Rituals „Globuligabe“ ist eine Placebowirkung. Sie wirkt bei „homöopathisch bearbeitetem“ Zucker genauso gut oder schlecht wie bei einem „nicht bearbeitetem“ Zucker; das ist durch Studien belegt. Die Placebowirkung – übrigens auch bei Kindern und Tieren nachgewiesen – wird durch die Information, dass ein Mittel ein Placebo ist, zwar verringert, aber nicht aufgehoben! Die Placebowirkung lässt sich auch durch schonungsloses Offenlegen der Fakten nicht auslöschen.
Zweitens gibt es noch andere Faktoren, die ein Gefühl der Wirksamkeit hervorrufen. Die wichtigsten sind: Spontanheilung, Spontanverlauf mit „Regression zur Mitte“, Selektive Wahrnehmung und Wunschdenken. Diese Komponenten wirken vom Ritual der Globuligabe unabhängig und können durch ein schonungsloses Offenlegen der Fakten ebenfalls nicht ausgelöscht werden.
Drittens ist die Ritualwirkung natürlich auch vorhanden, wenn man statt inhaltsleerer Globuli wirksame Medikamente appliziert, die ihre Wirksamkeit vor der Zulassungsbehörde mit Studien nachgewiesen haben. Nicht nur das pseudomedizinische Rezept ist ein Ritual – auch das medizinische Rezept ist es. Es steht außer Frage, dass die Kombination „Ritual und wirksames Medikament“ besser wirkt als die Kombination „Ritual und unwirksames Medikament“.
Gleiches gilt auch für die Anamnese: Nicht nur die pseudomedizinische Anamnese ist ein Ritual – auch die medizinische Anamnese ist es. Wir Mediziner erkennen neidlos an, dass sich Homöopathen mehr Zeit nehmen (können) als wir und dass die rituelle Wirkung der homöopathischen Anamnese dadurch einer normalen medizinischen Anamnese überlegen sein kann (ich schreibe „kann“ und nicht „ist“, denn es gibt außer dem Kriterium „Gesprächsdauer“ auch noch inhaltliche Aspekte einer Anamnese, die selbst für medizinische Laien erkennbar unterschiedlich wertvoll sind).
Und unter diesen genannten Gesichtspunkten ist die Frage, ob man nach einer homöopathischen Anamnese auch homöopathische Globuli abgeben muss, nicht mehr mit „ja“ zu beantworten. Es ist doch klar, dass die rituelle Behandlung mit Globuli Vertrauen einfordert von Patienten – Vertrauen, das nicht gerechtfertigt ist. Die Behandlung mit Globuli beruht auf Täuschung der Patienten, zumindest als Folge einer Selbsttäuschung des Homöopathen.
Wir wollen die Homöopathie nicht verbieten, aber wir wollen darüber informieren, auf welchen Mechanismen die Homöopathie beruht. Im Gegensatz zur 200 Jahre alten Homöopathie ist die Medizin heute auch in dieser Hinsicht weiter: Wir betrachten unsere Patienten schon lange als Partner. Wir lehnen es ab, Therapieerfolge erzielen zu wollen, die nur durch den Einsatz von Autorität erreicht werden können – Autorität, die nicht hinterfragt werden darf, damit sie nicht wirkungslos bleibt.
Das Einfordern von Anerkennung einer therapeutischen Autorität – Stichwort „eminenzbasierte“ statt „evidenzbasierte“ Medizin – mag im Bereich harmloser Befindlichkeitsstörungen durchaus Patientenzufriedenheit generieren. Die Gefahr liegt jedoch in der Grenzenlosigkeit! Wer Erfolge bei harmlosen Befindlichkeitsstörungen erlebt – sei es als Homöopath oder als Patient – ist schwer bis gar nicht davon zu überzeugen, dass der gleiche therapeutische Ansatz bei ernsten Erkrankungen unwirksam und damit gefährlich ist – und aus Sicht der bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnissen auch in Zukunft nicht wirksam werden kann.
Der Verzicht auf übertriebene und nicht indizierte Behandlungsmaßnahmen bei harmlosen Befindlichkeitsstörungen wird von der Medizin nicht kritisiert, sondern befürwortet. Die medizinisch korrekte Behandlungsmethode in diesen Fällen ist die Information der Patienten über die Natur der Harmlosigkeit der Befindlichkeitsstörung und über allgemeine Maßnahmen zur Linderung der Beschwerden. Das ist aufwändig und stößt sogar oftmals auf Ablehnung. Viel leichter haben es die Homöopathen, die keine Erklärungen liefern müssen, sich keinen Diskussionen stellen müssen und statt dessen einfach in den „Setzkasten“ der Homöopathie greifen und mit wichtig tuender Geste „ex cathedra“ die rituelle Heilung einfordern – und wehe, der Patient folgt ihnen nicht …
Und wehe, Homöopath oder Patient oder beide kennen die Grenze nicht und fordern oder erwarten Heilung gleichermaßen bei ernsten Erkrankungen – so wie sie es bei harmlosen Erkrankungen subjektiv erlebt haben: Dann droht Gefahr für Gesundheit und Leben der Patienten.
Wir finden, es ist nicht nur erlaubt, sondern sogar geboten, Patienten über die Möglichkeiten und Unmöglichkeiten der Homöopathie zu informieren.
Wie simpel ist es, einfach zu sagen: „Ich habe Heilung selbst erfahren“. Und wie komplex sind die Vorgänge, die eine solche „Heilungserfahrung ohne Heilung“ erzeugen. Und wie wichtig ist die Erkenntnis, dass „Heilungserfahrungen erzeugende Vorgänge“ etwas grundsätzlich anderes sind als wirksame – mitunter durchaus sehr unangenehme – Therapien mit echter lebensverlängernder oder ausheilender Wirkung.
Nähere Informationen findet man unter:
https://www.facebook.com/Informationsnetzwerk-Hom%C3%B6opathie-INH-249989248680621/ und http://www.netzwerk-homoeopathie.eu/
Dem Informationsnetzwerk Homöopathie habe ich gern Gelegenheit zu dieser ausführlichen Stellungnahme gegeben. Sie hebt sich wohltuend von dem im GWUP-Blog gepflegten Ton ab („Operation Zwerchfell: Die Homöopathen posten mal wieder eine Gaga-Studie“). Dort stehe ich auf der Liste der unerwünschten Kommentatoren. Vor meinem Ausschluss habe ich unter dem programmatischen Namen „Till“ übrigens eine aus meiner Sicht durchaus erhellende Auseinandersetung mit Christian Weymayr gehabt, und zwar zum Artikel „Die Homöopathie-Lüge“ – ein Interview (Teil 2).
Ich widerspreche Herrn Vahle nicht. Aber uns allen ist wohl klar, dass der Kommentar von Wolfgang Vahle weit über den von mir gesteckten Rahmen hinausgeht („Ist Pseudwissenschaft unvernünftig?“).
Entschuldigung, dass ich mit der Antwort solange habe warten lassen. Bei der Gelegenheit: Trügt mich mein Erinnerungsvermögen oder kann es sein, dass mein obiger Beitrag gekürzt wurde?
Irgendwie habe ich das Gefühl, dass du, Timm (für alle Mitleser: Wir kennen uns persönlich), dich auf meine abschließenden Worte fixiert hast. Zumindest fühle ich mich durch die beiden letzten Absätze deiner Antwort schon etwas gegängelt.
Dass du dich aber auf meinen Vorbehalt der Verwerflichkeit stürzt und dich im selben Atemzug davon distanzierst („Das unterscheidet mich von manchem „Skeptiker“, der meint, andere zum Glück zwingen zu müssen“), verwundert mich.
Dabei bin ich ebenso wie Herr Vahle auf den Punkt eingegangen, dass man die Homöopathie aus zwei Ritualen bestehend betrachten sollte, die jeweils ihre (Placebo-)Wirkung haben können.
Du schreibst:
„Aber Hoppla! Hier tut sich ein riesengroßes Loch in der Argumentation auf. Denn was soll eine gefühlvolle Anamnese, wenn dem kein Akt der Medikation, keine Heilungsanstrengung folgt, die den Patienten überzeugt?“
Genau diesen Umstand habe ich versucht zu umschreiben, da ich den Otto-Normal-Patienten als Arznei-Ritus-konditioniert ansehe und sich dieser Umstand ändern sollte, dass beide Riten unabhängig voneinander effizient wirke können. In Anbetracht der derzeitigen Situation ist das Hoppla! so gesehen zwar berechtigt, aber du schreibst weiter und begründest deine Reaktion mit einem anderen Einwand…
„Erst die Darreichung eines Homöopathikums setzt doch die Selbstheilungskräfte in Bewegung. Die Heilwirkung mag auf einer Täuschung beruhen. Aber diese Täuschung ist letztlich unentbehrlicher Bestandteil der Methode.“
Und in diesem Punkt widersprechen Herr Vahle und ich deinem Hoppla-Moment. Denn er fußt auf homöopatischer Logik, wonach beiden Riten eine untrennbare Einheit bilden. Dabei ist doch Frau Grams‘ Leistung als praktizierende Homöopatikerin eben jene, sich von diesem Bild gelöst zu haben. Du schreibst:
„Wenn Natalie Grams ihr Werk zu Ende geschrieben hätte, wäre möglicherweise ein Plädoyer für die Homöopathie dabei herausgekommen.“
Ich bin mir nicht sicher, ob ich das richtig verstehe. Frau Grams‘ usprüngliches Anliegen war ein Plädoyer für die Homöopathie. Meinst du, es wäre eines geworden, wenn sie nicht zu anderer Einsicht gekommen wäre? Oder ist ihr aktuelles Werk deiner Auffassung nach durch „ein riesengroßes Loch in der Argumentation“ nicht vollständig?
Ob (Homöopathie als) Pseudowissenschaft unvernünftig ist, beantwortest du nach vorangegangener Ausführungen (am Beispiel der Homöopathie) folgendermaßen: „Denn im Grunde zeigt sie, dass dieser Pseudowissenschaft eine gewisse Vernünftigkeit nicht abzusprechen ist.“
Dem habe ich prinzipiell beigepflichtet. In diesem Fall funktionieren die beiden Riten eben auch auf ihre homöopathische Weise. „Noch vernünftiger“ wird es natürlich, wenn man selbst daran glaubt, oder?
Ist Vernunft gleich Vernunft? Ich bin mir nicht sicher, ob es sinnvoll ist, jemandem Vernunft dafür zuzusprechen, gewisse Spielregeln zu brechen, die er/sie selbst nicht kennt. Dein abschließendes Fazit über die pseudowissenschaftliche Unwissenschaftlichkeit tangiert unter diesem Aspekt den Pseudowissenschaftler aber sicherlich recht wenig. Er sieht sich trotzdem als Teil des Spiels, auch wenn sich alle Skeptiker darin einig sind, dass er nicht mitspielen darf.
Aber das sollte doch nicht wirklich eine neue Erkenntnis sein.
Was ist das eigentliche Anliegen in diesem Artikel?
Du antwortest sowohl mir als auch Herrn Vahle recht ausweichend, verweist auf die Thematik, widersprichst dir nebenbei sogar selbst (insofern man folgenden Aussage als Zustimmung interpretiert: „Ich widerspreche Herrn Vahle nicht.“) und das obwohl wir auf einen argumentativen Teil deiner Ausführung eingehen, der sich zufällig innerhalb des 2/3 umfassenden Textabschnitts über ein homöoptahisches Büchlein befindet.
Du scheinst dich selbst zu täuschen, wenn du den Fokus auf das Thema Homöopathie abgeschweift siehst – so zumindest mein Eindruck.
Der von mir gestrichene einleitende Abschnitt in Christians Kommentar endet mit der Frage: „Was will ich damit sagen?“ Alles was folgt, habe ich unverändert übernommen. Inhaltlich ist durch die Kürzung nichts verloren gegangen und ich habe mich auch nicht auf Christians „abschließende Worte fixiert“.
Dass ich mich auf Christians „Vorbehalt der Verwerflichkeit stürze“ und mich im selben Atemzug davon distanziere, sollte keinen wundern, der mitgekriegt hat, dass ich hier zwei Ebenen der Argumentation unterscheide. Auf der ersten geht es um das rein Funktionale, um das, was der empirisch-wissenschaftlichen Methode zugänglich ist. Auf dieser Ebene versetze ich mich in die „homöopatische Logik, wonach beide Riten eine untrennbare Einheit bilden“. Und es kommt ein rein sachbezogenes Urteil heraus. Auf dieser Ebene kann man sowohl mit Katholiken und auch mit Utilitaristen diskutieren, ohne in Schwierigkeiten zu kommen. Auf dieser Ebene ist der Skeptiker zu Hause.
Auf der zweiten Ebene geht es um die Verwerflichkeit und um persönliche Wertungen. Hier ist auch meine Bewertung der Homöopathie einzuordnen.
Damit habe ich den scheinbaren Widerspruch hoffentlich aufgelöst und auch die Frage nach dem eigentlichen Anliegen dieses Artikels beantwortet: Wer sich nicht in zirkelhaften Meinungsdebatten verlieren will, der sollte die Sachebene und die Bewertungsebene trennen und auf der letzteren eher Zurückhaltung üben.
„Auf dieser Ebene ist der Skeptiker zu Hause. […] Wer sich nicht in zirkelhaften Meinungsdebatten verlieren will, der sollte die Sachebene und die Bewertungsebene trennen und auf der letzteren eher Zurückhaltung üben.“
Natürlich sollte man bei einer sachlichen Debatte nicht die vermeintlich moralische Verwerflichkeit einer Sache in den Vordergrund stellen, bevor deren Konsistenz geklärt ist. Zugegeben neigt man schnell zu einer solchen Äußerung und so gesehen wären – den Titel deines Artikels betreffend – meine letzten Worte nicht notwendig gewesen.
Aber ich denke nicht, dass man auf sachlicher Ebene die Regeln der Wissenschaft verwerfen muss, um mit einem Pseudowissenschaftler diskutieren zu können.
Herrn Vahles und mein sachlicher Kritikpunkt zielt genau darauf ab. Ist es nicht die Aufgabe eines Skeptikers kritisch zu hinterfragen, zu prüfen und Zweifel zu säen? Der Zweifel bzw. die These an der Stelle: Homoöpathie besteht aus zwei wirksamen Riten, die nicht untrennbar sind.
Wie ist das möglich, wenn man sich auf die aus wissenschaftlicher Sicht auf die fragwürdige Logik stützt?
Natürlich kann ich mit einem Katholiken oder Homöopathen in dessen Meinungsgebäude über die entsprechenden Wunder sinnieren, aber zirkelhafte Meinungsdebatten (mit dem Ziel des Konsens der vermeintlich unvereinbaren Standpunkte), die du zu vermeiden suchst, sind Resultat von unverrückbarem Dogmatismus, in dem eigene Widersprüche ignoriert oder toleriert werden. Wie kann die Lösung darin liegen, sich der widersprüchlichen Logik zu ergeben und das Spiel des Pseudowissenschaftlers zu spielen statt auf deren wissenschaftliche Regelverstöße zu verweisen?
Ich erkenne eine Analogie zu einem anderen unserer Themen: Die Nachvollziehbarkeit von Extremismus – Du erinnerst dich? Man kann die Vernunft der Anhänger auf sachlicher Ebene nachvollziehen und sogleich das Konstrukt aber auf moralischer ablehnen.
Du hast damals über meine Ausführung über den Dschihadisten geschrieben (ebenso wie ich es nun tue): „Das Nachvollziehen macht doch nichts besser.“ Du fragtest mich außerdem, wie ich mir das in der Praxis vorstelle. Meine Antwort war, dass Nachvollziehen einen Beitrag zur Prävention leisten kann (Ursachenbekämpfung, Bildung, sozioligsches Umfeld etc.), die Untaten aber weder gutheißt noch rechtfertigt. Eine entsprechendes Handeln nach moralischen Maßstäben sind indiziert und kommen letztlich in der Praxis zum Tragen, egal wie nachvollziehbar ein Attentat aus Sicht des Täters auch sein mag.
Wie sich damals herausstellte, lagen wir einem Missverständis im Begriff „Nachvollziehen“ auf. Haben wir nun wieder das Problem? Ich frage daher: Wo ist aus Skeptiker Sicht der kritisch-förderliche Beweggrund, einer Pseudowissenschaft (nach interner Logik zweifelsfrei) Vernunft zu bescheinigen und wie stellst du dir das in der Praxis vor?
Schön, dass wir uns in dem Punkt einig sind: Trennung der Ebenen. Das ist ja auch eine unserer größten kulturellen Errungenschaften. Immanuel Kant hat zu jeder der Ebenen ein eigenes Buch geschrieben: Die „Kritik der reinen Vernunft“ und die „Kritik der praktischen Vernunft“. Ich zitiere aus der Einleitung zum zweiten Werk: „Die Kritik der praktischen Vernunft überhaupt hat also die Obliegenheit, die empirisch bedingte Vernunft von der Anmaßung abzuhalten, ausschließungsweise den Bestimmungsgrund des Willens allein abgeben zu wollen.“
Aber wenn du schreibst, dass ich der Auffassung sei, „dass man auf sachlicher Ebene die Regeln der Wissenschaft verwerfen muss, um mit einem Pseudowissenschaftler diskutieren zu können“, dann irrst du. Ich sage in diesem Weblogbuch immer wieder sehr deutlich, wie hoch ich die wissenschaftliche Arbeitsweise schätze und dass aus diesem Grund die Homöopathie für mich keine ernstzunehmende Denkrichtung ist. Wer sich dazu mit mir anlegen will, kann die Auseinandersetzung gern haben. Ich werde mit ihm dann ganz wissenschaftlich über die Unwissenschaftlichkeit der Homöopathie diskutieren. Und dabei werde ich auch bereitwillig konzedieren, dass in der Unwissenschaftlichkeit der Homöopathie ein gewisser Sinn steckt. Aber ich werde gleichzeitig deutlich machen, dass ich diesem „Sinn“ keinen hohen Stellenwert zumesse. Letzteres ist mein Werturteil, ein Urteil auf der zweiten Ebene also, zu dem ich mich bei direkter Nachfrage berechtigt fühle.
Damit habe ich wohl auch deutlich gemacht, dass für mich die Lösung keineswegs darin liegt, „sich der widersprüchlichen Logik zu ergeben und das Spiel des Pseudowissenschaftlers zu spielen statt auf deren wissenschaftliche Regelverstöße zu verweisen“. Deine abschließende Frage erledigt sich damit wohl auch. Es ist nicht meine Aufgabe, einer „Pseudowissenschaft (nach interner Logik zweifelsfrei) Vernunft“ zu bescheinigen.
Gegen den von dir und Herrn Vahle gemeinsam vertretenen sachlichen Kritikpunkt, dass es die Aufgabe eines Skeptikers sei, kritisch zu hinterfragen, zu prüfen und Zweifel zu säen, habe ich gar nichts. Da sind wir auf derselben Seite. Ich habe hier halt auch einmal die Position der Homöopathie-Skeptiker kritisch hinterfragt. Ich bin tatsächlich der Auffassung, dass deren Strategie wirkungslos bis kontraproduktiv ist. Wer den Gegner nicht ernst nimmt, verliert. Welchen Sinn hat es beispielsweise, bei dem Satz „Wer heilt hat Recht“ immer nur die Augen zu verdrehen?
Themenwechsel.
Was „die Nachvollziehbarkeit von Extremismus“ angeht, liegen die Dinge grundlegend anders. Vom Homöopathen habe ich keine Angriffe zu erwarten, vom Dschihadisten hingegen schon. Hier muss man auf die Ebene der moralischen Bewertung gehen, eben weil der Dschihadist sein mich und meine Mitbürger ins Verderben führendes Handeln damit begründet. Die Nachvollziehbarkeit auf der sachlichen Ebene spielt in diesem Fall eine eher untergeordnete Rolle.
@ Themenwechsel:
Das ist Ansichtssache. Wenn man bedenkt, dass in Einzelfällen Menschen von Homöopathen dazu überredet werden, eine medizinische Therapie über sich ergehen zu lassen und dann an einer Krankheit versterben, dann ist das auch gefährlich. Ab welcher Todesrate oder welchem Täter/Opfer-Verhätlnis ist die Grenze erreicht, ab der die moralische Ebene eine untergeordnete Rolle spielt?
Ich will Homöopathie nicht mit Dschihadisten vergleichen und erstere auch nicht als eine relevante Todesursache darstellen. Ich hatte lediglich eine prinzipielle Analogie erkannt. Du hast damals die Praxisfrage gestellt und ich stelle sie dir jetzt. Dabei ist es egal wie extrem die Beispiele voneinander entfernt liegen.
Back to topic:
Ich plädiere wie du für eine sachliche Diskussion mit dem „Gegner“ auf einer Ebene und nicht von oben herab. Dennoch finde ich nicht, dass das in deinem Artikel oben sonderlich klar wird, vor allem wenn du dich der Logik der Homöopathie bedienst.
Ich erinnere mich, dass das damals schon das Problem bei Herrn Austs Vortrag in Würzburg vorletztes Jahr gewesen ist. Ich war zur anschließenden Diskussion nicht zugegen, aber habe deine Meldung im Anschluss an den Vortrag mitbekommen.
Herr Aust demonstrierte nach wissenschaftlichen Spielregeln, weshalb Homöopathie eher unplausibel erscheint und deine Frage war in etwa, wie es mit der Informationsübertragung des Wassers aussehe; eine undifferenzierte Vorstellung von Information, die physiko-chemisch nicht plausibel erscheint. Wenn ich mich recht erinnere, hattest du es so formuliert, dass es sich nach homöopathischer Logik wie eine kritische Frage an der Vortragenden anhörte.
Ich beobachtete eine Frau/Anhängerin in der ersten Reihe, die sofort wohlwollend nickte, da diese Theorie im Vortrag kaum zur Sprache kam. Sie fühlte sich scheinbar um einen Teil ihres Modells geprellt und deine zu-Wort-Meldung schien für sie wie ein Beweis für das Funktionieren der Homöopathie, da Herr Aust kein Experiment hierfür parat hatte, sondern nur „ausweichend“ fragte, ‚Welche Art von Information?‘
Der Frau war sicherlich klar, dass irgendeine Information wichtig und vorhanden sein muss. Man könnte sie jetzt fragen, was sie sich darunter vorstellt und warum beispielsweise genau die Information „Bienengift“ beim Verreiben einer Honigbiene in das Wasser übergeht. Dass eine selektive Übertragung bei der Zahl an biochemischen Stoffen mit unterschiedlichen physiologischen Eigenschaften unplausibel ist, wäre der Frau sicher egal gewesen, da ihre Erfahrungen Beweis genug sein mögen.
Man kann also auf Ebene der internen Logik eine Diskussion beginnen und auch dort versuchen Zweifel zu säen. Wenn diese aber nicht fruchten, dann sollte man doch mit fundierten Erklärungsmodellen die Plausibilität gemäß wissenschaftlichem Konsens aufzeigen, oder nicht?
Daher nochmal die Frage anhand dieses konkreten Beispiels, bei dem du dich auf sachlicher Ebene auf die Logik der Homöopathie eingelassen hast… wie hättest du mit der Frau diskutiert?
Zur Sache mit Herrn Aust. Er hat die Auffassung vertreten, dass die Homöopathie nicht funktionieren könne, weil sie der Wissenschaft widerspreche. Ich habe darauf hingewiesen, dass er damit wohl die heute allgemein akzeptierte Wissenschaft meine. Er darauf: Nein, ich meine die Wissenschaft. Und genau darum ging es mir bei meinem Diskussionsbeitrag am Ende seines Vortrags: Sein „Beweis“ zieht die „zwingende Kraft“ ausschließlich aus dem Glauben an die „(unwandelbaren) Naturgesetze“. Und einen solchen Glauben halte ich in der Tat für naiv.
Mein Standpunkt ist unter den „Skeptikern“ nicht mehrheitsfähig. Er hat letztlich zu meiner Verbannung aus dem einschlägigen Diskussionsforum geführt. Dass mein Einwand von Homöopathie-Anhängern fälschlich als eine Unterstützung ihrer Position verstanden wird, ist eine Sache. Die andere ist, dass auch manchem „Skeptiker“ der Sinn für eine differenzierte Diskussion ganz offensichtlich abgeht. Ich halte die Diskussion mit den Orthodoxen beider Denkrichtungen für vollkommen fruchtlos.
Zu deiner letzten Frage: Der Frau hätte ich wohl noch einmal deutlich machen müssen, dass mein Argument ausschließlich die Logik der Forschung betraf und weder für noch gegen die Homöopathie ins Feld geführt werden kann.
Gut, das mit Herrn Aust hatte ich nicht mehr in diesem Detail in Erinnerung.
Dass auf dem GWUP-Blog von „unwandelbaren“ Naturgesetzen gesprochen wird, ist nur typisch und wenn Herr Aust unter dieser Annahme seine Aussage getätigt haben sollte, ist der Hinweis natürlich berechtigt.
An der Stelle frage ich mich, welcher „Skeptiker“ bei einem tatsächlichen Paradigmenwechsel an alten Wissenschafts-Vorstellungen weiterhin festhält, weil er sie zuvor als „unwandelbar“ bezeichnete?
Ein Beispiel: Kaum ein Wissenschaftler hat wohl in den 80ern die Existenz des Bakteriums Helicobater pylori nach dessen Entdeckung bezweifelt, auch wenn es vorher als „Dogma“ galt, dass kein Mikroorganismus im sauren Milieu des Magens überleben könne.
Ich bin vorsichtig bei solchen Begrifflichkeiten, die einen vermeintlichen Dogmatismus bei Wissenschaftlern und/oder Skeptikern vermuten lassen. Natürlich ist ein solches „Glaubensbekenntnis“ entweder naiv oder einfach nur undurchdacht, aber im Fall des Falles würden diese sich wohl doch eher als Lippebekenntnisse herausstellen, die schnell im Angesicht der (aktuellen) Realität verworfen werden.
So meine Einschätzung.