Militarismus ist gut für dich!

The easiest way to inject a propaganda idea into most people’s minds is to let it go through the medium of an entertainment picture when they do not realize that they are being propagandized.

Elmer Davis

Seit dem 24.2.2022 vergeht kaum ein Abend, ohne dass uns das deutsche Fernsehen mit Bildern von Panzern in voller Fahrt und feuerspeienden Raketenwerfern bombardiert – alles mit dem Unterton von Effizienz und Wirksamkeit für die Sache der „Guten“. Für mich ist das Gehirnwäsche. In meiner Kindheit in der DDR habe ich gegen so etwas eine Übelkeit entwickelt („Von der Sowjetunion lernen, heißt siegen lernen!“).

Kampfpanzer Leopard 2 A5 bei einer Lehr- und Gefechtsvorführung.

Für das, was hier passiert, hat J. William Fulbright im Kalten Krieg passende Worte gefunden. Damals ging es um ein Abwehrsystem gegen ballistische Raketen (ABM), die Worte scheinen aber zeitlos zu sein, ich übertrage sie auf deutsche aktuelle Verhältnisse (Fulbright, 1970, S.11)1:

Es ist eine Sache, wenn das Militär Regierung und Parlament in Fragen der nationalen Verteidigung berät; das ist ein Teil seiner Aufgabe. Eine ganz andere Sache ist es, eine konzertierte landesweite Propaganda- und PR-Kampagne zu starten, um die Unterstützung der Öffentlichkeit und des Parlaments für ein Programm zu gewinnen, dessen Wirksamkeit und Gültigkeit fraglich ist… Und das alles, um die öffentliche Meinung zu formen und den Eindruck zu erwecken, dass der Militarismus gut für sie ist.

Manch 68er erinnert sich an Senator James William Fulbright (1905-1995) als Namensgeber der Fulbright-Stipendien und Studenten-Austauschprogramme.

Fulbright sieht die Notwendigkeit von Regierungspropaganda, aber er zieht enge Grenzen. Er nennt das, was die Regierung liefern sollte, Information und nicht Propaganda. Und er sieht Grenzüberschreitungen (S.20)2:

Die Macht der Regierenden beruht auf dem Volk, das wissen muss, was die Regierenden tun, was sie zu tun gedenken und mit welchen Problemen sie konfrontiert sind. […] Um dieses Bedürfnis der Öffentlichkeit und der Exekutive zu befriedigen, haben die aufeinanderfolgenden Verwaltungen einen Public-Relations-Apparat aufgebaut, der inzwischen ein atemberaubendes Ausmaß angenommen hat.

Bereits in der Frühzeit des Films wurde dieses Medium für Militärpropaganda genutzt. Daniel Dancis (2018) berichtet von einem Meilenstein der Filmgeschichte, einem gewaltigen Werk aus der Zeit des Stummfilms3:

1915 erhielt der Filmpionier D.W. Griffith technische Beratung und alte Artilleriegeschütze von der US-Militärakademie für die Dreharbeiten zu The Birth of a Nation, dem ersten abendfüllenden Film mit einer Länge von 186 Minuten. Es war der erste Blockbuster, der lange Schlangen vor den Kinokassen auslöste. Der Film löste auch Kontroversen aus. Basierend auf dem Buch The Clansman von Thomas Dixon Jr. stellt The Birth of a Nation den Ku-Klux-Klan als Helden des Südens während des Bürgerkriegs und des Wiederaufbaus dar, was viele dazu veranlasste, den Film zu boykottieren und gegen seine Veröffentlichung in den Kinos zu protestieren. Neun Jahre später, für die Dreharbeiten zu America im Jahr 1924, wandte sich Griffith erneut an das Militär und erhielt mit Genehmigung des Kriegsministers John Weeks die Leihgabe von mehr als tausend Kavalleristen, um eine Schlachtszene aus dem Revolutionskrieg nachzustellen.

Ein aktuelleres Beispiel für Pentagon-Propaganda ist der Film Top Gun mit Tom Cruise aus dem Jahre 1986 (Wikipedia, 6.10.2024):

Die US-Marine profitierte stark von ihrer Unterstützung des Films: Neben einer Aufpolierung des Images konnte man nach dem Kinostart die meisten neuen Rekruten seit Jahren verzeichnen. Dabei waren Rekrutierungskabinen behilflich, die extra in zahlreichen Kinos in den Staaten aufgebaut wurden, weil man so Zuschauer, die noch vom Film aufgeregt waren, direkt nach der Sichtung fürs Militär gewinnen konnte.

Alford und Secker beschreiben in ihrem Buch National Security Cinema (2017), welche Unterstützung die amerikanischen Filmschaffenden im Laufe eines Jahrhunderts vom US-Militär erhalten haben: Leute, Ratschläge, Drehorte, Ausrüstung für die Filme Avatar, Der Krieg des Charlie Wilson, Contact, die Filme des Marvel Universums, Jagd auf Roter Oktober, Terminator und viele andere. Auch Alford und Secker kommen an dem Film The Birth of a Nation nicht vorbei4:

Eines der frühesten Beispiele für die Zusammenarbeit zwischen Hollywood und dem Militär war die Bereitstellung von Tanks [?] durch die Home Guard für den berüchtigten Spielfilm Birth of a Nation (1915), in dem sich schwarze Sklaven gegen ihre Herren auflehnen, bevor der Ku-Klux-Klan zu Pferd einreitet, um die Lage zu retten. Es handelte sich dabei um schwere Ethnie-Hasspropaganda, die von der Regierung unterstützt wurde.

(Sollten mit „Tanks“ Panzer gemeint sein, so kommen diese aus guten Gründen im Film nicht vor.)

Gerade eben erreicht mich eine Meldung von LobbyControl (Eschmann, Newsletter vom 8. Oktober 2024):

Weil Europa mehr für Sicherheit und Aufrüstung machen will, ist der Rüstungslobby ein Coup gelungen: Investitionen in Rüstung sollen als „nachhaltige“ Geldanlagen anerkannt werden – wegen ihres angeblichen Beitrages zum Frieden.

Quellen

Fulbright, J William: The Pentagon Propaganda Machine. 1970

Alford, Matthew; Secker, Tom: National Security Cinema. The Shocking New Evidence of Government Control in Hollywood. 2017

[Das Buch enthält einige Ungenauigkeiten. Also Vorsicht.]

Dancis, Daniel: With the Pentagon’s Blessing: Hollywood, the Military, and Don Baruch, 2018

DER SPIEGEL 11/1969: So idiotisch

Eschmann, Aurel: Lobbyismus in der EU, Einfluss der Waffenlobby: EU-Kommission will Rüstungsanlagen als nachhaltig erklären. 2024

Im Original

1It is one thing for the military to advise the Executive and the Congress on matters involving national defense. That is part of its job. It is quite another to mount a concerted nation-wide propaganda and public relations campaign seeking public and congressional support for a program of arguable effectiveness and validity…, all designed to shape public opinion and build an impression that militarism is good for you.
2The power of our leaders stems from the people, who must know what their leaders are doing, what they intend to do, and what problems they face. […] To fill this public and executive need successiveAdministrations have built a public relations apparatus that is now of staggering size.

3In 1915, D.W. Griffith, the pioneering filmmaker, received technical advice and vintage artillery pieces from the U.S. Military Academy for the making of The Birth of a Nation, the first feature-length film at 186 minutes and the first blockbuster, attracting long lines of movie goers. The film stirred up controversy as well. Based on Thomas Dixon Jr’s book The Clansman, The Birth of a Nation portrays the Ku Klux Klan as the heroes of the South during the Civil War and Reconstruction, leading many to boycott and protest its release in theaters. Nine years later, for the filming of America in 1924, Griffith turned to the military again, and with approval from Secretary of War John Weeks received the loan of more than one thousand cavalrymen to recreate a revolutionary war battle scene.

4One of the earliest examples of Hollywood-military cooperation was when the Home Guard provided tanks for the infamous feature film Birth of a Nation (1915), in which black slaves revolt against their masters, before the Ku Klux Klan ride in on horseback to save the day. This was severe race hate propaganda, which came with government backing.

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8 Antworten zu Militarismus ist gut für dich!

  1. Timm Grams sagt:

    Im Jahr 1865 gab es keine Panzer (Tanks) und solche kommen in dem Film The Birth of a Nation von 1915 auch nicht vor. Meine Frage, wozu man Tanks für einen Film über den amerikanischen Bürgerkrieg braucht, wurde von einem Autor des Buchs National Security Cinema beantwortet. Matthew Alford schrieb:

    I suspect we were quoting from Lawrence Suid’s book. Not sure how an error could have crept in.

    Ich berichte dies, weil es erstens ein Zeichen von Ernsthaftigkeit ist und zweitens zu Vorsicht beim Zitieren gemahnt.

  2. KinseherRichard sagt:

    Ein aktueller Beitrag:
    https://www.spektrum.de/news/treibhausgasemissionen-fluessiggas-schaedlicher-als-kohle/2236749
    In Kurzform: Durch die Verwendung von Flüssiggas entstehen 1/3 mehr Treibhausgasemissionen als wenn man Kohle zur Energieerzeugung verwenden würde.

    Wenn man mit dem KI-Programm https://www.perplexity.ai frägt, ´Welche Auswirkungen hat es, wenn man enorme Geldmengen für Kriege und Rüstung ausgibt statt das Geld für Maßnahmen gegen die Klimaveränderung zu verwenden´
    dann kommt keine Antwort, welche einem vernünftigen Menschen gefallen könnte

    Um es ganz einfach zu sagen: Der Ukraine-Krieg und die damit verbundenen Anstrengungen, Deutschland und andere Länder ´kriegstauglich´ zu machen, haben bereits heute massive negative Auswirkungen auf das Klima.
    Wer meint, mit Rüstung und Kriegen eine zukunftsfähige Welt schaffen zu können – ist auf dem Holzweg.
    Es ist schlimm, dass man sich nicht mehr ernsthaft darüber Gedanken macht, welche Auswirkungen Rüstung/Kriege auf die Umwelt haben werden und wie man Konflikte beenden kann.

  3. KinseherRichard sagt:

    @Grams
    Danke für den Link

    Leider ist es aktuell so, dass Politiker und Medien nur eine Idee kennen: mehr Rüstung

    Mit dieser einfachen Sichtweise/Propaganda vermeidet man, sich mit den schlimmen Folgen von Rüstung/Kriegen auseinander zu setzen.
    Bisher gibt es keine ernsthaften Überlegungen, wie man die aktuellen kriegerischen Konflikte so beenden kann, dass ein stabiler Friedenszustand hergestellt werden kann – und welche das Weltklima nicht negativ verändern.

    Es sei in diesem Zusammenhang nur daran erinnert, dass es die gleiche Wetterlage war, die im Süden Deutschland schwerste Überschwemmungen verursacht hat – und welche dieses Jahr zu den katastophalen Überschwemmungen in Rumänien, Österreich, Ungarn, Tschechien und Polen geführt hat.
    Wir hatten diesmal nur zufällig Glück, weil ein Hochdruckgebiet diese feuchten Luftmassen von Deutschland abgelenkt hat.
    Statt Deutschland ´kriegstauglich´ zu machen – sollte man dafür sorgen, dass wir hochwassersicher werden. Denn man kann sich nicht darauf verlassen, dass man immer Glück hat.

  4. Mussi sagt:

    @ Kinseher

    Seit Dekaden ist die Vernichtung des Gegners zur Erreichung eine homogenen Zustandes von Gesellschaften Absicht.
    Warum gelingt das nur nicht?

  5. KinseherRichard sagt:

    @Mussi

    Die Vernichtung von Gegnern erzeugt viele Opfer und bewirkt damit neuen Hass zwischen Menschen und Völkern.

    Die Idee, dass man Menschen umbringen muss, um Probleme zu lösen ist falsch.
    Aus diesem Grund erzeugt militaristisches Denken auch nur eine Spirale von Spaltung, Hass, Gewalt und Zerstörung.

    Hinzu kommt, dass wir jetzt das Problem der Klimaveränderung haben – mit der die Lebensbedingungen vieler Generationen von Menschen in der Zukunft stark beeinflusst wird. D.h. wir bräuchten dringend eine friedliche Kooperation zwischen den Menschen/Völkerung um diese negative Umwelt-Entwicklung zu minimieren oder gar zu stoppen.

  6. Mussi sagt:

    @ Kinseher

    Das Kriege sowohl ökologisch als auch für das Erdsystem, neben anderen Ursachen, fatal sind, ist unkritisch.

    Woraus ich hinaus wollte ist auf ‚Konflikt‘.
    Wie entsteht er und wie löst man ihn?
    Nicht umsonst gibt es ein Völkerrecht und haben sich Demokratien entwickelt, die,zumindest aus meiner Sicht, Methoden entwickelt haben, bei denen es zu geregelten Konfliktlösungen kommt und Willkür nicht ausufern lässt.

  7. KinseherRichard sagt:

    @Mussi
    Das Beispiel Ukraine zeigt leider, wie man das Völkerrecht missbrauchen kann
    Die Ostblock-Staaten haben das Recht, der NATO beizutreten – aber Russland hat nicht das Recht, sich durch die NATO-Osterweiterung bedroht zu fühlen.

    Mit diesem einseitigen Rechtsverständnis geht man mit Russland so um, wie man es im Kolonial-Zeitalter mit vielen Völkern auch gemacht hat – denen man Rechte abgesprochen hat, welche man für sich selbst aber beanspruchte.
    Wenn Recht aber nur für eine Seite gilt, dann ist dies eine Konfliktursache – welche zum Angriff Russlands geführt hat
    Wenn man den Ukraine-Krieg beenden will – muss man die Interessen Russlands gleichwertig behandeln. Oder mit anderen Worten: der Ukraine-Krieg wäre vermeidbar gewesen.

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