Die negative Methode

Infolge des letzten Hoppla!-Artikels entspannen sich auch privat ganz heftige Diskussionen. Sie gipfelten in zwei Vorwürfen, die an mich gerichtet wurden:

  1. Du kritisierst nur herum; selten bist du konstruktiv und sagst mal etwas Positives.
  2. Du hast immer recht.

Der erste Vorwurf ist ernst gemeint, der zweite ironisch.

Sogar in der Skeptikerbewegung gibt es Leute, die das Positive vermissen. In dem Artikel Skeptiker trifft auf Skeptikerbewegung drücke ich das so aus: „Das gegenüber den Pseudowissenschaften gepflegte negative Denken und das doch sehr eingegrenzte Tätigkeitsfeld werden als unbefriedigend empfunden. Für das eigene Wohlbefinden muss etwas Positives her. Fortschrittsapologeten wie Michael Shermer, Steven Pinker und Hans Rosling finden in der Skeptikerbewegung viel Beifall. Da man dem Erkenntnisfortschritt verpflichtet ist und da diese Leute die Gesellschaft auf einem guten Weg sehen, der dem wissenschaftlich-technischen Fortschritt geschuldet sei, übernimmt man gern deren Sichtweise“.

Ich wende mich nicht gegen die zwei Vorwürfe: 1. Neigung zu Kritik und 2. gelegentliche Rechthaberei. Denn es stimmt ja: Vorzugsweise verwende ich die negative Methode und liege damit oft richtig. Das will ich erklären.

Grundsätzlich ist es kaum möglich, eine generalisierende Aussage vollumfänglich zu beweisen. Dagegen ist die Widerlegung einer solchen Aussage, falls überhaupt möglich, leicht einzusehen. Diese Asymmetrie von Behauptung und Kritik macht man sich in der Wissenschaft zunutze. Die kritische Methode ist der Kern des kritischen Rationalismus, wie wir ihn von Karl Raimund Popper kennen.

Der positiv Denkende formuliert weitreichende allgemeine Geltungsansprüche, zum Beispiel: Die USA sind Garant der Menschenrechte. Er kann noch so viele Belege für diese Aussage sammeln und sich sogar auf die amerikanische Verfassung berufen, er wird sie nie befriedigend bestätigen können. Dagegen genügt schon der Hinweis auf die Exekution Osama bin Ladens, um sie in sich zusammenfallen zu lassen. Der Kritiker muss noch nicht mal die vielen anderen falsifizierenden Vorkommnisse zitieren: den Drohnenkrieg des Barack Obama, das Gefangenenlager von Guantanamo, den Angriffskrieg gegen den Irak, die Watergate-Affäre, die Iran-Contra-Affäre und was sonst noch.

Der Skeptiker hat mit seiner negativen Methode leichtes Spiel und erreicht damit sogar ein positives Ergebnis: Anstatt zu Tagesereignissen seine politische Meinung kund zu tun, bevorzugt er es, die kursierenden Meinungen zu demontieren. Er behauptet also keine Wahrheiten, sondern er stellt sie infrage. Er sortiert aus und hofft, dass schließlich die plausibelste Meinung übrig bleibt. Und das ist dann doch etwas Positives.

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6 Antworten zu Die negative Methode

  1. Realo sagt:

    Zitat: „Die USA sind Garant der Menschenrechte. Er kann noch so viele Belege für diese Aussage sammeln und sich sogar auf die amerikanische Verfassung berufen, er wird sie nie befriedigend bestätigen können. Dagegen genügt schon der Hinweis auf die Exekution Osama bin Ladens, um sie in sich zusammenfallen zu lassen.“

    Genau so ist es. Es dürfte auch der Grund für Bin Laden gewesen sein, den Amerikanern „auf den Zahn zu fühlen“, einerseits die Überlegenheit des Islam zu begründen und die „Verlogenheit“, die „inneren Widersprüche“ des „Ami Systems“ offen zu legen, zu beweisen.

    Kann man aber letztlich kaum so sehen. Amerika hat (mit seiner „Fiktion“ von den „Menschenrechten“) das vermutlich erfolgreichste Wirtschaftssystem der Welt etabliert.

    Wurde sogar teilweise von den chinesischen Kommunisten sehr erfolgreich „nachgeahmt“ und China in sehr kurzer Zeit zu Wohlstand geführt.

    Fraglich ist höchstens die „Umweltfrage“, oder eine gewisse „Entartung“, z.B. der „Wegelagerer Kapitalismus“, dem wir die Ukrainekrise „verdanken“.

    Bin Laden hat Amerika schwer gedemütigt und Amerika hätte kaum reagieren können. Die Verbrecher waren alle tot, konnten nicht mehr zur Verantwortung gezogen werden. Sie kamen direkt aus Deutschland und Bin Laden war Saudi, es gab kaum eine Möglichkeit für Sanktionen.

    Blieb ihnen (nach „nine eleven“) nur die Möglichkeit, die angesichts des Elends der betroffenen Amerikaner vor Freude „ausgeflippten“ Moslems auf „brutale Art“, „Menschenrechte“ hin oder her, zur „Verantwortung“ zu ziehen. Sie haben sich einfach einen passenden Staat (Irak) für ihre „Rache herausgepickt“.

  2. Solar sagt:

    https://www.zdf.de/dokumentation/zdfinfo-doku/tycoons-die-macht-der-milliardaere-100.html

    und

    Buchempfehlung:

    Goline Atai: Die wahrheit ist der Feind

    on top heute ein Gespräch mit einem Kollegen gehabt Ungar der bis 13 noch in Ungarn unter russischer Herrschaft gelebt hat, oton „ich fühle mich wohler unter Bidens Herrschafft als unter Russlands“, er ist gut ausgebildet elektromeister und hat verwandete in ungarn und der westukraine….

    manche machen sich das zu einfach mit russland und putin und usa und Biden, er hat mir mal die Unterschiede der Menschen im Osten vs Deutschland erklärt…..

    er hatte auch nicht nur gute worte über die flüchtlinge aus der ostukraine…

    Weiterhin denke ich diese politspielchen ganz oben lenken vom ganzen rest ab, den mann nicht sieht, wieviel Bücher der 700 bundestagsabgeordneten habt ihr gelesen?
    Ich nur die Bücher von Dr. Scheer……

    Warum meinen wir immer wir wüssten?
    Illusion des Wissens Dr. Moder:
    https://youtu.be/Uzho8WEBETE

    ich merke immer mehr wieviel ich noch nicht weiss 🤣🤣🤣🤣

  3. Energie in Bürgerhand sagt:

    Ach und noch ein Schmankerl unser ÖRR, über unsere Energieoligarchen🤣🤣🤣

    Mir wird langsam immer klarer wovon und das Geschwurbel von Zb Prof (UN) Sinn ablenken soll oder Feiedrich Merzens geschwaffel
    von Atomkraft

    Darf ich bitten :

    Die Anstalt

    https://www.zdf.de/comedy/die-anstalt/die-anstalt-vom-4-oktober-2022-100.html

    [Moderator: Kommentare, die derartig weit ab vom Thema liegen, werde ich zukünftig nicht mehr freischalten.]

  4. solar sagt:

    Das war eher eine Aufforderung in ihr Engagement Richtung Lobbycontrol!

    [tg: Einverstanden. Aber verschieben wir das auf die passenden Gelegenheiten, bitte.]

  5. Frank Wohlgemuth sagt:

    Nachdem ich mir diesen Artikel wegen des Verweises in Lobbyismus und Propaganda noch einmal durchgelesen habe, weiß ich besser, was mir daran nicht gefällt: Hier werden wissenschaftliche Vorgehensweisen für das „normale Leben“ empfohlen, oder im es mit einem Satz zu sagen, mit dem mein älterer Sohn regelmäßig die Allgemeinplätze in Diskussionen persifliert: Wir leben in einer Gesellschaft.

    Die USA sind Garant der Menschenrechte. Er kann noch so viele Belege für diese Aussage sammeln und sich sogar auf die amerikanische Verfassung berufen, er wird sie nie befriedigend bestätigen können. Dagegen genügt schon der Hinweis auf die Exekution Osama bin Ladens, um sie in sich zusammenfallen zu lassen.

    Ohne mir jetzt einzubilden, ich könne das gesamte Verhalten der USA auch nur nach meinen eigenen Maßstäben abschließend bewerten, bin ich doch dafür, auch bei moralischen Bewertungen soetwas einzuführen, wie es als Rechtsgüterabwägung in der Rechtsprechung existiert. Wir haben im realen Leben keine klares gut und klares böse, sondern leben immer mit Entscheidungen und Handlungen, die Nebeneffekte auf den unterschiedlichsten Ebenen haben. Bei all dem Mist, den die USA veranstaltet haben, ist die Exekution bin Ladens einer der kleinsten Flecke auf dieser besprenkelten Weste und mit Sicherheit nicht geeignet irgendein Urteil über die USA wesentlich zu begründen; stellen Sie das mal z.B. gegen die Bombardierung Mariupols …..

    Und in dieser Hinsicht ist das „Cui bono?“, das Sie, mit der nachträglichen Relativierung, es nicht als Beweis sondern nur als Punkt der Aufmerksamkeit verstanden haben zu wollen, etwas, was ich auch als Punkt der Aufmerksamkeit für das eigene Handeln empfehlen möchte.

    Im Gegensatz zur Diskussion um die „Wahrheit“ in der Wissenschaft geht es bei der Diskussion um die „Wahrheit“ in der Gesellschaft nicht nur um eine abstrakte Position, sondern immer auch um Signale, die man an andere Gruppen sendet, bzw. um Signale anderer Gruppen, die man verstärkt oder dämpft.

    Aus dieser Sicht ist dann die „Demonstration für den Frieden“ in der Art, wie sie von Wagenknecht und Schwarzer organisiert wurde, eine Aktion ganz im Sinne Putins. Ich empfinde es als bedauerlich, dass in den öffentlich-rechtlichen Medien erst ein Lanz darauf aufmerksam macht, dass die Ukraine bei dieser Demo nicht vorkam. Genau das macht diese Demo zu einer der russischen Sicht und für die russische Sicht.

    Das darf dann nicht zur Schere im Kopf, zur Selbstzensur verkommen. Man sollte aber, anstatt die Schere im Kopf zu benutzen, mehr an die Lautstärkeregelung und die Hintergrundmusik denken.

    So sehr ich die negative Methode in der Wissenschaft schätze, so sehr ist sie bei gesellschaftlichen Fragen geeignet, selbst die fruchtbarsten Kompromisse als Abfall vom wahren Glauben zu charakterisieren. Und der besteht in der Suche nach der reinen Wahrheit und bis zu deren Entdeckung in der Enthaltung von Positionen.

    Aber Zweifel allein bringt uns nicht weiter. Wir brauchen auch den Mut zu der Haltung bzw. Handlung, die wir als die weniger falsche beurteilen.

    • Timm Grams sagt:

      Wie kommen Sie darauf, dass es mir darum gehe, „irgendein Urteil über die USA wesentlich zu begründen“? Ich habe anhand hypothetische Aussagen die negative Methode erläutert, nichts weiter. Nach diesem Geplänkel machen Sie das große Fass auf:

      So sehr ich die negative Methode in der Wissenschaft schätze, so sehr ist sie bei gesellschaftlichen Fragen geeignet, selbst die fruchtbarsten Kompromisse als Abfall vom wahren Glauben zu charakterisieren.

      Wenn Sie mit dem „wahren Glauben“ kommen, dann sind Sie nun einmal leichtes Opfer der negativen Methode. Wenn ich die negative Methode auf „gesellschaftliche Fragen“ anwende, dann bewege ich mich auf den Spuren von Karl Raimund Popper. Seine stückweise Sozialtechnik ist der Natur abgeschaut: Trial and Error, Versuch und Fehlerbeseitigung. Die Fehlerbeseitigung ist Angelegenheit der negativen Methode. Und da ist sie, diese Asymmetrie: Beweisen ist schwer, Widerlegen leicht. Wenn sie schreiben, dass der Abfall vom wahren Glauben „in der Suche nach der reinen Wahrheit und bis zu deren Entdeckung in der Enthaltung von Positionen“ bestehe, dann übersehen sie genau diese Asymmetrie.

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