Rassismus und Gendersprech

Denkfallen aufspüren, das ist mein Ding. Besonders aufregend finde ich Paradoxien. Schön, wenn sie mir selbst auffallen und ich nicht durch andere draufgestupst werden muss.

Es ist paradox: Der Antirassismus fördert den Rassismus.

Erstes Erlebnis:
Heute beim türkischen Italiener mit dem vielleicht besten Eis der Stadt. Ein dunkelhäutiges Paar mit zwei sehr lauten Kindern kauft Eis für die Straße und nimmt Platz. Ich will einen von einem Freund empfohlenen Vortrag mit dem Handy hören, über Kopfhörer. Es ist unmöglich, wegen der lärmenden Kinder. Die Wirtin wird ungedudig. Jede weiße Familie wäre längst rausgeflogen. Schließlich wagt sie es doch, darauf hinzuweisen, dass die Sitzgelegenheiten für Gäste sind, die bedient werden wollen. Der Dunkelhäutige begehrt auf. Abgesehen davon, dass es nicht meine Aufgabe ist, hätte ein Einschreiten meinerseits locker als Rassismus durchgehen können. So wird der Kampf gegen den Rassismus zu Rassismus.

Zweites Erlebnis:
Im Blog Menschenbilder von Stefan Schleim werde ich als Rassist beschimpft, nur weil ich den Buddhismus im Zusammenhang mit dem Thema Das fünfte Welträtsel: Bewusstsein nicht erwähnt habe. Das ist eine für den Rassismus typische Stereotypisierung.

Herr Prof Grams macht mit seiner Esoterik-/Querdenker-Zielsetzung nicht nur das wissenschaftliche Denken lächerlich. Man muss ihm zusätzlich auch noch kulturellen ´Rassismus´ vorwerfen (mir fällt kein besserer Begriff ein). […] Weil Herr Prof. Grams mit keinem einzigen Wort auf diese gut bekannte Sichtweise des Buddhismus eingeht – wird das kulturelle Wissen der Buddhisten vorsätzlich ignoriert. Denn es sollte sich mittlerweile sogar bis Fulda herumgesprochen haben, dass es die buddhistische Philosophie gibt – und was da gelehrt wird.

Drittes Erlebnis:
Eine neue Form des Rassismus kommt gerade aus jener Ecke, in der man den Rassismus klassischer Prägung vehement ablehnt. Gendern ist dort angesagt. Nehmen wir als Beispiel die Doppelnennungen wie Besucher und Besucherinnen. Sie rücken das biologische Geschlecht in den Vordergrund. Der Nebeneffekt ist Ausgrenzung. Ein Freund schreibt mir:

Binär und non-binär existieren wohl annäherungsweise in einem Verhältnis von 90 zu 10. In der Ethnologie eigentlich längst bekannt. Transmenschen als Angehörige der Gruppe der: Hijra u.a. Drittes Geschlecht in Indien seit 2014 anerkannt. Was ist daran so schwer, dies auch in der Sprache zu respektieren?

Beim eigentlich verpönten generischen Maskulinum (Besucher) und beim geschlechterübergreifenden Femininum (Koryphäe) spielt das biologische Geschlecht keine Rolle. Wer beim generischen Maskulinum und beim geschlechterübergreifenden Femininum bleibt, der hat diese Probleme der Ausgrenzung nicht.

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4 Antworten zu Rassismus und Gendersprech

  1. Eike sagt:

    Ich nehme zum ersten Beispiel Bezug weil mir hier etwas auffällt, was die gesamte Debatte leider immer wieder prägt.

    Zwei Mutmaßungen müssen als „Beweis“ herhalten:

    1. „Jede weiße Familie wäre längst rausgeflogen“.

    Womöglich ist der Geduld des Wirtes gegenüber Kindern generell hoch, ein Gegenbeweis gibt es nicht

    2.“Abgesehen davon, dass es nicht meine Aufgabe ist, hätte ein Einschreiten meinerseits locker als Rassismus durchgehen können. So wird der Kampf gegen den Rassismus zu Rassismus.“

    Ein Einschreiten ist offenbar nicht geschehen und somit kann keine Aussage getroffen werden, ob es als rassistisch ausgelegt werden würde.

    Eigentlich ist nichts passiert. Die angebliche Stimmungsmache gegend den weißen Mann fand erst einmal nur in der Theorie statt.

  2. Timm Grams sagt:

    @Eike

    Darum geht’s nicht. Das Rassismusthema hat bislang in meinem Leben keine Rolle gespielt, und ich hatte jahrzehntelang mit Leuten anderer Hautfarbe zu tun: Kollegen, Studenten, Ärzten. Und allen, denen ich begegnet bin, war die Hautfarbe egal. Im Zuge der identitären Bewegung werden Unterschiede thematisiert und hochgespielt. Und schon ist der Rassismus wieder in den Köpfen. Die „Stimmungsmache gegend den weißen Mann“ findet nicht im wirklichen Leben, sondern an den Universitäten statt. Soweit ich von den dort beheimateten Critical Studies und der Wokeness weiß, wird die kritische Gesellschaftsanalyse überdeckt durch Moralisierung.

    Ich rede von Deutschland heute, nicht von den USA oder von Frankreich.

  3. Realo sagt:

    @ Timm Grams

    Zitat: „Im Zuge der identitären Bewegung werden Unterschiede thematisiert und hochgespielt. Und schon ist der Rassismus wieder in den Köpfen.“

    Genau so ist es.

    Aber es dürfte ein Gruppen Psychologisches, grundsätzliches Problem sein, vermutlich sogar in der Tierwelt. Diese Aspekte werden kaum diskutiert.

    Wenn es keine z.B. rassistischen Unterschiede gibt, werden andere Unterschiede gesucht und auch gefunden. Man „findet“ immer einen „Grund“ für Konflikte. Es ist Psychologie.

    Vor vielen Jahren hatte ich beruflich mit dem Bürgermeister eines kleineren Ortes mit rund 3000 Einwohnern zu tun, der gleichzeitig Schuldirektor war. Der „klagte“ mir sozusagen „sein Leid“.

    Rund 20% der Einwohner lebten in einem „Tal“, 60% auf einer Hochebene, 20% auf einem „Berg“ mit einer kleinen Wallfahrtskirche.

    Da es sonst keine wesentlichen Unterschiede im Ort gab, wurde einfach der völlig skurrile Unterschied, dass die Menschen im Tal „dem Teufel näher“ waren und die am Berg eben „Gott näher waren“, zum unausgesprochenen Thema des latenten Konfliktes, der hauptsächlich in der Schule ausgetragen wurde. Details über die „Pausenkämpfe“ am Schulhof erspare ich mir.

    Der Konflikt lag „in der Luft“ und der Schuldirektor konnte kaum etwas gegen diese Dummheit unternehmen. Natürlich gibt es auch andere (Konflikt „beladene“) Merkmale, „rote Haare“, „große Ohren“, „krumme Beine“,…

    Das 2. Beispiel ist noch skurriler. In einer winzigen Ortschaft aus einigen Bauernhöfen brach ein Brand aus und die Tiere wurden aus dem brennenden Stall getrieben. Ich war mit einem Kollegen zufällig in der Nähe und habe die Feuerwehr gerufen.

    2 Eber aus verschiedenen Zuchtgruppen sind sofort wütend übereinander hergefallen. Ein alter Bauer drückte mir eine große „Schwinge“ (eine Art größer flacher Korb) in die Hand und bat mich, damit die wütenden Eber auseinander zu halten, die sich sonst gegenseitig umbringen würden. Die Zuchtgruppen wurden danach bei Nachbarn getrennt untergebracht.

    Es sind offensichtlich grundlegende psychische Mechanismen die zu derartigen Konflikten führen. Das könnten in letzterem Fall Tierpsychologen begründen.

    Bei Menschen könnte es vielleicht helfen, die psychologischen Ursachen der „irgendwie verrückten“ Konflikte zu erklären und psychologisch aufzuarbeiten.

    „Wokeness und „Stimmungsmache gegen den weißen (alten) Mann“ reichen nicht wirklich. Sie „heizen“ nur immer neue Konflikte an, in unserer (wieder einmal) immer mehr zu „Konflikten bereiten Welt“.

  4. Kinseher Richard sagt:

    @Grams zum zweiten Erlebnis eine Anmerkung

    Wenn ich mich richtig erinnere, dann stammt die Anmerkung auf ´kulturellen ´Rassismus´´von mir.

    Mit diesem Hinweis habe ich Sie nicht als Rassist bezeichnet –

    – denn das Wort ´Rassismus´ habe ich in Anführungszeichen (´ ´ ) gesetzt, um zu verdeutlichen, dass dieser Begriff nicht als Anschuldigung gemeint ist

    – denn mit dieser Anmerkung habe ich mich über Sie und Ihre Diskussionsart lustig gemacht – es ist schade das Sie dies nicht verstanden haben:
    Die buddhistische Philosophie gibt es seit 2500 Jahren und Wissen über deren Inhalte sollte auch bei uns zur Allgemeinbildung gehören. Bei Ihren Diskussionsbeiträgen war leider nicht erkennbar, dass Sie bereit waren, dieses Wissen zu berücksichtigen. Es schmälert die Qualität von Diskussionen doch sehr erheblich, wenn ausgerechnet sehr wichtige Informationen nicht zur Kenntnis genommen bzw. einfach ignoriert werden.

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