Das Spannungsfeld
Die heutige Skeptikerbewegung wird getragen von der Überzeugung, dass es nur eine Wahrheit gibt und dass uns die Wissenschaft dazu verhilft, dieser Wahrheit möglichst nahe zu kommen. Dieser Anspruch ist universell. Er umfasst auch das Gebiet der Moral und die Frage, was das Bewusstsein eigentlich ausmacht. Die übliche Trennung von Sein und Sollen und auch das fünfte Welträtsel Bewusstsein werden negiert oder zumindest ausweichend behandelt. Das ist das Wesen des Szientismus.
Bei meinem Eintritt in die GWUP im Jahr 2006 war ich noch ziemlich szientistisch eingestellt. Die Skeptikerbewegung hat mir – unfreiwilligerweise – dabei geholfen, diese Einstellung zu überwinden, einfach indem sie mir das Extrem dieser Denkweise vor Augen geführt hat.
Die Schwierigkeiten rühren daher, dass das Tätigkeitsfeld der Skeptikerbewegung, die Parawissenschaften, zu eng und dabei zu unscharf abgesteckt ist. Wer will sich schon jahrein, jahraus über Homöopathie und Astrologie ereifern? Und weshalb sollte man die Religionen den Parawissenschaften zuordnen?
Bei meinem Austritt nach 15 Jahren Mitgliedschaft drückte ich im Aufsatz Skeptiker trifft auf Skeptikerbewegung die Erwartung aus, der GWUP würde es im Laufe der Zeit gelingen, die enge szientistische Denkweise hinter sich zu lassen. Die von mir erhoffte Reformierbarkeit wurde von Edgar Wunder, einem frühen Dissidenten, „aus den im ‚Skeptiker‘-Syndrom dargelegten strukturellen Gründen dezidiert verneint“.
(Die Aufsätze Skeptiker trifft auf Skeptikerbewegung und Das Skeptiker-Syndrom sind in der Aufsatzsammlung Wissenschaft, Glaube, Wissenschaftsglaube zu finden.)
Es knirscht im Gebälk
Auf der letzten Mitgliederversammlung des Vereins hat sich eine interessante Entwicklung ergeben, die die Hoffnung auf einen Wandel wieder aufkeimen lässt. In die Skeptikerbewegung kommt tatsächlich Bewegung.
Ein Streit hat sich an der Frage entzündet, wie mit der Zeitgeistströmung, Identitätspolitik genannt, umzugehen sei.
Florian Schwarz beleuchtet die Szenerie unter der Überschrift Wokeness ist letztlich eine anti-wissenschaftliche Weltanschauung: Identitätspolitik unterteile die Menschheit anhand von bestimmten Merkmalen in Gruppen und betone deren Unterschiede und ihre dadurch angeblich definierten besonderen Identitäten. Er schreibt:
Wokeness geht von folgenden Prämissen aus: Wissen ist nicht das, was wir an Erkenntnissen über die Realität sammeln, indem wir unsere Ideen, Vorstellungen, Hypothesen an ihr testen und dann korrigieren und anpassen. Wissen ist vielmehr ein soziales Konstrukt. Gruppen, die sich durch verschiedene Eigenschaften auszeichnen – etwa die ethnische Herkunft, die Kultur, das Geschlecht, die sexuelle Orientierung oder Identität – machen ihre eigenen Erfahrungen und verfügen deshalb über ein eigenes spezifisches Wissen. Da andere Gruppen nicht dieselben „gelebten Erfahrungen“ machen, können sie dieses Wissen nicht infrage stellen. Jede Gruppe kann also für sich ihre eigene Wahrheit beanspruchen, die akzeptiert werden muss. Selbst wenn sich das Wissen der Gruppen widerspricht. Zu entscheiden, dass eine Gruppe mit ihren Erfahrungen der Realität näher kommt als eine andere Gruppe, ist für Woke anmaßend und diskriminierend. Vor diesem Hintergrund hat etwa Neuseeland beschlossen, an Schulen das traditionelle, teils esoterisch-religiöse „Wissen“ der Maori zu lehren – als andere, aber gleichberechtigte Form des Wissens neben den naturwissenschaftlichen Fächern, die ja nur das „westliche“ Verständnis von Wissenschaft berücksichtigen.
Identitätspolitik und Szientismus stehen natürlich in einem fundamentalen Widerspruch zueinander. In einer Abwehrschrift seitens der „Skeptiker“ ist auch nicht von Identitätspolitik die Rede, sondern von Identitätsideologie (skeptiker 1/2021, S. 18-24). Aber es gibt offenbar eine Gruppe einflussreicher Mitglieder, die diese Art der Herabwürdigung politisch ablehnt. Der Streit ist wohl auch der Hintergrund für die Wahl des neuen GWUP-Vorstands. Überraschenderweise wurde nämlich nicht der vom scheidenden Vorsitzenden vorgeschlagene Kandidat gewählt, sondern ein Gegenkandidat. Da ist sogar von einem Putsch die Rede.
Der Ausweg
Es ist möglich, das Tätigkeitsfeld des Skeptizismus deutlich zu erweitern und gleichzeitig exakter abzugrenzen. Wir brauchen uns nur auf das zu konzentrieren, was den Skeptizismus von alters her ausmacht: der abgewogene Zweifel. So kommen wir zur Skepsis in weiten Grenzen. Skepsis ist durch die negative Methode charakterisiert: genau hinsehen, prüfen und Kritik üben.
Der Skeptikerbewegung steht ein riesiges Betätigungsfeld offen. Kritisches Denken ist ihr Geschäft, nicht das Erstellen kühner geistiger Bauwerke. Kluge und dumme Ideen, an denen der Skeptiker sich abarbeiten kann, gibt’s genug. Und er kann es sogar vor dem Hintergrund der Identitätspolitik tun. Jedenfalls gibt es für ihn keine Verpflichtung, sich zum Szientismus oder zur Identitätspolitik zu bekennen. Und – ich wage es kaum auszusprechen, weil es selbstverständlich ist – die empirische Wissenschaft ist ein wesentlicher Pfeiler der Kritik. Die Kritik macht vor Szientismus und Identitätspolitik nicht halt, sie ist aber nicht länger ideologisch versteift.
Zitat: „Die heutige Skeptikerbewegung wird getragen von der Überzeugung, dass es nur eine Wahrheit gibt und dass uns die Wissenschaft dazu verhilft, dieser Wahrheit möglichst nahe zu kommen. Dieser Anspruch ist universell.“
Einer Bewertung derartiger Aussagen könnte man heutzutage mit den Mitteln der Informatik/Mathematik und halbwegs übereinstimmenden und gesicherten Aussagen von Hirnforschern näher kommen.
Im Sinne der Informatik gibt es in der Mathematik eindeutig und exakt „deklarierte Objekte“ und eindeutig „definierbare Verknüpfungen“ dieser „Objekte“.
Derartiges an „Sicherheit“ gibt es bei den „Denkmustern“ die Hirnforscher den „Denkprozessen“ zugrunde legen und „Muster“ die Informatiker ihren KI Systemen zugrunde legen, nicht.
Daher kann es keinen universellen „Anspruch auf absolute Wahrheit“ geben.
Weder die „Muster“ sind immer vollständig, eindeutig, allgemein akzeptiert, letztlich korrekt „deklariert“, noch entsprechen „neuronale Verknüpfungen“ exakt den Regeln der „strengen Logik“.
Es gibt höchstens eine gewisse Übereinstimmung von mehr oder weniger „Mustermerkmalen“ oder deren Bedeutung. Menschen neigen dazu, hier „Wahrheiten“ erkennen zu wollen, was an sich aus psychologischen Gründen zweckmäßig erscheint. Selbst kleinste fehlende oder (noch) nicht auswertbare Merkmale können höchst Bedeutungsvoll sein, zu schweren „Denkfehlern“ führen, auch bei der KI.
Früher war nur die „Weltscheibentheorie“ nachvollziehbar und akzeptiert, weil „Normalbürger“, nur einfach wahrnehm- und auswertbare „Muster“ korrekt interpretieren konnten. Anders als Wissenschaftler, die z.B. auch astronomische „Muster“ zusätzlich auswerten und interpretieren konnten.
Zu einer „wirklichen Wahrheit“ kann man nur gelangen, wenn „alle Musterkomponenten“ logisch exakt und vollständig übereinstimmen, das dürfte außerhalb der Mathematik, außer bei geringer Komplexität, kaum möglich sein?
Die Grundannahme der Wiss. ist es, dass es keine „alternativen Fakten“ gibt, sondern nur alternative Meinungen, Interpretationen, Theorien etc. Von einer Letztbegründung („wirkliche Wahrheit“) ist nirgends die Rede, außer in der Mathematik und die rein formal, d.h. macht keine Aussagen über die Welt. Wenn aber bereits die bloße Suche nach Wahheit durch Beseitigen von Irrtümern aufgegeben werden soll, ergeben viele wiss. Bemühungen überhaupt keine Sinn.
@ Manfred Feodor Körkel
Davon, dass „die bloße Suche nach Wahrheit durch Beseitigen von Irrtümern aufgegeben werden soll“, war nicht die Rede. Dass wir uns durch die Beseitigung von Irrtümern der Wahrheit nähern, ist eine Ideologie. Dass es im Bereich der Naturwissenschaften die erkennbare Wahrheit gibt, ist zumindest fraglich, hinsichtlich des Bewusstseins ist es mehr als ungewiss, und was die Moral angeht, praktisch ausgeschlossen. Die Suche nach Wahrheit ist eine regulative Idee. Verheißungen sind damit nicht verbunden.
Was ist der Unterschied zwischen Ideologie und regulative Idee?
Ich schrieb: „Dass wir uns durch die Beseitigung von Irrtümern der Wahrheit nähern, ist eine Ideologie.“ Eigentlich ist es eine regulative Idee, eine nicht prüfbare Vorstellung, die Orientierung bietet. Zur Ideologie wird sie, wenn sie Gruppen zur Rechtfertigung und Bewertung eigener und fremder Handlungen dient.
Es ging nicht nur um Wokeness sondern auch um die Applied Behavior Analysis; kurz ABA, die von Teilen des Vorstandes wohl massiv gepuscht wurde und einen Verstoß gegen die Menschenrechte darstellt. Was die ganzen Aktivisten der Autisten Szene (völlig zurecht) auf den Plan gerufen hat. Interessanterweise hält die Applied Behavior Analysis; kurz ABA nicht den Standards einer evidenzbasierten Therapieform stand sondern ist mehr eine persönliche Vorliebe des abgesägten Vorstandes. Außerdem gab es wohl auch noch eine merkwürdige Pro Atomkraft Strömung. Hier muss man wohl sagen wurde evidenzbasiert mit „find ich gut und will ich politisch durchsetzen“ gleichgesetzt.
https://hoaxilla.com/die-sache-mit-der-gwup/
Sollte sich die Skeptikerbewegung tatsächlich öffnen, dann passt auch der Schmähpreis Das goldene Brett vorm Kopf nicht mehr so recht ins Bild.
Gestern habe ich mir wieder einmal den Film Dogville von Lars von Trier angeschaut. Die Hauptfigur Grace, gespielt von Nicole Kidman, wird verfolgt und gerät nach Dogville. Anfangs nehmen sie die Bewohner des Ortes zurückhaltend aber freundlich auf. Im Laufe der Zeit nehmen aber Schikanen zu und das steigert sich zu Misshandlungen bis hin zu Vergewaltigungen. Grace nimmt das alles hin und findet immer Entschuldigungen für das Verhalten der armen Leute. Zum Schluss erscheint ihr Vater in einer Luxuslimousine, ein Gangsterboss. Er wirft ihr vor, arrogant zu sein, weil sie den Menschen alles vergebe. Dann sagt er den alles entscheidenden Satz: Merkst du nicht, wie herablassend du bist. Du hast das Vorurteil, dass niemand, dass wirklich niemand dermaßen hohe moralische Ansprüche an sich stellt wie du. (Mehr verrate ich nicht. Der Film ist absolut minimalistisch aber fesselnd vom Anfang bis zum Ende, ganze drei Stunden lang.)
Die Beweggründe der Grace würde man heute als Wokeness bezeichnen. Gerade entdecke ich ein Video, das zum Thema passt. Sinan setzt sich mit der Wokeness-Bewegung innerhalb der GWUP auseinander: Wenn alte weiße Männer mir die Welt erklären.
Kann es sein, das eben das Überangebot an Medien, an Influencern das Hirn vernebeln?
Sinan ein Elektroningenieur, der als Youtuber arbeitet anstatt seinem „wirklich nötigen“ Beruf nachzugehen… und ein kleiner Meinungspopulist, er kann noch so sympathisch rüberkommen, aber wer als E Ingenieur bis heute Glaubt der Verbrenner wäre das geringere übel im Vergleich zur E Mobilität…
Dem ist doch nicht mehr zu helfen, aber ich gebe zu:
Anderes Thema….
https://www.cicero.de/kultur/krankung-als-trauma-die-selbstgerechte-hypersensibilitat-im-woken-menschenbild
Das Ende der Wokeness (dunkler Parabellritter)
https://www.youtube.com/watch?v=xh6QXe8vQCQ
–> für mich is das Thema eigentlich durch –> /ignore da haben m.e. Pseudo Linke Spinner die normalen Linken gekapert, das erinnert mich an diese False Flag Aktionen der LGN.
Ich hab so das Gefühl man muss heute Politikwissenschaften studieren um diese ganzen feinen Unterscheidungen noch treffen zu können…
Vielleicht sorgt das für VErunsicherung in der breiten Maße die sich einfach nicht genug damit befassen kann, und die Angst und Panik Propaganda von Union/AFDP und Co sorgt für weitere Ängste.
Ich sehe das als die eigentliche Katastrophe an, Angst lämt die Menschen, die halten ihr Geld zusammen, die Binnennnachfrage wird noch schlechter, damit gewinnen wieder die Rechten, Neurechten, Rechtsradikalen und Pseudo Linken.
Sie erschaffen sich und reden sich über psychologische Kriegsführung den Untergang im eigenen Land herbei… dazu kommt fremdstaatliche Einflussnahme via Social Media….