Betet Richard Dawkins?

Was, Sie kennen die „Skala des Gottesglaubens“ noch nicht? Dann wird es höchste Zeit für eine Lektion in dieser Sache. Ich habe davon erstmals in dem Buch „The God Delusion“ von Richard Dawkins (2006) gelesen (deutsch: „Der Gotteswahn“) . Er mag sie erfunden haben. Aber letztlich stammt die Grundidee vom großen Mathematiker Blaise Pascal. Sie hat vermutlich nicht zu seinem Ruhm beigetragen.

Wenn jemand wie Richard Dawkins heute noch damit hausieren geht, muss er sich einigen Spott gefallen lassen. Die Idee ist nämlich ein Musterbeispiel für den Versuch, Glaubensfragen mit mathematisch-wissenschaftlichen Methoden zu lösen. Es geht darum, der eigenen Überzeugung Nachdruck zu verleihen. Die Geschichte zeigt, dass sich der Apologet dabei fast notgedrungen in fusseligen Gedankenfäden verheddert und auf die Nase fällt.

Das gilt für Gläubige wie Pascal und für Atheisten wie Dawkins gleichermaßen. Beginnen wir mit

Pascals Wette auf die Existenz Gottes

Vom französische Religionsphilosophen, Mathematiker und Physiker Blaise Pascal (1623-1662) stammt diese Wette: Wenn du an Gott glaubst – sozusagen auf ihn setzt – und Gott existiert nicht, so verlierst du nichts. Wenn du aber nicht an Gott glaubst und Gott existiert, dann kommst du in die Hölle. Deswegen ist es vernünftig, an Gott zu glauben. So wahrst du deine Chance, in den Himmel zu kommen.

Lassen wir die Hölle einstweilen links liegen und beschäftigen wir uns nur mit der Nutzenseite der Angelegenheit. Nach Pascal ergibt sich der zu erwartende Nutzen als Produkt aus Wahrscheinlichkeit und Nutzen.

Da wir nicht genau wissen, ob es Gott gibt, setzen wir für die Wahrscheinlichkeit seiner Existenz die Variable p ein. Wie alle Wahrscheinlichkeiten ist das ein Wert im Bereich von null bis eins. Der Nutzen für den Gläubigen ist, falls es Gott tatsächlich gibt, riesengroß – für uns Erdenbürger jedenfalls gleich unendlich, in Zeichen: ∞. Damit ergibt sich der zu erwartende Nutzen des Glaubens zu p·∞. Pascal meint, dass die Wahrscheinlichkeit der Existenz Gottes zwar klein, vielleicht sogar sehr klein, niemals aber gleich null sein könne. Folglich ist der zu erwartende Nutzen nach den Regeln der Mathematik gleich ∞.

Für den Ungläubigen sieht die Rechnung ganz genauso aus, nur dass hier der drohende Schaden – nämlich das Schmoren in der Hölle – gleich unendlich ist.

Gottesdienst und Beten als Ausdruck des Glaubens und gottgefälliger Lebenswandel sind demnach das einzig vernünftige Handeln. Wir wollen das einmal so hinnehmen.

Dawkins’ Skala des Gottesglaubens

Richard Dawkins ist der wortmächtige Anführer der so genannten Neuen Atheisten. Er hat in seinem Buch von 2006 Pascals Idee aufgegriffen. Seine Gedankenspiele landen – vorhersehbar – im Absurden.

Dawkins will zwar nicht den Glauben, sondern den Unglauben begründen. Sein mathematisches Instrumentarium aber ist dasselbe wie das pascalsche; und es ist in diesem Fall gleichermaßen ungeeignet. Warum Dawkins voller Emphase diese Denkfalle ansteuert und prompt darin untergeht, wird sein Geheimnis bleiben.

Dawkins schlägt vor, die Intensität des Glaubens mit der Wahrscheinlichkeit p zu bewerten, genau wie es Pascal tut. Seine Skala des Gottglaubens reicht von p = 100%, das sind die starken Theisten, über die De-facto-Theisten mit p knapp unter 100%, die Agnostiker mit p = 50%, die De-facto-Atheisten mit sehr kleinem, aber immerhin noch positivem p bis hin zu den starken Atheisten mit p = 0%. Dawkins zählt sich zu den De-facto-Atheisten („I cannot know for certain but I think God is very improbable“). Und damit landet er in der Falle der Pascalschen Wette. Ihm bleibt nichts anderes übrig, als auf Gott zu setzen.

Wer sich auf solche Wahrscheinlichkeitsrechnungen einlässt, muss wissen, worum es geht. Und da haben wir nun einmal – das gilt für Dawkins wie für Pascal –  das von der Kirche vermittelte Bild von Gott, Himmel und Hölle. Man sollte nicht, wenn einem das Ergebnis des Kalküls missfällt, an den Definitionen herumdoktern.

Der Fehler liegt bereits im Ansatz: Im Aufsatz 1654: Ein neues Denken beginnt zeige ich, dass Pascals Risikoformeln hier gar nicht anwendbar sind. Richard Dawkins scheint das nicht weiter zu interessieren. Er verliert sich in Phantasien über das Gottesbild.

Glaubenspluralismus

Dawkins ist ein Glaubenskämpfer in Sachen Atheismus. Ihm will offenbar nicht einleuchten, dass der Agnostizismus eine logisch einwandfreie und entschiedene Position der Entscheidungsenthaltung ist: Der Agnostiker verweigert sich der Zumutung, eine Aussage für oder gegen die Existenz Gottes zu treffen. Und dieselbe Verweigerungshaltung gilt für Wahrscheinlichkeitsaussagen. Eine Wahrscheinlichkeitszumessung zur Existenz Gottes ist für den Agnostiker ohne Sinn, da jeglicher Erfahrungshintergrund fehlt. Ohne Aussicht auf eine Statistik bleibt für ihn  die Ungewissheit total.

Frank Stößel spricht in seinem Kommentar zum Hoppla-Artikel Die Unterwanderungsstrategie des Neuen Atheismus  von einer Skala des Agnostizismus — in Anlehnung an Dawkins. Er meint damit eine Vielzahl von Standpunkten und Glaubensrichtungen.

Das Wort Skala halte ich in dem Zusammenhang für falsch. Eine Skala setzt voraus, dass sich die Standpunkte messen lassen. Es bleibt die Frage nach einer geeigneten Maßzahl. Jedenfalls ist die hier angesprochene Wahrscheinlichkeit p als Maß für die Glaubensintensität nicht geeignet: Bereits beim Agnostiker scheitert der Versuch einer Vermessung und Einordnung. Deshalb würde ich lieber von Glaubenspluralismus sprechen und nicht von einer Skala des Agnostizismus.

Glaubenspluralismus und Toleranz halten unsere offene Gesellschaft am Laufen. Die verschiedenen Dogmensysteme treten im freien und friedlichen Spiel auf dem Feld der praktischen Vernunft gegeneinander an. In diesem Spiel findet sich auch der De-facto-Atheist wieder. Dass er sich bei der Begründungen seines Standpunkts rettungslos verheddert, muss uns nicht weiter bekümmern. Anderen Gläubigen geht es mit ihrer Apologetik auch nicht besser.

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4 Antworten zu Betet Richard Dawkins?

  1. Heiliger Bimbam sagt:

    https://de.wikipedia.org/wiki/Ockhams_Rasiermesser
    Das universum entstand.
    vs.
    Das universum entstand und Gott war auch da.
    http://www.galactanet.com/comic/view.php?strip=517

    • Timm Grams sagt:

      Witziger Comic. Hilft hier leider nicht weiter. Schlagwortalternativen auch nicht. Das Leben ist halt komplex.

      Der Kommentar geht am Thema vorbei. Er spielt auf ein weiteres Argument der Atheismus-Apologeten an, nämlich darauf, dass das Sparsamkeitsprinzip die Entbehrlichkeit der Gottesvorstellung vermeintlich nahelegt. Es taugt ebenfalls nichts.

      Es ist fast 3000 Jahre her. Das Volk ist außer Rand und Band. Da hat Mose die geniale Idee von den gottgegebenen Geboten. Und er bringt damit sein Volk wieder auf Vordermann. Sparsamer geht’s nicht. (Es ist nur eine Geschichte. Aber sie ist wohl ein Kondensat tatsächlicher Vorgänge.)

  2. Heiliger Bimbam sagt:

    Jemand der ein divine reward oder divine punishment braucht um sich an Gebote zu halten ist vielleicht ein braver Mensch, aber kein guter.

    Viel spass mit deiner dogmatik alles +gott zu setzen. Man erkennt leichtglaeubige Menschen an ihrer Frömmigkeit.
    Gott sagte, huldigt diesem König; Gott sagte, folgt diesen 15 *klirr*, ich meinte 10 Geboten; Gott sagte, erschlage Deinen Bruder, denn der macht bessere Opfergaben. https://en.wikipedia.org/wiki/Magical_thinking

    Menschen sagten das alles mit einer Intention. Und Menschen die aufhören nach den gründen zu suchen und stattdessen zur Gott erklärung kommen behindern sich am meisten selbst (nachhaltig noch Menschen in ihrer umgebung). Aber wenn du damit frieden findest Lieber einen Absurden widerspruechlichen inkonsistenten Gott anzubeten anstatt die Realitaet als ohne Sinn per se, zu akzeptieren und dann das beste daraus zu machen, dann werd gluecklich mit deiner Projektion deines Egos aus deiner Imagination, das Du Gott nennst.

    Grössten lügen werden eingebettet in irrelevante nennung von Fakten, das nennt sich Sandwich taktik. Bibel steht auf dem einband von diesem „Buch“. Grosses Sandwich.

    Ich glaube nicht das Du dadurch erkennen könntest wie hinderlich ein Gott ist, dazu hast Du zu wenig undogmatische Literatur gelesen. Aber vielleicht beginnen irgenwan andere zu erkennen wie versucht wird Marionetten faeden an ihre Koepfe zu haengen.

    Religioese Menschen sind nicht der feind. Nur die Puppenspieler sind teilweise veraechtlich in der nutzung ihrer faeden. Das oben genannte Rasiermesser ist eines der wichtigsten dinge um Menschen freiheit und glueck zu geben in dem sie solche Grundboesartigen faeden effektiv zerteilen für Menschen mit ein bischen verstand.

    Vielleicht bist Du ja auch nur ein armes Schaf.

    Ich kann dir nur sagen das dieser Mensch gegen unbildung Weltweit kämpft.
    Gegen Bösartige Menschen die Evolution Theorie Schimpfen und stattdessen Religions unterricht instituieren wollen. Wenn du Dich natürlich auf die seite dieser Leute schlagen willst. . . erwarte nicht das dir Denkende Menschen gnade mit deiner Hanebuechenen krampfhaften verteitigung lassen und sie mit einem Konzept effektiv in der luft zerreissen. Und das ist eben dieses Rasiermesser, wenn du es nicht verstehst dein Pech.

    Bilde dich mal weiter jungchen. liess mal was zur erkenntnis theorie von Popper, beschaeftige dich mit Camut.

    Alternativ geh mal nach draussen und sie dir die realitaet an und frag dich: Ist das Gott gewollt und wenn ja kann man so einen Gott wollen? Und wenn Du zufaellig gerade nicht in syrien lebst oder bei fukuschima. Dann sag den lesern hier nochmal Das ist Gott gewollt. Sag den hinterbliebenen jedes einzelnen ungluecks, die toten hat Gott gewollt. sag es widerhol es. Red es dir ein Red es anderen ein, irgendwer wird kein erbarmen mit dir haben und nicht nur deine Worte zerreissen.

    • Timm Grams sagt:

      Den letzten Kommentar habe ich redaktionell nicht überarbeitet. Aber auch so wird die Absicht dahinter wohl klar.

      Dieses Hoppla!-Blog ist eigentlich nicht für Glaubenskämpfe und Glaubensbekenntnisse da. Jedoch: Wenn ich in skeptischer Grundhaltung metaphysische Argumente auseinandernehme, muss ich mit solchen Kommentaren rechnen. Um mich fruchtlosen Auseinandersetzungen zu entziehen, habe ich in mehreren Artikeln meinen Standpunkt dargestellt, beispielsweise in diesen:

      Die vorgebrachten Angriffe auf meine vermeintliche Position gehen jedenfalls ins Leere.

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