Gerhard Vollmer (2007) geht davon aus, dass es eine Welt gibt, „dass also das Objekt unserer Erkenntnis, die Welt, einmalig und eindeutig bestimmt“ sei, und „dass wir diese Welt erkennen können“. Eine Grundvoraussetzung der Naturwissenschaft, vielleicht der gesamten Erfahrungswissenschaft, sei der Realismus.
Das begründet er so: „Wenn es die Welt gar nicht gäbe oder wenn wir sie, selbst wenn es sie gibt, nicht erkennen könnten, dann hätte es auch keinen Sinn, nach dem ‚Warum?‘ und ‚Wieso?‘ solchen Erkennens zu fragen: Was es nicht gibt, braucht man auch nicht zu erklären.“ Es geht also um den Erklärungswert der bewusstseinsunabhängigen Welt, der „Dinge an sich“, wie Immanuel Kant sich auszudrücken pflegte.
Vollmer bezieht sich auf das No-Miracles-Argument des Hilary Putnam (1975), demzufolge der Realismus die einzige Philosophie sei, die den Erfolg der Wissenschaft nicht zu einem Wunder mache:
„Denn wenn es Quarks und Quasare wirklich gibt, dann ist es kein Wunder, dass Theorien, die ihre Existenz behaupten oder voraussetzen, damit Erfolg haben. Wenn es diese Objekte dagegen gar nicht gibt, wieso gelingen uns dann mit diesen Theorien korrekte Voraussagen und viele weitere Problemlösungen?“
Gerhard Vollmer sieht eine Überlegenheit des Realismus gegenüber anderen Philosophien:
„Dass Idealismus, Positivismus, Instrumentalismus, Konstruktivismus etwas nicht erklären können, widerlegt sie nicht. Man wird aber sagen dürfen, dass der Realismus mehr erklärt. Bei erfahrungswissenschaftlichen Theorien ist Erklärungswert ein wichtiges Merkmal, nach dem wir Theorien beurteilen. (Andere Merkmale sind Zirkelfreiheit, innere und äußere Widerspruchsfreiheit, Prüfbarkeit, Testerfolg.)“
Genau diese Behauptung stelle ich infrage. Ich bezweifle nämlich, dass der Realismus überhaupt etwas erklärt.
Worüber reden wir?
Statt von Realität will ich von der Wirklichkeit sprechen, eigentlich sogar von zwei Wirklichkeiten. Eine Wirklichkeit ist das, was wir erfahren, was über unsere Sinne auf die geistige Ebene trifft und dort verarbeitet wird. Das sind einmal die Erscheinungen und deren Zusammenwirken. Wir beobachten Invarianzen, kausale Beziehungen, Regelhaftigkeit: Ein Ding kann uns nicht gleichzeitig an zwei Orten erscheinen; feste Körper haben eine unveränderliche Ausdehnung; ein Körper schwerer als Luft fällt zu Boden, wenn man ihn loslässt. Darüber können wir uns mit anderen austauschen und verständigen. Zum gemeinsamen Wissen und damit zum Bestand dieser Wirklichkeit gehören insbesondere die bewährten Theorien der Erfahrungswissenschaften.
Diese Wirklichkeit, die sich in unserem Kopf widerspruchsfrei konfiguriert, nenne ich die innere Wirklichkeit oder kürzer: das Diesseits.
Dieses Diesseits ist so stimmig und weitgehend konstant, dass der Gedanke nahe liegt, dass es eine Wirklichkeit geben muss, die von unserem Denken unabhängig ist und die alle unsere Erfahrung bedingt. Von dieser äußeren Wirklichkeit haben wir nur die diesseitigen Eindrücke. Die Annahme der Existenz einer solchen äußeren Wirklichkeit erscheint uns als Denknotwendigkeit. Ich nennen sie das Jenseits. Diese äußere Wirklichkeit bewirkt die innere – so meinen wir. Die philosophische Vertiefung dieses Gedankens macht den Realismus aus.
Ich entlehne der Religion den Begriff „Jenseits“ und entkleide ihn seines religiösen Gehalts. Das tue ich nicht ohne Hintergedanken. Denn für mich ist die Vorstellung einer äußeren Wirklichkeit nicht allzu weit entfernt von der Vorstellung eines Gottes. Der große Sprung geht vom Diesseits in die äußere Wirklichkeit, von da ist es nur noch ein kleiner Schritt zu den Gottesvorstellungen.
Da wir keinen direkten Zugriff auf die äußere Realität haben, wurden immer wieder Zweifel am Realismus geäußert. Das genau ist die Haltung des philosophischen Skeptikers. Demgegenüber nimmt der Realist an, dass das Diesseits das Jenseits zumindest ausschnitts- und näherungsweise wiedergibt.
Was heißt „erklären“?
Im Brockhaus, Leipzig, 2005, finde ich zum philosophischen Begriff „Erklärung“ den folgenden Eintrag, der für den Alltagsgebrauch sicherlich ausreichenden ist: „Darlegung des Zusammenhangs, aus dem eine Tatsache oder ein Sachverhalt zu begreifen ist, d. h. Zurückführung von Aussagen und Tatsachen auf andere Aussagen, Gesetze oder Theorien.“
Erklärungen und Begründungen erfordern selbst wiederum Erklärungen oder Begründungen. Der Sucher nach einer Letztbegründung landet im unendlichen Regress. Auswege daraus führen entweder in die Zirkularität, weil irgendwann bereits verwendete Begründungen erscheinen, oder aber zum Dogmatismus, bei dem das Verfahren einfach abgebrochen wird.
Das ist das von Hans Albert so genannte Münchhausen-Trilemma (1991, S. 15). Die Begründungsprobleme wurden bereits von den antiken Skeptikern herausgestellt (Sextus Ermpiricus, Pyrrhon von Elis).
Damit ist eine grundsätzliche Schwierigkeit benannt, der sich der Realist gegenüber sieht.
Die Ursachenanalyse geht ins Leere
Wer etwas erklären will, der sucht eine Ursache für das Erklärungswürdige. Er forscht nach Kausalzusammenhängen. Was aber zeichnet die Kausalität aus? Was sind ihre Merkmale? Allgemeine Zustimmung wird die folgende Charakterisierung finden.
Zentrales Merkmal der Kausalität: Lässt man die Ursache weg, bleibt die Wirkung aus (bei kategorialen Zusammenhängen). Variiert man die Ursache, ändert sich die Wirkung (bei quantitativen Zusammenhängen). Die „Logik der Kausalität“ wird noch deutlicher in der INUS-Bedingung von John Leslie Mackie: Ein Ereignis wird als Ursache eines Ergebnisses wahrgenommen, wenn es ein unzureichender (Insufficient) aber notwendiger (Necessary) Teil einer Bedingung ist, die selbst nicht notwendig (Unnecessary) aber hinreichend (Sufficient) für das Ergebnis ist (Pearl, S. 313).
Um feststellen zu können, ob eine Ursache-Wirkungsbeziehung vorliegt (Hypothese), muss man sie prüfen können. Und das geht durch Variation der Ursache und Beobachtung der Wirkung. Dabei wird vorausgesetzt, dass sich die Ursache weitgehend isoliert von anderen Größen ändern lässt, und dass alle anderen Bedingungen konstant gehalten werden können. Das ist das „Closest world“-Konzept von David Lewis. Im Alltagsbetrieb, fern von den Labors und Testanordnungen, verstößt die isolierte Variation der Ursache im Allgemeinen gegen Randbedingungen. Relevant wird das beispielsweise bei den klinischen Tests, deren Randbedingungen unter anderem durch Moral und Gesetzeslage vorgegeben sind.
Die Variation der ursächlichen Variablen kann folglich oft nur in Gedanken oder per Simulation durchgespielt werden. Das gilt insbesondere für die Ursachenanalyse bei Unfällen und Katastrophen, also bei Ereignissen, die bereits stattgefunden haben und die unwiederholbar sind. Dann sind wir auf kontrafaktische Schlussfolgerungen angewiesen.
Die Kausalitätsanalyse setzt die Manipulierbarkeit der Ursachen voraus – wenigstens in Gedanken oder per Simulation. Die Kausalität kann also grundsätzlich nicht etwas sein, das der äußeren Wirklichkeit, dem Jenseits also, anhaftet.
Das Kausalitätsdenken sorgt für ein zusammenhängendes und in sich konsistentes inneres Bild; es ist folglich Bestandteil unserer geistigen Ausstattung. Das Kausalitätsdenken gehört zur inneren Wirklichkeit; es ist nicht externalisierbar.
Wir haben keine Chance, Vorgänge oder Dinge des Jenseits als Ursachen für die Erscheinungen des Diesseits auszumachen. Wem die Fruchtlosigkeit des Realismus durch dieses Argument nicht hinreichend belegt ist, der möge sich dem folgenden zuwenden: Wenn wir für eine Erscheinung eine Begründung im Jenseits suchen, können wir wieder nur auf Erscheinungen, also auf Diesseitiges, zugreifen. Das Diesseits definiert den Bereich und die Grenze unseres Denkens. Wir drehen uns im Kreise. Die Zusammenhänge zwischen Jenseits und Diesseits bleiben ungeklärt: Kausalbeziehungen zwischen Jenseitigem und Diesseitigem lassen sich nicht ausmachen. Dem Realismus fehlt jeglicher Erklärungswert.
Wer mehr will, der muss den Sprung ins Transzendente wagen. Er sollte sich nicht wundern, wenn er dort auch Geistern und Göttern begegnet. Das ist kein guter Aufenthaltsort für Realisten und Naturalisten.
Es ist nicht allein diese Fruchtlosigkeit, die den Realismus als entbehrlich erscheinen lässt. Der Realismus ist schon aus rein logischen Gründen eine ziemliche Herausforderung für den Denker: Die Suche nach dem wahren Grund wird von ihm mit der Identifizierung der Realität als Grund allen Wissens abgebrochen. Der Realismus ist also unverbesserlich dogmatisch.
Dabei liegen weitere Fragen nach Ursachen durchaus nahe. Jedoch kann niemand etwas über die Anfänge der Realität wissen und auch nichts über ihre Beständigkeit. Das Nachdenken über Herkunft und Wesen der Realität landet in denselben Fallgruben, die bereits Aristoteles, Thomas von Aquin und Moses Maimonides allergrößte Schwierigkeiten bereitet haben.
Begründungsversuche des Realismus
Vollmers Behauptung, dass der Realismus Grundvoraussetzung der Naturwissenschaft sei, hängt in der Luft. Nicht viel besser als diese im Grunde haltlose Behauptung ist das Wunder-Argument, das ich anfangs zitiert habe. Klar: Die Regelhaftigkeit der Erscheinungen ist in der Tat ein Wunder. Jedoch: Das Wunder verschwindet nicht, wenn man eine Realitätsvorstellung hinzunimmt. Dann ist eben die Realität das Wunder. Und das erschwert die Sache weiter. Denn jetzt sind sowohl die Anfänge der Realität als auch deren Beständigkeit erklärungswürdige Wunder. Das Wunder-Argument gehört gewiss nicht zu den besten Einfällen der Realisten. Es führt schnurstracks zu Gedankengängen, die wir von den Gottesbeweisen und den Antinomien des Immanuel Kant kennen.
In seinem Übersichtsvortrag will Gerhard Vollmer eine Lanze für den Realismus brechen. Schauen wir uns einige seiner Argumente genauer an.
„Unsere kognitiven Strukturen passen (wenigstens teilweise) auf die Welt, weil sie sich – phylogenetisch – in Anpassung an diese reale Welt herausgebildet haben und weil sie sich – ontogenetisch – auch bei jedem Einzelwesen mit der Umwelt auseinandersetzen müssen.“
Diese Aussage beinhaltet ungeklärte und fragwürdige Vokabeln. Belohnt wird in der Evolution nämlich nicht die Anpassung. Es geht um den Nutzen, um den Überlebenswert, die Fitness. Diese kann man bestimmen und messen, die Anpassung nicht.
Für letztere fehlt es an einer Definition der Referenzgröße: Was genau soll es sein, woran das Leben sich anpasst? Bereits ziemlich simple Evolutionsspiele zeigen, dass die Kenntnis der äußeren Wirklichkeit, das ist hier der Zustand der Gesamtpopulation, für die Individuen ohne Bedeutung ist. Sie reagieren allein auf das, was sie in Interaktionen gerade erfahren und was sie an Erfahrungen gespeichert haben (Grams, 2009). Nur der Spieler und Programmierer des Simulationsspiels kann die Gottesperspektive einnehmen: Er sieht alles, denn er hat es ja gemacht. Er kennt die Wahrheit. Für die Individuen geht es nicht um die Wahrheit; es geht ums Überleben (Grams, 2016, Kapitel 9).
Gerhard Vollmer stellt heraus:
„Der hypothetische Realismus macht Gebrauch von der Korrespondenztheorie der Wahrheit. Danach ist eine Aussage wahr, wenn das, was sie sagt, mit der Wirklichkeit ‚da draußen‘ übereinstimmt.“
Diese Korrespondenztheorie ist ebenfalls eine in der Luft hängende Gedankenkonstruktion. Die Korrespondenztheorie der Wahrheit ist nicht operationalisierbar. Es gibt kein Wahrheitskriterium.
Die Entwicklung der Wissenschaft ist für Gerhard Vollmer
„ein Phänomen, das wir ‚Konvergenz der Forschung‘ nennen können. Es geht dabei um mehrere Arten von Konvergenz: Konvergenz der Messwerte, Konvergenz der Messmethoden, Konvergenz der Theorien. Wie kommt es dazu?“
Er meint, dass der Anti-Realist die Antwort schuldig bleibe, während der Realist eine einfache Antwort bereit habe:
„Die Forschung konvergiert, weil es reale Strukturen gibt, die wir entdecken können und tatsachlich allmählich entdecken. Eben darin besteht für den Realisten der Erkenntnisfortschritt. Auch hier wird der überlegene Erklärungswert des Realismus deutlich.“
Tatsächlich sorgt diese Konvergenz dafür, dass wir in die Realismus-Falle stolpern. Die Konvergenz gehört zu den bereits als bewunderungswürdig anerkannten Regelmäßigkeiten der Erscheinungen. Die Realität macht diese Regelmäßigkeiten nicht weniger wunderbar. Ich wiederhole mich.
Vollmers Argument gleicht dem des Homöopathen, der die Heilung der von ihm verordneten „Medizin“ gutschreibt: „Wer heilt hat recht“. Von der Wirkung lässt sich gemeinhin nicht auf die Ursachen schließen. Ursachenbestimmung ist bereits in der Unfallforschung eine schwer lösbare Aufgabe. Man muss das Closest-World-Konzept von David Lewis bemühen. Das hätte hier zur Konsequenz, dass man sich die Welt der Erscheinungen ohne die verursachende Realität denken müsste. Auf das, was wir uns wegdenken müssten, haben wir nur Zugriff über die Erscheinungen der inneren Wirklichkeit. Die jenseitige Ursache dieser Vorstellungen ist nicht identifizierbar. Damit laufen die Kausalitätsüberlegungen ins Leere. Bereits Kant hat diese Sackgasse des Denkens in „Der Antinomie der reinen Vernunft sechster Abschnitt“ (1787) klar benannt:
„Die nichtsinnliche Ursache dieser Vorstellungen ist uns gänzlich unbekannt, und diese können wir daher nicht als Objekt anschauen“
Ich gebe zu: Meine Argumente gegen den Realismus sind nicht sehr originell. Auch Gerhard Vollmer hat einige davon seinem Text einverleibt. Dadurch wird sein Vortrag zu einem Muster dafür, wie man für eine Sache eintreten kann, von der man eigentlich nicht mehr so recht überzeugt ist. Ob das auf Gerhard Vollmer tatsächlich zutrifft, weiß ich nicht, aber der Text liest sich so.
Mein Fazit aus dem Ganzen: Wenn du zwischen zwei Weltanschauungen zu wählen hast, nimm die sparsamere Variante. Hier ist es die, die ohne den Sprung ins Transzendente auskommt.
Quellen
Albert, Hans: Traktat über kritische Vernunft, 1991
Grams, Timm: Ist das Gute göttlich oder Ergebnis der Evolution? skeptiker 2/2009, S. 60-67
Grams, Timm: Klüger irren – Denkfallen vermeiden mit System. Springer, Berlin, Heidelberg 2016
Kant, Immanuel: Kritik der reinen Vernunft. 1787
Lewis, David: Counterfactuals. Harvard University Press 1973
Maimonides, Moses: Wegweiser für die Verwirrten. Eine Textauswahl zur Schöpfungsfrage. Herder, Freiburg im Breisgau 2009
Pearl, Judea: Causality. Cambridge University Press 2000
Putnam, Hilary: On Not Writing Off Scientific Realism (1975). Nachgedruckt in “Philosophy in an Age of Science”. Harvard University Press, Cambrige, London 2012
Vollmer, Gerhard: Wieso können wir die Welt erkennen? Übersichtsvortrag auf den Münchner Wissenschaftstagen – Leben und Kultur, 20.-23. Oktober 2007
Timm Grams: „äußeren Wirklichkeit ….. Ich nennen sie das Jenseits.“
Die geistunabhängige Außenwelt ist demnach absolut transzendent. Als Folgerung daraus können uns die Sinne *überhaupt keine* Information über die Außenwelt geben. Ist die Außenwelt also ein mentales Konstrukt?
Die Vorstellung einer Außenwelt – nicht etwa die Außenwelt – ist trivialerweise ein mentales Konstrukt. Bevor wir uns endgültig verheddern, lehne ich mich an die Formulierungen des Karl Raimund Popper an. Er spricht von „der Idee der Wahrheit als einem regulativen Prinzip“ (Vermutungen und Widerlegungen, Kapitel 10 „Wahrheit, Rationalität und das Wachstum der Erkenntnis“, VIII). Zur „Natur der Dinge“ sagt er: „Die Lehre von einer essentiellen und wesenhaften Wirklichkeit bricht gleichzeitig mit der Lehre von einer letzten und endgültigen Erklärung zusammen“ (Vermutungen und Widerlegungen, Kapitel 3 „Drei Ansichten über die menschliche Erkenntnis“, Abschnitt 6). Poppers „Schichten der Realität“ lassen sich mit dem ontologischen Realismus des Gerhard Vollmer nicht vereinbaren. Ich staune darüber, dass Leute, die sich ein Forscherleben lang mit diesen Problemen befasst haben, die fundamentalen Unterschiede nicht bemerkt haben wollen.
Von einer „letzten und endgültigen Erklärung“ ist nicht die Rede.
Aber diese Frage ist immer noch offen: Ist es eine taugliche Arbeitshypothese, dass die Außenwelt *nur* ein mentales Konstrukt ist?
Realisten reden von approximativen und partiellen Wahrheiten. Diese Wahrheitsbegriffe setzen eine „Lehre von einer essentiellen und wesenhaften Wirklichkeit“ voraus. Und diese breche, so Karl Raimund Popper, gleichzeitig mit der „Lehre von einer letzten und endgültigen Erklärung zusammen“.
Was von einer „Außenwelt als mentales Konstrukt“ zu halten ist, war bereits Gegenstand meiner letzten Antwort. Da es um Metaphysik geht, wirkt der Ausdruck „Arbeitshypothese“ deplatziert. Hypothesen sind prüfbar, metaphysische Aussagen nicht. Ob jemand mit der Vorstellung einer Außenwelt besser leben kann oder mit einer Vorstellung von Gott oder mit was sonst noch, das will und kann ich nicht beurteilen.
Der Ausdruck „Arbeitshypothese“ ist m.E. nicht deplatziert. Nach „Wahrheit“ war von mir auch *nicht* gefragt, auch *nicht* nach Essenzen. Es geht um das lebenspraktisch höchst relevante Konzept der Außenwelt. Ein praktisches Beispiel:
Nehmen wir an, ich betrachte meine Frau nur als „Wahrnehmungsbündel“ meiner „inneren Wirklichkeit“. Nun befrage ich dieses „Wahrnehmungsbündel“ während des Frühstücks: „Bist du nur ein mentales Wahrnehmungsbündel von mir?“ Sie versichert mir, sie sei ganz real. Wer hat mir geantwortet? War ich es oder meine Frau? Wie kann mir ein Wahrnehmungsbündel überhaupt antworten?
Das haben wir schon im Anschluss an den Hoppla!-Artikel Glaube, Wahrheit, Wissen diskutiert.
Wir drehen uns im Kreis: Die Ente bleibt draußen! – Ich bade immer mit dieser Ente.
Das Spielchen mit den „Wahrnehmungsbündeln“ sollten wir nun wirklich bleiben lassen. Ich bilde mir ein, mich klar ausgedrückt zu haben.
Glücklicherweise sitzen wir ja nicht in derselben Badewanne.
Timm Grams: „Ich bilde mir ein, mich klar ausgedrückt zu haben.“
Ich halte diese Einlassungen für erläuterungsbedürftig. Wir lassen es halt ungeklärt.
Im Laufe der weiteren Diskussion mit Manfred Feodor Körkel bin ich auf folgendes Argument aufmerksam geworden. In seinen „Gretchenfragen an den Naturalisten“ schreibt Gerhard Vollmer (2013, S. 25): „Geheimnisse im Sinne von uns vorenthaltenen oder verbotenen Wissens gibt es nicht.“
Das nenne ich die Kurzform der Keine-Übernatur-„Hypothese“. Ich drücke sie so aus: Alles was wir nicht wissen können, gibt es nicht.
Sie ist logisch äquivalent zur Kurzform der Realismus-„Hypothese“: Alles, was es gibt, können wir auch wissen.
Diese Hypothesen sind einwandfrei, nur eben völlig nutzlos. Ich sage es – frei nach Popper: Im Hier und Jetzt wissen wir nicht, was wir wissen werden oder was wir wissen können.
Das bestätigt meinen Verdacht: Der Realismus erklärt nichts.
Realismus erklärt nichts? Doch. Nur dieses Konzept erklärt den Unterschied zwischen (natur)wissenschaftlichen Diskursen einerseits und den Diskussionen von „Esoterikern“ und Okkultisten andererseits.
Erstere scheinen verborgenen Attraktoren zu folgen, was dazu führt, dass bestimmte Probleme irgendwann als gelöst ad acta gelegt werden (Warum gibt es Jahreszeiten? Was verursacht Erdbeben? Was verursacht Malaria?…), wohingegen die Diskussionen unter Esoterikern aller Couleur seit Jahrhunderten wild ins Kraut schießen, ohne dass die Diskutanten sich irgendwann mal abschließend auf etwas einigen könnten.
Die „geheimen Attraktoren“ hinter den (natur)wissenschaftlichen Diskursen sind natürlich die Dinge „da draußen“, welche unabhängig sind von unseren Vorstellungen, Wahrnehmungen, Wünschen, Begriffen und Kommunikationen, wohingegen die Gegenstände, mit den sich Esoteriker à la Rudolf Steiner beschäftigen, fiktiv sind und überhaupt erst durch die individuelle Imagination und soziale Kommunikation entstehen, und so auch keinen Widerstand geben können, wenn die Diskussionen aus dem Ruder laufen.
Dass wir die „Dinge an sich“ nicht als solche erkennen können, ist kein Grund, das Konzept des Realismus zu verwerfen, es reicht, dass wir sie indirekt erkennen können, und dass sie sich allein durch ihre Widerständigkeit bemerkbar machen, etwa indem Hypothesen scheitern (die Theorien von Rudolf Steiner oder Jan van Rijckenborg können prinzipiell nicht scheitern) –
Geben wir den Realismus als Leitidee auf, dann sind alle Diskurse beliebig, weil dann auch jeder Diskurs seine eigenen Kriterien für „Erfolg“ ins Feld führen kann, um seine „Wahrheit“ zu beweisen.
Wie ich Ihrem letzten Satz entnehme, geht es darum, wie sich der Erfolg wissenschaftlicher Theorien feststellen lässt. Die Logik der Forschung sagt uns, was unter Erkenntnisfortschritt zu verstehen ist: Theorien, die ein Mehr an strengen Prüfungen bestehen als andere, sind die Gewinner im Selektionsprozess der Wissenschaft. Metaphysik wird zur Erklärung nicht gebraucht. Im Hauptwerk Poppers kommt der metaphysische Realismus nicht vor. Später hat er den Realismus als regulatives Prinzip anerkannt – mehr nicht. Mit Esoterik hat das alles nichts zu tun.
schonmal mit der Quantenmechanik befasst?
Sehr cooles Buch: Helgoland von Rovelli
da kriegt man einen knoten im kopf…
Danke für den Tipp. Bezüglich der Quantentheorie halte ich mich, als Nichtfachmann, an das Buch Quantum Physics von Alastair Rae.
Offenbar geht’s in dem Buch „Helgoland: Wie die Quantentheorie unsere Welt verändert“ von Carlo Rovelli auch um die Grenzen unserer materiellen Existenz und um unser Bewusstseinsvermögen. Zur Rolle des Ich haben wir uns hier im Hoppla!-Blog und auch in Stephan Schleims Menschenbilder-Blog ausführlich ausgetauscht.
https://youtu.be/VvnmBOLuvGw –> sollte euch auch der versoffene Hans Meiser eingeblendet werden der Werbung für Kryptos macht /ignore….
Es geht um: Die Energiewende zu Ende gedacht — Was wird sich für uns ändern? Prof Goebels Uni Hamm
https://youtu.be/EJh41MJw-8E
Deutsche Energiewende – Exportschlager oder Ladenhüter? — Hier gehts um die weltweiten Zubauten, die hab ich euch schonmal anhand OWinData so ähnlich gezeigt hier ist es schöner
Und weil wir ja in BY schon wieder Echokammer Berichterstattung haben und an allem die Grünen Schuld sind:
https://www.spiegel.de/politik/deutschland/gruene-wollen-sich-gegen-plakatkampagne-wehren-schmutziger-wahlkampf-a-410275c7-18df-4944-b9ea-43ae6cc7ae44
Und hier noch ein schönes Zitat zur Echokammer
Bayern ist ein sehr gutes Beispiel für die Echokammer-Berichterstattung. Weil dort die nächste große Wahl stattfindet und mehrere Interessengruppen seit vielen Monaten die Chance eines Machtwechsels sehen bzw. befürchten (je nach Blickwinkel), fokussieren sie sich auf die Versäumnisse der bayrischen Energiepolitik. Ein beiläufiger Nebensatz hier, eine flapsige Bemerkung da – und aufgrund der abnehmend diversen Berichterstattung finden diese Zitate oft ihren Weg in alle großen Nachrichtenportale. Da ich selbst schon solche Pressemitteilungen verfasst habe, kann ich sagen, dass man es in der Regel in alle großen Onlinezeitungen schafft, sobald man es in den dpa-Newsticker schafft. Ich habe mal eine Pressemitteilung geschrieben, die deckungsgleich in den Lokalteilen der Süddeutschen, des Spiegels, der Zeit, T-Online und Bild gelandet ist. Alle identisch. Keiner hat irgendetwas überprüft, obwohl mein damaliger Auftraggeber ein bekannter Interessenvertreter war.
Deshalb mache ich generell einen Faktencheck, wenn ich Nachrichten lese. In der Regel macht den nämlich sonst niemand. Und ein Faktencheck zur bayrischen Energiepolitik zeigt:
Bayern hat mehr installierte PV-Kapazitäten, als Platz 2 (BaWü) und 3 (NRW) zusammen.
Bayern hat mehr installierte Wasserkraft, als die restliche Bundesrepublik zusammen.
Bis zur Reform des EEG in diesem Jahr hatte Windkraft einen erheblichen Standortnachteil in Bayern, Baden-Württemberg und in Teilen von Hessen. Windenergie wird nämlich nicht stur nach eingespeister Leistung vergütet. Ein interregionaler Ausgleichsfaktor soll dafür sorgen, dass windreiche Standorte gegenüber windarmen Standorten keinen Vorteil haben und Windräder nur an den wirtschaftlichsten Standorten gebaut werden. Dieser Ausgleichsfaktor war jedoch zu niedrig, damit sich Windräder in den windärmsten Regionen (Teile Hessens, BaWü, Bayern) rechnen. Entsprechend wurde in diesen Bundesländern nur an den besten Standorten gebaut, während in anderen Bundesländern deutlich mehr Flächen genutzt wurden.
Diesem Fehlanreiz wurde jetzt Rechnung getragen, indem ein Südfaktor im neuen EEG eingebaut ist. Weiterhin sind die Bundesländer in den kommenden Jahren verpflichtet, mindestens 2 Prozent ihrer Flächen für die Produktion von Windkraft zur Verfügung zu stellen. Legen die Länder bis zu einem bestimmten Stichtag keinen Plan dafür vor, verlieren sie ihre Zuständigkeit und der Bund übernimmt die Planung.
Lange Rede kurzer Sinn: Die Probleme beim Ausbau Erneuerbarer Energien sind erkannt und gelöst worden. Die bestehenden Vorbehalte gegenüber Bayern sind größtenteils faktenfremd oder überzogen. Die deutsche Presse berichtet darüber vollkommen unreflektiert und unangemessen und fungiert dabei als Echokammer ohne jeden Faktencheck
https://perspective-daily.de/article/2395-warum-deine-negativen-gefuehle-okay-sind-und-was-hilft/K8kZ9VEN#/discussions-10998-40743
Im Text der ersten Passage des Artikels habe ich den Begriff „Diesseits“ durch „innere Wirklichkeit“ ersetzt und „Jenseits“ durch „äußere Wirklichkeit“, weil ich damit besser vertraut bin.
In meiner Dissertation von 1977 habe ich mich mit Psychoakustik befasst. Als Naturwissenschaftler haben wir die psychoakustisch gemessenen Übertragungsfunktionen zunächst in einer Black Box symbolisiert. Das Innere der Black Box wird durch die Forschung immer weiter erkundet. Die Black Box sei – sagen wir – zu über 90% physikalisch und physiologisch gut erforscht. Die Frage an Sie lautet dann einfach: Wo verläuft die postulierte scharfe Grenze zwischen äußerer Wirklichkeit und innerer Wirklichkeit? Endet die äußere Welt schon in der Beschreibung des ursprünglichen, äußerlichen Schallfelds ohne den Hörer? (Bemerkung: Das Schallfeld wird schon durch die Anwesenheit des Hörers verändert und diese Übertragungsfunktion ist in der oben genannten Ohrmuschelfunktion mit enthalten.) Oder bei welchem Messsignal der Funktionskette ist Schluss? Sollte ich wirklich annehmen, dass die physischen Dinge und die metaphysische Vorstellung des jenseitigen Gottes bis in meinen auditorischen Cortex hineinreichen? Dann bliebe für meine innere Wirklichkeit nur mein pures Bewusstsein übrig, also die Ideen in meinem Gehirn, ohne jegliche erforschte Sinnesorgane. Bevorzugen Sie wirklich eine dualistische Rückkehr, hier die Rückkehr 1. zu einem „Diesseits“ mit Ideen, Bewusstsein und Kausalität (Idealismus) und
2. zu einem allumfassenden „Jenseits“ ohne Kausalität (irreale Außenwelt)?
[Moderator: stark gekürzt. Das für die Diskussion des Artikels Notwendige, ist geblieben.]
Ihre Unterscheidung innere/äußere Wirklichkeit anstelle von Diesseits/Jenseits trifft meine Absicht nicht. Für mich ist das Diesseits alles, was wir erkenntnismäßig haben. Das Jenseits, für manche eben die Realität, ist nur über das Diesseits zugänglich. Unser Wissen ist also total diesseitig. Genau deshalb können wir auch die Grenze zwischen Diesseits und Jenseits nicht ausmachen. Wir können zwar sehen, aber dieses Sehen können wir nicht sehen.
@ Timm Grams 17. Februar 2023 um 21:30 Uhr
Zitat: „Unser Wissen ist also total diesseitig. Genau deshalb können wir auch die Grenze zwischen Diesseits und Jenseits nicht ausmachen.“
Ich meine, das Problem war, dass man ehemals geahnt hat, dass es so etwas wie eine „Seele“, heute ungefähr „Software“ geben müsse, es aber letztlich „jenseits“ der Vorstellung lag.
Mit dem Konzept „Prozessor“, „Prozess“, “Information“, wie es die Informatiker verfolgen, kommt man den Problemen nahe. Der Begriff „Jenseits“ (der Vorstellung) dürfte sich immer mehr in Richtung des (noch) „Unbekannten“ verschieben.
Bei der „Seele“ ist möglicherweise das Problem, das es „Zwischenstufen“, nicht nur rein informelle „DNA“ und „Meme“ gibt. Abgesehen von Mikroben (von Menschen) die den Tod überstehen, bleiben auch immer weniger werdende Moleküle der „ursprünglichen“ DNA „übrig“.
Würde Ihrer Meinung nach, das Konzept der Informatiker „Prozessor“, „Prozess“, “Information“ reichen, um theoretisch „alles“ (auch Energie, oder die Teilchenphysik) erklären zu können?
Könnten Sie sich auch vorstellen, dass man auch z.B. die Psychoakustik (Peter Schöne) völlig, auch als durch das neuronale System „durchgängig“ sieht?
Die „Schallwellen“ gelangen im Ohr zur „Umsetzung“ in elektrische Signale, die werden verarbeitet, ausgewertet, gespeichert (Strukturerweiterung), können auch an einer „Bewusstseinssensorik“ (physikalisch wie auch immer) zur internen „Abbildung“, demnach „bewusst“ oder „unterbewusst“ zur Auswertung kommen.
Insgesamt kann letztlich über die Sprechwerkzeuge systematisch „mutierter“ sprachlicher Output generiert werden und das System wäre, selbst wenn externe elektronische Kommunikationstechnik eingesetzt würde „durchgängig“?
A. Statt die Begriffe der inneren und äußeren Wirklichkeit zu benutzen, kann ich mich ebenso gut in den Begriffen von Diesseits und Jenseits ausdrücken, wenn dies Ihre Absicht besser trifft. Mein Ziel ist es, die Grenze auszuloten, die der Skeptiker zwischen Diesseits und Jenseits zieht.
B. Wenn Sie – in diesem Sinne – mir antworten, dass die Grenze zwischen Diesseits und Jenseits nicht auszumachen ist, dann greife ich zur Verdeutlichung zunächst auf einige Kernbotschaften Ihres Artikels zurück. Kein direkter Zugriff, kein kausaler Zusammenhang, ohne die verursachende Realität denken, jenseitige Ursache nicht identifizierbar, nichtsinnliche Ursache gänzlich unbekannt, Subject X, welches nur durch die Gedanken, die seine Prädicate sind, erkannt wird:
B.1. „Da wir keinen direkten Zugriff auf die äußere Realität haben, wurden immer wieder Zweifel am Realismus geäußert. Das genau ist die Haltung des philosophischen Skeptikers. Demgegenüber nimmt der Realist an, dass das Diesseits das Jenseits zumindest ausschnitts- und näherungsweise wiedergibt.“ (Timm Grams)
B.2. „Die Zusammenhänge zwischen Jenseits und Diesseits bleiben ungeklärt: Kausalbeziehungen zwischen Jenseitigem und Diesseitigem lassen sich nicht ausmachen. Dem Realismus fehlt jeglicher Erklärungswert.“ (Timm Grams)
B.3. „Das hätte hier zur Konsequenz, dass man sich die Welt der Erscheinungen ohne die verursachende Realität denken müsste. Auf das, was wir uns wegdenken müssten, haben wir nur Zugriff über die Erscheinungen der inneren Wirklichkeit. Die jenseitige Ursache dieser Vorstellungen ist nicht identifizierbar. Damit laufen die Kausalitätsüberlegungen ins Leere. Bereits Kant hat diese Sackgasse des Denkens als „Antinomien der reinen Vernunft sechster Abschnitt“ (1787) klar benannt:
B.4. „Die nichtsinnliche Ursache dieser Vorstellungen ist uns gänzlich unbekannt, und diese können wir daher nicht als Objekt anschauen“. (Kant zitiert nach Timm Grams)“
B.5. (und Timm Grams:) „Im Abschnitt „Von den Paralogismen der reinen Vernunft“ schreibt Kant: „Durch dieses Ich oder Er oder Es (das Ding), welches denkt, wird nun nichts weiter als ein transcendentales Subject der Gedanken vorgestellt =X, welches nur durch die Gedanken, die seine Prädicate sind, erkannt wird, und wovon wir abgesondert niemals den mindesten Begriff haben.“ (Kant, 2011, S. 332)
Es hat den Anschein, dass alle Bande zwischen Diesseits und Jenseits gekappt sind. Während Grams – abgesehen von der natürlich klar abgelehnten Kausalität – wenigstens noch einen indirekten Zugriff auf des Jenseits offen lässt und erklärt: „Die Zusammenhänge zwischen Jenseits und Diesseits bleiben ungeklärt“, stellt Kant sein „Ding, welches denkt,“ bzw. sein „Subjekt der Gedanken X“ so streng vor, dass es
„nur durch die Gedanken, die seine Prädicate sind, erkannt wird. …“ und
„Die nichtsinnliche Ursache dieser Vorstellungen ist uns gänzlich unbekannt, und diese können wir daher nicht als Objekt anschauen“.
Aus logischen Gründen muss es allerdings eine Grenze zwischen Diesseits und Jenseits geben. Grams hat nun klargestellt, „dass die Grenze zwischen Diesseits und Jenseits nicht auszumachen ist“ bzw. dass „Das Jenseits, für manche eben die Realität, nur über das Diesseits zugänglich ist.“ So kann ich mich also vom Diesseits aus daran machen, bis zur Grenze des Jenseits vorzustoßen.
C. Auch ich nehme die Position des philosophischen Skeptikers ein, d.h. auch ich bleibe für die Zwecke dieses Kommentars beim X = DIESSEITS von Timm Grams, das – anstatt ein realistisches Objekt Y als Ursache zu postulieren – eine unbekannte nichtsinnliche Ursache Z im Jenseits wahrzunehmen vermeint.
D. Für die Zwecke dieses Kommentars kann ich es übrigens offenlassen, wie man Gott zum Jenseits zählt, beispielsweise indem X, mein ICH, den besagten Gott gedanklich – gemäß dem heidnischen Polytheismus – der NATUR zurechnet, oder ob mein X den Gott zu einer noch ferneren jenseitigen Welt zählt, indem man ihn per Monotheismus einer ÜBERNATUR zurechnet. Diese Art von transzendentaler Grenze ist hier nicht von Interesse und spielt im Folgenden keine Rolle. Es wurde außerdem an anderer Stelle vielfach darauf hingewiesen, dass der religiös-metaphysische Überbau für den Skeptiker irrelevant ist und keine diesbezüglichen Dogmen oder Wahrheits ansprüche anerkannt werden.
E. Die Kant´sche Aussage „Die nichtsinnliche Ursache dieser Vorstellungen ist uns gänzlich unbekannt, und diese können wir daher nicht als Objekt anschauen.“ ist nicht prüfbar und daher von metaphysischer Natur. Zwischen einer bekannten, sinnlichen, diesseitigen Erscheinung X und einer unbekannten, nichtsinnlichen, jenseitigen Ursache Z liegt eine metaphysische Lücke. Obwohl die Aussage also nichtwissenschaftlich ist, so ist sie doch ein Beispiel dafür, wie auch nichtwissenschaftliche Aussagen Orientierung bieten können.
An dieser Stelle genügt es, festzustellen, dass diese skeptische Metaphysik immer noch wesentlich sparsamer ausfällt als die Metaphysik des Naturalisten, der ja entgegen Kant unbedingt den Realismus voraussetzt. Trotz dieser unvermeidlichen Ontologie bleibt der Skeptizismus also die Nullhypothese der Wahl.
So hindert mich – auch von dieser Seite her betrachtet – nichts daran, vom Diesseits aus bis zur Grenze des Jenseits vorzustoßen. Soviel zu meinen Voraussetzungen.
Ihren Gedanken, von innen nach außen an die Grenze vorzustoßen, kann ich sehr gut nachvollziehen. Ich kann aber nicht sehen, wie wir der Horizont-Illusion entgehen können.
Ich vermute, dass das folgende Modell bezüglich aller Jenseits-Konfigurationen und aller Wahrnehmungstäuschungen offen ist. Hierzu gehört auch die Mondtäuschung.
Nun zum Modell. Als Naturwissenschaftler haben wir die psychoakustisch gemessenen Übertragungsfunktionen zunächst in einer Black Box symbolisiert. Die Merkmale Lautstärkepegel und Frequenz sind Teil des Jenseits, die Lautheit und die Tonheit sind Teil des Diesseits. Nach den Hörversuchen kann man reproduzierbare Übertragungsfunktionen zwischen dem physikalischen Eingangssignal Ton und den Merkmalen der Tonempfindung angeben, wie in der Physik, so auch in der Psychophysik. Dadurch, nämlich durch eine klare Definition von Empfindungsgrößen, wie hier die Lautheit und die Tonheit, ist die „Über-Alles-Funktion“ der Black Box für dieses spezielle Tonsignal ordentlich untersucht.
Das Ausgangsignal der Box, nämlich die (nach all den Verarbeitungen) abschließende Aussage „Dieser Ton hört sich für mich halb so laut (oder doppelt so hoch) an wie der andere Ton“ ist KEINE Repräsentation, sondern gehört zur Psychologie des Bewusstseins. Wenn die neurophysiologisch Forschenden im auditorischen Cortex Muster finden, welche die empfundene Verdoppelung oder Halbierung eines Quale gut repräsentieren, so ist die Arbeit der Forschenden getan. Für alle praktischen Zwecke braucht man nicht mehr bzw. nichts Genaueres zu wissen.
Durch die sehr gute Reproduzierbarkeit der psychoakustischen Messfunktionen und durch die geringen interindividuellen Unterschiede wissen wir, dass Empfindungen der genannten Art bei allen gesunden Versuchspersonen sehr ähnlich sind. Die Eigenschaften (beispielsweise des Gehörs) lassen sich ermitteln –auch für komplexere Schallereignisse, als es reine Töne sind.
In der Psychophysik werden also mithilfe des forschenden Bewusstseins Teile des Bewusstseins erforscht. Wo soll das Problem sein? Seit Weber-Fechner (gestorben 1878 bzw. 1887) kann man Empfindungsgrößen immer besser definieren. In der Psychophysik gab es von Anfang an nicht nur qualitative, sondern auch quantitative Ansätze. „Das Weber-Fechner-Gesetz ist die Formulierung einer psycho-physischen Beziehung in der Sinnesphysiologie und besagt, dass ein linearer Zuwachs der (psychisch) subjektiv empfundenen Stärke von Sinneseindrücken dem Logarithmus des Zuwachses der (physikalisch) objektiv messbaren Intensität des Reizes entspricht“ (Wikipedia). So korrespondieren etwa Empfindungswerte 1, 2, 3, 4, 5, 6, zu Reizintensitäten 1, 10, 100, 1000, 10 000, 100 000… Durch diese logarithmische Untersetzung vom Diesseits in Richtung Jenseits gesehen gewinnen die Sinnesorgane ihre große Dynamikverarbeitung.
Fazit und Formulierungsversuch anhand der Box: Die Grenze X des Diesseits zum Jenseits liegt dort, wo das von Kant definierte ICH bezüglich des betrachteten Quale (Lautheit, Tonheit, usw.) auf die nächstgelegene Repräsentation im Gehirn trifft.
Durch diese Definition vermeidet der Skeptiker insbesondere die naturalistische Verlegenheit, dass man als Realist bekanntlich das ICH erstens als Forschungsobjekt zur Natur zählen und zweitens als Erkenntnissubjekt X außerhalb der Natur ansiedeln muss. Demgegenüber erklärt der moderne, in sich widerspruchsfreie, skeptische Dualismus von Diesseits und Jenseits mehr als jener in sich widersprüchliche Realismus: Das diesseitige Kant’sche ICH kann – wie an der Grenzstelle X gezeigt – nicht nur Gedanken über das repräsentierte Jenseits, sondern auch Gedanken über sein eigenes X hegen.
[Moderator: Stark gekürzt]
Mir ist unklar, wie Sie die Vorstellungsbilder über physikalische Größen ins Jenseits verschieben, also zur Realität erklären:
Alles was Sie beschreiben, also alles was wir empfinden und auch alles was wir messen, gehört zu unseren Vorstellungsbildern, ist also diesseitig.
Die Aussage „Dieser Ton hört sich für mich halb so laut (oder doppelt so hoch) an wie der andere Ton“ ist für Sie
Für mich ist es ein unkorrigierbarer Bericht (Richard Rorty) über Geistiges, über interne Repräsentationen.
Sie:
Meine frühe Auseinandersetzung mit diesen Fragen habe ich im fünften Intermezzo: Der Agnostiker beschrieben.
Es ist also kein Wunder, dass ich Ihr „Fazit“ nicht verstehen kann. Ich wiederhole mich: Alles ist Repräsentation, das Ich kommt nicht vor. Offenbar kann man das auch anders sehen, nämlich so, wie beispielsweise die Verfechter des ontologischen Naturalismus.
@ Peter Schöne
Mit Philosophie habe ich wenig am Hut, aber aus Sicht des Naturwissenschaftlers vergallopieren Sie sich da:
Wir können zwar Gedanken austauschen, aber selbst basale Empfindungen wie die zu Lauten nicht wirklich. Was wir sagen können und was Sie auch sagen, ist, dass physikalisch ausgelöste Empfindungen einer Person reproduzierbar sind. Was wir können und was wir auch tun, ist die sprachliche Beschreibung dieser Empfindung im Austausch an gemeinsam erlebten Reizen zu eichen, so dass wir für z.B. mit der Kodierung „Gelb“ einen weitgehend identischen Frequenzumfang an Licht bezeichnen. Unsere Kommunikation über das Außen auf dieser Basis ist deshalb erfolgreich. Die Empfindungen, die wir dabei haben, sind aber nicht nur von diesem Reiz abhängig, sondern wesentlich auch von der persönlichen Geschichte, in die viel mehr eingeht als die Sozialisation, sie beginnt bereits mit der Eichung der Sinnesorgane durch Selbststimulation im Mutterleib.
Dass die Empfindungen ähnlich sind, ist eine gut begründbare Annahme, aber als Wissen im strengen Sinn würde ich das nicht bezeichnen.
@ Timm Grams
Ich habe da etwas weniger Schwierigkeiten mit. Ich halte das Ich genauso wie den menschlichen Geist für eine kulturelle Errungenschaft, die sich mit der Erfindung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in der Sprache durch die damit mögliche Erfahrung der zeitlichen Kontinuität eines Systems, die auch durch die Kommunikation mit anderen Systemen gestützt wird.
Das bedeutet dann allerdings, dass es schwierig wird, das Ich nur als Eigenschaft einer einzelnen Person dingfest zu machen. Man übersieht dabei, dass wir – und unsere Kulturen, d.h. auch unsere Gesellschaften – Ergebnisse einer Evolution in einer physikalischen Welt sind.
Frank Wohlgemuth:
Das sehe ich jeweils auch so. Bei elementaren Qualia wie Lautheit oder Tonheit allerdings spielt die Sozialisation keine Rolle. Bei einem komplexeren Quale wie „Lästigkeit“ findet man dann systematische kulturelle Unterschiede, beispielsweise zwischen Deutschen und Japanern.
Frank Wohlgemuth:
Frank Wohlgemuth als Antwort auf Timm Grams:
Dem stimme ich jeweils zu. Allerdings spielt die Sozialisation bei elementaren Empfindungsgrößen wie Lautheit, Tonheit, Schwankungsstärke, Rauhigkeit, Hörschwellen usw. fast keine Rolle. Man kann tatsächlich die elementaren Eigenschaften des „Gehörs“ bestimmen, so wie es sich evolutionär entwickelt hat.
1. Bei komplexeren Empfindungsgrößen wie „Lästigkeit“ usw. findet man kulturelle Unterschiede; an denen kann man dann weiterforschen.
2. Vielleicht handelt es sich nicht um „Wissen im strengen Sinne“. Aber das ist in der Physik, wo man in der ersten Übungsstunde eine Theorie der Messfehler erlernt, auch nicht anders als in der Psychophysik. In dieser Beziehung gibt es keinen Unterschied.
3. Wenn sich ein spezieller individueller Unterschied bemerkbar macht, weil ein Gehörschaden dahinter steht, dann ermittelt man die entsprechende Empfindungsgröße dieses Individuums, z.B. die altersbedingte Ruhehörschwelle bei hohen Frequenzen. Das ist so wie in der Physik oder Technik, wenn man ein defektes mit einem intakten Gerät vergleicht.
4. Der einzige wirklich greifbare Unterschied liegt in dem Forschungsobjekt „Gehör“ selbst. Und das scheint mir im vorliegenden Blog „Der Realismus erklärt nichts“ von Interesse zu sein, weil es auf ZWEIFACHE Weise in das Mentale hineinreicht.
Wenn es um Empfindungen geht, dann stehen dem Protokollanten bestenfalls Beschreibungen zur Verfügung. Welche Empfindung ich beim Anblick einer roten Rose habe und welche bei der Fanfare von Also sprach Zarathustra, wird ein anderer niemals erfahren, egal, wie blumenreich ich das Erlebnis ausdrücke. Intersubjektiv nachprüfbare Messungen halte ich für unmöglich. Der Wissenschaftler wird sich mit den Protokollen begnügen müssen.
Der psycho-physikalisch arbeitende Wissenschaftler muss sich gewiss MIT DEN PROTOKOLLEN BEGNÜGEN. Allerdings erhält er bei jenen elementaren Empfindungen (ich wiederhole mich) praktisch die gleichen Protokolle von den verschiedensten Personen. Der Versuchsleiter kann sich auch selbst den Kopfhörer aufsetzen und die Protokolle der anderen bestätigen oder widerlegen. Ob das als intersubjektiver Vergleich im strengen Sinne durchgeht, ist für mich schwer zu sagen.
Bei komplexeren Signalen (ich wiederhole mich) muss man genauer hinschauen. Der Anblick einer roten Rose, lästige Geräusche, die Fanfare von Also sprach Zarathustra, alle optischen Wahrnehmungsillusionen wie die Mond- und Horizonttäuschung, alle akustischen Täuschungen usw. können im Prinzip durch geschickte Wahl von Empfindungsgrößen angegangen werden. Wenn die Forschenden dann wiederum die praktisch gleichen Protokolle von den verschiedensten Personen bekämen, könnten sie wiederum intersubjektive Aussagen machen, bzw. vorsichtiger ausgedrückt, könnten sie die interindividuellen Unterschiede durch geringe Streuungen der Protokolle zum Ausdruck bringen.
Nein, das kann nicht durchgehen, weil diese Protokolle quasi verabredet sind. Sie verwechseln die Beschreibung des Reizes mit einer der Empfindung. Ich walze mal aus, was ich am 21. Februar 2023 festgestellt habe:
Um diese Konstanz in den Protokollen zu erklären, reicht es, dass die Empfindungen innerhalb einer Person reproduzierbar sind. Wir lernen in unserer Sozialisation den sprachlichen Ausdruck zur Beschreibung dessen, was den Reiz in uns auslöst. Das Ausgelöste, also die Empfindung oder etwas verschwurbelt, das Quale, muss individuell reproduzierbar sein, um dieses sprachliche Lernen zu ermöglichen, aber intersubjektiv müsste es nicht einmal ähnlich sein, um den Kommunikationserfolg, von dem die Protokolle zeugen, möglich zu machen. Dass wir in unserer Sozialisation lernen, einen bestimmten Frequenzumfang elektromagnetischer Strahlung als GELB zu bezeichnen, muss aber nicht bedeuten, dass wir dabei wirklich etwas Ähnliches empfinden.
Ich hatte ein persönliches Aha-Erlebnis zu diesem Thema, als ich mit jemandem in einer ornithologischen Arbeit im Gelände unterwegs war und er die isolierten Federn aus dem Brustgefieder eines Grünfinken, die ich aus einer Rupfung in der Hand hielt, als rot beschrieb. Auf meine Frage, ob es sein könne, dass er rot-grün-blind sei, antwortete er nur, dass man das schon seit seiner Kindheit behaupte, dass das aber nicht stimme ….
Für die Empfindung selbst gilt das Grams’sche Axiom:
Wo die Beobachtungen Ihrer Psychophysik dem Kriterium der Intersubjektivität genügen, das sind die Beobachtungen, die sich nicht mit der Empfindung allgemein sondern nur mit dem Verhältnis von Reizstärke zu Empfindungsstärke befassen.
Hallo Herr Grams,
ich habe meinen Beitrag vom 20. Februar, 19.04 Uhr noch einmal unter die Lupe genommen.
1. Jenseits und Realität
Es trifft zu, dass ich die Merkmale oder Repräsentationen Lautstärkepegel und Frequenz als Teil des Jenseits verortet habe; dabei habe ich aber keine physikalischen Größen (oder gar Vorstellungen von physikalischen Größen) zur Realität erklärt; nicht einmal aus Versehen. Vielmehr gehört Folgendes zu meinen Voraussetzungen laut meinem Kommentar vom 20. Februar, 11.54 Uhr, Abschnitt C:
„C. Auch ich nehme die Position des philosophischen Skeptikers ein, d.h. auch ich bleibe für die Zwecke dieses Kommentars beim X = DIESSEITS von Timm Grams, das – anstatt ein realistisches Objekt Y als Ursache zu postulieren – eine unbekannte nichtsinnliche Ursache Z im Jenseits wahrzunehmen vermeint.“
2. Repräsentationen
Wenn wir unsere Erscheinungen und Vorstellungsbilder, die wir als Berichte über Mentales kommunizieren, auch als eine Art von Repräsentationen definieren wollen, dann handelt es sich doch um besondere, nämlich „interne“ Repräsentationen. Die von mir angesprochenen Muster im auditorischen Cortex, welche die empfundene Verdoppelung oder Halbierung einer Empfindungsgröße gut repräsentieren, wären dann „externe“ Repräsentationen der Erscheinungen. Aus meiner Sicht macht es einen Unterschied, wenn man als Hörer oder Betrachter ohne Hilfsmittel über solche internen Repräsentationen berichten kann (Ja, Nein), während für die externen Repräsentationen im Prinzip Messgeräte im weitesten Sinne des Wortes abzulesen sind. Ein weiterer Unterschied besteht nach Rorty darin, dass eine Person über das Mentale (also Erscheinungen, Vorstellungen, Schmerzen, Qualia) „unkorrigierbar“ berichtet. (Quelle: Blog Hoppla, Timm Grams, Artikel Geistartiges). Dem stehen die externen Repräsentationen gegenüber, von denen wir nur „fehlbares Wissen“ haben.
3. Grenze
Aus diesen Unterschieden schließe ich, dass es eine Grenze zwischen intern und extern gibt. Vielleicht lässt sich die Grenze sogar definieren. Die Existenz der Grenze liegt selbst dann nahe, wenn das Anwenden und Ablesen von „Messgeräten im weitesten Sinne“ wiederum nur als eine mentale, interne Repräsentation in Erscheinung tritt. In diesem Fall handelt es sich dann allerdings um eine (mental extern gewonnene) falsifizierbare Repräsentation. Von falsifizierbaren Ergebnissen und Messfehlern handelt eine ganze Wissenschaft. Die Ja-Nein-Aussagen einer Versuchsperson hingegen sind nach Rorty und Grams nicht kritisierbar oder korrigierbar.
@Peter Schöne
Im Kommentar zum fünften Intermezzo fragen Sie, ob sich Ihre Auffassung vom Vorgehen der Psychophysik von meiner Auffassung des Wissenserwerbs unterscheidet. Ich denke: grundsätzlich nein.
Die Differenz betrifft lediglich die Wahl der Begriffe. Da bietet das Leib-Seele-Problem seine ganz eigenen Schwierigkeiten. Meinen Kampf damit habe ich im fünften und später im sechsten Intermezzo aufgeschrieben.
Ihre Differenzierung zwischen Innen und Außen findet ganz im Diesseits statt. Es muss zu Missverständnissen führen, wenn wir dieses Innen mit dem Diesseits (Erscheinungen, Dinge für uns) und dieses Außen mit dem Jenseits (Realität, Dinge an sich) identifizieren. Ich hoffe, das haben wir jetzt bereinigt.
Es liegt mir am Herzen, die rote Linie der obigen Diskussion zusammenzufassen.
– Timm Grams sagt:
(17. Februar 2023 um 21:30 Uhr)
Für mich ist das Diesseits alles, was wir erkenntnismäßig haben. Das Jenseits, für manche eben die Realität, ist nur über das Diesseits zugänglich.
– Peter Schöne sagt:
(20. Februar 2023 um 11:54 Uhr)
Es hat den Anschein, dass alle Bande zwischen Diesseits und Jenseits gekappt sind.
– Timm Grams sagt:
(20. Februar 2023 um 12:12 Uhr)
Ihren Gedanken, von innen nach außen an die Grenze vorzustoßen, kann ich sehr gut nachvollziehen. Ich kann aber nicht sehen, wie wir der Horizont-Illusion entgehen können.
– Peter Schöne sagt:
(20. Februar 2023 um 19:04 Uhr)
Ich vermute, dass das folgende Modell bezüglich ….. aller Wahrnehmungstäuschungen offen ist. Hierzu gehört auch die Mondtäuschung….. In der Psychophysik werden also mithilfe des forschenden Bewusstseins Teile des Bewusstseins erforscht.
– Timm Grams sagt:
(21. Februar 2023 um 13:24 Uhr)
Für mich ist es (Anmerkung: nämlich die Aussage „Dieser Ton hört sich für mich halb so laut ….. an wie der andere Ton“) ein unkorrigierbarer Bericht (Richard Rorty) über Geistiges, über interne Repräsentationen. ….. Ich wiederhole mich: Alles ist Repräsentation, das Ich kommt nicht vor.
– Frank Wohlgemuth sagt:
(21. Februar 2023 um 14:50 Uhr)
Ich habe da etwas weniger Schwierigkeiten mit. Ich halte das Ich genauso wie den menschlichen Geist für eine kulturelle Errungenschaft, die sich mit der Erfindung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in der Sprache durch die damit mögliche Erfahrung der zeitlichen Kontinuität eines Systems, die auch durch die Kommunikation mit anderen Systemen gestützt wird.
Das bedeutet dann allerdings, dass es schwierig wird, das Ich nur als Eigenschaft einer einzelnen Person dingfest zu machen. Man übersieht dabei, dass wir – und unsere Kulturen, d.h. auch unsere Gesellschaften – Ergebnisse einer Evolution in einer physikalischen Welt sind.
– Peter Schöne sagt:
(22. Februar 2023 um 11:47 Uhr)
Allerdings spielt die Sozialisation bei elementaren Empfindungsgrößen wie Lautheit, Tonheit, Schwankungsstärke, Rauhigkeit, Hörschwellen usw. fast keine Rolle. Man kann tatsächlich die elementaren Eigenschaften des „Gehörs“ bestimmen, so wie es sich evolutionär entwickelt hat…… Der einzige wirklich greifbare Unterschied (Anmerkung: zur Physik) liegt in dem Forschungsobjekt „Gehör“ selbst. Und das scheint mir im vorliegenden Blog „Der Realismus erklärt nichts“ von Interesse zu sein, weil es (Anmerkung: es = das Gehör) auf ZWEIFACHE Weise in das Mentale hineinreicht.
– Timm Grams sagt:
(22. Februar 2023 um 13:49 Uhr)
Intersubjektiv nachprüfbare Messungen halte ich für unmöglich. Der Wissenschaftler wird sich mit den Protokollen begnügen müssen.
– Peter Schöne sagt:
(22. Februar 2023 um 20:09 Uhr)
Der psychophysikalisch arbeitende Wissenschaftler muss sich gewiss MIT DEN PROTOKOLLEN BEGNÜGEN. Allerdings erhält er bei jenen elementaren Empfindungen ….. praktisch die gleichen Protokolle von den verschiedensten Personen. ….. Man kann tatsächlich die elementaren Eigenschaften des „Gehörs“ bestimmen, so wie es sich evolutionär entwickelt hat. … wiederum die praktisch gleichen Protokolle von den verschiedensten Personen … wiederum intersubjektive Aussagen ….., bzw. vorsichtiger ausgedrückt, ….. die interindividuellen Unterschiede durch geringe Streuungen der Protokolle zum Ausdruck bringen.
– Timm Grams sagt:
(23. Februar 2023 um 09:31 Uhr)
Im Kommentar zum fünften Intermezzo fragen Sie, ob sich Ihre Auffassung vom Vorgehen der Psychophysik von meiner Auffassung des Wissenserwerbs unterscheidet. Ich denke: grundsätzlich nein.
Ihre Aussagen waren für mich sehr hilfreich; vielen Dank.
@ Peter Schöne
Sie sind nicht darauf eingegangen, dass man keine Ähnlichkeit der Empfindung in den unterschiedlichen Individuen braucht, um die Ähnlichkeit der Protokolle zu erklären, und dass aus diesem Grund die Protokolle nichts über die Empfindung selbst aussagen.
@ Peter Schöne
Ich halte fest: 1. Das Nachdenken über das Denken führt in einen Reflexionsstrudel. 2. Das Geistige und das Ich sind nicht objektivierbar.
Frank Wohlgemuth sagt:
21. Februar 2023 um 14:50 Uhr
„Als Antwort auf @ Peter Schöne:
Durch …… die geringen interindividuellen Unterschiede wissen wir, dass Empfindungen der genannten Art bei allen gesunden Versuchspersonen sehr ähnlich sind.“
Frank Wohlgemuth sagt darauf:
Wir können zwar Gedanken austauschen, aber selbst basale Empfindungen wie die zu Lauten nicht wirklich. …… Was wir können und was wir auch tun, ist die sprachliche Beschreibung dieser Empfindung im Austausch an gemeinsam erlebten Reizen zu eichen, so dass wir für z.B. mit der Kodierung „Gelb“ einen weitgehend identischen Frequenzumfang an Licht bezeichnen. Unsere Kommunikation über das Außen auf dieser Basis ist deshalb erfolgreich. …… Dass die Empfindungen ähnlich sind, ist eine gut begründbare Annahme, aber als Wissen im strengen Sinn würde ich das nicht bezeichnen.
Frank Wohlgemuth sagt:
23. Februar 2023 um 20:57 Uhr
Als Antwort auf @ Peter Schöne:
Sie sind nicht darauf eingegangen, dass man keine Ähnlichkeit der Empfindung in den unterschiedlichen Individuen braucht, um die Ähnlichkeit der Protokolle zu erklären, und dass aus diesem Grund die Protokolle nichts über die Empfindung selbst aussagen.
Antwort Peter Schöne:
Das elementare SCHALLEREIGNIS „Ton“ wird von unserem Gehör analog zu jener anderen Verarbeitung behandelt: Das elementare VISUELLE Ereignis „Gelb“ wird ja von unserem Augensinn ebenso protokolliert. Wie Sie ganz richtig bemerken, EICHEN wir als Hörer und Betrachter die sprachliche Beschreibung dieser Empfindungen – im Austausch, d.h. in der Kommunikation mit Anderen – AN GEMEINSAM ERLEBTEN REIZEN. Unsere Kommunikation über das Außen ist auf dieser Basis anscheinend erfolgreich.
Das ist – wie ich finde – schon eine ganze Menge. Für den reinen Naturwissenschaftler ist die Sache damit sogar schon zu Ende und geklärt. Man muss (etwa für die automatische Spracherkennung) nicht mehr wissen als es die genannten Protokolle hergeben. Jedenfalls funktioniert die automatische Spracherkennung, mit der die Psychoakustik bereits um das Jahr 1977 herum begonnen hat, inzwischen gut – ohne Metaphysik.
Aber wie könnte man die zunächst nur formale Ähnlichkeit der Protokolle erklären? Ihr weiterer Frageschritt geht von der Psychophysik mitten hinein in die Metaphysik, mit welch letzterer Sie anscheinend und erfreulicherweise doch „etwas am Hut haben“. Was passiert also in der ganz wirklichen Wirklichkeit (abgelehnter Realismus)? Was passiert im Kopf mit den ganz und gar phänomenalen Erscheinungs- und Vorstellungsbildern (akzeptierter Skeptizismus)? Was passiert im Kopf in seiner ganz und gar INNEREN Welt?
Das weiß ich im Sinne eines SICHEREN WISSENS natürlich auch nicht. Die Protokolle sagen in diesem strengen Sinn tatsächlich nichts „über die Empfindung selbst“ aus. Viel mehr als eine gut begründbare Annahme, dass die Empfindungen der Individuen ähnlich sind (Frank Wohlgemuth), scheint auch mir nicht möglich zu sein. Ich halte es an dieser Stelle metaphysisch mit Timm Grams (Fünftes Intermezzo: Der Agnostiker):
Wissen
Es gibt viele Menschen und deshalb auch viele Welten. Dennoch bleiben Sprachverwirrung und grundlegendes gegenseitiges Unverständnis aus. Denn glücklicherweise können wir uns über wesentliche Teile unserer Vorstellungsbilder einigen, meistens jedenfalls. Die intersubjektiv nachprüfbaren Bestandteile nennen wir Wissen. Glaubensakte sind für den Wissenserwerb nicht erforderlich. Die Regeln des kritischen Rationalismus genügen (Karl Raimund Popper, 1902-1994).
Hinzufügen könnte ich noch bezüglich der Individualentwicklung des Gehörs, dass unsere individuellen Gene wahrscheinlich – nämlich aufgrund des ständigen Austauschs in der Evolution des Menschen –konvergiert sind in Richtung auf eine phylogenetisch und ontogenetisch ähnliche Entwicklung des Gehörs.
@ Peter Schöne
Sehr wahrscheinlich würden einige meiner Kollegen da zustimmen, ich halte es für falsch.
An der Stelle komme ich dann nochmal, ohne dazu irgendeinen Namen nennen zu können, auf das Wissen zurück.
Ich kann heute, wenn ich mich über das Wissen der Menschheit unterhalte, keine einzelne allgemeingültige Definition mehr benutzen und möchte mindestens zwei Formen des Wissens unterscheiden: Da ist zum einen das Wissen oder für (hinreichend) wahr gehaltene, das wir als Basis unseres Handelns benutzen, man könnte es als praktisches Wissen bezeichnen, das die unterschiedlichsten Ursprünge haben kann – auch religiöses Wissen kann dazugehören. Seit wir versucht haben, den Wissenserwerb in kulturübergreifende Regeln zu zwängen wie den methodischen Materialismus oder Forderung der Reproduzierbarkeit, kurz das, was wir heute Wissenschaft nennen, gibt es andere Anforderungen an das Wissen als früher, und in der Wissenschaft wird die Hypothese erst dann zum Wissen, wenn sie nicht nur im Versuch belegt, sondern auch theoretisch nach den Regeln der Logik bewiesen ist.
Das gilt auch und gerade in den Naturwissenschaften. Zu Ihrem Beispiel: Die Ähnlichkeit der durch identische physikalische Reize erzeugten Empfindungen in unterschiedlichen Individuen ist eine nach heutigem Stand nicht beweisbare Arbeitshypothese.
Die Versuche mit den protokollarischen Ergebnissen, die Sie gemacht haben, widerlegen dieser Hypothese nicht, sie belegen sie aber auch nicht. Das heißt, dass sie vom Standpunkt der Wissenschaft nicht geeignet sind, die Korrektheit der Hypothese zu klären. Wer diese Hypothese nicht weiter erforscht, sondern sie auf dieser Basis, weil nicht widerlegt, als Handlungsgrundlage nimmt, verlässt die Wissenschaft und wird zum Ingenieur. Der Wissenschaftler wird sich weder zu den Empfindungen noch zu deren postulierter Ähnlichkeit in verschiedenen Individuen äußern, solange ihm das Instrumentarium zu deren Messung fehlt. Dass die Befragung dazu nicht geeignet ist, darüber haben wir beide Einigkeit erlangt.
Zur Evolution nur soviel:
Die Evolution der Sinne bleibt da „stehen“, wo keine „bezahlbare“ Verbesserung der Sinne mehr möglich ist. Die Qualität der Sinne zeigt sich in der Ermöglichung einer angemessenen Reaktion aus dem Repertoire der Art auf einen Reiz. Relativ zu den normalen physikalischen Reizen Licht und Geräusch sind – bezogen auf unseren Lebensformtyp – unsere menschlichen Sinne schon lange „fertig“, auch wenn wir bei anderen Lebensformtypen wie z.B. Beutegreifern bei Augen oder Ohren ein sehr viel höher auflösendes Instrumentarium sehen. Die neuere Evolution des menschlichen Gehörs, von der wir ausgehen können, dürfte sich im Wesentlichen auf seine Eignung zum Erkennen der menschlichen Sprache beschränkt haben, weil sie damit das soziale Verhalten erleichterte und dadurch zu einem erhöhten Reproduktionserfolg führen konnte.
Vielleicht erklärt das im Verein mit der interindividullen Übereinkunft der Vorstellungsbilder, warum die gesamte Psychophysik keine grundsätzlichen Schwierigkeiten mit sogenannten Empfindungsgrössen hat.
1. Um der gesuchten Grenze zwischen dem Diesseits der Wahrnehmung und dem nur vermuteten Jenseits des Wahrgenommenen näherzukommen, gehe ich von Kant aus, und zwar mit den Begriffen, wie ich sie schon in einem früheren Kommentar zu Kant und Grams zitiert habe:
(Zitat B5) „Durch dieses Ich oder Er oder Es (das Ding), welches denkt, wird nun nichts weiter als ein transcendentales Subject der Gedanken vorgestellt =X, welches nur durch die Gedanken, die seine Prädicate sind, erkannt wird, und wovon wir abgesondert niemals den mindesten Begriff haben.“
(Zitat B4) „Die nichtsinnliche Ursache dieser Vorstellungen ist uns gänzlich unbekannt, und diese können wir daher nicht als Objekt anschauen“.
2. Das Subjekt der Gedanken nenne ich mit Kant X. Die unbekannte, angeblich realistische Ursache bestimmter „Vorstellungen in X“ nenne ich Y. Kants Subject oder Ding vollbringt nun zweierlei Funktionen: Erstens erkennt es – durch seine prädikativen Gedanken – sich selbst als ein Subject X, welches denkt (Zitat B5). Zweitens hegt es Vorstellungen über nichtsinnliche Ursachen, die es unbekannten Objekten Y zuschreibt (Zitat B4).
Zitat B4 enthält Kants skeptische Metaphysik, der sich Timm Grams grundsätzlich angeschlossen hat, also skeptisch gegenüber einer angeblich objektiven oder scheinbar realistischen Außenwahrnehmung Y zu sein. Auch ich sehe den Realismus Y als nicht direkt zugänglich und als nicht erklärungsmächtig an.
Zitat B5 beschreibt den besonderen, von Kant herausgehobenen Status von X. Es ist nicht etwa nur das Ding X oder Subject X, welches denkt, sondern es ist, genauer bestimmt, das Ding X, das durch eben diese Gedanken ERKANNT WIRD. Die Definition bei Kant enthält also BEIDE ASPEKTE, die in der Forschung gebraucht werden: Der eine Aspekt kann in seiner Eigenschaft als erkennendes Subject X die scheinbar von außen kommenden Vorstellungen anschauen UND der andere Aspekt kann in seiner Eigenschaft als Ding X erkannt (und damit erforscht) werden.
3. In diesem Zusammenhang möchte ich kurz auf das bereits explizierte Beispiel aus der Psychophysik aufmerksam machen. Im Diesseits des Bewusstseins wird der Wert 2 als doppelt so ausgeprägt empfunden wie der Wert 1, der Wert 3 wirkt nur halb so stark wie der Wert 6 usw. Diese Protokolle beruhen auf typischen Fragen an die Versuchsperson wie z.B.: „Klingt – ausgehend von einem Referenzton – der andere Ton mehr als doppelt so laut oder weniger als doppelt so laut?“ Darauf erhält man reproduzierbare Ja-Nein-Protokolle, mit deren Hilfe man den jeweils als doppelt so laut empfundenen Ton usw. ausmachen kann.
4. Wir haben oben festgestellt, dass das Kant‘sche X (in seiner Eigenschaft als erkennendes Subjekt X1) die von außen kommenden Vorstellungen der beiden Töne „anschauen“ (oder je nach Sinnesorgan „anhören“) kann. Damit ist die eine der beiden obigen Funktionen erfüllt (Zitat B4). Das gleiche X kann nun (in seiner Eigenschaft als Ding X2) zwei Empfindungsgrößen vergleichen und sogar skalieren. Es ist laut Kant ja das Ding X, das durch seine Gedanken, hier der Gedanke „Ton 2 ist doppelt so laut wie Ton 1“ oder der Gedanke „Ton 2 ist halb so hoch wie Ton 1“ erkannt (und damit erforscht) wird (Zitat B5). Diese intern vergleichenden Aussagen der Versuchsperson scheinen mir keine physikalischen Repräsentationen, sondern Teil der Psychologie des Bewusstseins zu sein (Zitat B5). Hier erkennt das X – durch seine prädikativen Gedanken – sich selbst als das Ding X2, welches denkt (Zitat B5).
In der Psychophysik werden also Teile des menschlichen Bewusstseins mithilfe des forschenden Bewusstseins erforscht. Das soll weder apodiktisch noch trivial herüberkommen. Immerhin wurde diese Aussage im Verlauf der Kommentare verneint.
Ihre Aussage „Zweitens hegt es Vorstellungen über nichtsinnliche Ursachen, die es unbekannten Objekten Y zuschreibt“ können Sie nicht auf Immanuel Kant zurückführen. In Kants Denken hat das Y keinen Platz, in meinem auch nicht. Das Transzendentale ist die begriffliche Grenzlinie zur Transzendenz. Darüber hinaus reicht unser Denken einfach nicht. Also braucht es auch keine Objektbezeichner. Solche schaffen meines Erachtens nur Verwirrung.
Wissensunterscheidung nach Herrn Wohlgemuth:
1. Praktisches und handlungsbegründendes Wissen
2. Theoretisches und logisches Wissen
„Die Ähnlichkeit der durch identische physikalische Reize erzeugten Empfindungen in unterschiedlichen Individuen ist eine nach heutigem Stand nicht beweisbare Arbeitshypothese.“
„In der Wissenschaft wird die Hypothese erst dann zum Wissen, wenn sie nicht nur im Versuch belegt, sondern auch theoretisch nach den Regeln der Logik bewiesen ist.“
„Das heißt, dass sie (gemeint sind die protokollarischen Ergebnisse von Hörversuchen) vom Standpunkt der Wissenschaft nicht geeignet sind, die Korrektheit der Hypothese zu klären.“
Meine Rückfragen dazu:
a) Ich verstehe Ihre Wissensunterscheidung so, dass theoretisches und logisches Wissen wesentlich höhere Ansprüche stellt als praktisches und handlungsbegründendes Wissen. Habe ich Sie da richtig verstanden?
b) Was für GELB gilt, gilt auch für TON. Wir EICHEN als Betrachter und Zuhörer die sprachliche Beschreibung dieser Empfindungen AN GEMEINSAM ERLEBTEN REIZEN. Unsere Kommunikation über das Außen ist auf dieser Basis anscheinend erfolgreich. Ich habe das Gefühl, dass Sie gerade hinter diese Übereinkunft zurückfallen?
c) Ich sehe im Moment nicht, dass Sie auf mein Argument eingehen würden, dem zufolge unsere individuellen Gene im Laufe der Evolution des Menschen konvergiert sind in Richtung auf eine phylogenetisch und ontogenetisch ähnliche Entwicklung jedes gesunden menschlichen Gehörs. Ich könnte Ihnen hierfür Belege nennen, wenn Sie das wünschen. Dass sehr ÄHNLICH STRUKTURIERTE Systeme bei GLEICHEN Reizsignalen sehr ÄHNLICHE AUSGANGSSIGNALE hervorbringen, scheint mir sowohl für die Physik (z.B. automatische Spracherkennungssysteme) als auch für die Psychophysik (z.B. Gehör als Spracherkennungssystem) mehr als naheliegend zu sein.
@ Peter Schöne
a) Ja. Gehandelt wird im Moment. Da muss ich das Wissen benutzen, das im Moment vorhanden ist, da galten / gelten auch Annäherungen oder auch einfach tradiertes Wissen, von dem im Grunde nicht mehr bekannt ist, als dass die Ahnen damit überlebt haben.
Wissenschaft, wie wir sie heute verstehen, hat andere Ansprüche.
b) Nein, ich falle nicht dahinter zurück, aber aus c) sehe ich Ihr Problem. Nur als Hinweis: Wenn ich das Ausgangssignal aus der Sensorik mit der Empfindung gleichsetze, kommen ich dahin, dass auch Roboter Empfindungen haben – ich werde normalerweise schon angegriffen, wenn ich sage, dass sie das funktionale Äquivalent dazu haben. Aber auch dieses Äquivalent kommt nicht ohne die Software dahinter aus, die die Signale, die von der Sensorik kommen, bewertet. Von der Software, die zwischen den Ausgangssignalen unserer Sensorik und der Empfindung steht, haben wir nur insofern einen Hauch von Ahnung, als wir wissen, dass wir Empfindungen über unterschiedliche Eingriffe ändern können, so wie wir Sie auch hervorrufen können, ohne, dass die Sensorik überhaupt etwas meldet. Ein Auftreten von Empfindungen ohne Sensorik sind z.B. sogenannte Phantomschmerzen, bei denen Menschen über Schmerzen in Gliedmaßen berichten, die sie nicht mehr besitzen. Um auf diese Software hinzuweisen hatte ich von dem Kollegen erzählt, der behauptete die Farben Rot und Grün zu sehen, obwohl der die Sensorik dazu nicht hatte.
Nun wieder zu b)
Vorab:
* Die Empfindung ist nicht mit dem Ausgangssignal der Sensorik gleichzusetzen (s.o.)
** Für die Funktion der Empfindung für das Individuum ist es nur wichtig, dass innerhalb des Individuums die Beziehung zwischen Reiz und Empfindung konstant ist, so dass identische Reize an identischen Empfindungen erkannt werden können.
*** Die Empfindung selbst ist nicht kommunizierbar.
Jetzt machen wir einen theoretischen Versuch, bei dem die Arbeitshypothese, lautet, dass Empfindungen zu einem bestimmten Reiz zwar innerhalb eines Individuums konstant sind, aber ansonsten zufällig. Um eine Empfindung zu kennzeichnen benutze ich eine willkürliche Ziffernfolge.
Wir haben Kind A, das bei einem Licht der Wellenlänge 570nm die Empfindung 0815 hat. Während seiner Sozialisation lernt es, dass diese Empfindung „Gelb“ heißt.
Wir haben Kind B, das bei einem Licht der Wellenlänge 570nm die Empfindung 4711 hat. Während seiner Sozialisation lernt es, dass diese Empfindung „Gelb“ heißt.
Dann gehen beide in das Institut für Psychophysik, man hält ihnen Tafeln vor, die Licht der Wellenlänge 570nm abstrahlen, beide sagen „GELB“ und man ist im Institut ganz glücklich, dass man zeigen konnte, dass beide bei Licht der Wellenlänge 570nm die selbe Empfindung haben.
Dabei hat der eine bei Licht der Wellenlänge 570nm immer noch die Empfindung 0815 und der andere immer noch die Empfindung 4711.
@ Frank Wohlgemuth 25. Februar 2023 um 19:38 Uhr
Zitat: „Wenn ich das Ausgangssignal aus der Sensorik mit der Empfindung gleichsetze, kommen ich dahin, dass auch Roboter Empfindungen haben – ich werde normalerweise schon angegriffen, wenn ich sage, dass sie das funktionale Äquivalent dazu haben.
Eine Sensorik muss keinesfalls „zwingend empfindend“ sein, sie sendet normalerweise nur Signale aus. Aber z.B. die besondere Sensorik im Auge (Stäbchen, Zapfen?) könnten jeweils „direkt empfindend“ sein. (Allenfalls nicht auszuschließen, im Zusammenwirken mit einer weiteren Struktur, anschaulich eine Art von ping – pong.) In ihrer Gesamtheit könnten die „Bildpixel“ zu einem Bild „emergieren“. Die nachgeschalteten Strukturen wären sozusagen der „Auswerteprozessor“ der ermittelt, dass die Oma mit ihrem Hund zu sehen ist…..
„Irgendwelche Strukturen“ sollten es schon sein die „empfinden“ können, naheliegender Weise z.B. gleich die im Auge. Es ist jedenfalls nicht zweckmäßig, irgend einen geheimnisvollen Homunkulus oder „Wunder“ dahinter zu vermuten.
Zitat: „Ein Auftreten von Empfindungen ohne Sensorik sind z.B. sogenannte Phantomschmerzen, bei denen Menschen über Schmerzen in Gliedmaßen berichten, die sie nicht mehr besitzen. Um auf diese Software hinzuweisen hatte ich von dem Kollegen erzählt, der behauptete die Farben Rot und Grün zu sehen, obwohl der die Sensorik dazu nicht hatte.
Ihr Kollege ist einfach falsch „kalibriert“. Der kann den für „Normalos“ großen Unterschied zwischen rot – grün einfach nicht richtig wahrnehmen.
Phantomschmerzen dürften auch von einer Sensorik abstammen, z.B. von entsprechenden Zellen im Bereich des „Stumpfes“. Die Schmerzen werden nur fehlerhaft lokalisiert, weil sie z.B. über genau die Nervenbahnen (und allenfalls im passenden Zeitschlitz) zum Gehirn geleitet werden, über die früher die Reize von der großen Zehe geleitet wurden.
Angeblich wurde im Dunstkreis von Prof. Birbaumer ermittelt, dass dann wenn bei der Amputation die Schnittstelle zusätzlich zur Narkose auch lokal betäubt wird, das Phantomschmerz Risiko sinkt, wie übrigens auch dann, wenn z.B. im Krieg, überhaupt ohne Narkose operiert wurde.
Meine persönliche Interpretation falls es sich tatsächlich so verhalten würde:
Konventionell, nur Vollnarkose: Neuronale sensorische Strukturen hauptsächlich am Stumpf verknüpfen sich bei der Amputation neu, sie „lernen um“, die lokalisierenden Strukturen im Hirn nicht, weil sie wegen der Betäubung deaktiviert sind, nicht „umlernen“ können. Folge ist dass Reize falsch lokalisiert werden.
Vollnarkose und Betäubung: Beide „Enden“ verknüpfen sich nicht neu, weil Verknüpfungen nur bei
Signalen auftreten, was aber wegen der beiden „Betäubungen“ unterbunden ist. Auf der von „ihrer Sensorik“ getrennten „Leitung“ werden keine (weniger) Impulse mehr ins Gehirn geleitet.
Gar keine Betäubung: Beide Strukturen „lernen um“. Dann kann zwar der Stumpf „schmerzen“, aber nicht mehr die nicht mehr vorhandene Zehe, was besonders ärgerlich ist. Das Gehirn hat sozusagen „gelernt“ dass der Sensor neu verschaltet ist. Schmerz kann man lokal bekämpfen. Z.B. Salben, aber angeblich hat auch Alufolie geholfen?
Es gibt im Bezug auf das „Empfindungsphänomen“ auch Gerüchte die aus ehemaligen Nazi Forschungsstätten stammen, aber seriöse Wissenschaftler regen sich nur unnötig auf wenn sie derartiges lesen (müssen).
Ergänzung: Das was ich „Empfindung“ nennen würde, kann natürlich nur z.B. einen neuronalen Netz „realisiert“ werden. Wenn der Transfer der Signale zu den zentralen Strukturen nicht existiert oder unterbunden ist, können einem „Empfindungen“ auch nicht (zumindest in diesem Zustand) „bewusst“ werden.
Es ist allerdings denkmöglich, dass sie nachträglich, unter bestimmten Umständen, doch noch (teilweise) ins „gesamte Bewusstsein“ geraten. Dies würde gewisse Effekte (angebliche Wahrnehmungen in Narkose) erklären.
Sie schreiben
Das ist die durchweg kraftlose Möglichkeitsform des Ahnens und Wähnens. Wenn sie schreiben
dann klingt das nach naivem Realismus: Wir nehmen wahr, was ist. Ich kann mir nicht vorstellen, dass unter den Naturalisten oder auch unter den Konstruktivisten, die sich hier ein Stelldichein geben, irgendjemand diese Gedanken aufgreift.
@ Frank Wohlgemuth 25. Februar 2023
zu a
Es erschließt sich mir nicht, was die Wissensunterscheidung im vorliegenden Kontext erbringen soll.
zu b
Ich habe an keiner Stelle das Ausgangssignal aus der Sensorik mit der Empfindung gleichgesetzt. Die Ausgangssignale der menschlichen Sensorik sind vielmehr als EEG und fMRT messbar.
zu c
Die Arbeitshypothese, dass die Empfindung interindividuell zufällig sei, macht einen willkürlichen, unbewiesenen Eindruck. Der umgekehrte Nachweis, dass das Gehör aus genetischen Gründen individuell gleichartig strukturiert ist, wurde wiederum übergangen.
Ich frage mich, ob Sie an der ontologischen Frage wirklich interessiert sind, was eine Person in sich erlebt, wenn sie einen Ton hört oder eine Farbe sieht. Wenn ja, dann könnten Sie auf breiter Front in die Metaphysik einsteigen, wie es bekannte Naturwissenschaftler getan haben, anstatt über 0815 und 4711 zu spekulieren. Wie kann man denn Ihrer Ansicht nach die frappierende interindividuelle Ähnlichkeit der Protokollaussagen ja/nein ALTERNATIV erklären? Die Sozialisation (ich wiederhole mich) gibt an dieser Stelle keine Erklärung. Die Protokollaussagen ja/nein haben mit Sozialisation nachweislich nichts zu tun. Bei ja/nein muss die Person nicht erlernen, zu welchem Frequenzbereich man „Gelb“ oder „Ton“ sagen sollte. Und diese spezielle elementare Empfindung ja/nein (ich wiederhole mich) ist selbstverständlich kommunizierbar.
@ Peter Schöne
Sie haben Recht. „Die ontologische Frage“ hat mich nie interessiert, ich war immer mehr für das wissenschaftliche Handwerk zuständig. Mein Interesse galt der genauen Fragestellung des Projektes, den vorhandenen vorhandenen (oft ungeprüften) Vorannahmen und deren Begründungen, dem Zusammenhang der Fragestellung mit den Beobachtungen / Messungen, den Toleranzen und der Wiederholbarkeit der Messungen. Und falls die Daten methodisch sauber gesammelt worden waren, habe ich auch darin unterstützt, aus Zahlenfriedhöfen einigermaßen gesichert nachvollziehbare Aussagen zu extrahieren, um nicht nur Balken- Torten- oder sonstige Diagramme zu erzeugen, die regelmäßig nur verschleiern sollen, dass man selbst nicht so genau weiß, was man da gemessen hat.
Und da komme ich auch wieder zu Ihnen: Wer tatsächlich meint, im EEG und in dem immerhin erheblich höher auflösenden fMRT die Ausgangssignale der menschlichen Sensorik vor sich zu sehen, der macht auch vom Satelliten aus nächtliche Helligkeitsmessungen bewohnter Gebiete, um damit das menschliche Liebesleben zu untersuchen.
Ich habe übrigens keine neue Arbeitshypothese aufgestellt, dass die Empfindung interindividuell zufällig sei, sondern nur Ihre implizite Arbeitshypothese, dass sie es nicht sei, fallenlassen und dann mit einer Fallbetrachtung vorgeführt, dass Sie es mit Ihrer Methodik nicht bemerken würden, wenn diese Hypothese falsch ist.
Ich bin dafür, den Dialog denn auch mit dieser Demonstration des gegenseitigen Unverständnisses zu beenden.
@ Timm Grams 26. Februar 2023 um 09:49 Uhr
Zitat von Elektroniker: „„Irgendwelche Strukturen“ sollten es schon sein die „empfinden“ können, naheliegender Weise z.B. gleich die im Auge… „
Zitat von Grams: „….dann klingt das nach naivem Realismus: Wir nehmen wahr, was ist. Ich kann mir nicht vorstellen, dass unter den Naturalisten oder auch unter den Konstruktivisten, die sich hier ein Stelldichein geben, irgendjemand diese Gedanken aufgreift.“
Sie haben natürlich völlig recht. Ich finde es durchaus beachtlich, dass Sie meinen Beitrag akzeptiert haben. Man kann nur schwer mit seinem „guten Namen“ dazu stehen. Vielleicht könnten Sie dennoch ein „Brainstorming“ von Teilnehmern, die sich nur mit einem „Nick“ melden, akzeptieren?
Wenn jemand etwas „extrem Komplexes“ (wie Denkprozesse, Empfindungen und Bewusstsein) auf derartige, eigentlich selbstverständliche „Banalitäten herunterbricht“, begeht er ein „Sakrileg“ an der „Wissenschaft“. Es darf einfach nicht wahr sein, die „Schande“ wäre grenzenlos.
Ein seriöser Mensch darf derartiges nicht einmal denken, höchstens ein alter „Desperado“ dem alles „Wurscht“ und der (fast) nur mehr ein Zyniker ist, kann derartige Fragen stellen.
Die durchweg kraftlose Möglichkeitsform des „Ahnens und Wähnens“ und auch das „Brainstorming“ stehen häufig am Anfang auch neuer Gedankengänge.
Ich möchte selbst auf scheinbar große Widersprüche in meinem Text eingehen.
Es scheint ein großer Widerspruch wenn man behauptet, dass die „ersten Empfindungen“ z.B. an der Netzhaut auftreten, damit unabsichtlich impliziert wird, es verhalte sich so, wie man eben ein Bild „sieht“. Die müssten auch noch nach einer Narkose auftreten, weil ja nur das „Zentrum“ narkotisiert ist. Die „Empfindungen“ sollten demnach erst im „Zentrum“ des Gehirns entstehen.
Man impliziert fälschlich, dass an der Netzhaut im Auge „alle“ Empfindungen „entstehen“. Also z.B. die Oma mit ihrem Hund, 20 Nachbarhäuser von Herrn Müller, Maier, …., weiße Wolken am blauen Himmel, Bäume mit bunten Blättern oder Nadeln, Menschen, Autos, Fahrräder im Hintergrund…..
„Technisch“ verhält es sich allerdings ganz anders. An der Netzhaut entsteht nur ein „dummes“ Bild aus „Bildpixel“, mit sehr begrenzten Empfindungen, und ausgehenden Signalen, sonst nichts.
Erst die davon ausgehenden verknüpften Signale, solange sie überhaupt (wegen der Narkose) „ausgehen“ können, generieren in den Strukturen zunächst „Mikromuster“ bis hin zu den aus früheren gelernten bereits bekannten Mustern, wo immer auch im Zentrum die zur „Anzeige“ kommen. Dabei wird zunehmend der Input von anderen „Organen“ eingebunden, die letztlich ins „gesamte“ Bewusstsein gelangen. Das ist im Narkosefall unterbunden.
Eine Vollnarkose dürfte so weit im neuronalen System Richtung Peripherie wirken, dass praktisch nichts mehr wahrgenommen wird, nicht einmal die „Bildpixel“, die verschwinden eher als letztes.
Es könnte aber sehr wohl (trotz Vollnarkose), zu strukturellen Veränderungen kommen, die z.B. die „Stumpfsensorik“ mit den ehemaligen Leitungen „zur großen Zehe“ synaptisch verknüpfen, wenn diese Sensorik nicht mittels lokaler Betäubung zusätzlich deaktiviert wird (Phantomschmerz).
Diese Details der technischen Sicht, sollten eigentlich den naheliegend scheinenden Widerspruch aufklären können. Allenfalls sogar das Phänomen, dass mitunter narkotisierte Personen nachträglich von Wahrnehmungen im OP Saal sprechen die sie eigentlich gar nicht wahrnehmen konnten.
Meiner Meinung nach entstehen sie deswegen, weil Infokomponenten in den nicht ausreichend betäubten Strukturen „gespeichert“ und nachträglich rekonstruiert werden können ….
Ich meine, man sollte versuchen die Prozesse immer besser zu verstehen. Denkverbote/Blockaden sind nicht wirklich hilfreich. Ich bin für das Konzept des „Brainstorming“.
Diesen Gesprächsfaden führe ich nur fort, wenn Kommentare unter Klarnamen erscheinen und bei auffindbarer Telefonnummer.
Sehr geehrter Herr Wohlgemuth,
ich danke Ihnen – ohne alle Ironie – dafür, dass Sie mich bis zu einem Argument getrieben haben, das anscheinend gut brauchbar ist, wenn es gilt, die Psychophysik zu stützen: der Einfluss der genetischen Ähnlichkeit und Vielfalt auf die Sinnesorgane.
Mit freundlichen Grüßen
Peter Schöne, Aschheim
@ Frank Wohlgemuth
@ Peter Schöne
Ich habe Ihre Diskussion nur oberflächlich verfolgt.
Herrn Wohlgemuth geht es vermutlich darum, dass das „Empfindungsphänomen“ zu wenig erforscht ist und man nicht wirklich weiß, ob z.B. „grün“ bei jedem Menschen „gleich“ empfunden wird.
Herrn Schöne kommt es vermutlich darauf an, dass Patienten die Hörhilfen benötigen, mit der Hörhilfe annähernd so gut wie vorher, oder wenn sie überhaupt noch nicht gehört haben, halbwegs brauchbar hören können. Die Frage der „absolut gleichen Empfindung“ ist nicht wirklich relevant.
„Menschliche Bastarde“ die häufig verschiedenfarbige Augen haben, empfinden Farbeindrücke etwas unterschiedlich (Farbstich), abhängig davon mit welchem Auge sie sehen.
Vermutlich kann man das Empfindungsphänomen aus ethischen Gründen nicht an Menschen erforschen.
Vermutlich würden sich, im Zusammenhang mit einer „passenden Hypothese“ (z.B. Valenzelektronen Muster H.) die „Zapfen“ im Auge gut eignen, da sie vermutlich wesentlich die Farbempfindungen generieren dürften.
Wären die biochemisch/physikalischen (z.B. Ladungsträgeremission) Parameter absolut gleich, sollten auch die Empfindungen gleich sein. Allenfalls könnten sogar Zusammenhänge von gemessenen Abweichungen mit veränderter Wahrnehmung analysiert werden.
Ausgangspunkt der Sensorik Forschung waren die Erkenntnisse über den Photoelektrischen Effekt.
@ H.F. Weinfurter
Das „Empfindungsphänomen“ oder die „Qualia“ sind nicht deshalb so wenig erforscht, weil das ethisch nicht vertretbar wäre, sondern weil wir schlicht keine Ahnung haben, wo oder wie sie entstehen. Bei relativ dazu globalen Methoden wie EEG und fMRT, mit denen einigermaßen zeitnahe Reaktionen im zentralen Nervensystem festgestellt werden, haben wir keinen blassen Schimmer, was diese Reaktionen alles enthalten und wofür sie genau stehen.
Mal abgesehen davon, dass Sie in Sachen Valenzelektronen einen ähnlichen Schulschaden zu haben scheinen, wie der Kollege Elektroniker, muss ich Sie doch mal fragen, was Sie sich vorstellen, was in den übrigen ca 80 Milliarden Neuronen so nach Ihrer Meinung abläuft, die dazu pro Stück noch bis zu 20 000 Synapsen haben, wenn es die Zapfen sind, die die Gefühle „generieren“? (Wobei die Augen der Vertebraten insofern tatsächlich eine Sonderstellung haben, als die Netzhaut ontogenetisch so etwas wie eine Ausstülpung des Gehirnes darstellt). Und ganz nebenbei: Wie wollen Sie Valenzelektroden in vivo untersuchen? (Vom Standpunkt der Forschung aus sind Hypothesen immer nur „passend“, wenn sie sich auch untersuchen lassen. Ansonsten sind sie unpassend.)
Und wenn Sie von den „biochemischen uns physikalischen Parametern“ sprechen, habe ich auch da die Frage, an welcher Stelle des Gehirns die denn auftreten sollen, um zur gleichen Empfindung zu führen. Von den Messproblemen in dem Zusammenhang will ich gar nicht sprechen.
Falls bei meinen ganzen dummen Fragen der Eindruck entstehen sollte, ich meinte, dass das Thema prinzipiell nicht erforschbar sei, so täuscht das. Allerdings sehe ich im Moment kaum Erfolg versprechende Ansätze.
@ Frank Wohlgemuth 27. Februar 2023 um 19:25 Uhr
Zitat: „Das „Empfindungsphänomen“ oder die „Qualia“ sind nicht deshalb so wenig erforscht, weil das ethisch nicht vertretbar wäre, sondern weil wir schlicht keine Ahnung haben, wo oder wie sie entstehen. Bei relativ dazu globalen Methoden wie EEG und fMRT, ……“
EEG und fMRT eigenen sich, wenn es um Messungen an einzelnen Zellen, womöglich an Molekülen geht, überhaupt nicht. Selbst die Patch-Clamp-Technik dürfte viel zu „grob“ sein, außer sie wurde weiter entwickelt.
Die „Valenzelektronen Muster Hypothese“ entspricht einfach, weil es um Muster geht, dem „Zeitgeist“. Fachlich zuständig sind, ähnlich wie ehemals bei den Forschungen zum Photoelektrischen Effekt, die Physiker – Chemiker, die übrigens auch in der technischen Sensorforschung an der Front arbeiten.
„Musterverarbeitung“ ist bekanntlich die Basis der KI, übrigens auch der Informationsverarbeitung im neuronalen System und das dürfte mit dem aktuellen Mainstream konform sein.
Es ist nicht unbedingt abwegig, den Zapfen im Auge, die für das „Farbsehen“ wichtig sind, auch eine direkte „Empfindungsfähigkeit“ zuzutrauen.
Würde man theoretisch, als „Gedankenexperiment“ (Stichworte: Stammzellen, Netzhauttransplantation??), Patienten mit Wahrnehmungsfehlern, „normale“ neuronale Strukturen, in ein zufällig „krankes Auge“ transplantieren, könnten die Patienten danach berichten, wie es sich „anfühlt“ wenn man abwechselnd mit seinem „alten“ und danach mit seinem „neuen“ Auge auf Farbflächen schaut. Diesen einfachen Test ohne Messungen, könnte man sogar bei bereits operierten „passenden“ Patienten nachträglich machen.
Es könnte Korrelationen der Empfindungen mit den genauen Daten der „Zapfentypen“ geben. Allerdings ist das Problem, dass z.B. ein Rot – Grün Fehler gar nicht an den Zapfen liegen muss, sondern die entsprechenden Informationen gar nicht an das Zentrum weiter geleitet werden. Das würde sozusagen bedeuten, das Gehirn „kennt“ den womöglich intakten „Grünsensor“ nicht und ignoriert ihn…..
Die Zapfen im Auge sind natürlich nur für die Farbempfindungen „zuständig“. Wie in der Technik dürfte es auch in biologischen Systemen sehr viele Sensortypen geben, die für den vielfältigen Input sozusagen „sensibel“ sind. Dabei entstehen Signale, die im Neuronalen Netz verknüpft werden, letztlich entstehen die allgemein bekannten Funktionen und anders als in der Technik, zusätzlich Empfindungen, letztlich sogar Bewusstsein.
Das neuronale Netz im Gehirn ist im Sinne von McCulloch eine stark verzweigtes, höchst redundantes „Gattersystem“. Es verhält sich, ähnlich wie früher „Prozesssteuerungen“ (für die Industrie) in der Elektronik. Salopp formuliert übernehmen in der Biologie die Synapsen die Funktion von Dioden und Lötpunkten die früher Techniker oder ein Automat eingelötet haben, damit die gewünschten Steuerungsfunktionen realisiert werden konnten.
Die Gatter entsprechen grob gesagt den Neuronen. Allerdings hatten die technischen Systeme nur bis zu maximal, sagen wir einmal rund 20000 Gatter, im neuronalen System gibt es geschätzt 100 Milliarden Neuronen und über 100 Billionen Synapsen die miteinander kommunizieren.
Im Zusammenhang mit der Synapsenbildung (E. Kandel) ist das biologische System extrem flexibel, auch weil gemäß der Hebbschen Regel die Synapsenbildung sozusagen „automatisch“ erfolgt. In diesem Sinne kann das „Wissen“ im System „abgebildet“ werden. Das Konzept ist normalerweise nur von Fachtechnikern und Mathematikern (Boolsche Algebra), oder von interessierten Menschen die das neugierig und ohne Vorurteile sehen können, nachvollziehbar.
Um die „biochemischen und physikalischen Parameter“ messen zu können, muss man sich eben geeignete Strukturen aussuchen. Die Zapfen im Auge scheinen zweckmäßig. Vielleicht gibt es auch eine andere, periphere auch empfindungsfähige Sensorik, die für Messungen besser zugänglich ist.
Vielleicht gibt es sogar Empfindungsstörungen wo einfach die Sensorik teilweise defekt geworden ist um dort Vergleichsmessungen zu machen.
Ihre Fragen sind völlig realistisch, aber es ist der Job der Forscher phantasievolle Lösungen zu finden.
Im technischen „Service“ sind derartige „Tricks“ (z.B. „Vertauschtrick“) wie ich sie angeführt habe völlig alltäglich bei der (Problem=)Fehlersuche.
Man muss nur anderen Fachgebieten neugierig über die Schulter sehen und ihre Tricks abkupfern…. Nur hat z.B. ein Automechaniker keine ethischen Probleme wenn er z.B. Zündkerzen einfach vertauscht und beobachtet ob der Fehler „mitwandert“.
Sie sprechen von der „Valenzelektronen Muster Hypothese“. Diese entspreche „einfach, weil es um Muster geht, dem Zeitgeist“. Sie verweisen nirgends, auch nur ansatzweise, auf eine prüfbare Hypothese. Solche Hypothesen zu finden, überlassen Sie den Fachleuten: „Fachlich zuständig sind, ähnlich wie ehemals bei den Forschungen zum Photoelektrischen Effekt, die Physiker – Chemiker, die übrigens auch in der technischen Sensorforschung an der Front arbeiten.“ Damit sind Sie aus dem Spiel. Eine substanzhaltige Antwort können Sie nicht erwarten. Ihr spekulativer Stil in konsequenter Möglichkeitsform bietet keinen Ansatzpunkt für eine konstruktive Kritik. Bestenfalls wird es Leute geben, die darüber den Kopf schütteln und die das auch unbedingt mitzuteilen wünschen.
@ Timm Grams 28. Februar 2023 um 09:46 Uhr
Dass ich im Zusammenhang mit einer „Valenzelektronen Muster Hypothese“ keine Antwort erhalten kann, ist mir völlig klar. Gäbe es irgendwo einen „Insider“ der das zufällig liest, was absolut unwahrscheinlich ist, so würde der niemals antworten, weil er aus Geheimhaltungsgründen einen „Maulkorb“ tragen müsste.
Andererseits habe ich gelernt, dass die Forschung immerzu ihr Wissen erweitern möchte. Die Chemiker haben z.B. das Problem der verschiedenen Arten der Atomaren/Molekularen Bindungen erforscht. Das ist absolut grundlegend in der Chemie, praktisch das ganze Wissen über Chemie geht darauf zurück, nur das „Empfindungsphänomen“ darf nichts damit zu tun haben….
Interessant scheint die „Wasserstoffbrückenbindung“ weil sie dynamisch ist. Die „Bindungen“ können völlig zufällig auftreten, allenfalls aber auch, wenn z.B. andere Stoffe eingebracht werden, systematische „Muster“ bilden. Das war ehemals Lehrstoff, sogar an Grundschulen. Besonders „witzige Lehrer“ haben sogar hinzugefügt, derartiges werde sogar an „Baumschulen“ vorgetragen.
Diese „Muster“ können stark dynamisch und immer neu sein, aber auch immer „wiederkehrend“. Leider kann ich mich nicht mehr im Detail erinnern, aber ein Chemielehrer brachte die Bildung von Schneeflocken bzw. Eiskristallen, deren besondere „Muster“ (Stichwort: Kondensationskerne) ins Gespräch und natürlich auch, dass z.B. der menschliche Körper angeblich zu rund 80% aus Wasser besteht. Er erwähnte auch, dass diese „Wasserstoffbrückenbindung“ bedeutsam für die Biologie wären.
Auch wurde uns erklärt, dass Forscher sozusagen „neugierige“ Menschen sind, die sich für derartige Details, die den“Normalos“ völlig gleichgültig sind, interessieren.
Zum Thema „Realismus“ gehört auch der Link: https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Prinzipien_der_Kriegspropaganda
mit dem ich Herrn Wohlgemuth schön grüßen möchte. Haargenau diese dort von der Historikerin Anne Morelli 2002 in ihrem Werk veröffentlichten Argumente wurden uns von unseren Lehrern rund 40 Jahre vorher vermittelt. Die trugen bei uns den Titel Professor, was in Deutschland einen Gymnasialprofessor, Studienrat entsprechen würde.
Auf meine ehemaligen Lehrer lasse ich nichts kommen…..
@ H.F. Weinfurter 28. Februar 2023 um 15:06 Uhr
Ups. Das ist also schon der dritte Name, unter dem Sie schreiben.
Kann es sein, dass da ein gewisser Druck dahinter ist?
Hat Ihnen Ihr ehemaliger Lehrer nicht beigebracht, dass es nicht der Inhalt ist, der entscheidet, ob es sich bei einer Nachricht um Propaganda handelt, sondern die Realität?
Die ist vielleicht nicht immer in ihrem vollen Umfang fassbar, aber in relativ freien und nicht gleichgeschalteten Systemen zumindest in ihren groben Zügen.
@ Frank Wohlgemuth 28. Februar 2023 um 19:39 Uhr
Nicht nur der 3. Nick, werter Herr Wohlgemuth. Mir hat einmal jemand vorgerechnet es wären mindestens 17 Namen. Ich bin aber überzeugt, dass er „untertrieben“ hat.
Sie haben insofern recht, als tatsächlich ein Druck dahinter steht. Es ist der Druck des „Alters“ und die Flucht vor „Alzheimer“. „Argumentieren“ soll ein vorzügliches geistiges Training sein, geistige und körperliche Fitness ist das allerwichtigste im Alter.
Ich habe oft und gerne über „Realität“ nachgedacht. Die ist recht individuell, von der persönlichen Einstellung und davon was sie „geprägt“ hat, abhängig.
Ich sehe unser System tatsächlich als recht frei und bin allen Politikern sehr dankbar dass wir 77 Jahre im Frieden leben durften, von Adenauer, Schröder, Merkel, Scholz und selbstverständlich ganz besonders auch Frau Wagenknecht, die sich verzweifelt und glaubhaft um Frieden bemüht.
Friede ist fast eine Ausnahme. Mein Vater und ein Bruder waren einmal im Krieg, der Großvater und ein anderer Bruder 2 mal…..
Ich komme zurück auf zwei Hypothesen, die von Herrn Wohlgemuth und von mir aufgestellt wurden.
Gegenüberstellung und Vergleich der Hypothese Wohlgemuth und der Hypothese Schöne
1. Wohlgemuth: Die subjektiven Empfindungen von Individuen können zumindest theoretisch bei gleichem Sinnesreiz und bei gleichen Protokollaussagen der Personen INTERINDIVIDULL BELIEBIG verteilt sein. Beispiel: empfundene LAUTHEIT beim I.ten Individuum = NI = 0815 und beim II.ten Individuum = NII = 4711.
2. Schöne: Die subjektiven Empfindungen von Individuen sind bei gleichem Sinnesreiz und bei gleichen Protokollaussagen INTERINDIVIDUELL ÄHNLICH verteilt. Beispiel empfundene Lautheit N [sone] = NI ~ NII für die beiden Individuen I und II.
3. Schluss: Die letztgenannte Hypothese beschreibt die Wirklichkeit besser, weil nicht nur die Protokollaussagen P = ja/nein für Individuum I und II ähnlich ausfallen, sondern auch die Strukturen des gesunden Gehörs für Individuum I und II GENETISCH ÄHNLICH sind.