Die Giordano-Bruno-Stiftung (GBS): nur wirr oder gar gefährlich?

Die Giordano-Bruno-Stiftung vertritt nach eigener Auskunft „die Position des ‚Evolutionären Humanismus‘, die Mitte des letzten Jahrhunderts von dem bedeutenden Evolutionsbiologen und ersten Generaldirektor der UNESCO, Julian Huxley, formuliert wurde“.

In dem vom Geschäftsführer der GBS Michael Schmidt-Salomon verfassten Manifest des evolutionären Humanismus (erschienen 2005 im einschlägig tätigen Alibri-Verlag) steht der Hinweis auf die philosophischen Grundlagen der Stiftung: „Evolutionäre Humanisten vertreten ein dezidiert naturalistisches Weltbild. Das heißt: Sie gehen von einem Bild des Kosmos aus, in dem ‚alles mit rechten Dingen‘ zugeht.“ Dabei verweist Schmidt-Salomon auf das Werk „Über die Natur der Dinge“ von Mario Bunge und Martin Mahner. Auch der Hinweis auf die Übernatur, bevölkert von Göttern, Dämonen, Hexen und Kobolden, fehlt nicht.

Man will sich also an der Wissenschaft orientieren. Esoterik, Mystizismus, metaphysisches Gedankengut und ganz besonders die Religionen sind es, die es zu bekämpfen gilt. Diese Intention der Stiftung wird durch das 1. (An-)Gebot des evolutionären Humanismus Schmidt-Salomonscher Prägung klar gemacht: „Diene weder fremden noch heimischen ‚Göttern‘ (die bei genauer Betrachtung nichts weiter als naive Primatenhirn-Konstruktionen sind), sondern dem großen Ideal der Ethik, das Leid der Welt zu mindern! Diejenigen, die behaupteten, besonders nah bei ‚Gott‘ zu sein, waren meist jene, die dem Wohl und Wehe der realen Menschen besonders fern standen. Beteilige dich nicht an diesem Trauerspiel! Wer Wissenschaft, Philosophie und Kunst besitzt, braucht keine Religion!“

Aber hoppla! Hier wird doch der Atheismus zur neuen Religion erhoben und auch über den Namensgeber Giordano Bruno haben wir doch etwas ganz anderes gehört und gelesen, als hier unterstellt wird.

Giordano Bruno – Märtyrer der Wissenschaft?

Warum gerade Giordano Bruno und nicht Galileo Galilei? Für eine kämpferische Glaubensgemeinschaft wie die GBS ist Galilei einfach nicht Märtyrer genug! Die Autoren Lawrence S. Lerner und Edward A. Gosselin schreiben in ihrem Aufsatz „Galileo Galilei und der Schatten des Giordano Bruno“: „Galileo ist eine schlechte Besetzung für Heldenrollen“ (Spektr. d. Wiss. 1/1987, S. 102-113).

Und da kommt dieser Vorgänger Galileis, Giordano Bruno, ins Spiel. Einer, der auf dem Scheiterhaufen der Inquisition landete. Dieser Mann macht sich als Märtyrer wesentlich besser. In der Begeisterung für diesen Helden des kopernikanischen  Weltsystems wurde wohl übersehen, dass mit Giordano ein ausgemachter Mystiker zum Helden erwählt wurde: „Giordano versteht das kopernikanische Modell des Sonnensystems falsch“ (Lerner/Gosselin). Und weiter: „Der Wert des kopernikanischen Systems liegt für Giordano Bruno nicht in seinen astronomischen Einzelheiten, sondern in den Möglichkeiten, die es als poetisches und metaphorisches Medium für weitergehende philosophische Spekulationen bietet.“

Giordano Bruno bezieht sich, ebenso wie die heutigen Esoteriker, auf die okkult-esoterische Offenbarungs- und Geheimlehre des sagenhaften Hermes Trismegistos. Was Bruno in Schwierigkeiten brachte, war weniger sein Eintreten für das kopernikanische Weltbild, sondern eher sein Bekehrungseifer im Dienste einer hermetischen Mystik, die sich auf neuplatonische Schriften des 2. und 3. Jahrhunderts berief.

Die Naturalisten stehen in Gegnerschaft zum Mystizismus. Als Vorzeigegestalt des Naturalismus ist Giordano Bruno jedenfalls denkbar ungeeignet. Was die GBS anrichtet, ist wirres Zeug.

Sehr interessant finde ich die personelle Besetzung des GBS-Kuratoriums: Zum Vorstand gehört Dr. Michael Schmidt-Salomon. Im Leitbild der Stiftung steht: „Im Auftrag der Stiftung wurden Huxleys Ideen u.a. im ‚Manifest des evolutionären Humanismus‘ wieder aufgegriffen und auf den Stand der heutigen Forschung gebracht.“ Hier hat also jemand sich selbst einen Auftrag erteilt. Ich erkenne eine Grundfigur wieder, die in diesen Naturalisten-Kreisen hohe Wertschätzung genießt: Selbstüberhöhung durch Zirkelbezug bei gleichzeitiger Immunisierung gegen fremdes Gedankengut.

Im Stiftungsbeirat finden wir einige uns bereits vertraute Personen: Bernulf Kanitscheider, Gerhard Vollmer und Martin Mahner. Sie sind eingefleischte Atheisten und sie fühlen sich in der GBS sicherlich gut aufgehoben. Warum diese Leute, nachdem sie in der  GBS ein lohnendes Tätigkeitsfeld gefunden haben, auch noch die rein wissenschaftsorientierte GWUP auf Linie bringen wollen, bleibt mir ein Rätsel.

Julian Huxley und Eugenik

Da sich die GBS auf Julian Huxley als Namensgeber des Evolutionären Humanismus beruft, sollte sich die Stiftung in Julian-Huxley-Stiftung (JHS) umbenennen. Allerdings bekäme die Stiftung dann ein Problem: Sie müsste sich wortreich von Huxleys Eugenik („Eugenics in Evolutionary Perspective“) distanzieren. Schauen wir uns ein paar Zeilen aus Huxleys Werk „Evolutionary Humanism“, 1964, an.

Die Menschheit sei unvollkommen, meint Huxley, und das in zunehmendem Maße, wenn wir nicht dagegen steuerten. Letzteres gelinge, wenn erst einmal klar sei, was den genetischen Verfall verursacht und indem man fehlerhafte und minderwertige Typen davon abbringe, sich zu vermehren. („The obverse of Man’s actual and potential further defectiveness is the vast extent of his possible future improvement. To effect this, he must first of all check the processes making for genetic deterioration. This means reducing man-made radiation to a minimum, discouraging genetically defective or inferior types from breeding, reducing human overmultiplication in general and the high differential fertility  of various regions, nations and classes in particular.“)

Solcherart Auslese brauche Verhütungs- und Sterilisierungsmethoden in Kombination mit künstlicher Befruchtung oder anderen  Methoden stellvertretender Elternschaft.  („The implementation of negative eugenics […] in practice  will depend on the use of methods of contraception or sterilization, combined where possible with A.I.D. (artificial insemination by donor) or other methods of vicarious parenthood.“)

Es sei zwingend, das genetische Niveau des Menschen hinsichtlich der geistigen und handwerklichen Fähigkeiten anzuheben. In der Praxis lasse sich das wohl mittels künstlicher Befruchtung durch ausgewählte Spender erreichen. (We „must rely increasingly on raising the genetic level of man’s intellectual and practical abilities […] Artificial insemination by selected donors could bring about such a result in practice“.)

Nur insoweit, als diese Überzeugungen auf wissenschaftlichem und überprüftem Wissen beruhen, seien sie geeignet, die menschliche Evolution in die gewünschte Richtung zu lenken. („Only in so far, as those purposes and beliefs are grounded on scientific and tested knowledge, will they serve to steer human evolution in a desirable direction.“)

Wem jetzt noch nicht schlecht geworden ist, der kann sich ja das letzte Kapitel von Huxleys Buch reinziehen.

Der Zweck heiligt die Mittel

Mit dem Satz „Der Zweck heiligt die Mittel“ hat man schon manche Schandtat gerechtfertigt. Folter scheint erlaubt. Der Totalitarismus ist nicht weit. Aber auch der evolutionäre Humanismus hat da einiges zu bieten. Fündig wird man im 4. (An-)Gebot des evolutionären Humanismus: „Du sollst nicht lügen, betrügen, stehlen, töten – es sei denn, es gibt im Notfall keine anderen Möglichkeiten, die Ideale der Humanität durchzusetzen.“

Mich irritiert, dass hier keine Einschränkung gemacht wird. Nur ein paar Beispiele werden genannt: Lügen zugunsten verfolgter Juden und der Tyrannenmord seien erlaubt. Jedoch geht es um etwas anderes, es geht um die „Ideale des Humanismus“ ganz allgemein. Nun tauchen ein paar ganz zentrale Fragen auf: Wer formuliert den Kanon der humanistischen Ideale? Wer soll ihn durchsetzen? Und vor allem: Wie soll das geschehen? Auch mit Lug und Trug?

In welche Zwickmühlen man bei diesem Vorhaben geraten kann, ist den Äußerungen selbsternannter Humanisten zu entnehmen. Peter Singer ist ein solcher. Er hat im Jahr 2011 als einer der Ersten den von der GBS verliehenen Ethikpreis der GBS erhalten.

Utilitarismus

Um der Geisteshaltung des Peter Singer, eine Spielart des Utilitarismus, etwas näher zu kommen, zitiere ich aus einem SPIEGEL-Interview mit der Überschrift „Nicht alles Leben ist heilig“. Kommentieren kann ich das Interview nicht; das würde mich überfordern. Eins zumindest – so meine ich – wird dennoch klar: Die ethischen Normen sollten niemals Angelegenheit nur einer gesellschaftlichen Gruppierung oder nur einer Weltanschauungsgemeinschaft sein.

SPIEGEL: Schon einmal, in der Aufklärung, gab es den Versuch, eine Weltsicht auf die Vernunft zu gründen. Aber damals setzten die Philosophen, anders als Sie, die Würde des Menschen an den Anfang all ihrer Überlegungen.

Singer: Es stimmt, Sie finden diesen Gedanken Ende des 18. Jahrhunderts in der Erklärung der Menschenrechte. Aber nehmen Sie zum Beispiel Kant: Er sagt, der Mensch sei stets als „Zweck an sich selbst“ zu betrachten. Doch wenn Sie sich seine Argumentation genauer ansehen, dann stellen Sie fest, dass er sich auf die Fähigkeit zu Vernunft und Autonomie beruft. Dieser Gedanke ist dann missbraucht worden, um allen menschlichen Wesen diesen Status zuzusprechen – obwohl es keine 30 Sekunden Nachdenken braucht, um sich klar zu machen, dass es durchaus menschliche Wesen gibt, die weder vernunftbegabt noch autonom sind.

SPIEGEL: Lassen Sie uns versuchen, Ihr Denkmodell auf Embryonen anzuwenden. Zunächst: Wann beginnt in Ihren Augen menschliches Leben?

Singer: Darüber gibt es unterschiedliche Meinungen – aber unter ethischem Gesichtspunkt ist es gar nicht furchtbar wichtig, für welche davon man sich entscheidet.

SPIEGEL: Nein? Über keine Frage wird in der gegenwärtigen Debatte um embryonale Stammzellen so erbittert gestritten wie über diese.

Singer: Das ist eben falsch. Moralisch wichtig ist doch nicht, ob ein Embryo menschliches Leben ist, sondern einzig die Frage, welche Fähigkeiten und Eigenschaften er hat. Denn auf diese gründet sich sein moralischer Status.

SPIEGEL: Ein früher Embryo hat aber kaum höhere Fähigkeiten als ein Bakterium oder, sagen wir, eine Kartoffelpflanze. Also steht er mit ihnen auf einer moralischen Stufe?

Singer: Der Unterschied besteht aber darin, dass der Embryo leibliche Eltern hat, denen dieser Embryo etwas bedeuten könnte. Und die hat eine Kartoffelpflanze nicht.

SPIEGEL: Solange aber diese Eltern damit einverstanden wären, könnte man diesen Embryo für jeden beliebigen Zweck verwenden – selbst wenn man Embryos zu einer Schönheitscreme oder einem Potenzmittel verarbeiten wollte?

Singer: Ein ethisches Problem hätte ich damit nicht

[…]

SPIEGEL: Wann wachsen dem Embryo denn, nach Ihrer Auffassung, erstmals irgendwelche Rechte zu?

Singer: Ein wesentlicher Punkt ist das Einsetzen von Schmerzempfinden. Ab diesem Zeitpunkt verdient der Embryo einen gewissen Schutz – ähnlich wie ihn ein Tier auch verdient.

SPIEGEL: Das heißt: Vorher gleicht der Embryo, ethisch betrachtet, einer Kartoffel, nun steigt er auf zum moralischen Wert einer Ratte?

Singer: Was den Embryo selbst betrifft, würde ich die Frage mit „Ja“ beantworten – allerdings mit der Einschränkung, dass es, wie schon gesagt, eine Sicht der Eltern gibt, die es zu berücksichtigen gilt.

[…]

SPIEGEL: Sie koppeln also das Lebensrecht, das höchste aller menschlichen Rechte, an einen Zeitpunkt, den Sie allenfalls sehr vage benennen können?

[…]

Singer: Ich habe einmal den Vorschlag gemacht, eine Phase von 28 Tagen nach der Geburt festzusetzen, nach der dann das volle Lebensrecht erst in Kraft tritt. Das ist zwar ein sehr willkürlicher Zeitpunkt, den wir einer Idee aus dem antiken Griechenland entlehnt haben. Aber es würde den Eltern Zeit für ihre Entscheidungen geben.

[…]

SPIEGEL: Bisher haben wir weitgehend über gesunde Babys gesprochen. Wie aber steht es mit schwer behinderten Babys, die möglicherweise nie volles Bewusstsein ihrer selbst erlangen werden. Kommen die nie im Laufe ihres Lebens in den Genuss eines vollwertigen Rechts zu leben?

Singer: In derartigen Fällen bin ich der Auffassung, dass sie selbst kein derartiges Recht haben. Aber sie können Eltern haben, denen sie etwas bedeuten, die ihnen Liebe geben und die sich um sie kümmern.

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66 Antworten zu Die Giordano-Bruno-Stiftung (GBS): nur wirr oder gar gefährlich?

  1. kamidio sagt:

    Herrlicher Beitrag!

    Dieser Schnapsladen mit dem Möchtegern-Philologen Michael Schmidt-Salomon. Kann sich gleich als zweiter Richard David Precht bewerben. Ging mir schon seit langem gehörig gegen den Strich. Das Obenstehende ist auch nur ein Teil der Peinlichkeiten.

    • Agrippina sagt:

      Vor Leuten, die nicht einmal den Unterschied zwischen Philosophen und Philologen kennen, muss die GBS sich wohl nicht fürchten.

    • Timm Grams sagt:

      Weder noch. Michael Schmidt-Salomon hat gemäß Selbstauskunft Pädagogik studiert.

    • Horst P. Schmidt sagt:

      Kamido : habe leider Unsinn über den Philosophen Michael Schmidt-Salomon erst heute gelesen. Hierbei wird deutlich, dass Unwissenschaft -Unsinn bedeutet wenn sie so pauschal formuliert wird. Überhaupt einen wissenschaftlichen Romancier wie Precht mit dem Philosophen Schmidt -Salomon – der seine wissenschaftliche Themen in Sachbüchern veröffentlicht, zu vergleichen, zeugt von reiner Unkenntnis in der populären Philosophie. „Lesen bildet bekanntlich.“Das gilt auch für den Verfasser Tim Grams mit seinem unausgegorenen Bericht über die GBS !!

    • Timm Grams sagt:

      Leider wieder nichts Konkretes.“Unausgegoren“ sagt sich so leicht dahin. Inhaltlicher Widerspruch verlangt halt etwas Gedankenarbeit. Wer sich die erspart, kommt nicht voran.

    • Philaletes sagt:

      Warum wohl findet man keinen einzigen ILIans in der GBS ?

    • Timm Grams sagt:

      Wer, wie zunächst auch ich, mit dem Begriff ILIans nichts anfangen kann, der findet in der Wikipedia die nötigen Informationen unter dem Stichwort Intertel.

  2. Hypatia sagt:

    Sie greifen willkürlich gewählte historische Fakten über den Namensgeber der GBS auf und reißen ein Interview unkommentiert aus dem Zusammenhang. Worauf wollen sie denn hinaus? Was wollen Sie der GBS eigentlich unterstellen? Ihr Artikel trieft vor subjektiver Aversion gegen etwas, das sie nicht verstehen und es wird leider nicht klar woraus diese resultiert.

  3. Frank Stößel sagt:

    Timm Grams‘ Einschätzung ist nach meiner Ansicht auf jeden Fall für den HVD diskussionswürdig. Deshalb kann ich dem HVD nur raten, sich von den als fragwürdig zitierten Aussagen der gbs zu distanzieren und die eigenen Grundsätze auf „dem praktischen Humanismus widersprechende Infiltrate“ hin zu überprüfen, um nicht seine wertvollen Projekte des tätigen Humanismus zu gefährden. Evolutionäre Humanisten können mit der ihr eigenen Natur-Metaphysik noch so sehr auf „endgültige“ Erkenntnisse zur Lösung der vielschichtigen, chronischen Probleme der Menschheit hoffen. Sie werden „Endgültigkeit“ genauso wenig erreichen wie von ihnen als rückständig betrachtete Anhänger von Religionen. Mitglieder und Anhänger beider nichtreligiöser Organisationen (gbs und HVD) bleiben nach aller Wahrscheinlichkeit genauso wie Religiöse als „Irrtumsgefährdete“ (Timm Grams) in unseren bisherigen Erkenntnismöglichkeiten begrenzt. Noch nebulöser, wo der „anfanglose“ Anfang der Evolution ist, ist ihr vermutlich „endloses“ Ende. Nur wie wir damit im Angesicht dieser metaphysischen Ohnmacht im praktischen Gemeinschaftsleben und im persönlichen Streben nach Glück besser als bisher umgehen, ist die Frage gerade im Jetzt und Hier eines offenen Europas: hoffentlich mit wohl überlegter Toleranz, Empathie und seriösen Methoden.

  4. Timm Grams sagt:

    Durch eine Blog-externe Diskussion dieses Artikels bin ich auf einen Fehler in meiner Argumentation aufmerksam geworden. Im Hauptartikel zitiere ich das Leitbild der Stiftung: „Im Auftrag der Stiftung wurden Huxleys Ideen u.a. im ‚Manifest des evolutionären Humanismus‘ wieder aufgegriffen und auf den Stand der heutigen Forschung gebracht.“ Das kommentiere ich so: „Hier hat also jemand sich selbst einen Auftrag erteilt. Ich erkenne eine Grundfigur wieder, die in diesen Naturalisten-Kreisen hohe Wertschätzung genießt: Selbstüberhöhung durch Zirkelbezug bei gleichzeitiger Immunisierung gegen fremdes Gedankengut.“

    Tatsächlich aber ist an dem „Auftrag“ nichts auszusetzen. Das Verdikt der „Selbstüberhöhung“ und „Immunisierung“ lässt sich damit nicht begründen. Hier ist beim Schreiben das Gesamtbild eingeflossen, das ich mir von der GBS gemacht habe. Leider zu früh.

    Anzeichen für Selbstüberhöhung und Immunisierung finden sich im Manifest des evolutionären Humanismus aber tatsächlich an mehreren Stellen. Nehmen wir nur „Die zehn Angebote des evolutionären Humanismus“. Da wird der Vergleich mit den Zehn Geboten nahegelegt (Selbstüberhöhung) und gleichzeitig findet durch die Vorsilbe „An“ eine Immunisierung gegen Angriffe statt. Joachim Kahl hat sich dazu geäußert („Ethik der Beliebigkeit“). Ein weiteres Beispiel ist die Bezugnahme auf das naturalistische Weltbild von Bunge und Mahner. Mahner formuliert Denkvoraussetzungen (Postulate), die im Rahmen des Denksystems aber auch in Frage zu stellen sind (Zirkelbezug). Wie soll das gehen? Für mich dient der vorgebliche Falsifikationismus der Immunisierung.

    Die Begründung ethischer Normen mit den Naturwissenschaften (vom Sein zum Sollen) ist ein weiteres Beispiel, ebenso „das Leben im Dienst einer ‚größeren Sache'“. Der letztgenannte Imperativ (10. Angebot) steht im Widerspuch zum Gedanken einer evolutionären Entwicklung der Sozialsysteme. Popper – auf den man sich ja auch beruft – lehnt jeden derartigen Totalitarismus ab und spricht von einer „stückweisen Sozialtechnik“.

    Weshalb lege ich mich hier so stark ins Zeug? Für mich steht die Toleranz in der Werteskala ganz oben, und damit auch der Pluralismus der Weltanschauungen. Andererseits gibt es weltanschauungfreie Räume – beispielsweise die Wissenschaft. Und diese Freiheit von Weltanschauung rangiert bei mir auch weit oben. Wenn nun jemand in diesem Bereich seinen Atheismus oder Naturalismus als die naturgegebene Einstellung vertritt und dabei zudringlich wird, dann ist das friedliche Nebeneinander bedroht. Solche Erlebnisse sind der Grund, weshalb ich aufzeige, dass diese Leute mit den inneren Widersprüchen ihres Glaubenssystems genau so leben müssen, wie die anderen Gläubigen auch.

    Ein Überlegenheitsanspruch lässt sich für keine Weltanschauung begründen. Es kommt lediglich darauf an, wie sich die Weltanschauungen auf dem Feld der „praktischen Vernunft“ (Kant) bewähren. Da stimme ich vollkommen mit Frank Stößel überein.

  5. Gregor sagt:

    Die GBS versucht mit dem Manifest des evolutionären Humanismus ein Alternative zu einer zeitgemäßen Leitkultur aufzuzeichnen und weist dabei umfangreich und häufig darauf hin, dass ein wesentlicher Aspekt, der allen Religionen völlig fehlt der ist, dass alles und jedes (auch dieses Leitbild) in Frage gestellt und kritisch diskutiert werden darf und soll. Eine alternative Leitkultur wie die des evolutionären Humanismus ist keine dogmatische starre Festlegung, sondern lebt und ändert sich mit dem Menschen und der Natur. Es ist daher wenig sinnvoll, aus besonders diskussionswürdigen Einzelaspekten, wie z.B. der Namenswahl der Stiftung GBS, auf den Sinn oder Unsinn der Stiftung oder des ihr zugrunde liegenden evolutionären Humanismus zu schließen. Auch bringt es niemanden weiter in der kontroversen Diskussion darum, wann schützenswertes Leben beginnt und was es einschließt starre traditionelle Haltungen einzunehmen ohne sich mit neuerer Erkenntnis zumindest offen zu befassen. Und gerade wo weder die eine, noch die andere Seite für sich beanspruchen kann die ultimative Wahrheit zu kennen, sollte besonders immer auch berücksichtigt werden, dass man generell auch im Respekt vor der anderen Meinung diese erst einmal einfach so stehen lassen kann, bis man mit anderen Argumenten in dem Thema konstruktiv weiterarbeiten kann. Vor allem bringt es rein gar nichts zu Wahrheitsfindung, seine eigenen starren Haltungen zu nehmen um möglichst populistisch und unter Berücksichtigung der gerade gängigen Mehrheitsmeinung Stimmung gegen neue Ansichten zu machen, wie es beim Thema „Wann beginnt schützenswertes Leben“ stets leicht möglich ist.
    Und da unbestreitbar die bestehenden Religionen mit ihren starren, lebensfernen und überalterten vermeintlichen Wertvorstellungen für katastrophales Leid verantwortlich waren und es immer noch sind, steht ihnen der evolutionäre Humanismus erfrischend lebensnah, offen und friedlich gegenüber. In seiner Klarheit mag es allerdings nicht verwundern, wenn der Ein oder Andere zunächst erstaunt oder gar erschrocken auf die verblüffend logischen Angebote des evolutionären Humanismus reagiert und zunächst alle altbekannten Abwehrmechanismen (z.B. Ausblenden, Ignorieren, Umdeuten, Abwiegeln, Aufhetzen, …) aktiviert um sich nicht mit Neuem befassen und ggf. jahrzehntelang gelebtes überdenken oder gar ändern zu müssen.

  6. Timm Grams sagt:

    @Gregor

    Was ist mit der vielbeschworenen kritischen Diskussion? Wo bleiben die Sachargumente? Propagandasprüche sind nicht hilfreich.

    Wem unterstellen Sie eigentlich, „seine eigenen starren Haltungen zu nehmen um möglichst populistisch und unter Berücksichtigung der gerade gängigen Mehrheitsmeinung Stimmung gegen neue Ansichten zu machen“? Wie begründen Sie einen derartigen allgemein gehaltenen Angriff?

    Vorschlag: Werden Sie konkret! Sonst kommen wir nicht weiter.

  7. Hanno sagt:

    @Timm

    Ich sehe in Ihrem Artikel keine geeignete Grundlage, um darüber zu diskutieren. Unkommentiert ein aus dem Zusammenhang gerissenes Interview mit Peter Singer zu reproduzieren, scheint mir vielmehr ein Versuch zu sein, mit dumpfen Vorbehalten gegen den Namen Stimmung zu machen. Dann werden noch ein wenig Atheismus mit Areligiösität durcheinandergeworfen, Optionen wie Deismus komplett ignoriert (tertium datur!), sich über die Namenswahl mokiert, Utilitarismus diffamiert, und suggeriert, man müsse Angst vor der „Durchsetzung“ humanistischer Ideale haben: Nein, muß man nicht. Warum, hat Gregor gut begründet. Verstehen muß man es aber selber.

  8. Timm Grams sagt:

    @Hanno
    @Gregor

    Humanisten erkennt man an ihrem Tun, nicht an ihren Worten.

    Nehmen wir den Humanistischen Verband Deutschlands (HVD). Er betreibt Kinderkrippen, Kindergärten und Schulen; er engagiert sich in der Altenbetreuung und bietet Sterbebegleitung an; sein Turm der Sinne sorgt für Aufklärung im besten Sinne.

    Die GBS ist in erster Linie aufgefallen durch „Kampagnen, die für Aufsehen sorgen“, durch Werbeveranstaltung und durch Missionierung. Soweit ist das zwar nicht unbedingt liebenswert, jedenfalls aber zu tolerieren.

    Erst die Unterwanderung von säkularen und der Toleranz verpflichteten Vereinen durch die GBS fordert meinen Widerspruch heraus. Dann fühle ich mich als Betroffener durchaus berechtigt, die logischen Brüche, die weltanschaulichen Ungereimtheiten und die wirren historischen Bezüge aufzuzeigen. Und diese Beispiele sind dann notwendigerweise „aus dem Zusammenhang gerissen“.

    (In weltanschaulich geprägten Debatten werden oftmals nach Vorwurf klingende allgemeine Behauptungen aufgestellt, um so das Gegenüber unglaubwürdig wirken zu lassen. Manchmal leisten auch Unterstellungen abseits des eigentlichen Themas dasselbe. Man bringt das Gegenüber in eine Brian-Situation, eine absurde Situation, aus der es kein Entrinnen gibt, weil der Rahmen eines vernünftigen Diskurses verlassen wird.)

  9. Hanno sagt:

    @Timm

    Mal abgesehen davon, daß das Ihre Privatdefinition ist: Auch Informationsverbreitung zähle ich zu Taten, und überhaupt gehört Klappern zum Handwerk. Als Gegenthese könnte die bekannte Redewendung dienen, daß die Feder mächtiger als das Schwert ist. Jedenfalls halte ich es für wichtig, richtig und sinnvoll, der Missionierung durch Religion und Aberglauben etwas entgegenzusetzen.

    Von „Unterwanderung“ (durch jahrzehntelange Mitglieder?) und gar „totalitäre Strukturen“ zu fantasieren, nur weil der Konsens bei der GWUP nach Jahrzehnten in eine Richtung fluktuiert, die Ihnen nicht in den Kram paßt, halte ich für nachgerade paranoid und auf jeden Fall für indiskutabel, weil durch Kampfbegriffe jeder Diskussionsansatz vergiftet wird.

  10. Timm Grams sagt:

    @Hanno

    Sie scheinen an einer Klärung interessiert zu sein. Das finde ich schon einmal gut. Im Ton könnten wir noch etwas abrüsten, finde ich.

    „Unterwanderung“ kann auf mehreren Ebenen und auf mehrere Weisen geschehen. Aber das ist nicht mehr mein Thema. Ein Verein ist selber schuld, wenn er sich unterwandern lässt. (Ich habe auch nicht wieder davon angefangen.)

    Anders steht es mit den „totalitären Strukturen“. Meine „Diskussion“ mit einer Dreierkommission von Himmelfahrt 2014 bis Himmelfahrt 2015 lief eher im Stile einer Inquisition ab, denn im Stile eines fairen Diskurses unter Gleichen, wie ich ihn von der Wissenschaft kenne. (Natürlich hat man mir keine Daumenschrauben angelegt. Der Ton war zuweilen sogar sehr freundlich, was ich im Nachhinein als eher übel und manipulativ empfinde.)

    Mein Fazit daraus: Die Drei der Kommission haben sich vollständig diskreditiert.

    Bevor Sie sich wieder über meine Wortwahl echauffieren, rate ich dazu, sich gründlich zu informieren, und zwar nicht nur bei einer der Parteien. Der Briefwechsel ist archiviert und kann in Zweifelsfragen zu Rate gezogen werden.

  11. Timm Grams sagt:

    Uns Gebührenzahlern wurde kürzlich ein Fernsehereignis der Extraklasse beschert: der Film Terror und die sich daran anschließende Diskussion. Besonders das engagierte Eintreten des früheren Innenministers Gerhart Baum für den Schutz der Menschenwürde hat bei mir einen großen Eindruck hinterlassen. Im Artikel 1 unseres Grundgesetztes heißt es unmissverständlich: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Peter Singer sieht das offensichtlich anders.

    Der Film und die sich daran anschließende Debatte haben deutlich gemacht, dass auch solche Grundrechte und deren gesetzliche Ausgestaltung dem gesellschaftlichen Diskurs offen stehen. In dieser mit allem Ernst zu führenden Debatte haben die Atheisten und die Utilitaristen ihren unbestrittenen Platz. Aber sie haben keinen Allgültigkeitsanspruch. Es gilt eben auch ein weiteres Grundrecht: „Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit der religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisse sind unverletzlich.“ (Artikel 4 GG)

    Wenn die Giordano Bruno Stiftung ihre Weltsicht als unverzichtbar für die Wissenschaft und für humanistisches Wirken darstellt, dann regt sich mein Widerspruchgeist.

  12. Hartmut Alt sagt:

    Für die Vertreter der Staatkirchen habe ich nur Verachtung übrig. Ihre Verbrechen um sich zu bereichern, ziehen sich wie ein blutroter Faden durch die ganze Kirchengeschichte. Kindesmissbrauch und Kindesmisshandlung, respektive deren Vertuschung zum Zwecke der Strafvereitelung, sind Schwerverbrechen, begangen unter dem Deckmantel einer Institution, welche sich die Nächstenliebe auf Ihre Fahnen geschrieben hat.

    Das Herunterspielen dieser Verbrechen auf bedauerliche Einzelfälle ist eine grenzenlose Unverschämtheit. Ein ebensolches Verbrechen ist die Traumatiesierung von Kinder unter Verweis auf die Hölle oder das Fegefeuer. Die katastrophalen Fälle, wo z.B eine Kindergärtnerin entlassen wurde, weil sie einen geschiedenen Mann geheiratet hat, sehe ich ebenfalls als Verbrechen an der Menschlichkeit.

    Religion ist ein weltweit beobachtetes Phänomen einer Wahnvorstellung, weil man nicht akzeptieren will, dass man tot ist, wenn man tot ist wie die Fliege an der Wand, welche man gerade erschlagen hat. Ja sicher haben wir Glaubensfreiheit. Aber wenn ich zu meinem Arzt sagen würde, ich glaube an den lieben Gott oder das Paradies, würde er mir den Überweisungschein für die Irrenanstalt schreiben.

    Wenn ich was zu sagen hätte würde ich die Vertreter der Kirchen allesamt auf Ihren Geiseszustand überprüfen lassen. Man hätte vermutlich Jahrelang zu tun, um dann die benötigten Irrenanstalten zu bauen. Ein super Konjunkturprogramm.

    • Timm Grams sagt:

      Mit solchen Hasstiraden erntet man Beifall von Gleichgesinnten, von den anderen nur ein mitleidiges Lächeln. In der Geschichte hat es sicherlich Zeiten gegeben, in denen derartige Wutausbrüche am Platze waren. Heute, in einem ziemlich gut funktionierenden säkularen Rechtsstaat, wirkt so etwas eher albern. Der Aufklärungseffekt ist gleich null, soweit ich sehen kann.

      Pauschale Beschimpfungen bringen nichts. Ich bin für das Konkrete: Nenne das Ziel und überlege dann, mit wem zusammen du es erreichen kannst. Man wird auf ganz unerwartete Verbündete stoßen. Mir ist seinerzeit – als er noch lebte – aufgefallen, dass der ultrakonservative Erzbischof von Fulda, Johannes Dyba, ein famoser Mitstreiter im Kampf um die Trennung von Staat und Kirche gewesen wäre. Er hat von dem Kirchensteuereinzug durch den Staat nichts gehalten und auch nichts von der Priesterausbildung durch staatliche Universitäten.

  13. Hartmut Alt sagt:

    Es handelt sich nicht um Hasstiraden, sondern um Fakten. Wenn es um die schwächsten und verwundbarsten, nämlich unsere Kinder geht, hört jeder Spass auf. Die Misshandlung und der Missbrauch von Kindern ist eines der schwersten Verbrechen, welche es überhaupt gibt. Dass hier nicht ein Aufschrei durch die Bevölkerung geht, ist mir ein Rätsel. Ebenso ein Verbrechen ist es, Kinder mit so einem Quatsch wie Fegefeuer, Hölle etc. zu traktieren und damit Angst zu erzeugen. Wenn dieses Verbrechen der Kindesmisshandlung und des Kindesmissbrauchs genau dort passiert, wo das genaue Gegenteil gepredigt wird und die Eltern in dem guten Glauben Ihre Kinder dort abliefern (wieso das überhaupt noch jemand macht?) in dem Irrglauben, dass sie dort gut aufgehoben sind, was halte ich dann von einer solchen Organisation? Dreimal dürfen raten, mal sehn ob sie drauf kommen. Übrigens, die Zeiten für Wutausbrüche sind jetzt, wie oben beschrieben, genau so akut wie in früheren Zeiten, es hat sich nichts geändert und ich werde in dem Kampf gegen die Instution Kirche und Ihrer Vertreter einiges an Energie investieren um die Zahl der Kirchenaustritte zu beschleunigen.

    Hartmut Alt
    Limburgerhof

    Lacht, ich gründe die Glaubensgemeinschaft der Geister und Gespenster, da kriege ich mehr Mitglieder als alle Kirchen zusammen. Das kann man noch garnieren mit einer Prise Horoskop und Kartenlesen , der Laden wird laufen wie blöd und die Mitgliedsbeiträge werden sprudeln.

    • Timm Grams sagt:

      Das haben wir schon gelesen. Die Zuschrift erhöht bedauerlicherweise die Redundanz in meinem Hoppla!-Blog. Der Kampf gegen die Kirche scheint Ihnen ein Bedürfnis zu sein. Meine Leser werden nicht allzuviel mit diesen Kampfschriften anfangen können.

      In meinem Blog geht es nicht um Glaubenssysteme und deren Kampf gegeneinander. Hier sollen Denkfallen, Brüche in der Argumentation und Nichteinhaltung von Spielregeln zur Sprache kommen, also alles, was ich mit dem Stichwort „Hoppla!“ einleiten könnte. Glaubenssysteme kommen vornehmlich dann zur Sprache, wenn sie sich als Wissenschaft verkleiden. Beispiele sind das Intelligent Design und der Neue Atheismus. Dem Kampf der Gläubigen will ich kein Forum bieten, vor allem dann nicht, wenn es sich um altbekannte Positionen handelt. Deshalb bitte ich bereits vorab um Verzeihung dafür, dass ich nicht jeden Kommentar ins Netz stelle. Mit einer Antwort per E-Mail können die Kommentatoren aber auf jeden Fall rechnen.

      Ich rate jedem, für religiöse oder antireligiöse Kampfschriften entsprechend ausgerichtete Foren und Vereine zu wählen. Im Hoppla!-Blog sind sie nicht gut platziert.

  14. Hartmut Alt sagt:

    Wieso man das auswendig lernen von Märchen als Studium zulässt, hätte ich auch mal gerne gewusst. Vielleicht können Sie mir das ja mal erklären.

  15. Erich Mann sagt:

    Es gibt keine dümmere Entgegnung der Religiösen an die Atheisten als den Satz, Atheismus sei auch eine Religion. Aber, in angemessen konjunktivischer Fassung: „Gegen Dummheit kämpften Götter selbst vergebens – gäbe es sie.“ ;-)

    • Timm Grams sagt:

      Wer Religion als eine Bindung an transzendentale Objekte begreift, kann durchaus zur Überzeugung kommen, dass der Naturalismus Merkmale einer Religion zeigt. Dieser Glaube wird ja auch mit großem Missionseifer vertreten.

  16. little Louis sagt:

    @ Erich Mann, 17. Mai 2017 22:17
    Erich Mann hat eventuell recht. Denn was für einen Denkfortschritt bzw. Erkenntnisfortschritt bringt es, wenn man sagt, dass derjenige, der auf seinen Anti-Dogmatismus besteht, selbst ein Dogmatiker sei? Und wer sagt, Atheismus sei auch nur eine Religion, der möchte eventuell nur eine (semantische) Scheindebatte um den Inhalt von Begriffen führen. Eventuell auch um Verwirrung zu stiften. War das nicht auch eine Strategie der deistischen Gegenaufklärung?

    @ Timm Grams, 18. Mai 2017 08:03
    Wenn ich per eigenmächtiger Selbstdefinition dem Wort „Religion“ eine mir passende Bedeutung verleihe, kann ich immer sehr leicht zu dem Ergebnis kommen, dass der Naturalismus Merkmale einer Religion zeigt. Und wenn man Öffentlichkeitsarbeit (Missionseifer) zum Wesensmerkmal von Religion macht, verwässert man den Begriff Religion derart, dass es ein Leichtes ist, von jeglichem nicht völlig unbekannten Argumentationskonstrukt zu „beweisen“, dass es Merkmale einer Religion zeigt. Allerdings zeigt sich nur die Sophisterei des so Redenden.

    Und ganz nebulös wird’s, wenn man mit „Bindung an transzendentale Objekte (womit wohl Gott gemeint sein soll?) auch das reine Nachdenken darüber meint. Denn dann wird alles, was nach Popper schon prinzipiell nicht falsifikationsgeignet ist, zur Religion und die „Philosophische Metaphysik“ entfällt vollkommen. Ich denke das war auch die Strategie der kirchlichen Gegenaufklärung zur Wiedereroberung des verlorenen Vermarktungsraumes.

    Reiht sich Herr Grams hier ein in die lange Reihe derer, die Popper dazu missbrauchen, entweder den Neoliberalismus oder den organisierten Theismus zu pampern? Und das noch unter dem Etikett eines (angeblichen) Skeptizismus?

    Man muss, um partiell mit Deisten oder Teilen von Kirchen humanistisch zu kooperieren, nicht deren humanistische Leichen in deren Kellern reinwaschen oder verharmlosen. Warum also versucht Herr Grams das bezüglich der innerhumanistischen (und philosophischen) Diskussionen? Bei manch anderen zumindest sind profan partei- oder gesellschaftspolitische Untergründe durchaus erkennbar.

    • Timm Grams sagt:

      Religion ist gemäß Wikipedia von heute „ein Sammelbegriff für eine Vielzahl unterschiedlicher Weltanschauungen, deren Grundlage der jeweilige Glaube an bestimmte transzendente […] Kräfte ist“. Seit zweieinhalb Jahrtausenden wird die Realität als transzendent begriffen. Die Erhebung dieser (transzendenten) Realität zur maßgebenden Autorität ist kennzeichnend für den Naturalismus. Folglich zeigt der Naturalismus – und nicht etwa ein von mir aufgebauter Strohmann – Merkmale einer Religion!

      Vom Missionseifer als einem „Wesensmerkmal von Religion“ habe ich nicht gesprochen. Manche Weltanschauungen werden mit Missionseifer vertreten, beispielsweise die christliche Religion und eben auch der Naturalismus. Ich sehe Parallelen und ihr Argumentationsstil ist mir Bestätigung.

      Tatsächlich halte ich – wie Sie vermuten – den Unterschied zwischen Religion und philosophischer Metaphysik für unerheblich. Für mich liegen der Realismus und damit auch der Naturalismus in der Nähe der Religionen. Das Warum habe ich inzwischen in meinem Artikel Der Realismus erklärt nichts genauer erläutert.

      Den meinen ähnliche Gedanken mögen auch der „Strategie der kirchlichen Gegenaufklärung zur Wiedereroberung des verlorenen Vermarktungsraumes“ zugrunde liegen. Ihre Extended Analogy rückt den Agnostiker fälschlicherweise in die Nähe der kirchlichen Gegenaufklärung. In weiteren abseitigen Gedankenspielen unterschieben Sie mir, „den Neoliberalismus oder den organisierten Theismus zu pampern“.

      Ich hege den Verdacht, dass Sie dem Schwarz-Weiß-Denken verhaftet sind und nur noch Freunde oder Feinde sehen. Der Diskurs lebt von Differenzierungen, die Missionierung nicht!

  17. little Louis sagt:

    Hallo Herrr Grams,

    ich glaube (!), der unbelegte Vorwurf des nur zweidimensionalen Denkens dient allmählich nur noch dazu, einer weitergehenden Argumentation auszuweichen und eine Schublade zu öffnen.

    Ich teile Ihre erkenntnistheoretische (oder wenn Sie wollen „metaphysische“) Skepsis durchaus und glaube (!) auch, dass es eher gerechtfertigt ist sich, sich auf eine Ihrer Popperschen (kritischen) Realitätskonzeptionen zurückzuziehen. Doch glaube ich auch, dass Sie dabei etwas zu sehr (auch polemisch) überziehen. Vielleicht ist ja wirklich sogar „anything goes“ das fruchtbarere Konzept. Und Thomas Kuhns psycho-soziologische Einwände sind auch nur schwer wegzudiskutieren.

    Aber wenn das so ist, müsste man dann nicht eher die undogmatischen Positionen der „Anomalisten“ übernehmen? Da sehe ich einen gewissen Widerspruch, denn Sie zählen sich ja wohl zur Kern-GWUP, oder etwa nicht oder nicht mehr oder doch nicht so ganz?

    Auch hat die ganze „Metaphysik“ kaum etwas mit politischer Argumenten von Kirchen(!)-Kritikern zur „undemokratischen“ Übermachtstellung von Religionsvereinen zu tun.

    Man kann die GBS wegen (eventuell) „falscher“ Metaphysik angreifen, aber eine dogmatische Immunisierung gegen Argumente sehe ich dort nicht.

    Deswegen spekuliere ich über andere Motive bezüglich Ihrer heftigen Angriffe auf die GBS. Oder ist etwa nur Herr Vollmer der Zielpunkt?

  18. Timm Grams sagt:

    @ little Louis
    Es muss in der Tat für gelegentliche Leser meines Blogs befremdlich wirken, wenn ich mich einerseits sehr engagiert für weltanschauliche Toleranz ausspreche und andererseits – in ein paar wenigen Fällen – giftige Kampfschriften gegen Vereine verfasse, die eine bestimmte Weltanschauung, nämlich den Naturalismus, verbreiten wollen. Insbesondere sind das die Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP) und eben die Giordano-Bruno-Stiftung (GBS). Erschwerend kommt hinzu, dass im Falle der GWUP die Kritik intern abzuliefern wäre und nicht etwa über ein öffentliches Blog.
    Es geht nicht um die Frage „Was kann ich wissen?“, sondern um die Frage „Was soll ich tun?“, und da insbesondere um den Umgang miteinander.
    Aufbruch. Ich frage mich schon lange, was wir denn überhaupt wissen können. Vor etwa vierzig Jahren lernte ich das Werk von Karl Raimund Popper kennen. Er befreite mich aus einer misslichen Lage, denn ich war unglücklich darüber, dass ich Hegel, der in den 68er Jahren von der Studentenbewegung für besonders wichtig gehalten wurde, so gar nicht verstand. Erst Popper machte mir klar: Ein Ingenieur kann Hegel gar nicht verstehen. Für diese Erkenntnis aus „Die offene Gesellschaft und ihre Feinde“ und für die „Logik der Forschung“ bin ich Popper außerordentlich dankbar.
    Im Internet traf ich auf einen Verein, der versprach, auf wissenschaftlicher Grundlage allen möglichen Humbug zu entlarven. Diese GWUP faszinierte mich und ich hoffte auf interessante Gesprächspartner. Vor zwölf Jahren wurde ich Mitglied.
    Die Ernüchterung. Vor etwa vier Jahren verfestigte sich bei mir die Einschätzung, dass die von mir erhoffte Offenheit und Neugier nur in der Außendarstellung existierte. Immer deutlich sah ich die starre atheistische Grundhaltung der Kern-GWUP. Mir, dem Agnostiker, wurde unbehaglich. Ich begehrte auf – und rannte gegen die Wand. Eine „dogmatische Immunisierung gegen Argumente“, wie Sie schreiben, war nicht mehr zu übersehen. Innerhalb der GWUP konnte ich nichts ausrichten und ich schrieb den Artikel GWUP: Esoterik durch die Hintertür.
    Was geht da vor? Eine Veranstaltungsankündigung der GWUP-Gruppe Würzburg lenkte meine Aufmerksamkeit darauf, dass die GBS dahinter stecken könnte. Zweck dieser Stiftung ist, die Weltanschauung des evolutionären Humanismus und letztlich den Atheismus zu fördern. Die innere Verfasstheit und die Zwecksetzung dieser Stiftung sind mir eigentlich egal. Ich rege mich ja auch nicht über die Zeugen Jehovas auf. Insofern halte ich mich an das Toleranzgebot. Aber auch Toleranz kennt Grenzen. Die GBS hat Einfluss auf die satzungsgemäß weltanschauungsfreie und zur wissenschaftsorientierten offenen Arbeitsweise verpflichteten GWUP gewonnen. Maßgebende GBS-Leute haben für Strukturen gesorgt, die man totalitär nennen muss. Das habe ich unter anderem im Artikel Die Unterwanderungsstrategie des Neuen Atheismus kritisiert.
    Also: Nichts gegen die GBS und ihre Anhänger, aber Widerstand gegen Missionierung am falschen Platz.

  19. little Louis sagt:

    Danke für die Replik. Mir ging es zu Anfang der 70er Jahre bezüglich Popper ähnlich. Lustig ist: Richtig aufmerksam wurde ich auf ihn durch eine Broschüre vom Büchertisch des „Marxistischen Studentenbundes Spartakus“ (= DDR- nah) über den Positivismusstreit (Popper versus Frankfurter Schule).
    Bin aber, obwohl erkenntnistheoretisch vielleicht offener als „der Naturalismus“ und „metaphysisch“ deswegen auch eher „Agnostiker“ aus politischen Gründen Kirchenkritiker. Und trotz, nein besser wegen Popper, stehe ich (zumindest zurzeit) politisch eher dem Lafontaine/Wagenknecht-Flügel nahe. Bin aber kein „Parteigenosse. Aber das ist ja meine Angelegenheit. Aber ob Sie solches nachvollziehen können?
    Noch eine Frage: Nach ihrer „Eigenbiografie “ oben haben Sie doch eigentlich nahezu dieselbe Agenda wie eine (andere) Abspaltung von der GWPU, nämlich die GfA-Leute um G. Mayer (Freiburg), Herrn Wunder (Heidelberg) und einige weitere.
    Offensichtlich pflegen Sie aber kaum Kontakte. Hat das jetzt rein private Gründe oder doch auch irgenwie „ideologische“?
    Grüße mit Dank für das Eingehen auf neugierige Fragen,
    L. Sch.

    • Timm Grams sagt:

      Hier nur das, was zum Verständnis meiner Haltung beiträgt.

      Nach meiner Auffassung tritt der Skeptiker nicht im Rudel auf und er bezieht zuweilen prekäre Positionen, wenn das für ihn und andere interessant ist. Bereits die Teilhabe an der Skeptikerbewegung ist für mich ein Selbstwiderspruch. Immerhin hat mir die Mitgliedschaft in der GWUP diese Absurdität vor Augen geführt. Ich halte mich – zur „Bewältigung“ dieses Widerspruchs – an Richard Rorty, der empfiehlt, „den menschlichen Fortschritt nicht als das Zusteuern auf einen für die Menschheit irgendwie im Voraus eingerichteten Ort [zu] denken, sondern als eine Möglichkeit, interessantere Dinge zu tun und interessantere Personen zu sein“ („Solidarität oder Objektivität“, 1988, Reclam).

      Sie habe mich beflügelt und zu meiner kritischen Bewertung von Poppers Realismus beigetragen. Weiteres wird besser per persönlicher E-Mail erledigt.

  20. little Louis sagt:

    @ Timm Grams am 16. November 2017 um 10:17
    O.K. Soweit so manches (oder Manches? oder auch vieles ? oder Vieles?) geklärt. Danke.
    (-:

  21. Bernd Voigt sagt:

    Ich halte die gbs für gefährlich, weil ihre geistigen Grundlagen durch den naturalistischen Fehlschluss nicht nur dazu führen, die Menschenwürde von geistig behinderten Menschen – schlimm genug! – in Frage zu stellen, sondern sogar die eines jeden, auch vernunftbegabten Menschen:

    http://gbs-schweiz.org/blog/sind-deontologische-moralische-urteile-lediglich-rationalisierungen/

    Dieses von der gbs aufgegriffene, sogenannte utilitaristische Gedankengut kann zum Kampf aller gegen aller führen. Meine Begründung lässt sich hier nachlesen:

    Johannas Opferung – zur Todessehnsucht manchen Utilitarismus (http://solus-christus.portacaeli.de/Export/LinkedDocuments/Johannas%20Opferung%20%E2%80%93%20zur%20Todessehnsucht%20manchen%20Utilitarismus%E2%80%98%20(Seelsorge,%20Mem%20War%20I).pdf)

  22. Erika Rojas sagt:

    Es ist einfach nur eine bodenlose Verlogenheit einen atheistischen Verein nach Giordano Bruno zu benennen. Es ist, als wolle sich der KuKluxKlan in Martin-Luther-King-Stiftung umbenennen. Giordano Brunos Märtyrerstatus wird benutzt, ohne im mindesten etwas für die Verbreitung seiner Lehre oder seiner Werke zu tun. Das wäre dann natürlich auch angesichts der Widersprüche ein oberpeinlicher Versuch.

    • Johannes Bär sagt:

      Giordano Bruno steht als Beispiel für die in der Geschichte wieder und wieder betriebene, systematische Diffamierung und Ermordung Andersdenkender durch dümmlich-mörderische Klüngel und ist nur ein Beispiel von zahllosen ähnlichen Opfern vor und nach ihm und in aller Welt, in allen „Kulturen“ und Epochen – vollkommen unabhängig von seinen eigenen Überzeugungen – und ist insofern von der GBS vollkommen zutreffend als Namenspatron gewählt.

      Versuchen Sie also nicht erst, rabulistisch auf Nebensächlichkeiten und methaphysisches Brimborium abzulenken – eine Verbrennung ist etwas sehr Reales, egal welcher Überzeugung das Opfer ist.

      Mögen Brunos Gedanken „richtig“, oder „falsch“ gewesen sein – sie waren jedenfalls kein Grund, ihn zu ermorden.

      Denn es geht um Humanismus, es geht stets zuallererst um den lebenden Menschen, das Individuum, das verletzliche und von kollektivem Verbrechertum über die Jahrtausende bis zum heutigen Tage immer und immer wieder (und aus welchen „Gründen“ auch immer) verletzte, geschundene und nicht selten „legal ermordete“ Subjekt, das es mit Vernunft und Erfolgsorientierung vor diesen mörderischen und gewalttätigen Kungelgestalten zu schützen gilt und nicht um verquaste, spitzfindige, nicht selten aus der Luft gegriffene, aber umso mörderischer vertretene Glaubensinhalte, Theorien, Ideologien und vermeintliche „Religionen“, die aber längst und in ihrer gesamten Geschichte lückenlos bewiesen haben, daß sie mehr Schaden anrichten, als Nutzen generieren.

      Giordano Bruno als Namenspratron zu wählen, war umso notwendiger und richtiger, weil seine Person die kognitive Brücke zwischen der Wahrnehmung der Antike Teil 1 (Geschichte) und der Antike Teil 2 (Gegenwart) darstellt.

      Die Parallelen der Ermordung eines Giordano Bruno und der Ermordung eines Victor Jara sind unübersehbar, sofern man überhaupt sehen will.

      Noch heute folgen die „Rechts“systeme dieses Planeten fast ausnahmslos den Paradigmen des alten, antiken römische Imperial“rechtes“ (das nichts anderes als das Regelwerk einer „aristokratischen“, in Wahrheit nur durch unsagbare Gewaltbereitschaft in allen Richtungen auffälligen Mafia war (und ist (sic.)), (oder noch antiquierteren „Gesetzen“), einem Pseudorecht fern aller integeren Ethik und Vernunft, das bereits mit dem Übergang Roms von der Republik zum Cäsarenstaat seine vollkommene gesellschaftliche Untauglichkeit bewiesen hatte, bis heute nur mit brutaler („Staats-“ (sic.)) Gewalt wider die Natur überhaupt am Leben zu halten ist (und nur den größenwahnsinnigen Karolingern in Komplizenschaft mit dem weltlicherseits und geistig längst verwaisten Papsttum war es zu „danken“, daß diese juristische Mumie aus völlig ahistorischen, selbstsüchtigen Gründen überhaupt wieder ausgebuddelt wurde)

      – insofern leben wir noch heute in der Antike –

      die mörderischen Unrechtszustände weltweit beweisen es täglich aufs neue und für den sehenden und mitfühlenden Menschen mittlerweile völlig undiskutierbar.

      Die Person Giordano Brunos und die gesellschaftlichen Ereignisse um ihn (nicht seine individuelle Überzeugung!), ist da bestens und für immer geeignet, den gedanklichen Zusammenhang des Woher und Wohin gesellschaftlicher (Fehl-) Entwicklungen und Praktiken auch im Alltag der Gegenwart und Zukunft nicht aus den Augen zu verlieren.

      Übrigens: Ich bin kein GBS-Mitglied, oder ~anhänger (weil ich weiß, daß auch Glaube überall dort als Platzhalter vorübergehend(!) hilfreich sein kann, wo es noch an halbwegs „gesichertem“ Wissen fehlt – Theoriebildung ist aller Kognition Anfang (wer also von „Verschwörungstheorien“ schwafelt, will nicht s anderes als Erkenntnisprozeßße bereits im Keime ersticken, denn wo keine Theorie, da auch keine Überprüfung dieser!) – solange der Glaube nicht zur geisteskranken, weil Bildungsbehindernden Glaubensgewißheit sich verfestigt) und ärgere mich nur über Diffamierungskampagnen, die nach aller historischer Erfahrung damals wie heute, früher, oder später immer wieder zu vermeidbaren Konflikten und zu Toten führen …
      Nur geistige Klarheit, umsichtige Vernunft und ethische Lauterkeit im Verein mit integerer, ganzheitlicher(!) Bildung können helfen, dieses immer wieder , in jeder Generation aus der nicht rechtzeitig überwundenen, natürlichen Dummheit der Geburt neu aufflammende Erbübel des Chauvinismus und des kollektiven Terrors gegen das Individuum, sei es Mensch und/oder Natur zu überwinden …

    • Timm Grams sagt:

      @Johannes Bär
      Auch ich fühle mich angesprochen.

      Sie schreiben von Giordano Bruno, ich von der Stiftung. Die historische Bedeutung des Giordano Bruno habe ich nicht zu bewerten. Habe das auch nicht getan.

      Mögen Brunos Gedanken „richtig“, oder „falsch“ gewesen sein – sie waren jedenfalls kein Grund, ihn zu ermorden.

      Ja, freilich. Sie sind aber auch kein Grund, ihn zur Leitfigur für einen atheistischen Verein zu machen.

      (Ihren Kommentar schalte ich aus sachlichen Gründen frei, trotz Ihres Agierens im Verborgenen.)

  23. Dietz, Oskar sagt:

    Imagine……
    nothing to kill or die for
    and no religion too
    (J. Lennon)…damit ist (fast) alles gesagt.
    Sätze, für die er durch die Hand eines Evangelikalen sterben musste. Für mich einer der herausragenden Märtyrer der jüngeren Geschichte.

  24. Greffi sagt:

    Ich habe heute erstmalig Material gesichtet, dass mir ein Nachbar gegeben hat, der bei der gbs „mitmacht“, wie er mir schrieb. Auf den ersten Blick kann ich mich mit den sehr plakativen Aussagen so vollständig identifizieren, dass mir das schon unheimlich vorkommt. Die z.T. kontroverse Diskussion zeigt ja, dass man sich nicht vorschnell ein Urteil bilden sollte. Ich fürchte nur, dass ein möglicherweise wünschenswerter gesellschaftlicher Wandel, wie er hier als Ziel propagiert wird, zu lange dauert und das Leiden vieler Menschen zu sehr verlängert. Ganz besonders treibt mich der Kindesmissbrauch in der katholischen Kirche um (den es natürlich in geringerer Ausprägung auch in anderen Instititutionen gibt) und dessen völlig unzureichende Ahndung. Ich wünsche mir da mehr Radikalität. Warum nicht mal ein Aufruf an alle katholischen Gläubigen, in einer dafür geschaffenen Internetplattform, mit Austritt aus der Kirche zu drohen, wenn nicht bis zum Tage X alle zurückgehaltenen Akten über Missbräuche den Strafverfolgungsbehörden zur Verfügung gestellt wurden, die Täter und schweigenden Mitwisser benannt und vor Gericht gestellt sind, und angemessene finanzielle Entschädigungen für die Opfer angeboten wurden. Am ehesten wird sich etwas bewegen, wenn es an die Pfründe der gut versorgten und mit Privilegien verwöhnten Kleriker geht. Wäre das nicht eine überlegenswerte Initiative für die gbs, die auch noch eine Breitenwirkung in der Bevölkerung erzeugt ? Aber ich bitte um Nachsicht, vielleicht sind das zu naive Vorstellungen von jemandem wie ich, der vor 2 Stunden noch gar nicht wusste, was die gbs ist.

  25. Pingback: 100 Jahre Hans Albert: Der Online-Festakt zum Geburtstag (komplett) | Denkstil

  26. Klaus sagt:

    Es ist lustig zu sehen wie Menschen nicht diskutieren und Inhalte von Büchern und Aussagen verdrehen, All die Fakten die hier genannt werden sind doch auch einem Schmidt Salomon bekannt. Aber man sollte auch die Erwiderungen von ihm lesen, die würden einem schon ein wenig Verständnis geben. Desweiteren bekämpft die GBS nicht die Religion, sondern deren Auswüchse. Denn Glauben ist Privatsache. Und Unsinn ist es zu meinen, dass die GBS den Atheismus zur neuen Religion erhebt. Den es geht nur darum, das der Staat säkular wird und das weder Ungläubige noch an irgendwas Gläubige den Vorzug vor anderen bekommen. Und dafür zu Werben, dass Wissenschaft, Philosophie und Kunst genügen, sollte genauso erlaubt sein wie, dass weben für Religion. Dies hat auch den Vorteil, dass einer nicht in die Hölle muss, wenn man so denkt . Es wäre im Übrigen doch auch Mal das Buch über die Toleranz von Michael Schmidt Salomon zu lesen, auch das würde einigen hier mehr Klarheit bringen. Gruß Klaus

    • Timm Grams sagt:

      Sie schreiben:

      Unsinn ist es zu meinen, dass die GBS den Atheismus zur neuen Religion erhebt. Den es geht nur darum, das der Staat säkular wird

      Zum säkularen Staat, den auch ich fordere, hat Schmidt-Salomon in seinem Buch „Manifest des evolutionären Humanismus“, und nur um das geht es hier, nicht viel geschrieben. Er adressiert vor allem die Religion. Die immer wiederkehrende Wendung bei Michael Schmidt-Salomon ist, dass Götter nichts anderes als „naive Primatengehirn-Konstruktionen“ seien. Damit hat er vermutlich sogar recht. Auch die Wissenschaft passiert ja in unserem Kopf und nirgendwo anders.

      Sowohl der Gottgläubige als auch ein Naturalist wie Schmidt-Salomon sind sich ja in einem Punkt einig. Sie behaupten, dass das, was in ihrem Kopf vorgeht, ein Abbild der Realität ist. Da steht Glaube gegen Glaube. Und da macht der Skeptiker nicht mit.

    • Frank Wohlgemuth sagt:

      @ Timm Grams
      „Sowohl der Gottgläubige als auch ein Naturalist wie Schmidt-Salomon sind sich ja in einem Punkt einig. Sie behaupten, dass das, was in ihrem Kopf vorgeht, ein Abbild der Realität ist. Da steht Glaube gegen Glaube. Und da macht der Skeptiker nicht mit.“

      Das ist sehr schade, zumal Sie sich gar nicht in diesen Glaubensdingen entscheiden müssten, um sich für eine Seite zu entscheiden; die Kirche hilft Ihnen dabei:
      Laut Kirche ist der Gott, um den es geht, objektiv nicht erfahrbar, er ist also objektiv wirkungslos. Das bedeutet in der Schlussfolgerung, dass der Satz „Gott existiert“ kein Satz ist, der zu dem Satz „Die Welt existiert“ eine sinnvolle Bereicherung zur Beschreibung der Welt wäre. Er sollte deshalb ersatzlos gestrichen werden. Das sagt zumindest William of Ockham. ;-)

      Aber Scherz beiseite: Der Kampf, den Schmidt-Salomon gegen den Glauben führt, um die Kirchen auf der Gefühlsebene ihrer Mitglieder zu bekämpfen, ist bitter nötig, um zu einem säkularen Staat zu kommen, denn er erleichtert wahrscheinlich Austritte. Wir sind uns normalerweise der Macht der Kirchen in diesem Staat nicht bewusst.

      Ich empfehle in diesem Zusammenhang mal wieder eine Lektüre, die nichts mit Glauben zu tun hat, sondern nur mit Politik.
      http://www.carstenfrerk.de/wb/buecher/kirchenrepublik-deutschland.php

      Disclaimer:
      Ich bin weder gläubig noch im strengen Sinne Atheist noch Skeptiker. Ich bin einfach seit meiner Jugend religiös uninteressiert und befinde mich von daher seit meiner Jugend im Kampf gegen die Religion, die über ihre Kirchen (und damit am Anfang über meine Eltern) an allen Ecken versuchte, Einfluss auf mich zu nehmen.

      Ich bin weder Mitglied der GBS noch des IBKA. Allerdings kenne ich Evelin und Carsten Frerk aus ihrer Hamburger Zeit persönlich.

    • Timm Grams sagt:

      Wir sollten zwischen Kirchenkritik und Religionskritik unterscheiden, genauso wie das Karlheinz Deschner, der Autor der Kriminalgeschichte des Christentums, getan hat. Es sah sich nicht als Atheisten, sondern als Agnostiker. Das ist für mich schlüssig. Auch Carsten Frerk scheint zu den Kirchenkritikern zu gehören. Da er auch Religionskritiker ist und der GBS angehört, kann er sich durch mein Pamphlet angesprochen fühlen.

  27. Bernd sagt:

    Der Missbrauch von Wikipedia durch die Giordano-Bruno-Stiftung.

    Der Wikipedia-Artikel „Evolutionärer Humanismus” ist seit fast einem Jahr mit dem Wartungsbaustein „Neutralität” und der Begründung „Selbstdarstellung” versehen. Da ich die Evolutionsbiologie schon seit über 20 Jahren kritisch verfolge (insbesondere den Skandal um Edward O. Wilson), habe ich mich mit diesem Wikipedia-Artikel intensiver auseinandergesetzt. Ja, ich kann bestätigen, dass dieser Artikel kein objektiv-neutraler Artikel ist, wie es einer seriösen Enzyklopädie geziemt, sondern eine reine Selbstdarstellung der Giordano-Bruno-Stiftung (GBS). Diese Stiftung gründet auf dem Buch „MANIFEST DES EVOLUTIONÄREN HUMANISMUS” des Mitbegründers und Vorstandssprechers Michael Schmidt-Salomon, wobei der evolutionäre Humanismus laut der Zeitschrift „bruno” der GBS ihre „Stiftungsphilosophie” ist („bruno” 2020, S. 3).

    Diese Fakten könnten durchaus in dem Wikipedia-Artikel als eine Form des evolutionären Humanismus objektiv-neutral dargestellt werden, doch der Missbrauch liegt darin, dass vom Erfinder des evolutionären Humanismus, Julian Huxley, praktisch nur der Begriff „evolutionärer Humanismus” übernommen wurde und das, was Huxley darunter verstand, völlig verschwiegen und geblockt wird. Das ist deswegen so fatal, weil Huxley selbst zwei verschiedene Verständnisse seines evolutionären Humanismus vertrat, die darin die Abkehr der vor dem Zweiten Weltkrieg von vielen demokratischen Staaten begeistert praktizierten Eugenik widerspiegelt. Huxley war Vizepräsident und Präsident der britischen Eugenic-Society und verstand in seinem ursprünglichen Verständnis von 1946 unter evolutionärem Humanismus nichts anderes als die Anwendung der Eugenik. Als ich dann seinen Essay aus dem Jahr 1961 (deutsch 1964) gelesen habe, traute ich zunächst meinen Augen nicht. Der Begriff Eugenik taucht in diesem Essay gar nicht mehr, stattdessen verstand Huxley jetzt unter evolutionärem Humanismus nicht mehr die Verbesserung der genetisch ererbten geistigen Kräfte durch die Eugenik, sondern die kulturelle Evolution des Menschen, die für ihn dabei nicht mehr biologisch oder genetisch geschieht, sondern allein durch Ideen. Mir tat sich hier plötzlich eine Verbindung zu dem Skandal um Wilson auf.

    Wilson hatte in den 1970er Jahren das neue Paradigma der Soziobiologie begründet. In den sogenannten „Wissenschaftskriegen” wurde diesem Paradigma Rassismus vorgeworfen (Ullica Segerstrale, „Defenders of the truth – The battle for science in the sociobiology debate and beyond”, Oxford University Press New York 2000, S. 149), meiner Meinung nach völlig zu recht. Ab ca. dem Jahr 2010 geschah dann das für Soziobiologen Unfassbare: Das, was die Wissenschaftskriege zuvor nicht vermochten, das vollzog jetzt Wilson selbst als Ideal der Wissenschaft, d.h. aufgrund neuer Erkenntnisse falsifizierte er die einst von ihm selbst begründete Soziobiologie mit ihrem Kern der Vewandtenselektion und gründete darauf einen neuen Ansatz zur Evolution des Menschen, in dem er, übereinstimmend mit dem zweiten Verständnis von Huxley aber ohne direkte Verbindung dahin, etwa sagte: „Der Aufstieg zur Zivilisation, von egalitären Verbänden und Siedlungen über Stammesfürstentum zum Staat, ging durch kulturelle Evolution vor sich, nicht auf Grund genetischer Veränderungen.“ (Edward O. Wilson, „Die soziale Eroberung der Erde”, München 2013, S. 125 f). Die Reaktion der Soziobiologie darauf findet sich treffend bei Richard Dawkins, der seinem einstigen „lebenslangen Helden“ Wilson nun „schamlose Arroganz“ und „perverse Missverständnisse“ vorwirft, Wilsons Buch „’Die soziale Eroberung der Erde’ sei ein Buch, das man ‚mit Wucht wegschleudern’ sollte“ (https://www.spiegel.de/wissenschaft/wir-sind-ein-schlamassel-a-232d0211-0002-0001-0000-000091056794 Wir sind ein Schlamassel).
    Ich bin zu der Überzeugung gelangt, dass die eigentliche Wurzel des Rassismus darin liegt, dass die Kultur des Menschen als genetisch erworben und verankert angesehen wird, so dass in diesem falschen Verständnis das Leben der Menschen schon von Geburt an determiniert zu sein scheint – was in diesem Verständnis dann nur durch eugenische Maßnahmen verbessert oder behoben werden kann. Heute zeigt sich dieses falsche Verständnis in der Evolutionsbiologie aber noch auf ganz andere Weise, nämlich in der Unfähigkeit der Evolutionsbiologie die aktuelle so dramatische Entwicklung des Menschen als weitergehende, kulturelle Evolution zu erkennen. Deswegen hat mich das zweite Verständnis des evolutionären Humanismus von Huxley so sehr elektrisiert und fasziniert. Ich halte es evolutionsbiologisch für höchst aktuell und bedeutsam.

    Dagegen weist das Verständnis des evolutionären Humanismus von Schmidt-Salomon keine wirklichen Bezüge zur Evolutionsbiologie auf, was schon der Physiker und Philosoph Gerhard Vollmer in seinem Buch „Im Lichte der Evolution” (Stuttgart 2017, S. 423) harsch kritisiert hat. Die Bezüge zur Evolutionsbiologie sind entweder gar nicht oder nur nominell vorhanden und damit nur so etwas wie Potemkinsche Dörfer. Wie auch in diesem Blog schon kritisiert, ist der evolutionäre Humanismus von Schmidt-Salomon nicht einmal ein Humanismus, da das Angebot Nr. 4 seiner 10 Angebote zur Not auch „lügen, betrügen, stehlen, töten” erlaubt. Im Kern und wesenhaft ist dieser in dem Wikipedia-Artikel dargestellte evolutionäre Humanismus eine dogmatische Hass-Ideologie auf alles Religiöse.

    Da ich im Zuge dieser Kritik in meinen letzten Diskussionsbeitrag auch Wikipedia als nicht vertrauenswürdig kritisiert habe, da sie den Mangel dieses Artikels nicht abstellen kann, fiel dieser Diskussionsbeitrag entgegen den Wikipedia-Richtlinien der Zensur zum Opfer und wurde gelöscht. Nur in der Versionsgeschichte ist er noch vorhanden (https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Diskussion:Evolution%C3%A4rer_Humanismus&oldid=241118107#Der_Artikel_„Evolutionärer_Humanismus”als_Paradebeispiel_dafür,_dass_Wikipedia_nicht_vertrauenswürdig_ist).

  28. Bernd sagt:

    Hoppla. Der Disput zwischen Dawkins und Wilson um die Gruppenselektion ist mir hier zu kurz und zu einfach dargestellt, so als ginge es nur um Haarspalterei zu einem nebensächlichen Problem. Ich vertraue daher darauf, dass in diesem Blog auch intern Kritik geübt werden kann und nicht nur wie in einer Echokammer gekuschelt wird. Daher möchte ich diesem Disput zwischen Dawkins und Wilson eine andere Wertung geben und lehne mich dazu einmal ganz weit aus dem Fenster, indem ich sage, dass es bei diesem Streit um nichts Geringeres als das künftige Überleben der Menschheit geht. Wie das?

    Zunächst einmal geht es darum, dass Wilson mit seinem Buch „Sociobiology” im Jahr 1975 schon lange vorhandene Theorien der Biologen Haldane und Hamilton zu einem neuen Paradigma erhoben hatte, das der Soziobiologie mit ihrem Kern der Verwandtenselektion. Das altruistische Verhalten wurde darin nicht mehr als Gruppenselektion gedeutet, sondern nun als neu entdeckte Möglichkeit (die Darwin nicht kannte) die genetische Fitness zu verbessern, zusätzlich zur bekannten Darwin-Fitness, so dass jetzt auch von der „Gesamtfitnesstheorie” gesprochen wurde. Beide Deutungen oder Theorien des altruistischen Verhaltens schließen dabei einander aus, so dass der Soziobiologe Eckart Voland in seinem Buch „Soziobiologie” sagt: „Die Auffassung von der gen-zentrierten Wirkweise der biologischen Evolution steht in krassem Widerspruch zu Vorstellungen, wie sie zuvor in der Verhaltensforschung vorgeherrscht haben und wie man sie mit dem Schlagwort der Gruppenselektion etikettiert hat.” (Voland 2023, S. 7 f).

    Ca. 40 Jahre später erfüllte Wilson sozusagen das Ideal der Wissenschaft, indem er aufgrund neuer Erkenntnisse (vgl. Edward O. Wilson, „Die soziale Eroberung der Erde”, München 2013, S. 207-222) die Verwandtenselektion als Kern des Paradigmas der Soziobiologie falsifizierte: „Die schöne Theorie hat ohnehin nie gut funktioniert, aber jetzt ist sie in sich zusammengestürzt.“ (Wilson 2013, S. 68) Und: „Das alte Paradigma der sozialen Evolution, das nach vier Jahrzehnten fast schon Heiligenstatus genießt, ist damit gescheitert. Seine Argumentation von der Verwandtenselektion als Prozess über Hamiltons Ungleichung als Bedingung für Kooperation bis zur Gesamtfitness als darwinschem Status der Koloniemitglieder funktioniert nicht. Wenn es bei Tieren überhaupt zur Verwandtenselektion kommt, dann nur bei einer schwachen Form der Selektion, die ausschließlich unter leicht verletzbaren Sonderbedingungen auftritt. Als Gegenstand einer allgemeinen Theorie ist die Gesamtfitness ein trügerisches mathematisches Konstrukt; unter keinen Umständen lässt es sich so fassen, dass es wirkliche biologische Bedeutung erhält. Auch für den Nachvollzug der Evolutionsdynamik genetisch bedingter sozialer Systeme ist es unbrauchbar“ (Wilson 2013, S. 221 f).

    Das muss man sich auch psychologisch vor dem Hintergrund der sogenannten „Wissenschaftskriege” um die Soziobiologie vorstellen, die zuvor stattgefunden hatten, dokumentiert von Ullica Segerstrale in ihrem Buch „Defenders of the truth – The battle for science in the sociobiology debate and beyond”, Oxford University Press New York 2000. Das, was den Gegnern in den Wissenschaftskriegen um die Soziobiologie nicht gelang, nämlich sie zu falsifizieren, das vollzog nun ausgerechnet Wilson selbst. Das ist so, als würde sich die katholische Kirche in einem jahrelangen harten Disput mit anderen Religionen befinden, hätte sich darin aber ganz gut geschlagen, und plötzlich veröffentlicht der Papst ein Buch, in dem er den katholischen Glauben für falsch erklärt. Wilson war so plötzlich der Verräter der eigenen Gruppe in der Auseinandersetzung mit anderen Gruppen, das ist die psychologische und emotionale Seite dieses Geschehens.

    Hierbei sind aber auch die sachlichen Argumente zu berücksichtigen, etwa die der beiden Anthropologen Sherwood L. Washburn und Vernon Reynolds. In den Wissenschaftskriegen brandmarkten sie die Soziobiologie als systematisch rassistisch, und zwar deswegen, weil in der mathematischen Ungleichung, die schon als das e=mc² der Soziobiologie gefeiert wurde, die altruistische Hilfe, die als Nutzen zur verbesserten genetischen Fitness führen soll, vom Verwandtschaftsgrad abhängig ist, d.h. bei einem genetisch nahen Verwandten ist nur wenig altruistische Hilfe notwendig, um damit die genetische Fitness zu steigern, während das bei genetisch sehr entfernten Menschen unmöglich ist. So sagte Washburn:
    The sociobiological calculus is necessarily racist because geographical distance was a majorfactor in determining the formation of races [here he quoted Barash, 1977, p. 311]. In general, the further that two populations were apart at the time when races were forming, the greater the genetic difference; hence the less ethical responsibility people should have for members of the other group. The contrary argument is that most genes are shared and that gene frequencies in which races differ are behaviorally unimportant (with some exceptions, such as sickle-cell disease) (Washburn, 1978b/1980, p. 276, italics added). (Segerstrale 2000, S. 149)
    Und Reynolds:
    The genetic aspect indicates that as human groups become spatially further apart, as their gene pools become less closely related, so they will be less co-operative and more competitive. Hamilton makes this perfectly clear in his chapter… He postulated an evolutionary model of small hominid/human groups that will inevitably, because of kin selection and reciprocal altruism, tend to select for co-operation between neighbouring groups and correspondingly to select for aggression and hostility to more distant, unrelated individuals and groups. Xenophobia and racial hostility come as no surprise on this hypothesis: indeed, the rigid application of sociobiology genetics shows that logically they must occur
    (Reynolds, 1980, p. 39, italics added). (Segerstrale 2000, S. 149)

    Dieselbe Kritik lässt sich an dem Beispiel anbringen, mit dem der ursprünglicher Erfinder der Theorie der Verwandtenselektion, der britische Biologe und Genetiker Haldane, seine Idee begründete und darstellte. Wilson schildert und zitiert in seinem umstrittenen Buch dieses Beispiel ausführlich und vielsagend als „niemand hat die Vorstellung der Verwandtenselektion klarer formuliert als Haldane selbst in seiner ursprünglichen Darstellung” (Wilson 2013, S. 204 f). Haldane hatte darin die Situation eines in einen reißenden Fluss gefallenen Kindes und eines am Ufer stehenden Menschen beschrieben, der vor der Entscheidung steht, unter der Gefährdung des eigenen Lebens in den Fluss zu springen, um das Kind zu retten. Vom Verständnis der Menschenrechtserklärung her ist diese Entscheidung von der Geburt und Herkunft bzw. der genetischen Verwandtschaft des Retters zum Kind völlig unabhängig. Nicht jedoch in der Verwandtenselektion. Haldane spielte in diesem Beispiel gerade verschiedene genetische Verwandtschaftsverhältnisse durch, bei denen sich die altruistische Rettung des Kindes für den Retter und seine Gene lohnt und so zu einer größeren genetischen Fitness führt – und bei welchen eben nicht, so dass im Gegenteil die eigene genetische Fitness gefährdet wird und man daher den mathematischen Verhältnissen gemäß von einem Rettungsversuch abzusehen hat und das Kind so ertrinken lässt. Haldane erwähnte dabei auch selbstkritisch, dass in einem solchen Moment niemand diese genetischen Verwandtschaftsberechnungen anstellen kann. Doch, kann man in bestimmten Fällen mit einem einzigen Blick – nämlich dann, wenn dieses Kind eine andere Hautfarbe besitzt. Dann kann mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass die Ungleichung nicht erfüllt wird, da die genetische Verwandtschaft so verschieden ist.

    Doch die Auseinandersetzung zwischen Wilson und Dawkins erhält noch eine ganz andere Dimension dadurch, dass Wilson mit seinem neuen Ansatz zur Evolution des Menschen endlich, endlich ein Problem beseitigt, in dem schon Darwin „dunkle Rätsel” sah, nämlich in dem (gen-zentrierten) Verständnis, dass auch die Kultur des Menschen das Ergebnis der genetischen Evolution und somit genetisch verankert sein soll. So wird etwa in dem schon genannten Soziobiologie-Buch von Voland wie selbstverständlich durchgehend davon ausgegangen, dass die höheren Schichten der Gesellschaft diesen Status deswegen innehaben, weil sie die fitteren Gene besitzen. Arbeiter besitzen dann umgekehrt diesen Status, weil ihr Leben von Geburt an durch minderwertigere Gene determiniert ist. Dass das auch für verschiedene Völker oder Kulturen gelten muss, traut sich Voland nicht zu sagen, aber das liegt in der Logik dieser Ansicht.
    Die Aborigines waren 45.000 Jahre in Australien genetisch isoliert und sind dabei nicht über die Kultur des Steinzeitniveaus hinausgekommen. Diesen empirischen Fall benutzt Wilson und sagt, dass deren Kleinkinder trotzdem die westlichen Sprachen lernen und darin die westliche Kultur übernehmen und fortführen können, und zwar bei gleicher Bildung durchschnittlich genauso wie die westlichen Kinder selbst (vgl. Wilson 2013, S. 127). Damit tritt Wilson dem gen-zentrierten Verständnis der bisherigen Evolutionsbiologie entgegen und stellt weiter dazu fest: „Der Aufstieg zur Zivilisation, von egalitären Verbänden und Siedlungen über Stammesfürstentum zum Staat, ging durch kulturelle Evolution vor sich, nicht auf Grund genetischer Veränderungen.“ (Wilson 2013, S. 125 f). Die Kultur des Menschen besitzt ihren eigenen Evolutionsmechanismus, indem Informationen nicht genetisch erworben, gespeichert, modifiziert, vererbt und wieder angewendet werden, sondern neuronal, in der Sprache, denn: „Die Sprache war der Gral der menschlichen Sozialevolution. Als sie erst installiert war, verlieh sie der menschlichen Spezies geradezu Zauberkraft.“ (Wilson 2013, S. 273)

    Mit diesem neuen Ansatz beseitigt Wilson nicht nur die evolutionsbiologische Wurzel des Rassismus, sondern er setzt konsequenterweise dadurch auch eine dichotome Natur des Menschen voraus. Mit diesem Ansatz gelingt es Wilson zudem, die aktuelle, so rasante und darin zwischenzeitlich dramatische Entwicklung des Menschen mit all ihren Problemen als weitergehende, jetzt kulturelle Evolution zu erkennen. Das verdeutlicht folgende Aussage: „Wir sind ein evolutionäres Mischwesen, eine Chimärennatur, wir leben dank unserer Intelligenz, die von den Bedürfnissen des tierischen Instinkts gesteuert wird. Deswegen zerstören wir gedankenlos die Biosphäre und damit unsere eigenen Aussichten auf dauerhafte Existenz.” (Wilson 2013, S. 23)
    Die bisherige Evolutionsbiologie kann dagegen die aktuelle Evolution des Menschen nicht als solche erkennen und gemäß ihrem gen-zentrierten Verständnis die heutigen Probleme höchstens so deuten, dass sich dann endlich wieder die genetisch Fitten durchsetzen (als die sie sich natürlich selbst verstehen).

    [Moderator: Der Kommentar ist zu lang. Er entgeht der Kürzung, weil er die Länge des Artikels nicht überschreitet.]

  29. Bernd sagt:

    Ja, tut mir leid, war zu lang. Aber ich finde den Zustand der Evolutionsbiologie absolut nicht in Ordnung und habe wohl zu viele Argumente in einen Kommentar gepackt.

  30. Timm Grams sagt:

    @ Bernd
    Sie meinen, mir widersprechen zu sollen. Das verstehe ich nicht.

    Ich bin schon seit langem ein naiver Anhänger der Gruppenselektion und habe seinerzeit das von Wilson in Sociobiology (1975/2000) präsentierte Modell von Levins mittels Tabellenkalkulation ausprobiert. Aufgrund der vielen unprüfbaren Annahmen hat es mich nicht überzeugt. Beobachtungen aus meinem Lebensumfeld waren von größerer Beweiskraft. Dass und wie Gruppenselektion funktioniert, habe ich unter anderem in meiner 15 Jahre dauernden Auseinandersetzung mit der GWUP hautnah erfahren.

    Wilsons damaliges Verdikt, die Gruppenselektion betreffend, beruht wohl hauptsächlich auf der geringen Aussagekraft der von ihm angeführten mathematischen Modelle. Seine Rehabilitierung der Gruppenselektion bestätigt meine Auffassung.

    Im Artikel über das Kuschelprinzip weise ich auf den Artikel des Prospect Magazins hin, der Dawkins‘ Kritik des Wilson-Buches „The Social Conquest of Earth“ von 2012 enthält und Wilsons Antwort darauf.

    Im Nature-Nurture-Streit bezieht der orthodoxe Darwinist Dawkins die Nature-Position und Wilson – nach seiner Kehrtwende – die Nurture-Position. Ich denke, dass wir da einer Meinung sind

  31. Bernd sagt:

    Mit meiner Kritik sagte ich ja nicht, dass Sie falsch liegen. Ich wollte als Kritik den Konflikt zwischen Wilson und Dawkins nur weiter ausführen – bis dahin, dass die herrschende Soziobiologie unfähig dazu ist, die aktuelle Evolution zu erkennen, was mit Wilsons neuem Ansatz sehr wohl möglich ist.

    Ich beziehe mich dabei nicht auf mathematische Modelle, egal ob hinsichtlich Gruppen- oder Verwandtenselektion. Für mich liegt der eigentliche Fehler schon bei Darwin (den er allerdings zumindest als „dunkle Rätsel” bzw. „perplexing problems” erkannte) – den ich wahrscheinlich unter den damaligen Umständen genauso begangen hätte. Darwin sah die Kultur der Menschen ebenso als ein Produkt der natürlichen Zuchtwahl wie etwa die Hautfarbe. Doch die kulturelle Evolution eines Volkes oder einer Gesellschaft ist meinem Verständnis nach gerade nicht ein Produkt der, wie wir heute sagen, genetischen Evolution.

    Ich vertrete daher das, was Huxley in seinem zweiten Verständnis seines evolutionären Humanismus formuliert hatte, nämlich dass die kulturelle Evolution des Menschen nicht biologischer oder genetischer Art ist (obwohl sie natürlich als solche von der genetischen Evolution hervorgebracht wurde). Das finde ich bei Wilson nach seiner Falsifizierung der Soziobiologie mit seinem neuen Ansatz zur Evolution des Menschen und auch bei Konrad Lorenz, wenn dieser erkannte:

    „Während all der gewaltigen Epochen der Erdgeschichte, während deren aus einem tief unter den Bakterien stehenden Vor-Lebewesen unsere vormenschlichen Ahnen entstanden, waren es die Kettenmoleküle der Genome, denen die Leistung anvertraut war, Wissen zu bewahren und es, mit diesem Pfunde wuchernd, zu vermehren. Und nun tritt gegen Ende des Tertiärs urplötzlich ein völlig anders geartetes organisches System auf den Plan, das sich unterfängt, dasselbe zu leisten, nur schneller und besser.” (Konrad Lorenz, „Die Rückseite des Spiegels”, 9. Auflage dtv Verlag 1987, S. 217).

    Lorenz erwähnte dabei die Bedeutung eines Informationssystems für die Evolution, und genau ein solches System arbeitet beim Menschen auf einer anderen organischen Ebene als das genetische. Dieses neue, neuronal abstrahierende und codierende System ist beim Menschen die Sprache, zu der wesenhaft und als Kern das abstrakt-begriffliche oder konzeptuelle Denken als Denken in der Sprache gehört. Das kann sich so nicht nur im Sprechen vollziehen, sondern auch in Gebärden, als Gestik, Morsen usw – oder wie hier in der Schrift. „Es ist [für Lorenz] daher keine Übertreibung zu sagen, dass ’das geistige Leben des Menschen eine neue Art von Leben sei’” (Lorenz 1987, S. 217).

    In dieser Weise verstand Lorenz den Übergang vom Tier zum Menschen praktisch als erneute Erfindung der Evolution auf einer anderen organischen Ebene, und schrieb so dem Menschen die natürliche Sonderrolle eines eigenen Bereichs zu, in dem die Evolution anders fortschreitet als bis dahin. Aber andererseits gibt es erstaunliche Parallelen, indem sich die Informationsverarbeitung gleicht, d.h. so wie Informationen genetisch erworben, modifiziert (durch Mutationen oder Neukombinationen), wieder angewendet und vererbt werden, geschieht das in ähnlicher Weise neuronal, indem Informationen in der Sprache erworben, gespeichert, modifiziert (durch kreatives Denken oder Kommunikation), wieder angewendet und tradiert werden und darin Kultur und kulturelle Evolution ergeben. Daher führte Lorenz weiter dazu aus:

    „Die Entwicklungsvorgänge, die vom Anorganischen zum Organischen und vom Tier zum Menschen führen, sind der Fragestellung und Methodik der Naturforschung in gleicher Weise zugänglich, ja sie sind einander in geheimnisvoller Weise ähnlich. Die Parallelen fast möchte man sagen: die Analogien, die zwischen diesen beiden größten Fulgurationen bestehen, die sich in der Geschichte unseres Planeten je ereignet haben, regen zu tiefstem Nachdenken an.” (Lorenz 1987, S. 216) Und genau das sollten wir Menschen tun.

    Ich versuche mit meinem ingenieurmäßigen Denken Lorenz und Wilson zusammenzubringen und da Sie wohl so ähnlich ticken, freue ich mich auf fruchtbare Diskussionen mit dem Ziel objektiver Wahrheit (und als Weitergang der kulturellen Evolution, nicht auf der genetischen, sondern der neuronalen Ebene).

  32. Bernd sagt:

    Ja, ok. Trifft es besser.

  33. Rainer Gebauer sagt:

    Eines kommt mir bei der Diskussion über Gemeinsamkeiten bzw. Unterschiede hinsichtlich der evolutionären Entwicklung auf biologischer bzw. kultureller Ebene oft zu kurz: die Betrachtung der Gleichzeitigkeit beider Ebenen bei jedoch völlig verschiedenen Entwicklungsgeschwindigkeiten. Entsprechende Überlegungen wie die von Taleb (Der schwarze Schwan) oder von Kahneman (Schnelles Denken, langsames Denken) nehmen wir zwar zur Kenntnis, aber unverdrossen vertrauen wir darauf, dass die zwei Erkenntnis- und Entscheidungsinstanzen in uns schon irgendwie zusammenkommen werden.
    Anders gesagt: Konrad Lorenz und seine angeborenen Lehrmeister schätzen wir in ihrer Wirkung oft genug viel zu gering ein, weil sie so gar nicht zur stolzen Brust passen, die wir angesichts unseres großartigen Verstandes und seiner Leistungen vor uns hertragen. Gerade die Entwicklung z.B. auf der politischen Ebene in so gut wie allen Staatssystemen (wenn auch in sehr verschiedene Richtungen weisend) hin zur Polarisierung von allem und jedem macht das deutlich.

  34. Bernd sagt:

    Ein konkretes, anschauliches Beispiel wäre hier sehr hilfreich. Können Sie das liefern?

    • Rainer Gebauer sagt:

      Beispiele für das Auseinanderklaffen unserer beiden Erkenntnisebenen (bei Kahnemann schnelles und langsames Denken) gibt es zuhauf: Zwar weiß ich, dass ich mich ökologisch falsch verhalte, aber auf den Urlaubsflug verzichten will ich dann doch nicht; zwar weiß ich, dass ich mich falsch ernähre, aber der Versuchung eines Stücks Schokolade zu widerstehen, fällt mir schwer; zwar weiß ich, dass unser Arbeitsmarkt Zuwanderung braucht, aber die Angst, dass zu viele Fremde mein Umfeld zu stark verändern, können sehr viele nicht verdrängen usw.

      Die erstaunlichen Leistungen unserer Großhirnrinde gaukeln uns vor, wir könnten all unsere Probleme allein mit technischem Fortschritt lösen. Aber die Entscheidungsmechanismen etwa im Verdauungs- oder im Fortpflanzungstrakt stammen noch aus dem Neolithikum und verändern sich auf der evolutionären Zeitskala, nicht auf der kulturellen. Die beiden Systeme sind einfach unkompatibel. Soziobiologie und Biologie mögen sich aufgrund gleicher Mechanismen entwickeln, aber sie tun es nicht im gleichen Takt.

  35. Bernd sagt:

    @Rainer
    Vielen Dank, jetzt weiß ich, was gemeint ist. Ja, solche Beispiele gibt es viele, wie etwa die Priester, die ihr Leben ihrem geglaubten Gott geweiht haben. Aber trotzdem sie dabei glauben, dass er sie ständig beobachtet und alles sieht, missbrauchen sie sexuell Kinder. Ihr massenhaftes Fehlverhalten führen sie aber nicht auf die die natürliche Instinkte ihres animalischen Erbes zurück, sondern glauben eher, dass ein übernatürlicher Teufel dahintersteckt.

    Ein anderes Beispiel sind die ständigen Kriege, wie die besonders hasserfüllten im sogenannten „Heiligen Land” der drei großen Weltreligionen. Auch das wird nicht als Instinktverhalten angesehen. Dabei verlangte der alttestamentliche Gott im Kriegsfall sogar die Vernichtung bzw. den Völkermord, wenn die andere Kriegspartei ein direkter (um Ressourcen konkurrierender) Nachbar ist. Dieser Gott hat dann zum neutestamentlichen hin sein Wesen komplett geändert – oder haben sich die Lebensumstände geändert, die einen anderen Gott benötigten?

    Konrad Lorenz vertritt die Überzeugung, dass dieses aggressive Verhalten der Gruppenauseinandersetzungen in den kulturell entwickelten Gesellschaften zumindest zu einem großen Teil in die sportlichen Wettkämpfe „abgeleitet” wurde. Aber das geschah nicht bewusst als Vorgabe, sondern eher unbewusst, von selbst. Das ist jedoch auch bewusst ein gangbarer Weg.

    Je mehr sich die Menschheit kulturell entwickelt und darin ihre Welt verändert, umso mehr werden die angeborenen Instinkte zu einem unangepassten Verhalten, wie eben die Kriege, die heute mit Massenvernichtungswaffen geführt werden können. Zur genetischen Evolution waren diese Aggressionen nötig, zur kulturellen Evolution sind sie es nicht, ganz im Gegenteil. Ein weiterer Instinkt, der heute mehr und mehr unangepasst wird, ist das mit Hilfe der modernen Technik ermöglichte exzessive „Jagen und Sammeln” materieller Werte, was darin mit Rang und Macht verbunden ist. Das wird das Ökosystem nicht mehr lange aushalten.

    Nur handelt es sich dabei in meinem Verständnis entsprechend der verschiedenen Evolutionssysteme um „zwei [völlig verschiedene] Erkenntnis- und Entscheidungsinstanzen”, die daher gesetzmäßig immer weiter auseinandergehen und nie mehr „zusammenkommen werden”. Es gibt zudem in meinem Verständnis keine genetische Evolution mehr beim Menschen, da durch den kulturellen Fortschritt der Selektionsmechanismus aufgehoben wurde, d.h. wir besitzen ein animalisches Erbe im Verhalten, das über Emotionen gesteuert wird, sich aber nicht mehr weiterentwickelt (die Gentechnik spare ich hier einmal aus).
    Daher sehe ich es genau wie Huxley als Lösung an, sich überhaupt erst einmal über die beiden völlig verschiedenen Evolutionssysteme bewusst zu werden und dabei gemäß Wilson die daraus sich ergebene dichotome Natur des Menschen zu erkennen – wobei sich daraus wiederum ergibt, wie die Evolution des Menschen nur weitergehen kann. Sie kann nicht dadurch weitergehen, dass der Mensch den Sinn der geistig-kulturellen Evolution nur darin sieht, damit (als Technik) seine Instinkte immer exzessiver zu befriedigen, egal ob den Aggressionstrieb zur Erlangung der Weltherrschaft oder irgendwelche Vorherrschaften der jeweils eigenen Gruppe (oder Herrenrasse), als Macht und Rang über exzessive gesammelte materielle Werte, als exzessive Ernährung usw. Die kulturelle Evolution muss zum Selbstzweck werden.

    In meinem Verständnis ist das nicht etwas, das von der Theorie her aus ästhetischen Gründen verwirklicht werden müsste, sondern ich bin hier ganz der Meinung von Huxley, der schon vor sechzig Jahren sagte, dass die Lage kritisch ist, weil wir uns unbedingt vom „neuartigen Ideensystem” der kulturellen Evolution (das Dawkins und die Soziobiologie bis heute nicht kennen bzw. ausdrücklich abstreiten) leiten lassen müssen, da ansonsten diese Evolution „sich selbst gefährdet, ja sogar sich selbst vernichtet” (Vgl. Julian Huxley, „Die Grundgedanken des evolutionären Humanismus” In: Julian Huxley: „Der evolutionäre Humanismus. Zehn Essays über die Leitgedanken und Probleme.” München 1964, S. 69) Heute wissen wir konkreter, wie diese Selbstvernichtung aussehen könnte.

    Huxley war der Meinung, dass „in dieser Phase des Evolutionsprozesses größerer Fortschritt einen radikalen Wandel in den herrschenden Ideensystemen mit sich [bringt].” Doch da hat er sich getäuscht. Dieser radikale Wandel in den Ideensystemen wäre etwa als Überwindung des Glaubens an übernatürliche Wesen oder als die von Huxley im Fall des Menschen neu definierte Evolutionsbiologie bitter nötig, um die menschliche Evolution vor der Sackgasse, auf die sie zusteuert, zu bewahren. Doch dieser radikale Wandel hat auch sechzig Jahre später nicht stattgefunden. Ganz im Gegenteil, Wissenschaftler wie Wilson, die in der Evolutionsbiologie diesen Wandel mit neuen Ansätzen (der kulturellen Evolution) vorantreiben wollen, werden auf das Heftigste bekämpft, und zwar nicht mit Sachargumenten, sondern emotional (deren Schriften gar nicht lesen, sondern fortschleudern, und zwar mit Wucht usw.). So sieht es aus, wenn Wissenschaftler von Instinkten nach Wilsons Aussage „gesteuert” werden (Wilson: „Wir sind ein evolutionäres Mischwesen, eine Chimärennatur, wir leben dank unserer Intelligenz, die von den Bedürfnissen des tierischen Instinkts gesteuert wird.”), wenn sie in Wilsons Vorgehen nicht das Ideal der Wissenschaft sehen, sondern nur den Verrat an der eigenen Gruppe und ihrem Rang und Ansehen.

  36. Realo sagt:

    @ Bernd 22. Januar 2024 um 19:37 Uhr

    Ich meine, dass die Medien z.B. mit den Missbrauchsvorwürfen in der Kirche, stark übertreiben. Sie sind auf Sensationen aus und wollen aus materiellen Gründen den traditionellen Verbreitern von Ideologien/Religionen den Boden entziehen. Sie wollen sich selbst diese führende Rolle auf Menschen Einfluss zu nehmen, unter den Nagel reißen. Medien „spielen Inquisition“.

    Mir ist z.B. in Erinnerung, dass keine Institution schärfer jedes noch so kleine, besonders sexuelle „Fehlverhalten“ verhindern wollte, als die Kirche. An derart schwere Verbrechen wie Missbrauch durfte nicht einmal „gedacht“ und auch nicht gesprochen werden, weil andere erst auf derartige Gedanken gebracht werden könnten. Ausgerechnet denen wirft man vor, zu wenig getan zu haben…

    Mich wundert auch nicht, dass die Kirche, vermutlich wegen der Auswüchse, den falschen Verdächtigungen und Fehlurteilen bei den „Hexenprozessen“, die Aufklärung und Ahndung von Verbrechen der Polizei überlässt. Die ist dafür zuständig. Nicht mehr die „Inquisition“, auch nicht die „Inquisition der Medien“.

    Im Zusammenhang mit Konflikten und Kriegen mussten sich die Menschen im Vergleich zu den Tieren besonders entwickeln, weil Menschen gelernt haben mit Werkzeugen, auch Kriegswerkzeugen, umzugehen.

    Letztlich mit Atombomben und Biowaffen die zum Einsatz kommen könnten, wenn „Land X“ prinzipiell die Weltherrschaft und die Vernichtung Andersgläubiger im „Land Y“ anstrebt. Was dieses Land mit „absoluter Konsequenz“ verhindern wird und auch kann.

    Da ergibt sich die Frage, ob wegen der Radioaktivität bzw. der viralen Stoffe, grundsätzlich neue resistente Genvarianten mit besonderen Eigenschaften entstehen könnten, die völlig neue Lebensformen mit neuen Eigenschaften hervorbringen, die sich im Sinne Darwins für einige Zeit durchsetzen?

    Sozusagen eine „Maschinerie aus Zufallsgeneratoren“ neue (genetische und memetische) „Zufallsvariablen“ zwischen „Null und Unendlich“ generiert, die bei geänderten Lebensbedingungen existieren können?

    • Bernd sagt:

      @ Realo
      Es ist ja spätestens seit Trump Mode geworden, die eigenen Verbrechen einfach dem Gegner oder den Medien vorzuwerfen. Also schon bei der Wahrheit bleiben, die Kirchen sind die Verbrecher, sowohl damals mit der Inquisition genauso wie heute mit den Verbrechen an kleinen Kindern.

  37. Bernd sagt:

    Richard Dawkins ist nicht nur unbeirrbarer Verfechter der Soziobiologie, sondern wurde auch schon als „Papst” der radikalen „Neuen Atheisten” bezeichnet, zu denen auch die Giordano-Bruno-Stiftung gehört. Daher konnte sich Wilson im Streit mit Dawkins einen Seitenhieb auf die „leidenschaftliche Empörung des wahren Gläubigen” Dawkins nicht verkneifen, da Dawkins sich nicht wie in der Wissenschaft unabdingbar mit kritischen Argumenten sachlich auseinandersetzt, sondern wie in der dogmatischen Kirche kritische Bücher einfach auf den Index setzt. So führt Wilson aus: „Als ich 2012 in meinem Buch Die soziale Eroberung der Erde (dt. 2013) Teile meiner Argumente wiederholte, reagierte Richard Dawkins mit der leidenschaftlichen Empörung des wahren Gläubigen. In seiner Rezension für das britische Magazin Prospect riet er, einfach nicht zu lesen, was ich geschrieben hatte, sondern das ganze Buch wegzuwerfen, und das «mit kräftigem Schwung»” (Edward O. Wilson, „Der Sinn des menschlichen Lebens”, München 2015, S. 78).

    Aus diesem Anlass möchte ich hier die Frage stellen, ob nicht auch die Soziobiologie als „wirr oder gar gefährlich” bezeichnet werden kann oder muss. Der Kritikpunkt dazu ist die Gen-Zentriertheit der Soziobiologie, die darin Geist und Kultur des Menschen als Ergebnis der genetischen Fitness versteht und so als genetisch erworben und verankert. Im Fall von Dawkins kann wohl auch von Gen-Besessenheit geredet werden, weil Dawkins die Gene sogar als Hauptakteur ansieht, der die Lebewesen nur als Vehikel benutzt, um sich zu verbreiten. Das ist so, als benutzt gerade die Sprache oder Schrift mich, um diesen Text hier zu verbreiten. Ich will das gar nicht, aber die Sprache hat Besitz von mir ergriffen und mich zu ihrem Sklaven gemacht.

    Warum ist also allgemein und speziell in der Evolutionsbiologie die Ansicht so faszinierend, dass Geist und Kultur genetisch erworben und verankert sind, so dass schon von Geburt an bestimmt oder determiniert ist, welche Rolle das entsprechende Individuum und die entsprechende Gruppe im späteren Leben spielt? Weil darin die Vormachtstellung des eigenen Seins und der eigenen Gruppe in der Konkurrenz zu anderen Individuen und Gruppen wie im Adel mehr oder weniger als absolut verstanden wird, zumindest so, dass die vermeintliche eigene kulturelle Überlegenheit so sicher besessen wird wie ein körperliches Merkmal, etwa die Hautfarbe. Es ist darin ein Instinkt, der besonders in der Gruppenauseinandersetzung oder -selektion wirkt. Die eigene Gruppe wird verklärt, auch schon in der Religion als das von Gott auserwählte Volk, bei den Nationalsozialisten als Herrenrasse und dieses Grundmuster lässt sich insbesondere heute in der rassistischen amerikanischen Gesellschaft vorfinden. Durch die vielen Zuwanderer sehen die Weißen ihre Vormachtstellung gefährdet, daher bedarf es eines charismatischen Führers, der Amerika wieder „great again” macht, genauer gesagt, die Vormachtstellung des weißen Amerika. Die US-Gesellschaft war schon von jeher rassistisch, das war ja der Anlass des Bürgerkriegs. Es ist von daher kein Zufall, dass die Soziobiologie in den USA entstanden ist und dort die Wissenschaftskriege nach sich gezogen hat – das ist der eigentliche Hintergrund im Streit zwischen Dawkins und Wilson bzw. zwischen der Soziobiologie und Wilson.

    Dass diese Ansichten und Auseinandersetzungen dabei nicht nur die wissenschaftliche Disziplin der Evolutionsbiologie betreffen, das zeigt das folgende Beispiel. Mit seinem neuen Ansatz zur Evolution des Menschen stellt Wilson auch fest: „Die Größe und Fruchtbarkeit dieses eurasischen Kernlandes und nicht das Aufkommen eines an bestimmten Orten endemischen humanen Genoms führte zur neolithischen Revolution.” (Wilson 2013, S. 132 f). Der Historiker und Archäologe Ian Morris vertritt denselben, in seinem Fach völlig neuen Ansatz, nämlich dass die Entwicklung von Kultur (gerade im Fall der australischen Aborigines) von der Geographie abhängig ist und nicht vom Wesen oder Genom der dort lebenden Menschen. So sind von den 56 domestizierbaren Gräsern mit den größten, nahrhaftesten Samen 33 Arten wild in Südwestasien und im Mittelmeerraum heimisch, in Australien dagegen nur zwei. Bei den Nutztieren sieht es ähnlich aus. (vgl. Ian Morris, „Wer regiert die Welt”, Frankfurt am Main 2011, S. 124). Morris stellt dabei fest, dass seine Kollegen auf diesen neuen Ansatz, bei dem nicht mehr von einer genetisch bedingten Überlegenheit bestimmter Völker oder Kulturen ausgegangen wird, bezeichnenderweise reagieren „wie der Stier auf ein rotes Tuch“ (Morris 2011, S. 38).

  38. Realo sagt:

    @ Bernd 25. Januar 2024 um 17:37 Uhr

    Vielen Amerikanern ist aufgefallen, dass sie von den Medien bevormundet und maßlos manipuliert werden. Die Medien wollen den Amis nicht nur vorschreiben wie sie sich zu verhalten, was sie zu kaufen haben, sondern sogar welche Politiker sie wählen dürfen. Obama und Trump haben es ehemals gewagt, sich an den Medien vorbei in das Präsidentenamt zu „twittern“. Das geht aus Sicht der Medien gar nicht.

    Mit der „Lügenmasche“ wollten sie den Trump „zerlegen“. Der hat danach gleich mit „10“ weiteren absurden Lügen als Provokation nachgelegt und so den Medien einen „Tritt in den H……“ verpasst.

    Dass es einer wagt gegen die Medien „aufzustehen“, das begeistert viele Menschen, nicht nur in Amerika. Zumal eine „Vormundschaft“ durch die Medien nicht in der Verfassung vorgesehen ist.

    Zitat: „Also schon bei der Wahrheit bleiben, die Kirchen sind die Verbrecher, sowohl damals mit der Inquisition genauso wie heute mit den Verbrechen an kleinen Kindern.“

    Neugierig wäre ich schon, wie sie das begründen wollen, dass ausgerechnet die Kirchen, Menschen explizit zu „Verbrechen an kleinen Kindern“ anstiften? Es ist doch in Wirklichkeit so, dass keine andere Institution als die Kirchen, mehr gegen jedes noch so kleine sexuelle Fehlverhalten „kämpfen“, als die Kirchen.

    Verbrecher an Jugendlichen sind normalerweise einzelne Menschen, von bösen Onkels, Handwerkern, … bis hin auch zu Pfaffen.

    • Bernd sagt:

      Die Kirchen stiften ihre Mitglieder nicht an, Kinder sexuell zu missbrauchen, aber sie tolerieren es, tun nichts wirklich dagegen.

      Auch Fox-News und Twitter sind „Medien“.

      Darüber hinaus bin ich etwas verwundert, dass die hier verbreitete These, dass die sexuellen Verbrechen an Kindern in der Kirche nur das Werk der „Inquisitions“-Medien sind, also gar nicht stattgefunden haben, ansonsten unwidersprochen bleibt. Ich muss also annehmen, dass dieses Forum diese These nicht falsch findet.

    • Timm Grams sagt:

      Dem muss ich heftig widersprechen:

      Ich muss also annehmen, dass dieses Forum diese These nicht falsch findet.

      Dieses Forum „findet“ gar nichts. Teilnehmer geben ihre Meinung zum Besten. Unter anderem Sie. Ich trenne meine Rollen als Moderator einerseits und als Autor und Diskussionsteilnehmer andererseits.

  39. Bernd sagt:

    Entschuldigung, aber das war nur eine Meinung von mir, wie es auch der erste Teil meines Satzes (Annahme) vermittelt. Ich meinte dem Kontext nach nicht, dass das Forum hier etwas im Sinne eines Beschlusses „finden“ oder bestimmen sollte, und ich habe in keiner Weise Sie als Moderator angesprochen.

  40. Realo sagt:

    @ Bernd 29. Januar 2024 um 11:17 Uhr

    Zitat: „Die Kirchen stiften ihre Mitglieder nicht an, Kinder sexuell zu missbrauchen, aber sie tolerieren es, tun nichts wirklich dagegen.“

    Das Problem ist, dass viele „Vorfälle“ überhaupt nichts mit echten „sexuellem Missbrauch“ zu tun hatten. Es sind teilweise infame Unterstellungen.

    Es waren oft absurde „Badezimmergeschichten“ oder „Ohrfeigengeschichten“ die damals immer und überall „üblich“ waren, in den „besten Familien“, in der Schule und anderen Institutionen.

    Es ist doch völlig klar, dass es auch „echte“ Fälle gab, dass ist einfach eine Frage der Statistik. Die gab es überall. Obwohl sich die meisten Menschen gar nicht vorstellen können, dass es derartige Verrücktheiten überhaupt gibt.

    Für Psychologen ist aber auch klar, dass es Menschen gibt, die sozusagen nichts anderes als „Missbrauchsgedanken“ im Kopf haben. Diese Verrücktheit auch noch zu fördern, das muss man manchen Medien vorwerfen.

    Unter „Badezimmergeschichten“ meine ich z.B. einen Vorfall, bei dem ein Internatsleiter eines öffentlichen Internat angezeigt wurde, weil er einen Jugendlichen, der sich der Körperreinigung extrem hartnäckig entzogen hat, einfach „mit Gewalt“ auch an den Geschlechtsteilen gewaschen hat. Der Heimleiter kam nur deswegen davon, weil auch ein Arzt einbezogen werden musste, weil der Jugendliche bereits von Maden befallen war…

    Der Jugendliche wollte sich einfach nicht selbst an den Geschlechtsteilen, nicht einmal zum waschen berühren, weil dies wegen „Onaniegefahr“ verboten war. Da hat er die Pfaffen falsch verstanden….

  41. Bernd sagt:

    Sie vertreten das Verständnis, das die Opfer auch im Nachgang noch verhöhnt. Die Ergebnisse der wissenschaftlichen Studien sehen anders aus: Das, was aufgedeckt werden konnte, sei nur die „Spitze der Spitze des Eisbergs“, u.a. weil nur eine einzige von zwanzig Landeskirchen die versprochenen Akten zur Verfügung stellten. https://www.stern.de/news/evangelische-missbrauchsstudie-zeigt-nur–spitze-der-spitze-des-eisbergs–auf-34399250.html
    Das ist hinter schönen Worten das wahre Gesicht der Kirche.

  42. Schon lange wundere ich mich, dass es nicht deutliche Kritik an der Giordano- Bruno- Stiftung gibt. Mir ist unverständlich, dass sich im Jahr 2004 eine Stiftung, die sich dem „Humanismus“ (was ja erst einmal ein positiv konnotierter Begriff ist), verpflichtet, nach einem ausgemachten Judenhasser, Frauenhasser und Pantheisten des Mittelalters benennt, dessen einzige Leistung es war, auf einem katholischen Scheiterhaufen verbrannt zu werden. Dann enthüllen sie auch eine Denkmal für so einen anachronistischen Menschenfeind. Ebenso ist der Bezug zu Julian Huxley und seiner Eugenik im 21. Jh. unerträglich genau wie die sprichwörtliche „kultige“ Verehrung für Utilitaristen Singer und seine auch in der Philosophie nicht unumstrittenen Thesen.
    Im aktuellen Beirat der GBS ist Quelle: Wikipedia) ist ein expliziter Mangel an weiblichem Personal festzustellen.
    Wäre die gbs wirklich auf der (wissenschaftlichen) Höhe der Zeit, hätte sie sich als Namensgeber*in, wenn schon unbedingt jemanden aus dem Mittelalter, nach einer der aus Willkür als Hexen verbrannten Frauen benennen können. Aber Frauen taugen kaum für einem verstaubten Interessenverband, mit seinen „Kamingesprächen“, seinen 10 „Angeboten“, mit denen er sich anmaßt, letztendlich über Leben und Tod entscheiden zu dürfen. (Tyrannenmord sei „erlaubt“) M.E. ist die gbs eine völlig anachronistische Veranstaltung, die sich nicht besonders von denen unterscheidet, die sie sprichwörtlich bekämpfen möchte. Eine Religion der Nicht-Religion, die Wissenschaft und Humanismus und manchmal auch die bildende Kunst für sich zurechtbiegt um sie Zugpferde vor ihren morschen Karren zu spannen.
    (Dazu: https://taz.de/Antibeschneidungskampagne/!5078987/)

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