Dichotomien haben in meinem Leben eine große Rolle gespielt. Ende der 70er Jahre entdeckte ich Karl Raimund Popper für mich. Er erlöste mich von dem Zweifel an meinem Verstand: Mein Versuch in meiner Studienzeit die 68er-Kommilitonen zu verstehen, führte mich seinerzeit zu Hegel. Das Resultat: Ich verstand gar nichts mehr.
Das hat mich jahrelang belastet. Dann kam das „Erweckungserlebnis“: ein großer Artikel von Ralf Dahrendorf in der Wochenzeitung Die Zeit, in dem er das Buch Die offene Gesellschaft und ihre Feinde von Karl Raimund Popper zum Jahrhundertbuch erklärte. Ich las und meinte, etwas von zeitgenössischer Philosophie zu verstehen. Außerdem gewann ich die Gewissheit, dass ein Ingenieur Hegel gar nicht verstehen kann. Mein Selbstbewusstsein erholte sich.
Mit Lektüre der Logik der Forschung wurde ich Popperianer und die Welt schwarz-weiß: hier Wissenschaft, da Metaphysik. Während meines Berufslebens in der Industrie fand ich das unproblematisch. Unter Ingenieuren gibt es dazu ja keinen großen Widerspruch. Anfangs hatte ich eine fast szientistische Einstellung – etwas gemildert durch Zweifel an der diesbezüglich extremen Einstellung des Karl Steinbuch.
Ich wurde Professor und begann weiter über die Sache nachzudenken. Die Skeptikerbewegung zog mich an. Ich wurde Mitglied in der GWUP und blieb dort 15 Jahre. Ich trug sogar dazu bei, die dort übliche Schwarz-weiß-Malerei noch zu vertiefen, worüber ich im Artikel Pseudowissenschaft – Kampfbegriff oder mehr? berichte.
Anlässlich der Erstellung eines Webauftritts für den Fachbereich ET musste ich mich (als Gründungsdekan) auch mit Farben und deren Komposition beschäftigen. Pastell entsteht, wenn man einer Farbe alle anderen Farben beimischt, kurz: weißer macht. Geht man von Schwarz aus, dann entsteht Grau. Grau ist das Pastellste aller Pastelle, sagte ich mir damals. Ich füge das ein, weil sich allmählich meine Weltsicht zu ändern begann.
Die Schwarz-weiß-Malerei der extremen Skeptiker begann mich zu stören. Man sieht sich auf der Seite der Wissenschaft und weiß was wirklich ist, kennt die Wahrheit.
Ich begann Zwischentöne zu entdecken. Die Welt wurde für mich bunter, mit Beimischungen der Extreme, pastell sozusagen. Und das waren die Stufen meines Lernprozesses:
Was mich zuallererst störte, war der Wahrheitsanspruch der Naturalisten unter den Skeptikern. Mir wurde bewusst, dass auch Poppers Logik der Forschung einen solchen Wahrheitsanspruch nicht hergibt.
Mit der Zeitenwende kam dann auch noch der moralische Relativismus ins Spiel.
In diesem Hoppla!-Blog treten immer mal wieder Vertreter der Extrempositionen auf. Sie haben leider einen Hang zum Missionarischen und machen einem das Leben schwer. Aber ich muss zugeben: Ich brauche sie. Von den Diskussionen mit den Missionaren habe ich viel gelernt – mühsam zwar, aber dennoch.
In der Diskussion über Soziobiologie lernte ich, dass es neben der Dichotomie Wissenschaft vs Metaphysik mit der Unterabteilung Pseudowissenschaft noch eine ganze Menge gibt; nämlich Wissensgebiete, denen man die Wissenschaftlichkeit schwerlich absprechen kann und die in ihrer Gesamtheit das Popperkriterium nicht erfüllen. Es sind Weltbilder oder Weltanschauungen, die durch wissenschaftliche Erkenntnisse oder zumindest wissenschaftliche Methoden getragen werden, die aber auch metaphysische und transzendentale Bestandteile haben.
Das ist das Feld der Diskurse. Die besseren Argumente gewinnen. Aussicht auf absolute Gewissheit besteht nicht. Hin und wieder muss man konkurrierende Ideen nebeneinander bestehen lassen.
Anmerkung: Eine Entwicklung wie hier beschrieben, ist sehr persönlich. Trifft eine Zeitenwende auf einen Verein, dem vor allem missionarisch Begabte angehören, kann es diesen zerreißen. Eine solche Zerreißprobe erlebt zur Zeit die GWUP. Es gibt mehrere Anlässe, einer davon ist ein Vortrag von Andreas Edmüller vor der Regionalgruppe Mittelfranken der GWUP im letzten Oktober: Das WOKE-Phänomen – Frontalangriff auf die Werte von Wissenschaft und Aufklärung?
Anmerkung 2: Das Prinzip der objektiven Erkenntnis (KR Popper) schließt nicht aus, dass man eine Diskussion auch einmal beendet, indem man sich einigt, sich nicht zu einigen. Bei weltanschaulich grundierten Diskussionen ist das sogar der Normalfall. Moderne Staatswesen, insbesondere Demokratien, kennen unblutige Auswege aus solchen Situationen, unter anderem die Abstimmung und den Gerichtsprozess.
Im Zusammenhang mit der Soziobiologie, die im Rassismusverdacht steht, hatten wir eine solche Diskussion. Das von mir herbeigeführte offene Ende hat keinerlei praktische Konsequenzen. Die für alle Bundesbürger verbindlichen Bestimmungen sind im GG Art 3 Abs 3 fixiert:
Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
Und noch etwas: Popper hat uns zwar gelehrt, die Metaphysik von der Wissenschaft zu trennen, verabscheut hat er sie nicht. Er misst ihr eine schöpferische Rolle im Vorfeld der Wissenschaft zu.
Fast schon poetisch zu Wirklichkeit.
Super Artikel, bei mir fängt der Prozess mit den Pastelltönen wohl auch gerade an :-)
Die einfachen Wahrheiten werden immer komplexer :-)
Vielleicht hab ich das auch zu einem Stück Ihnen zu verdanken?
Vielleicht ziehen Sie die Missionare an?
Bei der GWUP habe ich bis heute den Verdacht einer Hidden Agenda, pro Pharma, Pro Chemie, pro Nuclear, evtl so ein infiltrierter Think Tank… ich finde es bis heute höchst bedenklich, das die Gwup in einem Report der regierungsnahen Amadeo Antonio Stiftung als beratend drin steht, dieser Verein von Laien Darstellern kann doch nicht wirklich die Regierung beraten. Außerdem ist der Blog einfach nur einseitig und pusht nur BS; so als ob er von deutlich wichtigeren Dingen ablenken wollen würde.
https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/w/files/pdfs/verschwoerungen-internet.pdf
Off Topic zu hier:
Hier ein tolles Video zu dem Thema Cancel/Deplatforming noch:
Damit verstand ich ihre Bedenken wegen Netz DG usw besser… auch hier muss man die Sache sehr differenziert beobachten quasi in Pastell:
Zweifelhafte STUDIE über HASS in sozialen Medien
https://www.youtube.com/watch?v=PAvfr-xYes8
Ich dachte der Kanal wäre so ein Schwurbler Kanal aber er ist ganz cool….
Und das unsere BT Abgeordneten nicht dumm sind zeigt der Kanal:
https://www.youtube.com/no%20afd
–> einfach mal reinhören und lachen wie die Afdler von den anderen Abgeordneten Bloßgestellt werden…
@ Grams
Ich kann mir gut vorstellen, dass sie ehemals „die Denke“ Ihre 68er-Kommilitonen wegen ihrer „DDR Prägung“ nicht wirklich nachvollziehen konnten.
Ich lebte mit meinen Eltern ehemals zwar auch in einer russischen Besatzungszone (bis 1955), aber die „Denke der Oberschicht“ war sehr „westlich kapitalistisch“. Abgesehen von einer gewissen “Unfreiheit“ (noch von den Nazis) sind uns jungen Menschen gewisse Sachverhalte aufgefallen, die wir kurzerhand als „Schweinekapitalismus“ bezeichnet haben.
Z.B. wurde absichtlich der „Brotkorb“ recht hoch gehalten. Die Anbieter von Waren wollten nicht etwa nur die Herstellungskosten abdecken, sondern soviel als irgendwie möglich erzielen, was mit allen Mitteln (Werbung) angestrebt wurde.
Dann wurde uns auch noch das Prinzip der „Korruption“ klar. Wir wurden in der Schule z.B. gezwungen, uns einheitlich schwarze Turnhosen mit weißen Streifen zu kaufen, die grob gesagt doppelt so teuer waren wie normale schwarze Turnhosen. (Meine Mutter hat mir kurzerhand weiße Streifen aufgenäht).
Hat man in einem billigen „USIA“ Laden eingekauft, wurde versucht die Einkäufer damit abzuschrecken, dass sie „aufgeschrieben“ würden, weil die Güter „gestohlen“ seien und später „juristisch abgerechnet“ würde….
Kurz gesagt, der allgemeine Druck am Arbeitsplatz und in der Schule war derart groß, dass z.B. Kumpels lieber zur Fremdenlegion „ausgewichen“ sind. In den billigen 68er WGs (für eine gehobene Ausbildung), haben wir recht „Linken“, Nächte lang diskutiert, alles analysiert und von einer besseren Welt geträumt. Es kam zu den bekannten Demos auf der Straße und auch zur Bildung der RAF. (Der standen wir wegen der Gewalt allerdings kritisch gegenüber).
Das kommunistische „Konkurrenzsystem“ hat das kapitalistische System in eine eher positiv Richtung, hin zur Humanität gedrängt.
Die „Diskonter“ (Aldi Brüder, Schwarz,….) haben den „Brotkorb“ ganz weit „heruntergeholt“. Sie haben ökonomisch gewirtschaftet, teilweise auf Gewinn verzichtet und als Vorteil an die Kunden weitergegeben. Sie haben mehr bewirkt, auch in Sachen „Gleichheit“, als Karl Marx und seine gesamte Gefolgschaft zusammen. Ein kleiner Gag, vor der „Aldi Kassa“ sind alle Menschen gleich….
Ideologisch halte ich mich an die Mathematiker, Physiker, Informatiker als auch Psychologen.
zu Pastell
Soweit ich weiß bezieht sich der Begriff ´Pastell´ auf das Material von in der Malerei verwendeten Farben. Meist sind diese Farben Pigmentfarben (z.B. Kreiden).
zu GWUP
Mit mehreren belegten Hinweisen an GWUP-Mitglieder, dass sich das Phänomen ´Nahtod-Erfahrung´(NTE) komplett als Ergebnis eines einfachen Erinnerungsvorgangs erklären lässt *) – hatte ich bei GWUP in den letzten eineinhalb Jahrzehnten keinen Erfolg.
Ich habe den Eindruck, dass GWUP beim Thema NTE unbedingt Esoterik-Positionen verteidigen will. Aufklärung ist unerwünscht.
Ich habe daher aus eigener Erfahrung den Eindruck dass Begriffe wie ´Wissenschaft´, ´Aufklärung´ bei GWUP doch nur zu Werbezwecken missbraucht werden und GWUP daher sogar die wissenschaftliche Denkweise behindert.
*) Quelle (Im Internet (z.B. bei Amazon) gibt es kostenfreie Leseproben:
Kinseher Richard
„Auflösung großer Fragen: Was ist Bewusstsein? Was ist Zeit?
(Im Buch wird erklärt, wie DENKEN funktioniert, WIE + WARUM ein ´ICH-Bewusstein´ entsteht bzw. was ´Bewusstsein´ ist. Da man in diesem Zusammenhang auch über die Dauer von Gedanken Überlegungen anstellen sollte – gibt es auch ein Kapitel zum Thema ´Zeit´; mit einer konkreten Definition für ´Zeit´.
Im Text ist eine komplette Erklärung für die Phänomene ´Nahtod-Erfahrung´ und ´Nachtod-Kontakt´zu finden.
Das Thema NTE ist von großer wissenschaftlicher Brisanz: denn bei NTEs lässt sich deutlich erkennen und belegen, dass dabei Erlebnisse ab dem 5. Schwangerschaftsmonat lebenslang dem bewussten Erinnern in der gleichen Reihenfolge zugänglich sind, wie sich die physikalischen Sinne entwickeln. In der Kognitionswissenschaft gilt aber die Lehrmeinung ´infantile Amnesie´; welche besagt, dass wir uns an frühe Kindheitserlebnisse nicht erinnern können.
Dies bedeutet, dass die für diese Erlebnisse verwendeten neuronalen Strukturen LEBENSLANG UNVERÄNDERT vorliegen müssen!
D.h. eine wichtige Lehrmeinung der Kognitionswissenschaft ist nachweisbar falsch! und auch das Thema ´Plastizität´ muss diskutiert werden.)
Die stärkste Waffe in Diskussionen ist die Wissenschaft. Ihre Anrufung signalisiert objektive Erkenntnis.
Im Laufe meines Lebens wuchs die Überzeugung, dass man damit einer Täuschung aufzusitzen droht. Die geistige Welt ist vor allem von Weltanschauungen und Weltbildern bevölkert.
Da tummeln sich nicht nur die üblichen Verdächtigen wie Homöopathie und Religion. Auch was als harte Wissenschaft daherkommt, ist in Teilen der Metaphysik zuzuordnen. Es gibt tragende transzendentale Elemente, also Aussagen, die zwar plausibel und vernünftig, aber weder beweisbar noch überprüfbar sind.
Auch dem Hobbyforscher erschließt sich das, wenn sich weltbekannte Wissenschaftler und Wissenschaftsjournalisten öffentlich in die Haare geraten – so geschehen im Soziobiologie-Streit Dawkins vs Wilson, abgedruckt im Prospect Magazine von 2011.
Darüber gab es auch im Hoppla!-Blog bereits eine heftige Diskussion.
Dieses Fundstück aus dem Diskussionsfaden des Prospect Magazines fasst meine Empfindungen ganz gut zusammen:
Absurditäten und Paradoxien seien die Folgen von
@Grams
Sie haben recht, dass sich auf ´Wissenschaft´ zu berufen, zu einer Täuschung führen kann.
Ein schönes Beispiel dazu ist das Thema ´Zeit´.
Bischof Augustinus unterschied schon vor 1600 Jahren (in: Bekenntnisse, Buch 1Typen. a) die göttliche, b) die physikalische und c) die menschliche Zeit bzw. Zeitwahrnehmung.
D.h. er stelle schon vor 1600 Jahren DREI verschiedene Phänomene vor!
Stand der ´Wissenschaft´ ist – dass man bis heute keine Definition für ´Zeit´ vorgestellt hat: aber davon ausgeht, dass man ´Zeit´ z.B. mit Uhren messen oder von Uhren ablesen kann.
Der Glaube an Einstein´s ´4D-RaumZEIT´ ist eine Form von Ersatzreligion geworden: diese Idee darf man nicht hinterfragen oder in Frage stellen – denn dies wäre eine Form von Gotteslästerung.
Diese Vorgehensweise ist unwissenschaftlich – denn wenn man doch überhaupt nicht weiß was ´Zeit´ ist, kann man ´Zeit´ weder messen, noch irgendwo ablesen.
Deswegen sind wissenschaftliche Aussagen zum Thema ´Zeit´ nur eine Form von Esoterik – wo man glaubt, dass es alles in echt gibt, was man sich vorstellen lann.
Wenn Physiker in der Lage sind, mit Hilfe von Einstsin´s Formeln zu berechnen, ob Zeitreisen möglich sind – dann muss man sich darüber klar sein, dass Ideen wie ´Zukunft, Gegenwart, Vergangenheit´ nur Begriffe unserer schöpferischen Phantasie sind. D.h. wenn man mit physikalischen Formeln ´Reisen´ zu gedanklichen Begriffen berechnen kann – dann sollte man über die Qualität dieser ´Mathematik nachdenken.
Und noch ein Beispiel:
Uhren sind Messgeräte für deren korrekte Anwendung man sich an vorgegebene Regeln halten muss: weil sonst eine Messung nicht korrekt ist und falsche Werte liefert. z.B. Wenn man eine Präzisionsuhr so eicht/kalibriert, dass sie für einen bestimmten Ort die korrekte Ortszeit anzeigt – dann kann es sein, dass diese Uhr falsche Werte anzeigt, wenn man sie an andere Orte bewegt.
Zu behaupten, ´Zeit ist relativ´ – wenn man andere Uhrzeit-Anzeigen von der Uhr erhält, als die korrekte Ortszeit, ist ein Hinweis, dass man nicht verstanden hat, was eine Messung, ein Messgerät ist.
Zu behaupten, dass man ´Zeit´ messen kann, obwohl man – mangels einer Definition – doch gar nicht weiß was ´Zeit´ ist, ist mehr als peinlich.
Uhrwerke sind Maschinen, die nach den Gesetzen der Thermodynamik funktionieren. UND – von Maschinen ist bekannt, dass deren Funktion von den Arbeitsbedingungen abhängt. Wenn man also eine Uhr – die dazu geeicht ist, für einen bestimmten Ort die korrekte Uhrzeit anzuzeigen – an andere Orte bewegt und dadurch abweichende Uhrzeit-Angaben erhält: dann sollte man darüber diskutieren, welchen Messfehler man gemacht hat und nicht behaupten dass ´Zeit´ relativ ist.
Statt also die Idee ´Zeit ist relativ´ zu diskutieren – sollte man sich mit dem Thema ´Messen´ beschäftigen: Messgerät, Messfehler, Messbedingungen, … … – wenn man sich wissenschaftlichen Qualitätssstandards verpflichtet fühlt.
Ich empfehle für die psychologische Lösung von Pastell und der Frage, warum wir uns so schwer mit ein-/zwei-/mehrdeutig und offen zur Linearität und Homogenität tun den Sukzessivkontrast (ergänzend Simultan- und Komplementärkontrast).
Bin gespannt auf die Schlüsse!