Minimalideologie

JD Vance beschwört anfangs seiner Münchner Rede die gemeinsamen Werte der westlichen Demokratien. Diese Einleitung dient offensichtlich nur dazu, den Zuhörer wohlgesinnt zu stimmen. Er beschwört ein Band, von dem er selbst nichts hält. Nach dieser geschmeidigen Einleitung legt er kräftig los und zeigt uns Trumps Zertrümmerungsstrategie. Ich habe versucht, mir einen Reim darauf zu machen.

Regelbasierte Bündnisse sind brüchig, wenn mehr als zwei Individuen, Parteien oder Staaten beteiligt sind. Es genügt wenn einer einen Vorteil im Regelbruch sieht, dann bricht ein solches Gebäude in sich zusammen. Die Arbeiten an übergreifenden Regeln und Verträgen sind folglich ihr Geld nicht wert und gehören bekämpft, so Trump und Kompanie. Als ein Musterbeispiel solch unnützer Konventionen gilt der Trump-Mannschaft das 2015 verhandelte Übereinkommen von Paris zur Begrenzung der Erderwärmung. Missfallen erregen auch die Regeln zum achtsamen Umgang miteinander; mit Inbrunst runtergemacht wird die Woke-Bewegung.

Und dann gibt es noch diesen amerikanischen Klassiker: Was keinesfalls geht, ist Kommunismus. Wir haben die regelbasierte Ordnung des Westens auf der einen und den verhassten Kommunismus auf der anderen Seite – beides im Grunde Ideologien, denen man keineswegs trauen darf. Diesen Ideologien gilt Trumps Zerstörungswut. Was aber setzt er dagegen?

Meines Erachtens baut er auf eine einfachen Prämisse: Der Egoismus des Menschen ist das Einzige, worauf man sich wirklich verlassen kann. Das begründet zwar ebenfalls eine Ideologie, aber eine äußerst einfache: eine Minimalideologie sozusagen.

Daraus ergibt sich der sehr übersichtliche Werkzeugkasten Donald Trumps: Es geht um Deals und Familie. Deals zwischen zwei Partnern sind äußerst haltbar, da beide Seiten davon profitieren. Auch Mafiakreise setzen auf Familie und folgen der mittelalterlichen Weisheit: Blut ist dicker als Wasser. Bestenfalls den Kirchen wird noch ein Bindungskraft zugetraut.

So gesehen dürfte klar sein, dass bei einem Treffen Trump-Putin nur am Katzentisch Plätze für Selenskyj oder irgendeinen Europäer frei sind.

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3 Antworten zu Minimalideologie

  1. Bösemann sagt:

    Hallo Herr Grams,

    anderes Thema: Würden Sie bitte die aktuelle ifo-Publikation mit dem Titel: „Mehr Ausländer erhöhen die Kriminalitätsrate nicht“ analysieren?

    https://www.ifo.de/pressemitteilung/2025-02-18/mehr-auslaender-erhoehen-die-kriminalitaetsrate-nicht

    Diese Studie wird von Medien genutzt, um den Einfluss der Migration auf die Kriminalität als belanglos darzustellen (meine Wahrnehmung).

    Meine Meinung: Es werden Fehlsuggestionen verbreitet. Durch Statistik-Tricks wie der statistischen Bereinigung bzw. Kontrolle nach bestimmten Merkmalen kann man alles so bereinigen, um alles zu relativieren. Gegen die statistischen Aussagen, dass die Kriminalität viel eher mit Faktoren wie Wohnort und Wohlstand korrelieren, ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Die Kriminalität steigt aber trotzdem bei verschiedenen Delikten in absoluten Zahlen durch Ausländer. Dem Steuerzahler und Migrationskritiker ist es eher egal, ob die Kriminalität durch das Alter oder den Wohnort erklärt werden kann, als durch die Migration, denn wenn der Einwanderer nicht reingekommen wäre, dann wäre die Kriminalität nicht im Inland passiert.

  2. Timm Grams sagt:

    @ Bösemann

    Das hat nur entfernt etwas mit dem Thema Minimalideologie zu tun. Aber es ist ein Beispiel dafür, dass man die Zertrümmerungsstrategie auch im politischen Zentrum finden kann: Sie macht das, was für uns Wahrheiten sind, zu alternativen Fakten.

    Ich schätze Ricarda Lang als rationale Politikerin. Ihre Pressemitteilung vom 18.2.2025 jedoch ist weniger Wissenschaft als Politik. Sie zitiert die
    Pressemitteilung des Ifo Instituts vom selben Tag.

    Darin schreibt Jean-Victor Alipour:

    Die Annahme, dass Ausländer oder Schutzsuchende eine höhere Kriminalitätsneigung besitzen als demografisch vergleichbare Einheimische, ist nicht haltbar.

    Diese Aussage ist überzogen. Um das zu sehen, muss ich mich nicht in die Statistik hineinwühlen. Eine Statistik lässt so etwas aus grundsätzlichen Erwägungen heraus nicht zu. Halten wir fest, was die Presseerklärung objektiv und durch Daten gestützt feststellt:

    Ausländer sind in der Kriminalstatistik gegenüber ihrem Bevölkerungsanteil überrepräsentiert. […] Migranten ziehen häufiger in Ballungsräume, wo das allgemeine Kriminalitätsrisiko höher ist – auch für Einheimische.

    Demgegenüber ist die Mitteilung zur Kriminalitätsneigung von Ausländern eine negierte Kausalitätsaussage: ﹁(Ausländer⟶Kriminalitätsneigung).
    Im Artikel Statistik und Kausalität habe ich nach Kräften erklärt, warum Statistiken eine solche Kausalitätsaussage grundsätzlich nicht hergeben.

    Das scheint mir der Wesenskern von Kelleyanne Conways alternativen Fakten zu sein: Die Interpretation von Zahlen im Lichte einer Überzeugung.

    Bezeichnend ist, dass sich der ÖRR durchgängig, noch vor Erscheinen der Tageszeitungen, diese Quatschmeldung zu eigen gemacht hat.

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