Im Hoppla!-Artikel über Moralisierung und politische Lagerbildung sowie in der darauffolgenden Diskussion war viel von Freiheit die Rede. Jedermann verbindet mit diesem Begriff etwas Positives. Deshalb eignet er sich gut für Propaganda, wie gerade wieder einmal im Ukraine-Krieg. Im aktuellen Spiegel (Nr. 37/10.09.22) gibt sich der ungarische Regierungschef Morawiecki „überzeugt, dass die Ukraine nicht nur ums eigene Überleben kämpft, sondern für die Freiheit Europas“ und dass die Ukraine heute „unsere Werte“ verteidigt.
Aber meinen wir alle mit „Freiheit“ dasselbe? Nein. Es gibt sehr widersprüchliche Auffassungen vom Freiheitsbegriff. Für den Sozialisten beispielsweise ist Freiheit die Freiheit von wirtschaftlichen Zwängen. Für den Liberalen anglo-amerikanischer Prägung hingegen sind die Zwänge des Marktes das Lebenselixier der Wirtschaft. Freiheit ohne Sicherheit ist schwer denkbar. „Zugleich gilt, dass ein Euro, der in die militärische Sicherheit fließt, nicht zugleich für soziale Sicherheit ausgegeben werden kann.“ (Der Spiegel vom 10.09.2022 auf Seite 80) Bereits die Basis der Freiheit ist wackelig.
Und was bedeutet Freiheit in einer Welt, in der das Bevölkerungsgesetz wirksam wird? Thomas Robert Malthus fomulierte erstmals dieses Gesetz, wonach die Bevölkerung stärker wächst als die Nahrungsmittelproduktion – mit den erwartbaren Folgen (1798). Dieses Gesetz habe ich zu Beginn meines Studium kennengelernt, Jahre bevor die Grenzen des Wachstums ins allgemeine Bewusstsein drangen. Die Prämissen haben sich im Laufe der Jahrhunderte aufgrund des technisch-wissenschaftlichen Fortschritts geändert. Das Grundproblem des Bevölkerungsgesetzes ist geblieben. Das wird uns gerade mit dem Klimawandel drastisch vor Augen geführt: Die Spielräume werden kleiner.
In unseren Kaufentscheidungen sind wir immerhin frei, oder etwa nicht? Aber was bedeutet diese Freiheit in einer Gesellschaft, in der der Wert der Dinge durch ihren Preis bestimmt wird und nicht etwa der Preis durch den Wert? (Mariana Mazzucato: The Value of Everything. 2018) Bei den Luxusgütern ist der hohe Preis sogar das eigentliche Distinktionsmerkmal. Dass die Freiheit, solange man sie nicht auf Fragen reduziert wie die, ob die Fingernägel grün, rot oder blau lackiert sein dürfen, auch ein Opfer der Werbung ist, darauf hat uns vor vielen Jahren Vance Packard mit The Hidden Persuaders aufmerksam gemacht (1957).
Ein gut gemeinter Rat, auch an mich selbst: Wenn dir jemand mit „Freiheit“ kommt, frag nach, was er damit meint. Für mich sind die Grundrechte, wie sie im Grundgesetz verankert sind und durch die Justiz mitgestaltet werden, ein hohes Gut. Wir haben genug damit zu tun, dieses Gut nicht verkommen zu lassen. Nehmen wir die informationelle Selbstbestimmung. Die Wachsamkeit in diesem Punkt hat seit den 80er Jahren ziemlich nachgelassen. Die Gepflogenheiten im Internet zeigen das.
Die Bedrohung kommt zunächst einmal von innen. Die müssen wir zuallererst abwehren. Wenn uns das zufriedenstellend gelingt, dann haben wir etwas, das eine Verteidigung gegen Bedrohung von außen lohnt. Ich halte es für fraglich, dass wir dafür Unterstützung seitens der USA bekommen, der Heimat der Datenkraken. Die Vorgänge um das Spionagesystem Prism und seine Brüder haben nichts Beruhigendes.
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