Unter kulturellem Verhalten verstehen wir die generationenübergreifende Stabilität von ontogenetisch erworbenen Verhaltensmustern in der kommunikativen Dynamik eines sozialen Milieus
Humberto Maturana, Francisco Varela
Den Hollywoodschauspieler Elliot Page habe ich in dem köstlichen Film Juno erlebt. Oh nein, damals war es eine Ellen Page, die ich im Film gesehen habe. Das war vor ihrem Entschluss, den Namen eines Mannes zu tragen und als ein solcher gesehen zu werden. Die entsprechende Meldung habe ich 2020 beiläufig zur Kenntnis genommen.
Viel interessanter als dieser Sachverhalt ist, dass ich mich, indem ich das schreibe, eines Vergehens schuldig mache. Das jedenfalls meinen die Dogmatiker der Transbewegung, die bei uns von linken und grünen Politikern vorangetrieben wird, wie René Pfister schreibt (Ein falsches Wort. Der Spiegel, 35/2022, S. 78-84). Zur „Entwicklungen der Trans*bewegung in Deutschland“ informiert die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb, 2018).
Mein Vergehen nennt sich Deadnaming. Ich hätte den Namen Ellen nicht hinschreiben dürfen. Denn Ellen/Elliott war schon immer Mann, jedenfalls nach dem Verständnis der Transbewegung. Der erste Name ist sozusagen tot. Seine Nennung gilt als Beleidigung. Boris Palmer hat die Transfrau Maike Pfuderer, wie Palmer Mitglied der Grünen, vor Jahren mit ihrem früheren Namen angesprochen. Sie zeigte Palmer wegen Beleidigung an. Ohne Erfolg. Das ist für die Grünen offenbar Grund genug, die gesetzlichen Grundlagen für eine solche Klage zu schaffen: das neu zu schaffende Selbstbestimmungsgesetz. Es sieht vor, dass eine Person ohne weitere Prüfung seinen Geschlechtseintrag im Pass ändern lassen kann. Relevant ist allein, was im eigenen Kopf abgeht.
Nun ja, wir werden sehen. Das regt mich nicht sonderlich auf. Sobald dieser Gesetzentwurf ins Tageslicht rückt, wird sich die Mehrheit der Bürger schon noch zu Wort melden.
Schlimmer finde ich, was von René Pfister gegen die Transbewegung vorgebracht wird: Sie sei radikaler Konstruktivismus. Ich bin nun gewiss kein Anhänger des radikalen Konstruktvismus. Mich überzeugt eher der kritische Rationalismus des Karl Raimund Popper. Letzterer enthält – wie viele andere Philosophien auch – einen gehörigen Schuss Konstruktivismus.
Die aus meiner Sicht ins Absurde abdriftende Transbewegung mit dem Etikett radikaler Konstruktivismus zu versehen, ist für mich die Verunglimpfung einer ernst zu nehmenden philosophischen Richtung. Mein Eindruck ist, dass der Artikel von René Pfister weniger dazu dient, die Transbewegung zu diskreditieren, als dazu, den Konstruktivismus herabzuwürdigen.
Eine so weitreichende Deutung wie die, „dass es eine Grenzüberschreitung sei, den abgelegten Namen auch nur auszusprechen“, gibt selbst ein voll ausgebauter Konstruktivismus wie der des Humberto Maturana nicht her. Maturana geht es, auch wenn er der Verarbeitung innerhalb des Kopfes eines Menschen einen sehr großen Anteil zumisst, um das Überleben des Organismus in seinem (sozialen) Umfeld. „Das Zentrale beim Operieren eines menschlichen sozialen Systems [ist] der von den Komponenten (Mitgliedern) erzeugte sprachliche Bereich sowie die Erweiterung der Eigenschaften der Mitglieder.“ ( Humberto R Maturana, Francisco J Varela: Der Baum der Erkenntnis. 2020, S. 216 f.) Was die Geschlechtsbestimmung angeht, hat die Gesellschaft ein Wörtchen mitzureden.