Wenn ich mit Menschen- und mit Engelzungen redete, und hätte der Liebe nicht, so wäre ich ein tönend Erz oder eine klingende Schelle.
1.Kor 13, 1
Im Forum Mathematik & Physik stellte ich das Spaghetti-Problem zur Debatte und erhielt als ersten Kommentar: „Ist halt nen Klassiker und deshalb eher langweilig.“ Nun ja, nicht jeder kennt alle Klassiker. Und die Sache wird interessant, wenn man sich nicht für irgendeine Lösung, sondern für eine möglichst elegante interessiert. Dann kann man auch über Klassiker diskutieren.
Lernen aus den Fehlern
Noch ein Klassiker, von dem man viel lernen kann: das Buch „Wo steckt der Fehler?“ von Walther Lietzmann (1953). In der Einleitung schreibt Lietzmann:
Das Landläufige ist doch wohl, der Lehrer berichtigt im mündlichen Unterricht die Fehler seiner Schüler, streicht sie in den schriftlichen Arbeiten an und lässt sie verbessern, zumeist aber, ohne die günstige Gelegenheit zu Vertiefung in die Einsicht, warum nun das richtig und dies falsch ist, auszunutzen. Mir will scheinen, eine Theorie und Praxis der Fehlerauswertung verdiente einmal eine gründliche Untersuchung.
Diese Einsicht liegt auch meinem System der Denkfallen zugrunde.
Wer nun meint, er haben nicht genügend viele Anfängerfehler greifbar, dem kann neuerdings geholfen werden. ChatGPT komponiert seine Texte aus Bausteinen, die er einem riesigen Textfundus entnimmt. Darin ist einiges Richtiges und viel Falsches. Soweit ich erkennen konnte, lässt ChatGPT kaum einen Anfängerfehler aus.
Für das Lernen aus den Fehlern schlage ich vor, eine Rätselaufgabe, ob altbekannt oder neu, dem System ChatGPT zur Lösung aufzugeben. Diese Lösungsvorschläge kann man dann nach Fehlern durchforsten und gegebenenfalls berichtigen. Wie das geht, zeige ich an dem einfachen Problem „Das erste Ass“.
Das erste Ass
Ein gut durchmischter Kartenstapel mit 52 Karten und vier Assen wird nacheinander Karte für Karte aufgedeckt. Wie viele Karten muss man im Mittel aufdecken, bis das erste Ass kommt?
Erster Lösungsversuch ChatGPT (GPT-3.5)
Um die durchschnittliche Anzahl von Karten zu berechnen, die aufgedeckt werden müssen, bis das erste Ass erscheint, verwenden wir das Konzept der sogenannten „geometrischen Verteilung“. Die geometrische Verteilung beschreibt die Anzahl der unabhängigen Versuche (hier das Aufdecken einer Karte), die benötigt werden, bis zum ersten Erfolg (hier das Erscheinen des ersten Asses). Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Karte ein Ass ist, beträgt 4/52, da es 4 Asse in einem Stapel von 52 Karten gibt. Die Wahrscheinlichkeit, dass die erste Asskarte bei der ersten Karte erscheint, ist daher 4/52. Die Wahrscheinlichkeit, dass das erste Ass bei der zweiten Karte erscheint, ist (48/52) * (4/52) (d.h., die Wahrscheinlichkeit, dass die erste Karte keine Asskarte ist, multipliziert mit der Wahrscheinlichkeit, dass die zweite Karte eine Asskarte ist). Allgemein beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass das erste Ass bei der k-ten Karte erscheint: P(ass bei der k-ten Karte) = (48/52)^(k-1) * (4/52)
Fehler: Die Wahrscheinlichkeit, dass die k-te Karte ein Ass ist, unter der Vorbedingung, dass bis dahin kein Ass vorkam, lässt sich nicht durch ein einfaches Potenzgesetz darstellen.
Die erwartete Anzahl von Karten, die aufgedeckt werden müssen, bis das erste Ass erscheint, ist das sogenannte „Erwartungswert“ und wird wie folgt berechnet: E(X) = Σ [k * P(ass bei der k-ten Karte)], wobei die Summe über alle möglichen Werte von k (1 bis unendlich) läuft.
Fehler: Es sind nicht unendlich viele Positionen für das erste Ass möglich, sondern nur 1, 2, 3, … ,49. Die Summenformel für endlose geometrische Progression ist nicht anwendbar.
E(X) = Σ [k * (48/52)^(k-1) * (4/52)] Glücklicherweise existiert eine Formel, um den Erwartungswert der geometrischen Verteilung zu berechnen: E(X) = 1 / P(ass bei der 1. Karte) E(X) = 1 / (4/52) = 13 Also muss man im Mittel 13 Karten aufdecken, bis das erste Ass erscheint.
Nach Korrektur der Vorbedingung und bei Berücksichtigung der Endlichkeit der Summe kommt man mit einem Tabellenkalkulationsprogramm auf den richtigen Wert: 10,6.
Zweiter Lösungsversuch ChatGPT (GPT-3.5)
Um die durchschnittliche Anzahl der aufgedeckten Karten zu berechnen, bis das erste Ass erscheint, müssen wir den Erwartungswert verwenden. Bevor wir fortfahren, lassen Sie mich Ihnen eine wichtige Eigenschaft erklären: Die Wahrscheinlichkeit, dass die erste Karte ein Ass ist, beträgt 4/52, da es insgesamt 4 Asse und 52 Karten im Stapel gibt. Nun, wenn die erste Karte kein Ass ist (was mit einer Wahrscheinlichkeit von 48/52 passiert, da es 48 Karten gibt, die keine Asse sind), dann wiederholen wir den gleichen Prozess mit den restlichen Karten, jedoch mit einer Karte weniger im Stapel (nur noch 51 Karten, da die erste Karte aus dem Spiel ist). Der Erwartungswert dafür ist jedoch um 1 erhöht, da wir bereits eine Karte aufgedeckt haben. Lassen Sie uns das oben Gesagte mathematisch darstellen: E(X) = (48/52) * (E(X) + 1) + (4/52) * 1
Das E(X) auf der linken Seite der Gleichung ist ein anderes als das in der runden Klammer. Ich habe keine Idee, wie man diesen Ansatz zum Funktionieren bringen könnte.
Jetzt lösen wir nach E(X) (dem erwarteten Wert) auf: E(X) = (48/52) * E(X) + 48/52 + 4/52 E(X) – (48/52) * E(X) = 52/52 (1 – 48/52) * E(X) = 1 (4/52) * E(X) = 1 E(X) = 1 / (4/52) E(X) = 13 Also muss man im Durchschnitt 13 Karten aufdecken, bis das erste Ass erscheint.
Ein falsches Ergebnis, wie zu erwarten war.
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