Annalena Baerbock sieht ja nett aus, ein echtes Schmuckstück in der Politik. Dabei wird gern übersehen, dass ihre werteorientierte Politik das Potenzial hat, den Dritten Weltkrieg zu befördern. So stellt sich die Sache mir dar: glänzende Oberfläche, mauer Kern. Das stelle ich mit Bedauern fest, denn Grün ist mir im Grunde sympathisch.
FOCUS online fragte nach und erhielt vom Auswärtigen Amt diese Auskunft: „Außenministerin Baerbock wird – wie das auch bei anderen Spitzenrepräsentantinnen Deutschlands bereits seit langem üblich und bekannt ist – zu Bild- und Fernsehterminen von einer Maskenbildnerin begleitet.“
Im Artikel „So begründet das Baerbock-Ministerium die teure Visagistin“ zitiert FOCUS online den Bund der Steuerzahler (15.04.2023): „Im ersten vollen Jahr der Ampel 2022 sind die Kosten für Fotografen, Friseure und Visagisten der Regierenden auf rund 1,5 Millionen Euro gestiegen – 80 Prozent mehr als im Jahr davor und gar eine Verdreifachung innerhalb von zehn Jahren“.
Ich kann das nicht verurteilen. Es ist nur ein allseits sichtbares Zeichen eines allgemeinen Trends – hin zur Oberfläche. Die Tünche wird wichtiger als das, was darunter ist. Es ist ja leichter, eine neue Farbe aufzulegen, als die Überzeugung zu ändern. Am besten lässt man das mit der Überzeugung ganz sein. Zur Zeit der Friedensbewegung war es angezeigt, sich pazifistisch zu geben. Jetzt, wo das Leid der Ukraine unser Herz berührt, empfiehlt es sich, Kriegsbemalung aufzulegen. Das demonstrative Vorzeigen der Werteorientierung verstehe ich genau so.
Mit 83 Millionen Menschen im Rücken einem Volk von 1,4 Milliarden vorschreiben zu wollen, nach welchen Werten es zu leben hat, ist kühn und kaum erfolgversprechend. Nach einem Gespräch mit Baerbock betonte der chinesische Außenminister Qin Gang: „Was China am wenigsten braucht, ist ein Lehrmeister aus dem Westen.“ (Das berichtete der Deutschlandfunk am 14. April 2023.)
Blicken wir kurz zurück, aus meinem Blickwinkel. Die Mitgliederentwicklung der ehemals großen deutschen Parteien zeigt, wohin die Reise geht.
Die SPD hatte 1976 einen Höchststand von 1.022.191 Mitgliedern. Danach ging es ziemlich kontinuierlich bergab. Damals gehörte die politische Bühne den politischen Schwergewichten Willy Brandt, Herbert Wehner und Franz-Josef Strauß. Die CDU hatte den Höhepunkt etwas später unter Helmut Kohl (1983 mit 734.555 Mitgliedern).
Auch damals waren die Auftritte durchaus knallig. Aber es gab einen engen Zusammenhang mit den Inhalten. Das Wahlkampfmotto der CDU „Freiheit statt Sozialismus“ wurde von Brandt gekontert: „Von Freiheit verstehen wir mehr“. Bei Willy Brandt hieß es: „Mehr Demokratie wagen.“ Heute ist die Ampelkoalition programmatisch schon mit „Mehr Fortschritt wagen“ zufrieden. Eine Hülle für Verheißungen, die jeder nach Gusto füllt.
Wie haben wir doch die Amerikaner nach dem Krieg bewundert: Von ihnen gab es Kaugummi und sie fuhren in riesigen Straßenkreuzern. Aber erst jetzt erlebe ich, wie nachhaltig unser Land amerikanisiert wird. Werbung spielt die Hauptrolle. Die großen Unternehmen, die unser Leben bestimmen, sind die Big Five, darunter Google und Facebook. Ihr Geschäftsmodell ist der Handel mit Kundendaten und die darauf beruhende Werbung (Advertising Business Model).
Einer, der nach amerikanischer Art lebte wie kein anderer, ist Phineas Taylor Barnum. Im Kapitel V seiner Lebenserinnerung (The True Life of the World’s Greatest Showman, 1888) finde ich seinen Leitspruch:
Alles, was wir für den Erfolg brauchen, ist Bekanntheit.
In Kapitel VIII schreibt er:
Ich habe die Kunst der Werbung gründlich verstanden, und zwar nicht nur mit Hilfe der Druckerschwärze, die ich immer frei verwendet habe und der ich zugegebenermaßen so viel für meinen Erfolg verdanke, sondern indem ich jeden möglichen Umstand für mich nutzte.
(Meine Übersetzung)
Barnum lockte die Leute einmal mit diesem Trick in sein Museum (Barnum’s American Museum): Für einen Vierteldollar beauftragte er einen Bettler, je einen Backstein an den Ecken der Kreuzung vor seinem Museum abzulegen, dann mit einem fünften Backstein zu beginnen, nacheinander die Backsteine auszutauschen, alles ohne ein Wort darüber zu verlieren. Am Ende einer Stunde sollte er dann die Eintrittskarte vorzeigen, feierlich durch das Museum gehen und danach seine Runde wieder aufnehmen. Das sorgte für beträchtliches Aufsehen im Süden von Manhattan und für Leben in Barnums Museum.
Manchmal glaube ich, dass es in der Politik genauso läuft. Die aufsehenerregenden Aktionen haben kaum etwas mit den eigentlichen Zielen zu tun. Bekanntheit ist alles, was für den Erfolg nötig ist. Großmeister in diesem Spiel ist Donald Trump. Ein Amerikaner eben.
In Kapitel IX schreibt Barnum, dass es ihm nur recht war, wenn hin und wieder jemand „Humbug“ und „Scharlatan“ rief. Auch das half, für ihn zu werben, und er war bereit, den Ruf zu ertragen.
Der Begriff „Oberflächenkompetenz“ fiel mir ein, als die Kommerzialisierung der Hochschulen so richtig Fahrt aufnahm. Meine Enttäuschung über die Veränderungen an Schule und Hochschule habe ich seinerzeit in Worte gefasst: Oberflächenkompetenz und Konsumverhalten. Ich fand Zustimmung, aber auch Widerspruch.
Gerade kommt über hr1 die ermutigende Nachricht herein, dass Fox News eine hohe Summe (787,5 Mio $) an einen Wahlmaschinen-Hersteller zahlt, um eine Klage zu vermeiden. Fox News hatte seinerzeit die Falschnachricht verbreitet, dass bei der letzten Präsidentschaftswahl in den USA Donald Trump der Wahlsieg gestohlen worden sei, auch mithilfe dieser Maschinen.
Der Nachrichtensender arbeitet ganz offenbar nach Barnums Rezept, dass Bekanntheit alles ist. Den Meinungsmachern geht es allein darum, eine große Klientel zu erreichen und an sich zu binden – und das auch mit „alternativen Fakten“ (Kellyanne Conway).
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