Was ist faul an Zuckerbergs Community Notes Model?

Wie bereits vorgestern angemerkt, übernimmt Mark Zuckerberg für Facebook Elon Musks Modell der Community Notes. Er kündigt an, das derzeitige Programm zur Überprüfung von Fakten durch Dritte in den Vereinigten Staaten zu beenden und stattdessen zu einem Programm für Community Notes überzugehen. Er bezieht sich darauf, dass dieser Ansatz bei X funktioniere. Die Community entscheidet, wann ein Beitrag potenziell irreführend ist und mehr Kontext benötigt, und die Menschen aus den unterschiedlichsten Perspektiven entscheiden, welche Art von Kontext für andere Nutzer hilfreich ist.

Schauen wir uns an, wie Musks Modell Kollektive Anmerkungen auf X funktioniert.

Wenn eine Anmerkung von ausreichend Mitwirkenden mit verschiedenen Ansichten als hilfreich bewertet wurde, wird die Anmerkung zu einem Post öffentlich angezeigt. 

Der Guide für X Notes präzisiert: Nur Bewertungen, die von Leuten mit unterschiedlichen Sichtweisen als hilfreich bewertet wurden, erscheinen mit den Posts.

Das Modell Kollektive Anmerkungen funktioniert nicht nach dem Mehrheitsprinzip. Zur Identifizierung von Anmerkungen, die für zahlreiche verschiedene Menschen hilfreich sind, müssen sich Mitwirkende, die bei früheren Bewertungen manchmal unterschiedlicher Meinung waren, über die Anmerkungen einig sein. Das hilft, einseitige Bewertungen zu verhindern.

Unter dem Titel Vielfältige Sichtweisen wird erläutert, wie das Modell Kollektive Anmerkungen mit unterschiedlichen Sichtweisen umgeht.

Kollektive Anmerkungen möchte Anmerkungen identifizieren, die wahrscheinlich viele Leute auf X hilfreich finden, auch Leute mit verschiedenen Sichtweisen.

Bei der Suche nach Anmerkungen, die möglichst verschiedene Leute hilfreich finden, berücksichtigt Kollektive Anmerkungen nicht nur, wie viele Mitwirkende eine Anmerkung als hilfreich oder nicht hilfreich bewertet haben, sondern auch, ob die Leute, die sie bewertet haben, unterschiedliche Sichtweisen haben.

Soweit die Verlautbarungen der Plattform X.

Nehmen wir uns einmal ein konkretes Beispiel vor: Donald Trump ist der Ansicht, dass ihm der Wahlsieg im Jahre 2020 gestohlen worden sei. Obwohl es überzeugende Hinweise gibt, dass dies nicht stimmt, haben sich viele Leute dieser Ansicht angeschlossen. Solche Leute gehören zu den Mitwirkenden bei den Community Notes und müssten bei einer negativen Berurteilung zustimmen, was sie in diesem Fall verständlicherweise nicht tun werden. Die Katze beißt sich in den Schwanz.

Bei dieser Sachlage ist es nahezu ausgeschlossen, dass bereits verbreitete Falschmeldungen negativ notiert werden. Das System ist zahnlos und strukturbedingt ungeeignet, der Falschmeldungen Herr zu werden.

In der neuen Informationsweltordnung

haben die Menschen mit den größten Plattformen und Anhängern mehr Macht denn je, die Realität zu gestalten. Das ist eine seismische Verschiebung in der Art und Weise, wie Realitäten in Echtzeit geformt werden,

schreibt Mike Allen auf Axios (übersetzt von DeepL).

Kurzum: Wir müssen lernen, mit Falschmeldungen zu leben. Jeden Einzelnen von uns betrifft das. Das einzige, was uns hilft, ist kritisches Denken, Skepsis.

Nachtrag, 15.1.2024: Was Europas Presse dazu schreibt.

Die europäischen Regeln für digitale Dienste: DSA

Weiterlesen

Veröffentlicht unter Bildungswesen, Skeptizismus | Verschlagwortet mit | 18 Kommentare

The Pursuit of Happiness

Tragende Säulen des amerikanischen Way of Life sind die vermeintlich gottgegebenen unveräußerlichen Rechte Life, Liberty and the Pursuit of Happiness, Leben, Freiheit und das Streben nach Glückseligkeit. Dort ist es aufgeschrieben: The Declaration of independence.

Ideologieverdacht

Es war 1982, da habe ich mir Gedanken über die Ziele der Politik gemacht und notiert:
– Möglichst viele zufriedene Menschen
– Mehr zufriedene als unzufriedene Menschen
– Möglichst wenige unzufriedene Menschen.

Zwanzig Jahre später habe ich Mary Douglas gelesen und Jeremy Benthams Prinzip des »größten Glücks der größten Zahl« kennengelernt. Manch einer hält den damit verbundenen Utilitarismus für einen Fortschritt gegenüber Immanuel Kants kategorischen Imperativ.

Sowohl Kants Gesinnungsethik als auch Benthams Utilitarismus kennzeichnet das Bestreben, die Glückseligkeit auf viele, möglichst auf alle auszudehnen.
Aber, o Schreck, schnell wird Philosophie zur Ideologie. Ich erinnere an die Pädagogik Kants und den Utilitarismus Peter Singers. Derartige Idealisierungen und Überdehnungen können das Denken vernebeln.

Die in der Unabhängigkeitserklärung genannten unveräußerlichen Rechte sind nämlich nur dem Individuum zugerechnet. Sie sind Rechte des Einzelnen gegenüber der Gesellschaft und nicht etwa umgekehrt. Sehen wir uns zunächst genauer an, welcher Ärger droht, wenn wir das Recht auf Glückseligkeit überdehnen. Weiterlesen

Veröffentlicht unter Humanismus, Moral und Ethik, Soziologie | Verschlagwortet mit | 3 Kommentare

Geld herrscht

Die USA sind die Vorzeigedemokratie der Welt, zumindest wenn man ihrer Propaganda Glauben schenkt.

Dabei lag den Gründungsvätern der USA – insbesondere James Madison (1751 bis 1836) und Alexander Hamilton (1755 oder 1757 bis1804) – nichts ferner als die Einrichtung einer wirklichen Volksherrschaft, einer »Regierung des Volkes, durch das Volk, für das Volk«, wie es der 16. Präsident der USA Abraham Lincoln im Jahr 1863 ausdrückte. Das Ganze sollte nur so aussehen.

In einer Bundesversammlung machte Hamilton die folgende Bemerkung zum Charakter einer »guten Regierung«:

Alle Gesellschaften teilen sich in die Wenigen und die Vielen. Die Ersteren sind die Reichen und die aus guter Familie, die anderen sind die Masse des Volkes. Man nannte die Stimme des Volkes Gottes Stimme: Aber wie selbstverständlich diese Maxime auch zitiert und geglaubt worden ist, sie ist freilich nicht wahr. Das Volk ist unruhig und wechselhaft; selten treffen seine Urteile und Auffassungen zu. Wenn man allerdings der oberen Klasse einen deutlichen und dauerhaften Anteil an der Regierung verschafft, so wird sie die Unbeständigkeit der anderen in Schach halten. Und da sie keinen Vorteil durch einen Wechsel erlangen kann, wird sie stets an einer guten Regierung festhalten.

Das Volk braucht die Illusion von Demokratie. Die Kluft zwischen dem was ist und dem was sein soll schließt die Propaganda. Darin sind die US-Amerikaner Meister. Sie haben die moderne Werbung vervollkommnet. Wie diese funktioniert, erleben wir tagtäglich in der Presse, in Funk, Fernsehen und im Internet. Man sollte sich dabei immer die Fragen stellen, wer wohl hinter der gerade gehörten oder gelesenen Meldung steckt und wie sie demjenigen nützen könnte und vor allem warum vieles andere, das für einen genauso wichtig und interessant wäre, nicht berichtet wird.

Dass die Eliten ihre Fähigkeiten zur Volksbeeinflussung ständig weiterentwickeln, lässt sich an den Wirtschaftsnobelpreisen ablesen. Schon die Bezeichnung »Wirtschaftsnobelpreis« ist Hochstapelei, denn dieser »Alfred-Nobel-Gedächtnispreis« war nicht im Sinne Alfred Nobels und wurde von ihm auch nicht gestiftet. Preisträger des Jahres 2017 ist Richard Thaler. Sein Buch Nudge ist eine Anleitung zur wirksamen Beeinflussung der Massen, vorzugsweise ruhiggestellter Konsumenten, die vermeintlich einen freundlichen Schubs in die richtige Richtung brauchen.

In dieser uns vertrauten Welt des Scheins geschieht nun Ungeheuerliches. Donald Trump – soeben zum 47. Präsidenten in der USA gewählt – geht unter die Oberfläche. Der Großmeister des Humbugs serviert uns die Wahrheit ungeschminkt. Donald Trump hat superreiche Unterstützer, alle mehrere Milliarden Dollar schwer: Elon Musk, Larry Ellison, Jeff Bezos, Peter Thiel, … Der Einfluss des Geldes auf die Politik wird nicht etwa verschämt zugegeben. Nein, man trägt die Verbindungen offen zur Schau und ist stolz darauf.

In vielem sind die USA für uns Europäer und insbesondere uns Deutsche Vorbild. Vor allem die Checks and Balances haben es uns angetan. Die Gewaltenteilung funktioniert bei uns derzeit recht gut und vielleicht sogar besser als in den USA. Auch den Föderalismus verdanken wir den USA. Ich halte ihn für ein wichtiges Element der Gewaltenteilung.

Die USA führen uns auch die Gefahr vor Augen, dass sich die Demokratie als Plutokratie entpuppt. Dagegen anzugehen, halte ich für verdienstvoll. Eine Organisation, die genau das tut, ist LobbyControl. Ihr aktuelles Thema: Parteispenden.

Quelle des von Alexander Hamilton stammenden Zitats ist Joseph Vogls Buch Der Souveränitätseffekt (2015, S. 153 f.).

Weiterlesen

Veröffentlicht unter Bildungswesen, Humanismus | Verschlagwortet mit | 9 Kommentare

Vorsicht Statistik!

Wenn der Hochschulpräsident „die neuen Studierenden willkommen heißt“, dann wendet er sich an Leute, die sich zwar für ein Studium eingeschrieben haben, die möglicherweise auch vorhaben zu studieren, aber es gerade eben nicht tun, die folglich zur Zeit der Ansprache gar keine Studierende sein können.

Das Gendern ist gar nicht so einfach, es ziert eigentlich nur Leute, die ein bereits hochentwickeltes Sprachgefühl besitzen. Ich jedenfalls fühle mich überfordert und nicht inkludiert.

Das macht nichts. Was mich aber wundert, ist die Fürsprache, die das Gendern in akademischen Kreisen und unter Nachrichtensprechern genießt. In meinem Alltag kommt es nicht vor. Auch meine dem Gendern zugeneigten Freunde sprechen eher unauffällig.

Mir stellt sich die Frage: Wie verbreitet ist das Gendern eigentlich? Was sagt die Statistik dazu? Und damit bin ich bei meinem Thema.

Das Leibniz-Institut für Deutsche Sprache und das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung werteten im Rahmen der Deutschland-Erhebung 2017/18 insgesamt 1439 Onlinefragebögen in Bezug auf die angebotenen Möglichkeiten zum Ausfüllen eines Satzes aus. Fast fünfzig Prozent Zustimmung findet dieser Satz: „Die neu gestalteten Gruppenräume in der Bibliothek bieten den Studierenden optimale Arbeitsbedingungen.“

Weit abgeschlagen sind Alternativen anstelle der „Studierenden“ wie Doppelnennungen, Gender* und dergleichen. Auch das generische Maskulinum hat in dieser Umfrage keine Chance.

Dieser Umfrage nach ist das Gendern also sehr beliebt und das Pro offenbar längst entschieden. Oder ist es vielleicht so, dass diese Umfrage genau diesen Eindruck erwecken will?

Bei den Gruppenräumen in der Bibliothek geht es ja tatsächlich um die Leute, die dort studieren wollen. Auch ich würde in diesem Fall von Studierenden sprechen – egal ob Studenten oder nicht. Demgegenüber ist die Formulierung des Hochschulpräsidenten – streng genommen – schlechtes Deutsch.

Die Umfrage ist ein schönes Beispiel für die Grenzen der Wissenschaft: Das Objekt der Beobachtung lässt sich vom Denkrahmen und den Wertvorstellungen des Beobachters nicht trennen. Objektivität im klassischen Sinn ist bei gesellschaftlichen Fragestellungen nicht erreichbar. 

Für Michel Foucault ist das ein Kennzeichen der Moderne (Die Ordnung der Dinge, 1974, S. 439):

Die abendländische Kultur hat unter dem Namen des Menschen ein Wesen konstituiert, das durch ein und dasselbe Spiel von Gründen positives Gebiet des Wissens sein muß und nicht Gegenstand der Wissenschaft sein kann.

Weiterlesen

Veröffentlicht unter Bildungswesen | Verschlagwortet mit | 2 Kommentare

Angela Merkel: Teufel oder Heilige?

Angela Merkels Buch Freiheit habe ich mir sofort nach Erscheinen am vergangenen Dienstag, den 26.11.24 besorgt. Mehr als den Prolog habe ich noch nicht geschafft, denn der Wälzer braucht Zeit. Die werde ich mir nehmen. Schon die auch bei mir auf DDR und BRD aufgeteilte Biografie schafft Verbundenheit.

Einmal, so erinnere ich mich, habe ich Angela Merkel auch gewählt. Ich bin halt Wechselwähler. Jedenfalls fand ich seinerzeit, dass sie einiges richtig gemacht hat: Im nachbarschaftlichen Verhältnis zu Russland und in der Flüchtlingskrise 2015/2016. Ihren Gebrauch des Wortes „alternativlos“ fand ich aber schon immer grässlich. Dann kamen die AfD und Putins Angriffskrieg. Die „Wahrheit“ wurde neu kalibriert.

Abgesehen vom Prolog ist mein Informationsstand zum Buch gegeben durch die Videos der Interviews mit Anne Will am Vortag und am Tag der Buchvorstellung im Deutschen Theater.

Was mich heute schon zu einem Artikel provoziert, sind die stante pede erschienenen 38 Rezensionen bei Amazon – so der Stand heute, zwei Tage nach Erscheinen des Buches.

Aktuelle Amazon-Rezensionen

Über die Hälfte davon sind Verrisse in dieser Tonlage:

Wie banal kommt sie daher, ohne kritische Reflexion, ohne ein Eingeständnis ihrer Fehler.

Eine andere:

Merkel vermeidet konsequent, Fehler einzugestehen. Weder die umstrittene Energiewende noch die Herausforderungen der Eurokrise oder die Polarisierung der Gesellschaft durch ihre Migrationspolitik werden kritisch beleuchtet.

Es geht noch toller:

Sowohl der Titel als auch der Preis für dieses Schundwerk sind eine Frechheit.

Auf der Gegenseite heißt es:

Einen so tiefen und ehrlichen Einblick, ohne sich zu bemitleiden oder zu bejubeln, habe ich selten seitens eines Politikers gelesen.

Und:

Frau Merkel war das beste Staatsoberhaupt das wir je hatten.

Den meisten Rezensenten geht es nicht um das Buch, sondern um die Politik. Sie müssen das Buch also gar nicht gelesen haben. Die Rezensionen spiegeln Zerrissenheit und Polarisierung unserer Gesellschaft. Darin sind die USA Vorreiter und kein gutes Vorbild.

Der Tumult um das Buch führt uns einen weiteren Irrtum vor Augen, nämlich das, was ich die Erinnerungsfalle nenne. Der Volksmund sagt: Im Nachhinein ist man immer schlauer. Die Verzerrung der Wirklichkeit kann sich in die eine oder die andere Richtung auswirken, als Beschönigung oder als Übertreibung. Dabei ist das, was man im Nachhinein für falsch hält, oftmals nur ein ganz Normaler Irrtum. Ich neige dazu, auch die Nord Stream Pipeline für einen solchen zu halten. Was das Buch selbst angeht, werde ich mich später noch einmal melden.

Weiterlesen
Veröffentlicht unter Bildungswesen, Prognosen | Verschlagwortet mit | 51 Kommentare

Who Watches the Watchmen?

Ein gewisser Guy Foxx hat im Facebook-Forum „Mathematik & Physik“ den folgenden Kommentar zum letzten Artikel abgeliefert:

Timm Grams Bist du wirklich so dumm? Ich habe doch gerade klar gesagt: „Klassiker mit Hüten oder Gesichtern sind sinnvoller.“

Und was machst du? Du schickst mir ein Beispiel mit den Muddy Faces. Muss ich meinen Kommentar echt noch übersetzen, weil du selbst nicht in der Lage bist, mitzudenken?

Die Originalaufgaben wie „Hats“ oder „Muddy Faces“ sind sinnvoller als deine idiotische Umschreibung mit Rückennummern. Der Grund ist simpel: In den Originalen kann jede Person den Hut oder das Gesicht aller anderen sehen – nur eben nicht den eigenen.

Bei deiner Version mit Rückennummern ist das völlig unbrauchbar. Wie soll denn jede Person die Rückennummer aller anderen sehen? Genau deshalb gibt es das Rätsel im Original mit Hüten und Gesichtern – weil es dann funktioniert. Darum meine Kritik: Denk doch mal über die Machbarkeit deiner Umschreibung nach, die wirklich selten dämlich ist.

Ergo: Wenn du schon Klassiker kopierst (was allein schon nicht gerade ein Zeichen von Kreativität ist), dann sorg wenigstens dafür, dass deine Abwandlung auch Sinn ergibt.

Den übergriffigen Tonfall kenne ich von GWUP-internen Diskussionen, die mich eigentlich hinreichend hätten abhärten sollen. Dennoch habe ich mich zu einer Meldung an die Gruppenadministratoren hinreißen lassen, was ich aber sofort bereut habe. Von Tugendwächtern halte ich nämlich gar nichts. Guy Foxx will offenbar mitspielen, die Frage ist nur, in welcher Rolle. Spielt er den Tugendwächter oder ist er ein Fall für Tugendwächter?

Ein weiteres Beispiel: Wenn jemand harte Strafen für Klimakleber fordert, widerspreche ich vehement: Eine kalkulierte Übertretung strafbewehrter Regeln muss in einer Demokratie möglich sein. Es ist eine Frage der Verhältnismäßigkeit.

Der Skeptiker stellt Autoritäten infrage und hält das für eine Tugend. Er hat verinnerlicht, dass Irrtum grundsätzlich möglich ist und vor Autoritäten nicht haltmacht. In den Basics für Skeptiker schreibe ich darüber.

Eine grassierende Unsitte ist derzeit, Meinungen als Faktenchecks zu verkaufen. So etwas machen auch die öffentlich-rechtlichen Medien. Einer solchen Verlautbarung sollten wir grundsätzlich misstrauen. Woher soll Vertrauen auch kommen: Die Faktenchecker sind in den irrtumsträchtigen Prozess des Wissenserwerbs genauso eingebunden wie jeder andere. Wir sollten stets davon ausgehen, dass auch der Faktencheck interessengeleitete Meinung ist.

Das lässt sich nicht verhindern, vor allem nicht durch übergeordnete Überwachungsapparate. Diese sorgen nur für Machtballung und für die weitere Erschwernis der Kontrolle.

Wer diesen Faden weiterspinnen will, der wird seinen Spaß an dem im Titel angesprochenen Superheld*innen-Comic haben. Auch die Youtube Videos des Wirtschaftswissenschaftlers Christian Rieck nähern sich dem Thema auf unterhaltsame Art, beispielsweise wenn Rieck vom Vertrauenswürdigen Hinweisgeber spricht und fragt: „Wer kontrolliert den Kontrolleur?“

Weiterlesen

Veröffentlicht unter Skeptizismus | Verschlagwortet mit | 3 Kommentare

Auf den Schlag – Denksport

Die Zahl der Bewerber für ein begehrtes Logikseminar übersteigt die Zahl der freien Plätze. Der Professor hält alle Bewerber für gleichermaßen hochbegabt und trifft eine Zufallsauswahl.

Für die endgültige Zulassung müssen die Kandidaten aber noch eine Prüfung bestehen. Er heftet allen Bewerbern einen Zettel auf den Rücken. Auf den Zetteln der Ausgewählten steht ein X und auf den anderen ein O. Keiner der Kandidaten weiß, ob er ausgewählt wurde oder nicht, aber er sieht all die anderen Zettel und er weiß folglich, welche der anderen Bewerber ausgewählt wurden.

Der Professor sagt den Bewerbern nicht, wie viele er insgesamt ausgewählt hat, aber wenigstens einer sei es ganz bestimmt. Er greift sich einen Gong und sagt: „Ich schlage jetzt etwa alle fünf Sekunden den Gong. Wer beim Gongschlag weiß, dass er ein X auf dem Rücken trägt, verlässt den Raum. Gibt er auch noch eine stichhaltige Begründung dafür, bekommt er einen Platz im Seminar.“ Damit beginnt er, den Gong zu schlagen. Tatsächlich verlassen alle Auserwählten gleichzeitig den Raum. Beim wievielten Gongschlag geschieht das?

Nachtrag

Die Teilnehmer dürfen sich während der Prozedur untereinander weder durch Wort noch Tat verständigen. Andernfalls wäre das Rätsel witzlos.

Wer Musterlösungen vermisst, der findet auf der Seite Denksport die Gründe dafür.

Weiter geht’s in den Kommentaren.

Weiterlesen
Veröffentlicht unter Denksport, Logik, Schule und Hochschule | Verschlagwortet mit , | 9 Kommentare

Zerstört Donald Trump die Demokratie?

Nein, Donald Trump zerstört die Demokratie nicht, denn die US-Demokratie hat nie als die Demokratie funktioniert, als die sie uns weisgemacht wurde. Demokratie ist ja auch ein selbstwidersprüchliches Unterfangen und in Reinform nicht existenzfähig. Ich erinnere mich an ein paar Gedanken, die mir und den Kommentatoren dieses Hoppla!-Blogs bereits in den Jahren der Präsidentschaft von Trump und Biden gekommen sind.

2017: March for Science: zu spät!

Donald Trump ist momentan wegen seiner Post-Truth-Masche ein gern genommenes Angriffsziel.

2019: Dornröschen und die subjektiven Wahrscheinlichkeiten

Mag sein, dass wir, Donald Trump folgend, lernen müssen, mit subjektiven Wahrheiten und Wahrscheinlichkeiten umzugehen.

2019: Joker Trump

Trump zielt meines Erachtens darauf ab, dass seine Gegner zu unüberlegten und niederträchtigen Gegenangriffen übergehen. Dann kann er sagen, dass seine Gegner auch nicht besser seien als er selbst. Das immunisiert ihn und er kann ungestraft Lügengespinste als Wahrheiten ausgeben. Bei seinen Anhängern verfangen diese offenbar. Seine Gegner haben, falls Trumps Rechnung aufgeht, keine wirksame Handhabe dagegen. Es läuft wie bei der Tu-quoque-Strategie des Jokers.

Es gibt auch eine Analogie zwischen den USA und Gotham City: Die desolaten Zustände der öffentlichen Versorgung, unter denen viele zu leiden haben, das Auseinanderdriften von Arm und Reich bilden das Milieu, das den Joker ermöglicht. Diese Lage hat der Joker nicht zu verantworten.

2020: Darf „Rasse“ im Grundgesetz stehen?

Das Aufbegehren der amerikanischen Mittelklasse gegen die „politische Korrektheit“ hat zum Aufstieg des Donald Trump beigetragen.

2023: Oberflächenkompetenz

Die aufsehenerregenden Aktionen haben kaum etwas mit den eigentlichen Zielen zu tun. Bekanntheit ist alles, was für den Erfolg nötig ist. Großmeister in diesem Spiel ist Donald Trump. Ein Amerikaner eben.

Als mustergültiger Amerikaner gilt mir Phineas Taylor Barnum, The World’s Greatest Showman („All we need to insure success is notoriety“).

2023: Aiwanger, Trump und die Demokratie

Sowohl Trump als auch Aiwanger erzählen die Geschichte einer Hexenjagd, deren Opfer sie seien. Belege dafür bleiben sie schuldig. Solche Erzählungen können die Demokratie zerstören, denn offenbar finden sie viele Anhänger unter den Bürgern, die mit dem Staat nicht zufrieden sind. Diese zerstörerische Gewalt wurde sichtbar bei der Erstürmung des Capitols am 6.1.2021 und bei der versuchten Stürmung des Bundestags am 29.8.2020.

2023: Demokratie oder Plutokratie?

Überall auf der Welt regiert das Geld. Wenn es anderswo ist, nennen wir es Oligarchie. Ich habe immer wieder den Verdacht geäußert, dass auch unsere Form der Demokratie im wesentlichen eine Geldherrschaft ist, und zwar von Anfang an. Wenn unsere feministische Außenpolitikerin der ganzen Welt etwas von den westlichen Werten erzählt, meint sie im Grunde die Werte einer Plutokratie.

2024: Das Relative

Auch wenn ich an den Leitspruch MAGA, Make America Great Again, von Donald Trump anknüpfe, um Trump geht es mir nicht. Die wirklichen Probleme sitzen viel tiefer. Diese werden in jüngerer Zeit auch verkörpert durch Clinton (Bill und Hillary), Bush junior, Obama und Biden, vor allem aber durch Ronald Reagan.

Ergänzender Kommentar:

Donald Trump sieht Amerika im Abstieg und will den Krieg in Europa beenden. Er könnte das Verschwinden des amerikanischen Imperialismus einleiten. Damit verbunden ist das Erstarken der US-Mittelklasse – Trumps Hauptziel, soweit ich sehen kann. Aber welch ein Tyrann und Lügner!

Andererseits haben wir Kamala Harris‘ Versprechen/Drohung, die hegemoniale Politik fortzuführen:

Als Oberbefehlshaber werde ich dafür sorgen, dass Amerika stets über die stärkste und tödlichste Kampftruppe der Welt verfügt.

Heute, mit der Wahl Donald Trumps zum 47. Präsidenten der USA, werden die Paradoxien des Westens deutlich sichtbar.

Weiterlesen

Veröffentlicht unter Bildungswesen, Humanismus, Nicht kategorisiert, Soziologie | 26 Kommentare

Glaubenskampf im Namen der Aufklärung

In der Skeptikerbewegung habe ich schon manche Peinlichkeit erlebt. In der Auseinandersetzung mit dem seinerzeitigen Leiter des Zentrums für Wissenschaft und kritisches Denken hatte ich es mit jemandem zu tun, der Linientreue mit intellektueller Schärfe verband. Ich fand den Disput nervig,  manchmal peinlich, aber auch bereichernd.

Dann kam ein Putsch, von dem sich diese Gesellschaft offenbar nicht erholt hat. Das zeigt jetzt ein Artikel des Nikil Mukerji, nun Leiter des Zentrums für Wissenschaft und kritisches Denken, dessen Tonfall aber alles abgeht, was man von einem Skeptiker erwarten kann – eine weitere Peinlichkeit. Ich begnüge mich damit, ein paar Kostproben aus dem Text zu geben.

Scientific skepticism functions as part of society’s adaptive epistemic immune system.

Der Autor ist offenbar in dem Teil des gesellschaftlichen Organismus zuhause, der für die geistige Gesundheit des Ganzen sorgt; und da ist volle Wachsamkeit geboten, denn der angreifende Krankheitskeim ist besonders bösartig:

Recently, pseudoscience sympathizers, disguising themselves as skeptics. […] They infiltrated a skeptical organization—GWUP—through a metaphorical Trojan Horse and seized control.

Und darum geht es:

The Trojan Horse Strategy is not just theoretical. In 2023, pseudo-skeptics used it to gain temporary control of the German skeptical organization GWUP. […] They adopted skeptical views on topics like astrology and homeopathy, participated in debunking pseudoscientific claims, expressed support for scientific inquiry, and made friends in the community, thus avoiding detection. […] Pseudo-skeptics at GWUP sought to shut down all skeptical activities regarding woke ideology. They declared gender studies, postcolonial studies, queer studies, and similar fields “off-topic,” aiming to shut down GWUP’s epistemic vigilance regarding these areas. […] Death is always an unintended consequence of a pathogen’s interference with vital processes. In the case of woke pseudo-skepticism, death would have been the inevitable outcome for GWUP.

Diese Kriegsrhetorik ist abstoßend. Sie ist ein eklatanter Verstoß gegen die Seid-nett-zueinander-Regeln am Ende des Aufsatzes.

Dabei ist es so einfach: Mit dem Skeptiker-Instrumentarium, Kritischer Rationalismus genannt, lässt sich Wissenschaft bearbeiten, also all das, wofür man eine denkunabhängige und unveränderlich regelhafte Realität straflos voraussetzen darf. Das ist wohl das, was man unter „The organization’s mission“ verstehen muss.

Wer bei diesem einmal gewählten engen Denkrahmen bleiben will, was ich für zulässig halte, sollte keine Urteile über Dinge abgeben, die über den Denkrahmen hinausreichen; dazu gehören nun einmal gesellschaftliche Fragen, die Gegenstand der Wokeness-Bewegung sind.

Die Skeptikergesellschaft scheint noch nicht von allen guten Geistern verlassen zu sein, wie ein interner Kommentar zu dem genannten Artikel zeigt:

Ich frage mich allerdings, ob Nikil da nicht selber eine handfeste Verschwörungstheorie fabriziert.

Mancher Kommentar zum Aufsatz selbst, erschienen im Blog von Michael Shermer, geht in dieselbe Richtung:

This kind of language implies that those who disagree are irrational or mentally unwell, while positioning oneself as enlightened and immune to such thinking.

Auch Positives zum Artikel lässt sich dort finden.

Weiterlesen

Veröffentlicht unter Bildungswesen, Naturwissenschaften, Skeptizismus | Verschlagwortet mit , | 15 Kommentare

Links blinken, rechts abbiegen

Das Thema Propaganda lässt mich nicht los. Die europäischen Kriege, in denen eine nicht dem Territorium Europas zugehörige Macht Hauptakteur ist, zeigen, wie wichtig das Thema ist. In der Diskussion zum letzten Artikel kam zur Sprache, wie eng Kriege und Klimakrise miteinander verwoben sind. Fangen wir mit dem Klima an.

Der gute Wille ist da

Aus dem Freundeskreis erhalte ich die gut gemeinte Aufforderung, ich möge mich gegen den Klimawandel zusammen mit anderen mächtig ins Zeug legen. Die Anregung dazu gab ein TED-Vortrag von Johan Rockström

Der erste und größte Teil dieses Vortrages bringt Variationen über einen allgemein bekannten Sachverhalt, den Friedrich Engels in diese prägnanten Worte gefasst hat:

Schmeicheln wir uns indes nicht zu sehr mit unseren menschlichen Siegen über die Natur. Für jeden solcher Siege rächt sie sich an uns.

Rockström meint, dass das Erdsystem immer größere Rechnungen an die Gesellschaften auf der ganzen Welt schicke: in Form von Dürren, Überschwemmungen, Hitzewellen. Das fange an, weh zu tun, sowohl in Bezug auf die sozialen Kosten für die Menschen als auch die wirtschaftlichen Kosten.

Das macht uns betroffen und wir wissen auch, was zu tun ist: Wir müssen den Gürtel enger schnallen. Aber keiner nimmt das so richtig ernst und ein „jeder fummelt am Gürtel des Nachbarn herum“ (Norbert Blüm, 1935-2020).

Das Fazit ist, dass sich kaum jemand gegen den Klimawandel ins Zeug legt. Ernst Friedrich Schumachers Parole von 1973 „Small is beautiful“ hat in unserer Gesellschaft keine Chance. Die Fortschrittsapologeten treten ans Mikrofon und erklären uns, dass auch weiterhin wirtschaftliches Wachstum wie gewohnt möglich sei, dank der zu erwartenden Innovationen.

Overshoot

So scheint auch Johan Rockström zu denken. Er verweist auf das Unvermeidliche, nämlich, dass wir die auf der UN-Klimakonferenz in Paris 2015 vereinbarte Schranke für den Temperaturanstieg nicht einhalten können. Aber er macht Hoffnung: Nach einem vorübergehenden leichten Überschießen des globalen Temperaturanstiegs könnten wir das 1,5 Grad Ziel doch noch erreichen.

Overshoot

Dem aufmerksamen Konsumenten des TED-Videos wird nicht entgehen, dass der „optimistische Realist“ Rockström, was die Rettung der Erde angeht, einen ungedeckten Wechsel präsentiert. Er spricht von CO2-Absorption und meint damit vermutlich eine Technik, die unter Carbon-Capture firmiert. Rockström demonstriert das anhand einer Grafik, die ab Minute 13:10 unter dem Titel „Overshoot“ erscheint.

Weiterlesen
Veröffentlicht unter Humanismus, Prognosen | 2 Kommentare