Statistiken sind eine außerordentlich ergiebige Quelle für Reinfälle und Irrtümer. Nicht zufällig heißt ein Best- und Longseller auf diesem Gebiet „How to Lie with Statistics“ (Darrell Huff, 1954). Einige der notorischen Denkfallen habe ich in diesem Hoppla!-Blog bereits aufgespießt:
- Weitreichende Schlussfolgerungen aus zu kleinen Stichproben: Size matters
 - Deutlich aber zu klein: Astrologie funktioniert!
 - Stellvertreterstatistiken: Ein X für ein U
 - Fragwürdige Rankings: Evaluitis: Hochschulranking
 - Täuschung durch Datenaggregation: Statistik und Kausalität
 - Missdeutung von Zusammenhängen als Kausalität
 - Fehlender Maßstab oder falsche Bezugsgröße: Corona-Impfung: Risikoreduktion relativ und absolut
 - Proben mit Stich: Wie „farbtreu“ sind Umfrageergebnisse?
 
Zu den „Proben mit Stich“ zählen für mich die TED-Umfragen. Bisher habe ich diese als sinnleere und harmlose Spielereien abgetan. Erst ein Leserbrief in der Fuldaer Zeitung hat mich aufgeschreckt: TED-Umfragen sind ein Übel der Kommunikationskultur.
Leserbrief zu einer TED-Umfrage
Unter der Überschrift Einladung zur Meinungsmache (Fuldaer Zeitung, 18.1.2022, S. 6) schreiben Kornelia und Iris Eibeck aus Gersfeld zur Frage des Tages „Haben Sie Verständnis für die wachsende Zahl an Demonstranten“ (FZ, 11.1,2022, S. 4):
Auf den ersten Blick gibt das Ergebnis vor, dass 67 Prozent der Teilnehmer Verständnis für die wachsende Zahl an Demonstranten haben. Erst unterhalb der prozentualen Auswertung wird im Kleingedruckten ausgewiesen, dass nur 2944 Personen überhaupt teilgenommen haben und dass es sich um eine nicht repräsentative Umfrage handelt. Uns graust davor, dass Menschen dieses Umfrageergebnis kritiklos übernehmen – und weitergeben. In einer Zeit von Verschwörungstheorien und Fake News sollten ernste Themen nicht in Umfragen mit unklarer Datenerhebung münden.
Der Fuldaer Zeitung gegenüber unterstütze ich diesen Leserbrief nachdrücklich: Diese TED-Umfragen verfestigen Irrationalismen und Spaltungstendenzen. Sie verstoßen gegen grundlegende Regeln des statistischen Schließens. Die erste Voraussetzung besagt, dass die Grundgesamtheit – also die Population, über die etwas ausgesagt werden soll – klar definiert sein muss. Und die zweite Forderung ist, dass das Ziehen einer Stichprobe aus dieser Grundgesamtheit nach dem Zufallsprinzip zu erfolgen hat. Selbstrekrutierte Stichproben wie bei TED erfüllen diese Forderungen ganz gewiss nicht.
Der Ressortleiter Politik/Nachrichten der Fuldaer Zeitung gibt mir im Grunde recht: Die „Frage des Tages“ sei nicht repräsentativ und folge nicht den Regeln der wissenschaftlichen Statistik. Das sei aber auch gar nicht das Ziel dieser Aktion. Man wolle mit der „Frage des Tages“ nur ein Stimmungsbild der Leserschaft zu aktuellen Themen erzeugen. Die Leser bestätigten immer wieder, dass sie sehr wohl wüssten, wie sie die Ergebnisse zu lesen haben; und es gebe sicher auch weniger aufgeklärte Leser, die aus den Ergebnissen unerwünschte Schlüsse zögen. Die „Frage des Tages“ sei bei der Mehrheit der Leser beliebt – und aus Sicht der Redaktion auch ein Instrument zur Leserbindung. Weiterlesen
			